ࡱ>  ik^_`abcdefgh5@0bjbj22 6 XXwJJJJJJJd#FFF8FFld#0PHPH4HHH_I_I_I$"Rthɔ!J_I_I_I_I_IɔJJHH_I JHJH_IJJHDH p鶂FiI600ܘyܘ^R JJJJܘJ _I_I_I_I_I_I_Iɔɔd#d#yd#d#Franz Kafka Amerika Der Heizer Als der sechzehnjhrige Karl Romann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmdchen verfhrt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon lngst beobachtete Statue der Freiheitsgttin wie in einem pltzlich strker gewordenen Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor, und um ihre Gestalt wehten die freien Lfte. So hoch! sagte er sich und wurde, wie er so gar nicht an das Weggehen dachte, von der immer mehr anschwellenden Menge der Gepcktrger, die an ihm vorberzogen, allmhlich bis an das Bordgelnder geschoben. Ein junger Mann, mit dem er whrend der Fahrt flchtig bekannt geworden war, sagte im Vorbergehen: Ja, haben Sie denn noch keine Lust, auszusteigen? Ich bin doch fertig, sagte Karl, ihn anlachend, und hob aus bermut, und weil er ein starker Junge war, seinen Koffer auf die Achsel. Aber wie er ber seinen Bekannten hinsah, der ein wenig seinen Stock schwenkend sich schon mit den andern entfernte, merkte er bestrzt, da er seinen eigenen Regenschirm unten im Schiff vergessen hatte. Er bat schnell den Bekannten, der nicht sehr beglckt schien, um die Freundlichkeit, bei seinem Koffer einen Augenblick zu warten, berblickte noch die Situation, um sich bei der Rckkehr zurechtzufinden, und eilte davon. Unten fand er zu seinem Bedauern einen Gang, der seinen Weg sehr verkrzt htte, zum erstenmal versperrt, was wahrscheinlich mit der Ausschiffung smtlicher Passagiere zusammenhing, und mute Treppen, die einander immer wieder folgten, durch fortwhrend abbiegende Korridore, durch ein leeres Zimmer mit einem verlassenen Schreibtisch mhselig suchen, bis er sich tatschlich, da er diesen Weg nur ein- oder zweimal und immer in grerer Gesellschaft gegangen war, ganz und gar verirrt hatte. In seiner Ratlosigkeit und da er keinen Menschen traf und nur immerfort ber sich das Scharren der tausend Menschenfe hrte und von der Ferne, wie einen Hauch, das letzte Arbeiten der schon eingestellten Maschinen merkte, fing er, ohne zu berlegen, an eine beliebige kleine Tr zu schlagen an, bei der er in seinem Herumirren stockte. Es ist ja offen, rief es von innen, und Karl ffnete mit ehrlichem Aufatmen die Tr. Warum schlagen Sie so verrckt auf die Tr? fragte ein riesiger Mann, kaum da er nach Karl hinsah. Durch irgendeine Oberlichtluke fiel ein trbes, oben im Schiff lngst abgebrauchtes Licht in die klgliche Kabine, in welcher ein Bett, ein Schrank, ein Sessel und der Mann knapp nebeneinander, wie eingelagert, standen. Ich habe mich verirrt, sagte Karl, Ich habe es whrend der Fahrt gar nicht so bemerkt, aber es ist ein schrecklich groes Schiff. Ja, da haben Sie recht, sagte der Mann mit einigem Stolz und hrte nicht auf, an dem Schlo eines kleinen Koffers zu hantieren, den er mit beiden Hnden immer wieder zudrckte, um das Einschnappen des Riegels zu behorchen. Aber kommen Sie doch herein! sagte der Mann weiter, Sie werden doch nicht drauen stehn! Stre ich nicht? fragte Karl. Ach, wie werden Sie denn stren! Sind Sie ein Deutscher? suchte sich Karl noch zu versichern, da er viel von den Gefahren gehrt hatte, welche besonders von Irlndern den Neuankmmlingen in Amerika drohen. Bin ich, bin ich, sagte der Mann. Karl zgerte noch. Da fate unversehens der Mann die Trklinke und schob mit der Tre, die er rasch schlo, Karl zu sich herein. Ich kann es nicht leiden, wenn man mir vom Gang hereinschaut, sagte der Mann, der wieder an seinem Koffer arbeitete, da luft jeder vorbei und schaut herein, das soll der Zehnte aushalten! Aber der Gang ist doch ganz leer, sagte Karl, der unbehaglich an den Bettpfosten gequetscht dastand. Ja, jetzt, sagte der Mann. Es handelt sich doch um jetzt, dachte Karl, mit dem Mann ist schwer zu reden. Legen Sie sich doch aufs Bett, da haben Sie mehr Platz, sagte der Mann. Karl kroch, so gut es ging, hinein und lachte dabei laut ber den ersten vergeblichen Versuch, sich hinberzuschwingen. Kaum war er aber im Bett, rief er: Gotteswillen, ich habe ja ganz meinen Koffer vergessen! Wo ist er denn? Oben auf dem Deck, ein Bekannter gibt acht auf ihn. Wie heit er nur? Und er zog aus seiner Geheimtasche, die ihm seine Mutter fr die Reise im Rockfutter angelegt hatte, eine Visitkarte. Butterbaum, Franz Butterbaum. Haben Sie den Koffer sehr ntig? Natrlich. Ja, warum haben Sie ihn dann einem fremden Menschen gegeben? Ich habe meinen Regenschirm unten vergessen und bin gelaufen, um ihn zu holen, wollte aber den Koffer nicht mitschleppen. Dann habe ich mich auch hier noch verirrt. Sie sind allein? Ohne Begleitung? Ja, allein. Ich sollte mich vielleicht an diesen Mann halten, ging es Karl durch den Kopf, wo finde ich gleich einen besseren Freund. Und jetzt haben Sie auch noch den Koffer verloren. Vom Regenschirm rede ich gar nicht. Und der Mann setzte sich auf den Sessel, als habe Karls Sache jetzt einiges Interesse fr ihn gewonnen. Ich glaube aber, der Koffer ist noch nicht verloren. Glauben macht selig, sagte der Mann und kratzte sich krftig in seinem dunklen, kurzen, dichten Haar, auf dem Schiff wechseln mit den Hafenpltzen auch die Sitten. In Hamburg htte Ihr Butterbaum den Koffer vielleicht bewacht, hier ist hchstwahrscheinlich von beiden keine Spur mehr. Da mu ich aber doch gleich hinaufschauen, sagte Karl und sah sich um, wie er hinauskommen knnte. Bleiben Sie nur, sagte der Mann und stie ihn mit einer Hand gegen die Brust, geradezu rauh, ins Bett zurck. Warum denn? fragte Karl rgerlich. Weil es keinen Sinn hat, sagte der Mann, in einem kleinen Weilchen gehe ich auch, dann gehen wir zusammen. Entweder ist der Koffer gestohlen, dann ist keine Hilfe, oder der Mann hat ihn stehengelassen, dann werden wir ihn, bis das Schiff ganz entleert ist, desto besser finden. Ebenso auch Ihren Regenschirm. Kennen Sie sich auf dem Schiff aus? fragte Karl mitrauisch, und es schien ihm, als htte der sonst berzeugende Gedanke, da auf dem leeren Schiff seine Sachen am besten zu finden sein wrden, einen verborgenen Haken. Ich bin doch Schiffsheizer, sagte der Mann. Sie sind Schiffsheizer! rief Karl freudig, als berstiege das alle Erwartungen, und sah, den Ellbogen aufgesttzt, den Mann nher an. Gerade vor der Kammer, wo ich mit dem Slowaken geschlafen habe, war eine Luke angebracht, durch die man in den Maschinenraum sehen konnte. Ja, dort habe ich gearbeitet, sagte der Heizer. Ich habe mich immer so fr Technik interessiert, sagte Karl, der in einem bestimmten Gedankengang blieb, und ich wre sicher spter Ingenieur geworden, wenn ich nicht nach Amerika htte fahren mssen. Warum haben Sie denn fahren mssen? Ach was! sagte Karl und warf die ganze Geschichte mit der Hand weg. Dabei sah er lchelnd den Heizer an, als bitte er ihn selbst fr das Nichteingestandene um seine Nachsicht. Es wird schon einen Grund haben, sagte der Heizer, und man wute nicht recht, ob er damit die Erzhlung dieses Grundes fordern oder abwehren wollte. Jetzt knnte ich auch Heizer werden, sagte Karl, meinen Eltern ist es jetzt ganz gleichgltig, was ich werde. Meine Stelle wird frei, sagte der Heizer, gab im Vollbewutsein dessen die Hnde in die Hosentaschen und warf die Beine, die in faltigen, lederartigen, eisengrauen Hosen staken, aufs Bett hin, um sie zu strecken. Karl mute mehr an die Wand rcken. Sie verlassen das Schiff? Jawohl, wir marschieren heute ab. Warum denn? Gefllt es Ihnen nicht? Ja, das sind die Verhltnisse, es entscheidet nicht immer, ob es einem gefllt oder nicht. brigens haben Sie recht, es gefllt mir auch nicht. Sie denken wahrscheinlich nicht ernstlich daran, Heizer zu werden, aber gerade dann kann man es am leichtesten werden. Ich also rate Ihnen entschieden ab. Wenn Sie in Europa studieren wollten, warum wollen Sie es denn hier nicht? Die amerikanischen Universitten sind ja unvergleichbar besser als die europischen. Es ist ja mglich, sagte Karl, aber ich habe ja fast kein Geld zum Studieren. Ich habe zwar von irgend jemandem gelesen, der bei Tag in einem Geschft gearbeitet und in der Nacht studiert hat, bis er Doktor und ich glaube Brgermeister wurde, aber dazu gehrt doch eine groe Ausdauer, nicht? Ich frchte, die fehlt mir. Auerdem war ich kein besonders guter Schler, der Abschied von der Schule ist mir wirklich nicht schwer geworden. Und die Schulen hier sind vielleicht noch strenger. Englisch kann ich fast gar nicht. berhaupt ist man hier gegen Fremde so eingenommen, glaube ich. Haben Sie das auch schon erfahren? Na, dann ist's gut. Dann sind Sie mein Mann. Sehen Sie, wir sind doch auf einem deutschen Schiff, es gehrt der Hamburg-Amerika-Linie, warum sind wir nicht lauter Deutsche hier? Warum ist der Obermaschinist ein Rumne? Er heit Schubal. Das ist doch nicht zu glauben. Und dieser Lumpenhund schindet uns Deutsche auf einem deutschen Schiff! Glauben Sie nicht ihm ging die Luft aus, er fackelte mit der Hand, da ich klage, um zu klagen. Ich wei, da Sie keinen Einflu haben und selbst ein armes Brschchen sind. Aber es ist zu arg! Und er schlug auf den Tisch mehrmals mit der Faust und lie kein Auge von ihr, whrend er schlug. Ich habe doch schon auf so vielen Schiffen gedient und er nannte zwanzig Namen hintereinander, als sei es ein Wort, Karl wurde ganz wirr und habe mich ausgezeichnet, bin belobt worden, war ein Arbeiter nach dem Geschmack meiner Kapitne, sogar auf dem gleichen Handelssegler war ich einige Jahre er erhob sich, als sei das der Hchstpunkt seines Lebens und hier auf diesem Kasten, wo alles nach der Schnur eingerichtet ist, wo kein Witz gefordert wird, hier taug ich nichts, hier stehe ich dem Schubal immer im Wege, bin ein Faulpelz, verdiene hinausgeworfen zu werden und bekomme meinen Lohn aus Gnade. Verstehen Sie das? Ich nicht. Das drfen Sie sich nicht gefallen lassen, sagte Karl aufgeregt. Er hatte fast das Gefhl davon verloren, da er auf dem unsicheren Boden eines Schiffes, an der Kste eines unbekannten Erdteils war, so heimisch war ihm hier auf dem Bett des Heizers zumute. Waren Sie schon beim Kapitn? Haben Sie schon bei ihm Ihr Recht gesucht? Ach gehen Sie, gehen Sie lieber weg. Ich will Sie nicht hier haben. Sie hren nicht zu, was ich sage, und geben mir Ratschlge. Wie soll ich denn zum Kapitn gehen! Und mde setzte sich der Heizer wieder und legte das Gesicht in beide Hnde. Einen besseren Rat kann ich ihm nicht geben, sagte sich Karl. Und er fand berhaupt, da er lieber seinen Koffer htte holen sollen, statt hier Ratschlge zu geben, die doch nur fr dumm gehalten wurden. Als ihm der Vater den Koffer fr immer bergeben hatte, hatte er im Scherz gefragt: Wie lange wirst du ihn haben? und jetzt war dieser treue Koffer vielleicht schon im Ernst verloren. Der einzige Trost war noch, da der Vater von seiner jetzigen Lage kaum erfahren konnte, selbst wenn er nachforschen sollte. Nur da er bis New York mitgekommen war, konnte die Schiffsgesellschaft gerade noch sagen. Leid tat es aber Karl, da er die Sachen im Koffer noch kaum verwendet hatte, trotzdem er es beispielsweise lngst ntig gehabt htte, das Hemd zu wechseln. Da hatte er also am unrichtigen Ort gespart; jetzt, wo er es gerade am Beginn seiner Laufbahn ntig haben wrde, rein gekleidet aufzutreten, wrde er im schmutzigen Hemd erscheinen mssen. Sonst wre der Verlust des Koffers nicht gar so arg gewesen, denn der Anzug, den er anhatte, war sogar besser als jener im Koffer, der eigentlich nur ein Notanzug war, den die Mutter noch knapp vor der Abreise hatte flicken mssen. Jetzt erinnerte er sich auch, da im Koffer noch ein Stck Veroneser Salami war, die ihm die Mutter als Extragabe eingepackt hatte, von der er jedoch nur den kleinsten Teil hatte aufessen knnen, da er whrend der Fahrt ganz ohne Appetit gewesen war und die Suppe, die im Zwischendeck zur Verteilung kam, ihm reichlich gengt hatte. Jetzt htte er aber die Wurst gern bei der Hand gehabt, um sie dem Heizer zu verehren. Denn solche Leute sind leicht gewonnen, wenn man ihnen irgendeine Kleinigkeit zusteckt, das wute Karl von seinem Vater her, welcher durch Zigarrenverteilung alle die niedrigen Angestellten gewann, mit denen er geschftlich zu tun hatte. Jetzt besa Karl an Verschenkbarem nur noch sein Geld, und das wollte er, wenn er schon vielleicht den Koffer verloren haben sollte, vorlufig nicht anrhren. Wieder kehrten seine Gedanken zum Koffer zurck, und er konnte jetzt wirklich nicht einsehen, warum er den Koffer whrend der Fahrt so aufmerksam bewacht hatte, da ihm die Wache fast den Schlaf gekostet hatte, wenn er jetzt diesen gleichen Koffer so leicht sich hatte wegnehmen lassen. Er erinnerte sich an die fnf Nchte, whrend derer er einen kleinen Slowaken, der zwei Schlafstellen links von ihm gelegen war, unausgesetzt im Verdacht gehabt hatte, da er es auf seinen Koffer abgesehen habe. Dieser Slowake hatte nur darauf gelauert, da Karl endlich, von Schwche befallen, fr einen Augenblick einnickte, damit er den Koffer mit einer langen Stange, mit der er immer whrend des Tages spielte oder bte, zu sich hinberziehen knne. Bei Tage sah dieser Slowake unschuldig genug aus, aber kaum war die Nacht gekommen, erhob er sich von Zeit zu Zeit von seinem Lager und sah traurig zu Karls Koffer hinber. Karl konnte dies ganz deutlich erkennen, denn immer hatte hie und da jemand mit der Unruhe des Auswanderers ein Lichtchen angezndet, trotzdem dies nach der Schiffsordnung verboten war, und versuchte, unverstndliche Prospekte der Auswanderungsagenturen zu entziffern. War ein solches Licht in der Nhe, dann konnte Karl ein wenig eindmmern, war es aber in der Ferne oder war dunkel, dann mute er die Augen offenhalten. Diese Anstrengung hatte ihn recht erschpft, und nun war sie vielleicht ganz nutzlos gewesen. Dieser Butterbaum, wenn er ihn einmal irgendwo treffen sollte! In diesem Augenblick ertnten drauen in weiter Ferne in die bisherige vollkommene Ruhe hinein kleine kurze Schlge, wie von Kinderfen, sie kamen nher mit verstrktem Klang, und nun war es ein ruhiger Marsch von Mnnern. Sie gingen offenbar, wie es in dem schmalen Gang natrlich war, in einer Reihe, man hrte Klirren wie von Waffen. Karl, der schon nahe daran gewesen war, sich im Bett zu einem von allen Sorgen um Koffer und Slowaken befreiten Schlafe auszustrecken, schreckte auf und stie den Heizer an, um ihn endlich aufmerksam zu machen, denn der Zug schien mit seiner Spitze die Tr gerade erreicht zu haben. Das ist die Schiffskapelle, sagte der Heizer, die haben oben gespielt und gehen jetzt einpacken. Jetzt ist alles fertig und wir knnen gehen. Kommen Sie! Er fate Karl bei der Hand, nahm noch im letzten Augenblick ein eingerahmtes Muttergottesbild von der Wand ber dem Bett, stopfte es in seine Brusttasche, ergriff seinen Koffer und verlie mit Karl eilig die Kabine. Jetzt gehe ich ins Bro und werde den Herren meine Meinung sagen. Es ist kein Passagier mehr da, man mu keine Rcksicht nehmen. Dieses wiederholte der Heizer verschiedenartig und wollte im Gehen mit Seitwrtsstoen des Fues eine den Weg kreuzende Ratte niedertreten, stie sie aber blo schneller in das Loch hinein, das sie noch rechtzeitig erreicht hatte. Er war berhaupt langsam in seinen Bewegungen, denn wenn er auch lange Beine hatte, so waren sie doch zu schwer. Sie kamen durch eine Abteilung der Kche, wo einige Mdchen in schmutzigen Schrzen sie begossen sie absichtlich Geschirr in groen Bottichen reinigten. Der Heizer rief eine gewisse Line zu sich, legte den Arm um ihre Hfte und fhrte sie, die sich immerzu kokett gegen seinen Arm drckte, ein Stckchen mit. Es gibt jetzt Auszahlung, willst du mitkommen? fragte er. Warum soll ich mich bemhn, bring mir das Geld lieber her, antwortete sie, schlpfte unter seinem Arm durch und lief davon. Wo hast du denn den schnen Knaben aufgegabelt? rief sie noch, wollte aber keine Antwort mehr. Man hrte das Lachen aller Mdchen, die ihre Arbeit unterbrochen hatten. Sie aber gingen weiter und kamen an eine Tr, die oben einen kleinen Vorgiebel hatte, der von kleinen, vergoldeten Karyatiden getragen war. Fr eine Schiffseinrichtung sah das recht verschwenderisch aus. Karl war, wie er merkte, niemals in diese Gegend gekommen, die wahrscheinlich whrend der Fahrt den Passagieren der ersten und zweiten Klasse vorbehalten gewesen war, whrend man jetzt vor der groen Schiffsreinigung die Trennungstren ausgehoben hatte. Sie waren auch tatschlich schon einigen Mnnern begegnet, die Besen an der Schulter trugen und den Heizer gegrt hatten. Karl staunte ber den groen Betrieb, in seinem Zwischendeck hatte er davon freilich wenig erfahren. Lngs der Gnge zogen sich auch Drhte elektrischer Leitungen, und eine kleine Glocke hrte man immerfort. Der Heizer klopfte respektvoll an der Tre an und forderte, als man Herein! rief, Karl mit einer Handbewegung auf, ohne Furcht einzutreten. Dieser trat auch ein, aber blieb an der Tr stehen. Vor den drei Fenstern des Zimmers sah er die Wellen des Meeres, und bei Betrachtung ihrer frhlichen Bewegung schlug ihm das Herz, als htte er nicht fnf lange Tage das Meer ununterbrochen gesehen. Groe Schiffe kreuzten gegenseitig ihre Wege und gaben dem Wellengang nur so weit nach, als es ihre Schwere erlaubte. Wenn man die Augen klein machte, schienen diese Schiffe vor lauter Schwere zu schwanken. Auf ihren Masten trugen sie schmale, aber lange Flaggen, die zwar durch die Fahrt gestrafft wurden, trotzdem aber noch hin und her zappelten. Wahrscheinlich von Kriegsschiffen her erklangen Salutschsse, die Kanonenrohre eines solchen nicht allzuweit vorberfahrenden Schiffes, strahlend mit dem Reflex ihres Stahlmantels, waren wie gehtschelt von der sicheren, glatten und doch nicht waagrechten Fahrt. Die kleinen Schiffchen und Boote konnte man, wenigstens von der Tr aus, nur in der Ferne beobachten, wie sie in Mengen in die ffnungen zwischen den groen Schiffen einliefen. Hinter alledem aber stand New York und sah Karl mit hunderttausend Fenstern seiner Wolkenkratzer an. Ja, in diesem Zimmer wute man, wo man war. An einem runden Tisch saen drei Herren, der eine ein Schiffsoffizier in blauer Schiffsuniform, die zwei anderen, Beamte der Hafenbehrde, in schwarzen amerikanischen Uniformen. Auf dem Tisch lagen, hochaufgeschichtet, verschiedene Dokumente, welche der Offizier zuerst mit der Feder in der Hand berflog, um sie dann den beiden anderen zu reichen, die bald lasen, bald exzerpierten, bald in ihre Aktentaschen einlegten, wenn nicht gerade der eine, der fast ununterbrochen ein kleines Gerusch mit den Zhnen vollfhrte, seinem Kollegen etwas in ein Protokoll diktierte. Am Fenster sa an einem Schreibtisch, den Rcken der Tr zugewendet, ein kleinerer Herr, der mit groen Folianten hantierte, die auf einem starken Bcherbrett in Kopfhhe vor ihm aneinandergereiht waren. Neben ihm stand eine offene, wenigstens auf den ersten Blick leere Kassa. Das zweite Fenster war leer und gab den besten Ausblick. In der Nhe des dritten aber standen zwei Herren in halblautem Gesprch. Der eine lehnte neben dem Fenster, trug auch die Schiffsuniform und spielte mit dem Griff des Degens. Derjenige, mit dem er sprach, war dem Fenster zugewendet und enthllte hie und da durch eine Bewegung einen Teil der Ordensreihe auf der Brust des andern. Er war in Zivil und hatte ein dnnes Bambusstckchen, das, da er beide Hnde an den Hften festhielt, auch wie ein Degen abstand. Karl hatte nicht viel Zeit, alles anzusehen, denn bald trat ein Diener auf sie zu und fragte den Heizer mit einem Blick, als gehre er nicht hierher, was er denn wolle. Der Heizer antwortete, so leise als er gefragt wurde, er wolle mit dem Herrn Oberkassier reden. Der Diener lehnte fr seinen Teil mit einer Handbewegung diese Bitte ab, ging aber dennoch auf den Fuspitzen, dem runden Tisch in groem Bogen ausweichend, zu dem Herrn mit den Folianten. Dieser Herr das sah man deutlich erstarrte geradezu unter den Worten des Dieners, kehrte sich aber endlich nach dem Manne um, der ihn zu sprechen wnschte, und fuchtelte dann, streng abwehrend, gegen den Heizer und der Sicherheit halber auch gegen den Diener hin. Der Diener kehrte darauf zum Heizer zurck und sagte in einem Tone, als vertraue er ihm etwas an: Scheren Sie sich sofort aus dem Zimmer! Der Heizer sah nach dieser Antwort zu Karl hinunter, als sei dieser sein Herz, dem er stumm seinen Jammer klage. Ohne weitere Besinnung machte sich Karl los, lief quer durchs Zimmer, da er sogar leicht an den Sessel des Offiziers streifte, der Diener lief gebeugt mit zum Umfangen bereiten Armen, als jage er ein Ungeziefer, aber Karl war der erste beim Tisch des Oberkassiers, wo er sich festhielt, fr den Fall, da der Diener versuchen sollte, ihn fortzuziehen. Natrlich wurde gleich das Zimmer lebendig. Der Schiffsoffizier am Tisch war aufgesprungen, die Herren von der Hafenbehrde sahen ruhig, aber aufmerksam zu, die beiden Herren am Fenster waren nebeneinandergetreten, der Diener, welcher glaubte, er sei dort, wo schon die hohen Herren Interesse zeigten, nicht mehr am Platze, trat zurck. Der Heizer an der Tre wartete angespannt auf den Augenblick, bis seine Hilfe ntig wrde. Der Oberkassier endlich machte in seinem Lehnsessel eine groe Rechtswendung. Karl kramte aus seiner Geheimtasche, die er den Blicken dieser Leute zu zeigen keine Bedenken hatte, seinen Reisepa hervor, den er statt weiterer Vorstellung geffnet auf den Tisch legte. Der Oberkassier schien diesen Pa fr nebenschlich zu halten, denn er schnappte ihn mit zwei Fingern beiseite, worauf Karl, als sei diese Formalitt zur Zufriedenheit erledigt, den Pa wieder einsteckte. Ich erlaube mir zu sagen, begann er dann, da meiner Meinung nach dem Herrn Heizer Unrecht geschehen ist. Es ist hier ein gewisser Schubal, der ihm aufsitzt. Er selbst hat schon auf vielen Schiffen, die er Ihnen alle nennen kann, zur vollstndigen Zufriedenheit gedient, ist fleiig, meint es mit seiner Arbeit gut, und es ist wirklich nicht einzusehen, warum er gerade auf diesem Schiff, wo doch der Dienst nicht so bermig schwer ist, wie zum Beispiel auf Handelsseglern, schlecht entsprechen sollte. Es kann daher nur Verleumdung sein, die ihn in seinem Vorwrtskommen hindert und ihn um die Anerkennung bringt, die ihm sonst ganz bestimmt nicht fehlen wrde. Ich habe nur das Allgemeine ber diese Sache gesagt, seine besonderen Beschwerden wird er Ihnen selbst vorbringen. Karl hatte sich mit dieser Rede an alle Herren gewendet, weil ja tatschlich auch alle zuhrten und es viel wahrscheinlicher schien, da sich unter allen zusammen ein Gerechter vorfand, als da dieser Gerechte gerade der Oberkassier sein sollte. Aus Schlauheit hatte auerdem Karl verschwiegen, da er den Heizer erst so kurze Zeit kannte. Im brigen htte er noch viel besser gesprochen, wenn er nicht durch das rote Gesicht des Herrn mit dem Bambusstckchen beirrt worden wre, das er von seinem jetzigen Standort zum erstenmal sah. Es ist alles Wort fr Wort richtig, sagte der Heizer, ehe ihn noch jemand gefragt, ja ehe man noch berhaupt auf ihn hingesehen hatte. Diese bereiltheit des Heizers wre ein groer Fehler gewesen, wenn nicht der Herr mit den Orden, der, wie es jetzt Karl aufleuchtete, jedenfalls der Kapitn war, offenbar mit sich bereits bereingekommen wre, den Heizer anzuhren. Er streckte nmlich die Hand aus und rief dem Heizer zu: Kommen Sie her! mit einer Stimme, fest, um mit einem Hammer darauf zu schlagen. Jetzt hing alles vom Benehmen des Heizers ab, denn was die Gerechtigkeit seiner Sache anlangte, an der zweifelte Karl nicht. Glcklicherweise zeigte sich bei dieser Gelegenheit, da der Heizer schon viel in der Welt herumgekommen war. Musterhaft ruhig nahm er aus seinem Kfferchen mit dem ersten Griff ein Bndelchen Papiere sowie ein Notizbuch, ging damit, als verstnde sich das von selbst, unter vollstndiger Vernachlssigung des Oberkassiers, zum Kapitn und breitete auf dem Fensterbrett seine Beweismittel aus. Dem Oberkassier blieb nichts brig, als sich selbst hinzubemhn. Der Mann ist ein bekannter Querulant, sagte er zur Erklrung, er ist mehr in der Kassa als im Maschinenraum. Er hat Schubal, diesen ruhigen Menschen, ganz zur Verzweiflung gebracht. Hren Sie einmal! wandte er sich an den Heizer, Sie treiben Ihre Zudringlichkeit doch schon wirklich zu weit. Wie oft hat man Sie schon aus den Auszahlungsrumen hinausgeworfen, wie Sie es mit Ihren ganz, vollstndig und ausnahmslos unberechtigten Forderungen verdienen! Wie oft sind Sie von dort in die Hauptkassa gelaufen gekommen! Wie oft hat man Ihnen im guten gesagt, da Schubal Ihr unmittelbarer Vorgesetzter ist, mit dem allein Sie sich als ein Untergebener abzufinden haben! Und jetzt kommen Sie gar noch her, wenn der Herr Kapitn da ist, schmen sich nicht, sogar ihn zu belstigen, sondern entblden sich nicht einmal, als eingelernten Stimmfhrer Ihrer abgeschmackten Beschuldigungen diesen Kleinen mitzubringen, den ich berhaupt zum erstenmal auf dem Schiffe sehe! Karl hielt sich mit Gewalt zurck, vorzuspringen. Aber schon war auch der Kapitn da, welcher sagte: Hren wir den Mann doch einmal an. Der Schubal wird mir sowieso mit der Zeit viel zu selbstndig, womit ich aber nichts zu Ihren Gunsten gesagt haben will. Das letztere galt dem Heizer, es war nur natrlich, da er sich nicht sofort fr ihn einsetzen konnte, aber alles schien auf dem richtigen Wege. Der Heizer begann seine Erklrungen und berwand sich gleich am Anfang, indem er Schubal mit Herr titulierte. Wie freute sich Karl am verlassenen Schreibtisch des Oberkassiers, wo er eine Briefwaage immer wieder niederdrckte vor lauter Vergngen. Herr Schubal ist ungerecht! Herr Schubal bevorzugt die Auslnder! Herr Schubal verwies den Heizer aus dem Maschinenraum und lie ihn Klosette reinigen, was doch gewi nicht des Heizers Sache war! Einmal wurde sogar die Tchtigkeit des Herrn Schubal angezweifelt, die eher scheinbar als wirklich vorhanden sein sollte. Bei dieser Stelle starrte Karl mit aller Kraft den Kapitn an, zutunlich, als sei er sein Kollege, nur damit er sich durch die etwas ungeschickte Ausdrucksweise des Heizers nicht zu dessen Ungunsten beeinflussen lasse. Immerhin erfuhr man aus den vielen Reden nichts Eigentliches, und wenn auch der Kapitn noch immer vor sich hinsah, in den Augen die Entschlossenheit, den Heizer diesmal bis zu Ende anzuhren, so wurden doch die anderen Herren ungeduldig, und die Stimme des Heizers regierte bald nicht mehr unumschrnkt in dem Raume, was manches befrchten lie. Als erster setzte der Herr in Zivil sein Bambusstckchen in Ttigkeit und klopfte, wenn auch nur leise, auf das Parkett. Die anderen Herren sahen natrlich hie und da hin, die Herren von der Hafenbehrde, die offenbar pressiert waren, griffen wieder zu den Akten und begannen, wenn auch noch etwas geistesabwesend, sie durchzusehen, der Schiffsoffizier rckte seinen Tisch wieder nher, und der Oberkassier, der gewonnenes Spiel zu haben glaubte, seufzte aus Ironie tief auf. Von der allgemein eintretenden Zerstreuung schien nur der Diener bewahrt, der von den Leiden des unter die Groen gestellten armen Mannes einen Teil mitfhlte und Karl ernst zunickte, als wolle er damit etwas erklren. Inzwischen ging vor den Fenstern das Hafenleben weiter, ein flaches Lastschiff mit einem Berg von Fssern, die wunderbar verstaut sein muten, da sie nicht ins Rollen kamen, zog vorber und erzeugte in dem Zimmer fast Dunkelheit; kleine Motorboote, die Karl jetzt, wenn er Zeit gehabt htte, genau htte ansehen knnen, rauschten nach den Zuckungen der Hnde eines am Steuer aufrecht stehenden Mannes schnurgerade dahin! Eigentmliche Schwimmkrper tauchten hie und da selbstndig aus dem ruhelosen Wasser, wurden gleich wieder berschwemmt und versanken vor dem erstaunten Blick; Boote der Ozeandampfer wurden von hei arbeitenden Matrosen vorwrtsgerudert und waren voll von Passagieren, die darin, so wie man sie hineingezwngt hatte, still und erwartungsvoll saen, wenn es auch manche nicht unterlassen konnten, die Kpfe nach den wechselnden Szenerien zu drehen. Eine Bewegung ohne Ende, eine Unruhe, bertragen von dem unruhigen Element auf die hilflosen Menschen und ihre Werke! Aber alles mahnte zur Eile, zur Deutlichkeit, zu ganz genauer Darstellung; aber was tat der Heizer? Er redete sich allerdings in Schwei, die Papiere auf dem Fenster konnte er lngst mit seinen zitternden Hnden nicht mehr halten; aus allen Himmelsrichtungen strmten ihm Klagen ber Schubal zu, von denen seiner Meinung nach jede einzelne gengt htte, diesen Schubal vollstndig zu begraben, aber was er dem Kapitn vorzeigen konnte, war nur ein trauriges Durcheinanderstrudeln aller insgesamt. Lngst schon pfiff der Herr mit dem Bambusstckchen schwach zur Decke hinauf, die Herren von der Hafenbehrde hielten schon den Offizier an ihrem Tisch und machten keine Miene, ihn je wieder loszulassen, der Oberkassier wurde sichtlich nur durch die Ruhe des Kapitns vor dem Dreinfahren zurckgehalten, der Diener erwartete in Habachtstellung jeden Augenblick einen auf den Heizer bezglichen Befehl seines Kapitns. Da konnte Karl nicht mehr unttig bleiben. Er ging also langsam zu der Gruppe hin und berlegte im Gehen nur desto schneller, wie er die Sache mglichst geschickt angreifen knnte. Es war wirklich hchste Zeit, noch ein kleines Weilchen nur, und sie konnten ganz gut beide aus dem Bro fliegen. Der Kapitn mochte ja ein guter Mann sein und berdies gerade jetzt, wie es Karl schien, irgendeinen besonderen Grund haben, sich als gerechter Vorgesetzter zu zeigen, aber schlielich war er kein Instrument, das man in Grund und Boden spielen konnte und gerade so behandelte ihn der Heizer, allerdings aus seinem grenzenlos emprten Innern heraus. Karl sagte also zum Heizer: Sie mssen das einfacher erzhlen, klarer, der Herr Kapitn kann es nicht wrdigen, so wie Sie es ihm erzhlen. Kennt er denn alle Maschinisten und Laufburschen beim Namen oder gar beim Taufnamen, da er, wenn Sie nur einen solchen Namen aussprechen, gleich wissen kann, um wen es sich handelt? Ordnen Sie doch Ihre Beschwerden, sagen Sie die wichtigste zuerst und absteigend die anderen, vielleicht wird es dann berhaupt nicht mehr ntig sein, die meisten auch nur zu erwhnen. Mir haben Sie es doch immer so klar dargestellt! Wenn man in Amerika Koffer stehlen kann, kann man auch hie und da lgen, dachte er zur Entschuldigung. Wenn es aber nur geholfen htte! Ob es nicht auch schon zu spt war? Der Heizer unterbrach sich zwar sofort, als er die bekannte Stimme hrte, aber mit seinen Augen, die ganz von Trnen der beleidigten Mannesehre, der schrecklichen Erinnerungen, der uersten gegenwrtigen Not verdeckt waren, konnte er Karl schon nicht einmal mehr gut erkennen. Wie sollte er auch jetzt Karl sah das schweigend vor dem jetzt Schweigenden wohl ein, wie sollte er auch jetzt pltzlich seine Redeweise ndern, da es ihm doch schien, als htte er alles, was zu sagen war, ohne die geringste Anerkennung schon vorgebracht und als habe er andererseits noch gar nichts gesagt und knne doch den Herren jetzt nicht zumuten, noch alles anzuhren. Und in einem solchen Zeitpunkt kommt noch Karl, sein einziger Anhnger, daher, will ihm gute Lehren geben, zeigt ihm aber statt dessen, da alles, alles verloren ist. Wre ich frher gekommen, statt aus dem Fenster zu schauen! sagte sich Karl, senkte vor dem Heizer das Gesicht und schlug die Hnde an die Hosennaht, zum Zeichen des Endes jeder Hoffnung. Aber der Heizer miverstand das, witterte wohl in Karl irgendwelche geheimen Vorwrfe gegen sich, und in der guten Absicht, sie ihm auszureden, fing er zur Krnung seiner Taten mit Karl jetzt zu streiten an. Jetzt, wo doch die Herren am runden Tisch lngst emprt ber den nutzlosen Lrm waren, der ihre wichtigen Arbeiten strte, wo der Hauptkassier allmhlich die Geduld des Kapitns unverstndlich fand und zum sofortigen Ausbruch neigte, wo der Diener, ganz wieder in der Sphre seiner Herren, den Heizer mit wildem Blicke ma, und wo endlich der Herr mit dem Bambusstckchen, zu welchem sogar der Kapitn hie und da freundlich hinbersah, schon gnzlich abgestumpft gegen den Heizer, ja von ihm angewidert, ein kleines Notizbuch hervorzog und, offenbar mit ganz anderen Angelegenheiten beschftigt, die Augen zwischen dem Notizbuch und Karl hin und her wandern lie. Ich wei ja, sagte Karl, der Mhe hatte, den jetzt gegen ihn gekehrten Schwall des Heizers abzuwehren, trotzdem aber quer durch allen Streit noch ein Freundeslcheln fr ihn brig hatte, Sie haben recht, recht, ich habe ja nie daran gezweifelt. Er htte ihm gern aus Furcht vor Schlgen die herumfahrenden Hnde gehalten, noch lieber allerdings ihn in einen Winkel gedrngt, um ihm ein paar leise, beruhigende Worte zuzuflstern, die niemand sonst htte hren mssen. Aber der Heizer war auer Rand und Band. Karl begann jetzt schon sogar aus dem Gedanken eine Art Trost zu schpfen, da der Heizer im Notfall mit der Kraft seiner Verzweiflung alle anwesenden sieben Mnner bezwingen knne. Allerdings lag auf dem Schreibtisch, wie ein Blick dorthin lehrte, ein Aufsatz mit viel zu vielen Druckknpfen der elektrischen Leitung; und eine Hand, einfach auf sie niedergedrckt, konnte das ganze Schiff mit allen seinen von feindlichen Menschen gefllten Gngen rebellisch machen. Da trat der doch so uninteressierte Herr mit dem Bambusstckchen auf Karl zu und fragte, nicht berlaut, aber deutlich ber allem Geschrei des Heizers: Wie heien Sie denn eigentlich? In diesem Augenblick, als htte jemand hinter der Tr auf diese uerung des Herrn gewartet, klopfte es. Der Diener sah zum Kapitn hinber, dieser nickte. Daher ging der Diener zur Tr und ffnete sie. Drauen stand in einem alten Kaiserrock ein Mann von mittleren Proportionen, seinem Ansehen nach nicht eigentlich zur Arbeit an den Maschinen geeignet, und war doch Schubal. Wenn es Karl nicht an aller Augen erkannt htte, die eine gewisse Befriedigung ausdrckten, von der nicht einmal der Kapitn frei war, er htte es zu seinem Schrecken am Heizer sehen mssen, der die Fuste an den gestrafften Armen so ballte, als sei diese Ballung das Wichtigste an ihm, dem er alles, was er an Leben habe, zu opfern bereit sei. Da steckte jetzt alle seine Kraft, auch die, welche ihn berhaupt aufrecht erhielt. Und da war also der Feind, frei und frisch im Festanzug, unter dem Arm ein Geschftsbuch, wahrscheinlich die Lohnlisten und Arbeitsausweise des Heizers, und sah mit dem ungescheuten Zugestndnis, da er die Stimmung jedes einzelnen vor allem feststellen wolle, in aller Augen der Reihe nach. Die sieben waren auch schon alle seine Freunde, denn wenn auch der Kapitn frher gewisse Einwnde gegen ihn gehabt oder vielleicht nur vorgeschtzt hatte, nach dem Leid, das ihm der Heizer angetan hatte, schien ihm wahrscheinlich an Schubal auch das geringste nicht mehr auszusetzen. Gegen einen Mann wie den Heizer konnte man nicht streng genug verfahren, und wenn dem Schubal etwas vorzuwerfen war, so war es der Umstand, da er die Widerspenstigkeit des Heizers im Laufe der Zeit nicht so weit hatte brechen knnen, da es dieser heute noch gewagt hatte, vor dem Kapitn zu erscheinen. Nun konnte man ja vielleicht noch annehmen, die Gegenberstellung des Heizers und Schubals werde die ihr vor einem hheren Forum zukommende Wirkung auch vor den Menschen nicht verfehlen, denn wenn sich auch Schubal gut verstellen konnte, er mute es doch durchaus nicht bis zum Ende aushalten knnen. Ein kurzes Aufblitzen seiner Schlechtigkeit sollte gengen, um sie den Herren sichtbar zu machen, dafr wollte Karl schon sorgen. Er kannte doch schon beilufig den Scharfsinn, die Schwchen, die Launen der einzelnen Herren, und unter diesem Gesichtspunkt war die bisher hier verbrachte Zeit nicht verloren. Wenn nur der Heizer besser auf dem Platz gewesen wre, aber der schien vollstndig kampfunfhig. Wenn man ihm den Schubal hingehalten htte, htte er wohl dessen gehaten Schdel mit den Fusten aufklopfen knnen. Aber schon die paar Schritte zu ihm hinzugehen, war er wohl kaum imstande. Warum hatte denn Karl das so leicht Vorauszusehende nicht vorausgesehen, da Schubal endlich kommen msse, wenn nicht aus eigenem Antrieb, so vom Kapitn gerufen? Warum hatte er auf dem Herweg mit dem Heizer nicht einen genauen Kriegsplan besprochen, statt, wie sie es in Wirklichkeit getan hatten, heillos unvorbereitet einfach dort einzutreten, wo eine Tr war? Konnte der Heizer berhaupt noch reden, ja und nein sagen, wie es bei dem Kreuzverhr, das allerdings nur im gnstigsten Fall bevorstand, ntig sein wrde? Er stand da, die Beine auseinandergestellt, die Knie unsicher, den Kopf etwas gehoben, und die Luft verkehrte durch den offenen Mund, als gbe es innen keine Lungen mehr, die sie verarbeiteten. Karl allerdings fhlte sich so krftig und bei Verstand, wie er es vielleicht zu Hause niemals gewesen war. Wenn ihn doch seine Eltern sehen knnten, wie er in fremdem Land vor angesehenen Persnlichkeiten das Gute verfocht und, wenn er es auch noch nicht zum Siege gebracht hatte, so doch zur letzten Eroberung sich vollkommen bereitstellte! Wrden sie ihre Meinung ber ihn revidieren? Ihn zwischen sich niedersetzen und loben? Ihm einmal, einmal in die ihnen so ergebenen Augen sehn? Unsichere Fragen und ungeeignetster Augenblick, sie zu stellen! Ich komme, weil ich glaube, da mich der Heizer irgendwelcher Unredlichkeiten beschuldigt. Ein Mdchen aus der Kche sagte mir, sie htte ihn auf dem Wege hierher gesehen. Herr Kapitn und Sie alle meine Herren, ich bin bereit, jede Beschuldigung an der Hand meiner Schriften, ntigenfalls durch Aussagen unvoreingenommener und unbeeinfluter Zeugen, die vor der Tre stehen, zu widerlegen. So sprach Schubal. Das war allerdings die klare Rede eines Mannes, und nach der Vernderung in den Mienen der Zuhrer htte man glauben knnen, sie hrten zum erstenmal nach langer Zeit wieder menschliche Laute. Sie bemerkten freilich nicht, da selbst diese schne Rede Lcher hatte. Warum war das erste sachliche Wort, das ihm einfiel, Unredlichkeiten? Htte vielleicht die Beschuldigung hier einsetzen mssen, statt bei seinen nationalen Voreingenommenheiten? Ein Mdchen aus der Kche hatte den Heizer auf dem Weg ins Bro gesehen, und Schubal hatte sofort begriffen? War es nicht das Schuldbewutsein, das ihm den Verstand schrfte? Und Zeugen hatte er gleich mitgebracht und nannte sie noch auerdem unvoreingenommen und unbeeinflut? Gaunerei, nichts als Gaunerei! Und die Herren duldeten das und anerkannten es noch als richtiges Benehmen? Warum hatte er zweifellos sehr viel Zeit zwischen der Meldung des Kchenmdchens und seiner Ankunft hier verstreichen lassen? Doch zu keinem anderen Zwecke, als damit der Heizer die Herren so ermde, da sie allmhlich ihre klare Urteilskraft verlren, welche Schubal vor allem zu frchten hatte. Hatte er, der sicher schon lange hinter der Tr gestanden, nicht erst im Augenblick geklopft, als er infolge der nebenschlichen Frage jenes Herrn hoffen durfte, der Heizer sei erledigt? Alles war klar und wurde ja auch von Schubal wider Willen so dargeboten, aber den Herren mute man es anders, noch handgreiflicher zeigen. Sie brauchen Aufrttelung. Also, Karl, rasch, ntze wenigstens die Zeit aus, ehe die Zeugen auftreten und alles berschwemmen! Eben aber winkte der Kapitn dem Schubal ab, der daraufhin sofort denn seine Angelegenheit schien fr ein Weilchen aufgeschoben zu sein beiseitetrat und mit dem Diener, der sich ihm gleich angeschlossen hatte, eine leise Unterhaltung begann, bei der es an Seitenblicken nach dem Heizer und Karl sowie an den berzeugtesten Handbewegungen nicht fehlte. Schubal schien so seine nchste Rede einzuben. Wollten Sie nicht den jungen Menschen etwas fragen, Herr Jakob? sagte der Kapitn unter allgemeiner Stille zu dem Herrn mit dem Bambusstckchen. Allerdings, sagte dieser, mit einer kleinen Neigung fr die Aufmerksamkeit dankend. Und fragte dann Karl nochmals: Wie heien Sie eigentlich?" Karl, welcher glaubte, es sei im Interesse der groen Hauptsache gelegen, wenn dieser Zwischenfall des hartnckigen Fragers bald erledigt wrde, antwortete kurz, ohne, wie es seine Gewohnheit war, durch Vorweisung des Passes sich vorzustellen, den er erst htte suchen mssen: Karl Romann. Aber, sagte der mit Jakob Angesprochene und trat zuerst fast unglubig lchelnd zurck. Auch der Kapitn, der Oberkassier, der Schiffsoffizier, ja sogar der Diener zeigten deutlich ein bermiges Erstaunen wegen Karls Namen. Nur die Herren von der Hafenbehrde und Schubal verhielten sich gleichmtig. Aber, wiederholte Herr Jakob und trat mit etwas steifen Schritten auf Karl zu, dann bin ich ja dein Onkel Jakob, und du bist mein lieber Neffe. Ahnte ich es doch die ganze Zeit ber! sagte er zum Kapitn hin, ehe er Karl umarmte und kte, der alles stumm geschehen lie. Wie heien Sie? fragte Karl, nachdem er sich losgelassen fhlte, zwar sehr hflich, aber gnzlich ungerhrt, und strengte sich an, die Folgen abzusehen, welche dieses neue Ereignis fr den Heizer haben drfte. Vorlufig deutete nichts darauf hin, da Schubal aus dieser Sache Nutzen ziehen knnte. Begreifen Sie doch, junger Mann, Ihr Glck, sagte der Kapitn, der durch Karls Frage die Wrde der Person des Herrn Jakob verletzt glaubte, der sich zum Fenster gestellt hatte, offenbar, um sein aufgeregtes Gesicht, das er berdies mit einem Taschentuch betupfte, den andern nicht zeigen zu mssen. Es ist der Senator Edward Jakob, der sich Ihnen als Ihr Onkel zu erkennen gegeben hat. Es erwartet Sie nunmehr, doch wohl ganz gegen Ihre bisherigen Erwartungen, eine glnzende Laufbahn. Versuchen Sie das einzusehen, so gut es im Augenblick geht, und fassen Sie sich! Ich habe allerdings einen Onkel Jakob in Amerika, sagte Karl zum Kapitn gewendet, aber wenn ich recht verstanden habe, ist Jakob blo der Zuname des Herrn Senators. So ist es, sagte der Kapitn wrdevoll. Nun, mein Onkel Jakob, welcher der Bruder meiner Mutter ist, heit aber mit dem Taufnamen Jakob, whrend sein Zuname natrlich gleich jenem meiner Mutter lauten mte, welche eine geborene Bendelmayer ist. Meine Herren! rief der Senator, der von seinem Erholungsposten vom Fenster munter zurckkehrte, mit Bezug auf Karls Erklrung aus. Alle mit Ausnahme des Hafenbeamten brachen in Lachen aus, manche wie in Rhrung, manche undurchdringlich. So lcherlich war das, was ich gesagt habe, doch keineswegs dachte Karl. Meine Herren, wiederholte der Senator, Sie nehmen gegen meinen und gegen Ihren Willen an einer kleinen Familienszene teil, und ich kann deshalb nicht umhin, Ihnen eine Erluterung zu geben, da, wie ich glaube, nur der Herr Kapitn diese Erwhnung hatte eine gegenseitige Verbeugung zur Folge vollstndig unterrichtet ist. Jetzt mu ich aber wirklich auf jedes Wort achtgeben, sagte sich Karl und freute sich, als er bei einem Seitwrtsschauen bemerkte, da in die Figur des Heizers das Leben zurckzukehren begann. Ich lebe seit allen den langen Jahren meines amerikanischen Aufenthaltes das Wort Aufenthalt pat hier allerdings schlecht fr den amerikanischen Brger, der ich mit ganzer Seele bin, seit allen den langen Jahren lebe ich also von meinen europischen Verwandten vollstndig getrennt, aus Grnden, die erstens nicht hierhergehren und die zweitens zu erzhlen mich wirklich zu sehr hernehmen wrde. Ich frchte mich sogar vor dem Augenblick, wo ich vielleicht gezwungen sein werde, sie meinem lieben Neffen zu erzhlen, wobei sich leider ein offenes Wort ber seine Eltern und ihren Anhang nicht vermeiden lassen wird. Er ist mein Onkel, kein Zweifel, sagte sich Karl und lauschte, wahrscheinlich hat er seinen Namen ndern lassen. Mein lieber Neffe ist nun von seinen Eltern sagen wir nur das Wort, das die Sache auch wirklich bezeichnet einfach beiseitegeschafft worden, wie man eine Katze vor die Tr wirft, wenn sie rgert. Ich will durchaus nicht beschnigen, was mein Neffe gemacht hat, da er so gestraft wurde, aber sein Verschulden ist ein solches, da sein einfaches Nennen schon genug Entschuldigung enthlt. Das lt sich hren, dachte Karl, aber ich will nicht, da er alles erzhlt. brigens kann er es ja auch nicht wissen. Woher denn? Er wurde nmlich, fuhr der Onkel fort und sttzte sich mit kleinen Neigungen auf das vor ihm eingestemmte Bambusstbchen, wodurch es ihm tatschlich gelang, der Sache die unntige Feierlichkeit zu nehmen, die sie sonst unbedingt gehabt htte, er wurde nmlich von einem Dienstmdchen, Johanna Brummer, einer etwa fnfunddreiigjhrigen Person, verfhrt. Ich will mit dem Worte verfhrt meinen Neffen durchaus nicht krnken, aber es ist doch schwer, ein anderes, gleich passendes Wort zu finden. Karl, der schon ziemlich nahe zum Onkel getreten war, drehte sich um, um den Eindruck der Erzhlung von den Gesichtern der Anwesenden abzulesen. Keiner lachte, alle hrten geduldig und ernsthaft zu. Schlielich lacht man auch nicht ber den Neffen eines Senators bei der ersten Gelegenheit, die sich darbietet. Eher htte man schon sagen knnen, da der Heizer, wenn auch nur ganz wenig, Karl anlchelte, was aber erstens als neues Lebenszeichen erfreulich und zweitens entschuldbar war, da ja Karl in der Kabine aus dieser Sache, die jetzt so publik wurde, ein besonderes Geheimnis hatte machen wollen. Nun hat diese Brummer, setzte der Onkel fort, von meinem Neffen ein Kind bekommen, einen gesunden Jungen, welcher in der Taufe den Namen Jakob erhielt, zweifellos in Gedanken an meine Wenigkeit, welche, selbst in den sicher nur ganz nebenschlichen Erwhnungen meines Neffen, auf das Mdchen einen groen Eindruck gemacht haben mu. Glcklicherweise, sage ich. Denn da die Eltern zur Vermeidung der Alimentenzahlung oder sonstigen bis an sie selbst heranreichenden Skandals ich kenne, wie ich betonen mu, weder die dortigen Gesetze noch die sonstigen Verhltnisse der Eltern, da sie also zur Vermeidung der Alimentenzahlung und des Skandals ihren Sohn, meinen lieben Neffen, nach Amerika haben transportieren lassen, mit unverantwortlich ungengender Ausrstung, wie man sieht, so wre der Junge, ohne die gerade noch in Amerika lebendigen Zeichen und Wunder, auf sich allein angewiesen, wohl schon gleich in einem Gchen im Hafen von New York verkommen, wenn nicht jenes Dienstmdchen in einem an mich gerichteten Brief, der nach langen Irrfahrten vorgestern in meinen Besitz kam, mir die ganze Geschichte samt Personenbeschreibung meines Neffen und vernnftigerweise auch Namensnennung des Schiffes mitgeteilt htte. Wenn ich es darauf angelegt htte, Sie, meine Herren, zu unterhalten, knnte ich wohl einige Stellen jenes Briefes er zog zwei riesige engbeschriebene Briefbogen aus der Tasche und schwenkte sie hier vorlesen. Er wrde sicher Wirkung machen, da er mit einer etwas einfachen, wenn auch immer gutgemeinten Schlauheit und mit viel Liebe zu dem Vater des Kindes geschrieben ist. Aber ich will weder Sie mehr unterhalten, als es zur Aufklrung ntig ist, noch vielleicht gar zum Empfang mglicherweise noch bestehende Gefhle meines Neffen verletzen, der den Brief, wenn er mag, in der Stille seines ihn schon erwartenden Zimmers zur Belehrung lesen kann. Karl hatte aber keine Gefhle fr jenes Mdchen. Im Gedrnge einer immer mehr zurcktretenden Vergangenheit sa sie in ihrer Kche neben dem Kchenschrank, auf dessen Platte sie ihren Ellbogen sttzte. Sie sah ihn an, wenn er hin und wieder in die Kche kam, um ein Glas zum Wassertrinken fr seinen Vater zu holen oder einen Auftrag seiner Mutter auszurichten. Manchmal schrieb sie in der vertrackten Stellung seitlich vom Kchenschrank einen Brief und holte sich die Eingebungen von Karls Gesicht. Manchmal hielt sie die Augen mit der Hand verdeckt, dann drang keine Anrede zu ihr. Manchmal kniete sie in ihrem engen Zimmerchen neben der Kche und betete zu einem hlzernen Kreuz; Karl beobachtete sie dann nur mit Scheu im Vorbergehen durch die Spalte der ein wenig geffneten Tr. Manchmal jagte sie in der Kche herum und fuhr, wie eine Hexe lachend, zurck, wenn Karl ihr in den Weg kam. Manchmal schlo sie die Kchentre, wenn Karl eingetreten war, und behielt die Klinke so lange in der Hand, bis er wegzugehen verlangte. Manchmal holte sie Sachen, die er gar nicht haben wollte, und drckte sie ihm schweigend in die Hnde. Einmal aber sagte sie Karl und fhrte ihn, der noch ber die unerwartete Ansprache staunte, unter Grimassen seufzend in ihr Zimmerchen, das sie zusperrte. Wrgend umarmte sie seinen Hals, und whrend sie ihn bat, sie zu entkleiden, entkleidete sie in Wirklichkeit ihn und legte ihn in ihr Bett, als wolle sie ihn von jetzt niemandem mehr lassen und ihn streicheln und pflegen bis zum Ende der Welt. Karl, odu mein Karl! rief sie, als she sie ihn und besttigte sich seinen Besitz, whrend er nicht das geringste sah und sich unbehaglich in dem vielen warmen Bettzeug fhlte, das sie eigens fr ihn aufgehuft zu haben schien. Dann legte sie sich auch zu ihm und wollte irgendwelche Geheimnisse von ihm erfahren, aber er konnte ihr keine sagen, und sie rgerte sich im Scherz oder Ernst, schttelte ihn, horchte sein Herz ab, bot ihre Brust zum gleichen Abhorchen hin, wozu sie Karl aber nicht bringen konnte, drckte ihren nackten Bauch an seinen Leib, suchte mit der Hand, so widerlich, da Karl Kopf und Hals aus den Kissen herausschttelte, zwischen seinen Beinen, stie dann den Bauch einige Male gegen ihn ihm war, als sei sie ein Teil seiner Selbst, und vielleicht aus diesem Grunde hatte ihn eine entsetzliche Hilfsbedrftigkeit ergriffen. Weinend kam er endlich nach vielen Wiedersehenswnschen ihrerseits in sein Bett. Das war alles gewesen, und doch verstand es der Onkel, daraus eine groe Geschichte zu machen. Und die Kchin hatte also auch an ihn gedacht und den Onkel von seiner Ankunft verstndigt. Das war schn von ihr gehandelt, und er wrde es ihr wohl noch einmal vergelten. Und jetzt, rief der Senator, will ich von dir offen hren, ob ich dein Onkel bin oder nicht. Du bist mein Onkel, sagte Karl und kte ihm die Hand und wurde dafr auf die Stirne gekt. Ich bin sehr froh, da ich dich getroffen habe, aber du irrst, wenn du glaubst, da meine Eltern nur Schlechtes von dir reden. Aber auch abgesehen davon sind in deiner Rede einige Fehler enthalten gewesen, das heit, ich meine, es hat sich in Wirklichkeit nicht alles so zugetragen. Du kannst aber auch wirklich von hier aus die Dinge nicht so gut beurteilen, und ich glaube auerdem, da es keinen besonderen Schaden bringen wird, wenn die Herren in Einzelheiten einer Sache, an der ihnen doch wirklich nicht viel liegen kann, ein wenig unrichtig informiert worden sind. Wohl gesprochen, sagte der Senator, fhrte Karl vor den sichtlich teilnehmenden Kapitn und fragte: Habe ich nicht einen prchtigen Neffen? Ich bin glcklich, sagte der Kapitn mit einer Verbeugung, wie sie nur militrisch geschulte Leute zustandebringen, Ihren Neffen, Herr Senator, kennengelernt zu haben. Es ist eine besondere Ehre fr mein Schiff, da es den Ort eines solchen Zusammentreffens abgeben konnte. Aber die Fahrt im Zwischendeck war wohl sehr arg, ja, wer kann denn wissen, wer da mitgefhrt wird. Nun, wir tun alles mgliche, den Leuten im Zwischendeck die Fahrt mglichst zu erleichtern, viel mehr zum Beispiel als die amerikanischen Linien, aber eine solche Fahrt zu einem Vergngen zu machen, ist uns allerdings noch immer nicht gelungen. Es hat mir nicht geschadet, sagte Karl. Es hat ihm nicht geschadet! wiederholte laut lachend der Senator. Nur meinen Koffer frchte ich verloren zu und damit erinnerte er sich an alles, was geschehen und was noch zu tun brigblieb, sah sich um und erblickte alle Anwesenden stumm vor Achtung und Staunen auf ihren frheren Pltzen, die Augen auf ihn gerichtet. Nur den Hafenbeamten sah man, soweit ihre strengen, selbstzufriedenen Gesichter einen Einblick gestatteten, das Bedauern an, zu so ungelegener Zeit gekommen zu sein, und die Taschenuhr, die sie jetzt vor sich liegen hatten, war ihnen wahrscheinlich wichtiger als alles, was im Zimmer vorging und vielleicht noch geschehen konnte. Der erste, welcher nach dem Kapitn seine Anteilnahme ausdrckte, war merkwrdigerweise der Heizer. Ich gratuliere Ihnen herzlich, sagte er und schttelte Karl die Hand, womit er auch etwas wie Anerkennung ausdrcken wollte. Als er sich dann mit der gleichen Ansprache auch an den Senator wenden wollte, trat dieser zurck, als berschreite der Heizer damit seine Rechte; der Heizer lie auch sofort ab. Die brigen aber sahen jetzt ein, was zu tun war, und bildeten gleich um Karl und den Senator einen Wirrwarr. So geschah es, da Karl sogar eine Gratulation Schubals erhielt, annahm und fr sie dankte. Als letzte traten in der wieder entstandenen Ruhe die Hafenbeamten hinzu und sagten zwei englische Worte, was einen lcherlichen Eindruck machte. Der Senator war ganz in der Laune, um das Vergngen vollstndig auszukosten, nebenschlichere Momente sich und den anderen in Erinnerung zu bringen, was natrlich von allen nicht nur geduldet, sondern mit Interesse hingenommen wurde. So machte er darauf aufmerksam, da er sich die in dem Brief der Kchin erwhnten hervorstechendsten Erkennungszeichen Karls in sein Notizbuch zu mglicherweise notwendigem augenblicklichem Gebrauch eingetragen hatte. Nun hatte er whrend des unertrglichen Geschwtzes des Heizers zu keinem anderen Zweck, als um sich abzulenken, das Notizbuch herausgezogen und die natrlich nicht gerade detektivisch richtigen Beobachtungen der Kchin mit Karls Aussehen zum Spiel in Verbindung zu bringen gesucht. Und so findet man seinen Neffen! schlo er in einem Ton, als wolle er noch einmal Gratulation bekommen. Was wird jetzt mit dem Heizer geschehen? fragte Karl vorbei an der letzten Erzhlung des Onkels. Er glaubte in seiner neuen Stellung alles, was er dachte, auch aussprechen zu knnen. Dem Heizer wird geschehen, was er verdient, sagte der Senator, und was der Herr Kapitn fr gut erachtet. Ich glaube, wir haben von dem Heizer genug und bergenug, wozu mir jeder der anwesenden Herren sicher zustimmen wird. Darauf kommt es doch nicht an, bei einer Sache der Gerechtigkeit, sagte Karl. Er stand zwischen dem Onkel und dem Kapitn und glaubte, vielleicht durch diese Stellung beeinflut, die Entscheidung in der Hand zu haben. Und trotzdem schien der Heizer nichts mehr fr sich zu hoffen. Die Hnde hielt er halb in dem Hosengrtel, der durch seine aufgeregten Bewegungen mit dem Streifen eines gemusterten Hemdes zum Vorschein gekommen war. Das kmmerte ihn nicht im geringsten; er hatte sein ganzes Leid geklagt, nun sollte man auch noch die paar Fetzen sehen, die er am Leibe hatte, und dann sollte man ihn forttragen. Er dachte sich aus, der Diener und Schubal, als die zwei hier im Range Tiefsten, sollten ihm diese letzte Gte erweisen. Schubal wrde dann Ruhe haben und nicht mehr in Verzweiflung kommen, wie sich der Oberkassier ausgedrckt hatte. Der Kapitn wrde lauter Rumnen anstellen knnen, es wrde berall Rumnisch gesprochen werden, und vielleicht wrde dann wirklich alles besser gehen. Kein Heizer wrde mehr in der Hauptkassa schwtzen, nur sein letztes Geschwtz wrde man in ziemlich freundlicher Erinnerung behalten, das, wie der Senator ausdrcklich erklrt hatte, die mittelbare Veranlassung zur Erkennung des Neffen gegeben hatte. Dieser Neffe hatte ihm brigens vorher fters zu ntzen gesucht und daher fr seinen Dienst bei der Wiedererkennung lngst vorher einen mehr als gengenden Dank abgestattet; dem Heizer fiel gar nicht ein, jetzt noch etwas von ihm zu verlangen. Im brigen, mochte er auch der Neffe des Senators sein, ein Kapitn war er noch lange nicht, aber aus dem Munde des Kapitns wrde schlielich das bse Wort fallen. So wie es seiner Meinung entsprach, versuchte auch der Heizer, nicht zu Karl hinzusehen, aber leider blieb in diesem Zimmer der Feinde kein anderer Ruheort fr seine Augen. Miverstehe die Sachlage nicht, sagte der Senator zu Karl, es handelt sich vielleicht um eine Sache der Gerechtigkeit, aber gleichzeitig um eine Sache der Disziplin. Beides und ganz besonders das letztere unterliegt hier der Beurteilung des Herrn Kapitns. So ist es, murmelte der Heizer. Wer es merkte und verstand, lchelte befremdet. Wir aber haben berdies den Herrn Kapitn in seinen Amtsgeschften, die sich sicher gerade bei der Ankunft in New York unglaublich hufen, so sehr schon behindert, da es hchste Zeit fr uns ist, das Schiff zu verlassen, um nicht zum berflu auch noch durch irgendwelche hchst unntige Einmischung diese geringfgige Znkerei zweier Maschinisten zu einem Ereignis zu machen. Ich begreife deine Handlungsweise, lieber Neffe, brigens vollkommen, aber gerade das gibt mir das Recht, dich eilends von hier fortzufhren. Ich werde sofort ein Boot fr Sie flottmachen lassen, sagte der Kapitn, ohne zum Erstaunen Karls auch nur den kleinsten Einwand gegen die Worte des Onkels vorzubringen, die doch zweifellos als eine Selbstdemtigung des Onkels angesehen werden konnten. Der Oberkassier eilte berstrzt zum Schreibtisch und telephonierte den Befehl des Kapitns an den Bootsmeister. Die Zeit drngt schon, sagte sich Karl, aber ohne alle zu beleidigen, kann ich nichts tun. Ich kann doch jetzt den Onkel nicht verlassen, nachdem er mich kaum wiedergefunden hat. Der Kapitn ist zwar hflich, aber das ist auch alles. Bei der Disziplin hrt seine Hflichkeit auf, und der Onkel hat ihm sicher aus der Seele gesprochen. Mit Schubal will ich nicht reden, es tut mir sogar leid, da ich ihm die Hand gereicht habe. Und alle anderen Leute hier sind Spreu. Und er ging langsam in solchen Gedanken zum Heizer, zog dessen rechte Hand aus dem Grtel und hielt sie spielend in der seinen. Warum sagst du denn nichts? fragte er. Warum lt du dir alles gefallen? Der Heizer legte nur die Stirn in Falten, als suche er den Ausdruck fr das, was er zu sagen habe. Im brigen sah er auf Karls und seine Hand hinab. Dir ist ja unrecht geschehen wie keinem auf dem Schiff, das wei ich genau. Und Karl zog seine Finger hin und her zwischen den Fingern des Heizers, der mit glnzenden Augen ringsumher schaute, als widerfahre ihm eine Wonne, die ihm aber niemand verbeln mge. Du mut dich aber zur Wehr setzen, ja und nein sagen, sonst haben doch die Leute keine Ahnung von der Wahrheit. Du mut mir versprechen, da du mir folgen wirst, denn ich selbst, das frchte ich mit vielem Grund, werde dir gar nicht mehr helfen knnen. Und nun weinte Karl, whrend er die Hand des Heizers kte, und nahm die rissige, fast leblose Hand und drckte sie an seine Wangen, wie einen Schatz, auf den man verzichten mu. Da war aber auch schon der Onkel Senator an seiner Seite und zog ihn, wenn auch nur mit dem leichtesten Zwange, fort. Der Heizer scheint dich bezaubert zu haben, sagte er und sah verstndnisinnig ber Karls Kopf zum Kapitn hin. Du hast dich verlassen gefhlt, da hast du den Heizer gefunden und bist ihm jetzt dankbar, das ist ja ganz lblich. Treibe das aber, schon mir zuliebe, nicht zu weit und lerne deine Stellung begreifen. Vor der Tr entstand ein Lrmen, man hrte Rufe, und es war sogar, als werde jemand brutal gegen die Tre gestoen. Ein Matrose trat ein, etwas verwildert, und hatte eine Mdchenschrze umgebunden. Es sind Leute drauen, rief er und stie einmal mit dem Ellbogen herum, als sei er noch im Gedrnge. Endlich fand er seine Besinnung und wollte vor dem Kapitn salutieren, da bemerkte er die Mdchenschrze, ri sie herunter, warf sie zu Boden und rief: Das ist ja ekelhaft, da haben sie mir eine Mdchenschrze umgebunden. Dann aber klappte er die Hacken zusammen und salutierte. Jemand versuchte zu lachen, aber der Kapitn sagte streng: Das nenne ich eine gute Laune. Wer ist denn drauen? Es sind meine Zeugen, sagte Schubal vortretend, ich bitte ergebenst um Entschuldigung fr ihr unpassendes Benehmen. Wenn die Leute die Seefahrt hinter sich haben, sind sie manchmal wie toll. Rufen Sie sie sofort herein! befahl der Kapitn, und gleich sich zum Senator umwendend, sagte er verbindlich, aber rasch: Haben Sie jetzt die Gte, verehrter Herr Senator, mit Ihrem Herrn Neffen diesem Matrosen zu folgen, der Sie ins Boot bringen wird. Ich mu wohl nicht erst sagen, welches Vergngen und welche Ehre mir das persnliche Bekanntwerden mit Ihnen, Herr Senator, bereitet hat. Ich wnsche mir nur, bald Gelegenheit zu haben, mit Ihnen, Herr Senator, unser unterbrochenes Gesprch ber die amerikanischen Flottenverhltnisse wieder einmal aufnehmen zu knnen und dann vielleicht neuerdings auf so angenehme Weise, wie heute, unterbrochen zu werden. Vorlufig gengt mir dieser eine Neffe, sagte der Onkel lachend. Und nun nehmen Sie meinen besten Dank fr Ihre Liebenswrdigkeit und leben Sie wohl. Es wre brigens gar nicht so unmglich, da wir er drckte Karl herzlich an sich bei unserer nchsten Europareise vielleicht fr lngere Zeit mit Ihnen zusammenkommen knnten. Es wrde mich herzlich freuen, sagte der Kapitn. Die beiden Herren schttelten einander die Hnde, Karl konnte nur noch stumm und flchtig seine Hand dem Kapitn reichen, denn dieser war bereits von den vielleicht fnfzehn Leuten in Anspruch genommen, welche unter Fhrung Schubals zwar etwas betroffen, aber doch sehr laut einzogen. Der Matrose bat den Senator, vorausgehen zu drfen, und teilte dann die Menge fr ihn und Karl, die leicht zwischen den sich verbeugenden Leuten durchkamen. Es schien, da diese im brigen gutmtigen Leute den Streit Schubals mit dem Heizer als einen Spa auffaten, dessen Lcherlichkeit nicht einmal vor dem Kapitn aufhre. Karl bemerkte unter ihnen auch das Kchenmdchen Line, welche, ihm lustig zuzwinkernd, die vom Matrosen hingeworfene Schrze umband, denn es war die ihre. Weiter dem Matrosen folgend, verlieen sie das Bro und bogen in einen kleinen Gang ein, der sie nach ein paar Schritten zu einem Trchen brachte, von dem aus eine kurze Treppe in das Boot hinabfhrte, welches fr sie vorbereitet war. Die Matrosen im Boot, in das ihr Fhrer gleich mit einem einzigen Satz hinuntersprang, erhoben sich und salutierten. Der Senator gab Karl gerade eine Ermahnung zu vorsichtigem Hinuntersteigen, als Karl noch auf der obersten Stufe in heftiges Weinen ausbrach. Der Senator legte die rechte Hand unter Karls Kinn, hielt ihn fest an sich gepret und streichelte ihn mit der linken Hand. So gingen sie langsam Stufe fr Stufe hinab und traten engverbunden ins Boot, wo der Senator fr Karl gerade sich gegenber einen guten Platz aussuchte. Auf ein Zeichen des Senators stieen die Matrosen vom Schiffe ab und waren gleich in voller Arbeit. Kaum waren sie ein paar Meter vom Schiffe entfernt, machte Karl die unerwartete Entdeckung, da sie sich gerade auf jener Seite des Schiffes befanden, wohin die Fenster der Hauptkassa gingen. Alle drei Fenster waren mit Zeugen Schubals besetzt, welche freundschaftlich grten und winkten, sogar der Onkel dankte, und ein Matrose machte das Kunststck, ohne eigentlich das gleichmige Rudern zu unterbrechen, eine Kuhand hinaufzuschicken. Es war wirklich, als gbe es keinen Heizer mehr. Karl fate den Onkel, mit dessen Knien sich die seinen fast berhrten, genauer ins Auge, und es kamen ihm Zweifel, ob dieser Mann ihm jemals den Heizer werde ersetzen knnen. Auch wich der Onkel seinem Blicke aus und sah auf die Wellen hin, von denen ihr Boot umschwankt wurde. Der Onkel Im Hause des Onkels gewhnte sich Karl bald an die neuen Verhltnisse. Der Onkel kam ihm aber auch in jeder Kleinigkeit freundlich entgegen, und niemals mute Karl sich erst durch schlechte Erfahrungen belehren lassen, wie dies meist das erste Leben im Ausland so verbittert. Karls Zimmer lag im sechsten Stockwerk eines Hauses, dessen fnf untere Stockwerke, an welche sich in der Tiefe noch drei unterirdische anschlossen, von dem Geschftsbetrieb des Onkels eingenommen wurden. Das Licht, das in sein Zimmer durch zwei Fenster und eine Balkontre eindrang, brachte Karl immer wieder zum Staunen, wenn er des Morgens aus seiner kleinen Schlafkammer hier eintrat. Wo htte er wohl wohnen mssen, wenn er als armer kleiner Einwanderer ans Land gestiegen wre? Ja, vielleicht htte man ihn, was der Onkel nach seiner Kenntnis der Einwanderungsgesetze sogar fr sehr wahrscheinlich hielt, gar nicht in die Vereinigten Staaten eingelassen, sondern ihn nach Hause geschickt, ohne sich weiter darum zu kmmern, da er keine Heimat mehr hatte. Denn auf Mitleid durfte man hier nicht hoffen, und es war ganz richtig, was Karl in dieser Hinsicht ber Amerika gelesen hatte; nur die Glcklichen schienen hier ihr Glck zwischen den unbekmmerten Gesichtern ihrer Umgebung wahrhaft zu genieen. Ein schmaler Balkon zog sich vor dem Zimmer seiner ganzen Lnge nach hin. Was aber in der Heimatstadt Karls wohl der hchste Aussichtspunkt gewesen wre, gestattete hier nicht viel mehr als den berblick ber eine Strae, die zwischen zwei Reihen frmlich abgehackter Huser gerade, und darum wie fliehend, in die Ferne sich verlief, wo aus vielem Dunst die Formen einer Kathedrale ungeheuer sich erhoben. Und morgens wie abends und in den Trumen der Nacht vollzog sich auf dieser Strae ein immer drngender Verkehr, der, von oben gesehen, sich als eine aus immer neuen Anfngen ineinandergestreute Mischung von verzerrten menschlichen Figuren und von Dchern der Fuhrwerke aller Art darstellte, von der aus sich noch eine neue, vervielfltigte, wildere Mischung von Lrm, Staub und Gerchen erhob, und alles dieses wurde erfat und durchdrungen von einem mchtigen Licht, das immer wieder von der Menge der Gegenstnde verstreut, fortgetragen und wieder eifrig herbeigebracht wurde und das dem betrten Auge so krperlich erschien, als werde ber dieser Strae eine alles bedeckende Glasscheibe jeden Augenblick immer wieder mit aller Kraft zerschlagen. Vorsichtig wie der Onkel in allem war, riet er Karl, sich vorlufig ernsthaft nicht auf das geringste einzulassen. Er sollte wohl alles prfen und anschauen, aber sich nicht gefangennehmen lassen. Die ersten Tage eines Europers in Amerika seien ja einer Geburt vergleichbar, und wenn man sich hier auch, damit nur Karl keine unntige Angst habe, rascher eingewhne, als wenn man vom jenseits in die menschliche Welt eintrete, so msse man sich vor Augen halten, da das erste Urteil immer auf schwachen Fen stehe und da man sich dadurch nicht vielleicht alle knftigen Urteile, mit deren Hilfe man ja hier sein Leben weiterfhren wolle, in Unordnung bringen lassen drfe. Er selbst habe Neuankmmlinge gekannt, die zum Beispiel, statt nach diesen Grundstzen sich zu verhalten, tagelang auf ihrem Balkon gestanden und wie verlorene Schafe auf die Strae hinuntergesehen htten. Das msse unbedingt verwirren! Diese einsame Unttigkeit, die sich in einen arbeitsreichen New Yorker Tag verschaut, knne einem Vergngungsreisenden gestattet und vielleicht, wenn auch nicht vorbehaltlos, angeraten werden, fr einen, der hierbleiben wird, sei sie ein Verderben, man knne in diesem Fall ruhig das Wort anwenden, wenn es auch eine bertreibung ist. Und tatschlich verzog der Onkel rgerlich das Gesicht, wenn er bei einem seiner Besuche, die immer nur einmal tglich, und zwar immer zu den verschiedensten Tageszeiten, erfolgten, Karl auf dem Balkon antraf. Karl merkte das bald und versagte sich infolgedessen das Vergngen, auf dem Balkon zu stehen, nach Mglichkeit. Es war ja auch bei weitem nicht das einzige Vergngen, das er hatte. In seinem Zimmer stand ein amerikanischer Schreibtisch bester Sorte, wie sich ihn sein Vater seit Jahren gewnscht und auf den verschiedensten Versteigerungen um einen ihm erreichbaren billigen Preis zu kaufen gesucht hatte, ohne da es ihm bei seinen kleinen Mitteln jemals gelungen wre. Natrlich war dieser Tisch mit jenen angeblich amerikanischen Schreibtischen, wie sie sich auf europischen Versteigerungen herumtreiben, nicht zu vergleichen. Er hatte zum Beispiel in seinem Aufsatz hundert Fcher verschiedenster Gre, und selbst der Prsident der Union htte fr jeden seiner Akten einen passenden Platz gefunden, aber auerdem war an der Seite ein Regulator, und man konnte durch Drehen an einer Kurbel die verschiedensten Umstellungen und Neueinrichtungen der Fcher nach Belieben und Bedarf erreichen. Dnne Seitenwndchen senkten sich langsam und bildeten den Boden neu sich erhebender oder die Decke neu aufsteigender Fcher; schon nach einer Umdrehung hatte der Aufsatz ein ganz anderes Aussehen, und alles ging, je nachdem man die Kurbel drehte, langsam oder unsinnig rasch vor sich. Es war eine neueste Erfindung, erinnerte aber Karl sehr lebhaft an die Krippenspiele, die zu Hause auf dem Christmarkt den staunenden Kindern gezeigt wurden, und auch Karl war oft, in seine Winterkleider eingepackt, davor gestanden und hatte ununterbrochen die Kurbeldrehung, die ein alter Mann ausfhrte, mit den Wirkungen im Krippenspiel verglichen, mit dem stockenden Vorwrtskommen der Heiligen Drei Knige, dem Aufglnzen des Sternes und dem befangenen Leben im heiligen Stall. Und immer war es ihm erschienen, als ob die Mutter, die hinter ihm stand, nicht genau genug alle Ereignisse verfolge; er hatte sie zu sich hingezogen, bis er sie an seinem Rcken fhlte, und hatte ihr so lange mit lauten Ausrufen verborgenere Erscheinungen gezeigt, vielleicht ein Hschen, das vorn im Gras abwechselnd Mnnchen machte und sich dann wieder zum Lauf bereitete, bis die Mutter ihm den Mund zuhielt und wahrscheinlich in ihre frhere Unachtsamkeit verfiel. Der Tisch war freilich nicht dazu gemacht, nur an solche Dinge zu erinnern, aber in der Geschichte der Erfindungen bestand wohl ein hnlich undeutlicher Zusammenhang wie in Karls Erinnerungen. Der Onkel war zum Unterschied von Karl mit diesem Schreibtisch durchaus nicht einverstanden, nur hatte er eben fr Karl einen ordentlichen Schreibtisch kaufen wollen, und solche Schreibtische waren jetzt smtlich mit dieser Neueinrichtung versehen, deren Vorzug auch darin bestand, bei lteren Schreibtischen ohne groe Kosten angebracht werden zu knnen. Immerhin unterlie der Onkel nicht, Karl zu raten, den Regulator mglichst gar nicht zu verwenden; um die Wirkung des Rates zu verstrken, behauptete der Onkel, die Maschinerie sei sehr empfindlich, leicht zu verderben und die Wiederherstellung sehr kostspielig. Es war nicht schwer einzusehen, da solche Bemerkungen nur Ausflchte waren, wenn man sich auch andererseits sagen mute, da der Regulator sehr leicht zu fixieren war, was der Onkel jedoch nicht tat. In den ersten Tagen, an denen selbstverstndlich zwischen Karl und dem Onkel hufigere Aussprachen stattgefunden hatten, hatte Karl auch erzhlt, da er zu Hause zwar wenig, aber gern Klavier gespielt habe, was er allerdings lediglich mit den Anfangskenntnissen hatte bestreiten knnen, die ihm die Mutter beigebracht hatte. Karl war sich dessen wohl bewut, da eine solche Erzhlung gleichzeitig die Bitte um ein Klavier war, aber er hatte sich schon gengend umgesehen, um zu wissen, da der Onkel auf keine Weise zu sparen brauchte. Trotzdem wurde ihm diese Bitte nicht gleich gewhrt, aber etwa acht Tage spter sagte der Onkel, fast in der Form eines widerwilligen Eingestndnisses, das Klavier sei eben angelangt und Karl knne, wenn er wolle, den Transport berwachen. Das war allerdings eine leichte Arbeit, aber dabei nicht einmal viel leichter als der Transport selbst, denn im Haus war ein eigener Mbelaufzug, in welchem ohne Gedrnge ein ganzer Mbelwagen Platz finden konnte, und in diesem Aufzug schwebte auch das Piano zu Karls Zimmer hinauf. Karl selbst htte zwar in dem gleichen Aufzug mit dem Piano und den Transportarbeitern fahren knnen, aber da gleich daneben ein Personenaufzug zur Bentzung freistand, fuhr er in diesem, hielt sich mittels eines Hebels stets in gleicher Hhe mit dem anderen Aufzug und betrachtete unverwandt durch die Glaswnde das schne Instrument, das jetzt sein Eigentum war. Als er es in seinem Zimmer hatte und die ersten Tne anschlug, bekam er eine so nrrische Freude, da er, statt weiterzuspielen, aufsprang und aus einiger Entfernung, die Hnde in den Hften, das Klavier lieber anstaunte. Auch die Akustik des Zimmers war ausgezeichnet und sie trug dazu bei, ein anfngliches kleines Unbehagen, in einem Eisenhause zu wohnen, gnzlich verschwinden zu lassen. Tatschlich merkte man auch im Zimmer, so eisenmig das Gebude von auen erschien, von eisernen Baubestandteilen nicht das geringste, und niemand htte auch nur eine Kleinigkeit in der Einrichtung aufzeigen knnen, welche die vollstndigste Gemtlichkeit irgendwie gestrt htte. Karl erhoffte in der ersten Zeit viel von seinem Klavierspiel und schmte sich nicht, wenigstens vor dem Einschlafen an die Mglichkeit einer unmittelbaren Beeinflussung der amerikanischen Verhltnisse durch dieses Klavierspiel zu denken. Er klang ja allerdings sonderbar, wenn er vor den in die lrmerfllte Luft geffneten Fenstern ein altes Soldatenlied seiner Heimat spielte, das die Soldaten am Abend, wenn sie in den Kasernenfenstern liegen und auf den finsteren Platz hinausschauen, von Fenster zu Fenster einander zusingen aber sah er dann auf die Strae, so war sie unverndert und nur ein kleines Stck eines groen Kreislaufes, das man nicht an und fr sich anhalten konnte, ohne alle Krfte zu kennen, die in der Runde wirkten. Der Onkel duldete das Klavierspiel, sagte auch nichts dagegen, zumal sich Karl, auch nach seiner Mahnung, nur selten das Vergngen des Spiels gnnte; ja, er brachte Karl sogar Noten amerikanischer Mrsche und natrlich auch der Nationalhymne, aber allein aus der Freude an der Musik war es wohl nicht zu erklren, als er eines Tages ohne allen Scherz Karl fragte, ob er nicht auch das Spiel auf der Geige oder auf dem Waldhorn lernen wolle. Natrlich war das Lernen des Englischen Karls erste und wichtigste Aufgabe. Ein junger Professor einer Handelshochschule erschien morgens um sieben Uhr in Karls Zimmer und fand ihn schon an seinem Schreibtisch und bei den Heften sitzen oder memorierend im Zimmer auf und ab gehen. Karl sah wohl ein, da zur Aneignung des Englischen keine Eile gro genug sei und da er hier auerdem die beste Gelegenheit habe, seinem Onkel eine auerordentliche Freude durch rasche Fortschritte zu machen. Und tatschlich gelang es bald, whrend zuerst das Englische in den Gesprchen mit dem Onkel sich auf Gru und Abschiedsworte beschrnkt hatte, immer grere Teile der Gesprche ins Englische hinberzuspielen, wodurch gleichzeitig vertraulichere Themen sich einzustellen begannen. Das erste amerikanische Gedicht, die Darstellung einer Feuersbrunst, das Karl seinem Onkel an einem Abend rezitieren konnte, machte diesen tiefernst vor Zufriedenheit. Sie standen damals beide an einem Fenster in Karls Zimmer, der Onkel sah hinaus, wo alle Helligkeit des Himmels schon vergangen war, und schlug im Mitgefhl der Verse langsam und gleichmig in die Hnde, whrend Karl aufrecht neben ihm stand und mit starren Augen das schwierige Gedicht sich entrang. Je besser Karls Englisch wurde, desto grere Lust zeigte der Onkel, ihn mit seinen Bekannten zusammenzufhren, und ordnete nur fr jeden Fall an, da bei solchen Zusammenknften vorlufig der Englischprofessor sich immer in Karls Nhe zu halten habe. Der allererste Bekannte, dem Karl eines Vormittags vorgestellt wurde, war ein schlanker, junger, unglaublich biegsamer Mensch, den der Onkel mit besonderen Komplimenten in Karls Zimmer fhrte. Er war offenbar einer jener vielen, vom Standpunkt der Eltern aus gesehen, miratenen Millionrsshne, dessen Leben so verlief, da ein gewhnlicher Mensch auch nur einen beliebigen Tag im Leben dieses jungen Mannes nicht ohne Schmerz verfolgen konnte. Und als wisse oder ahne er dies und als begegne er dem, soweit es in seiner Macht stand, war um seine Lippen und Augen ein unaufhrliches Lcheln des Glckes, das ihm selbst, seinem Gegenber und der ganzen Welt zu gelten schien. Mit diesem jungen Manne, einem Herrn Mack, wurde, unter unbedingter Zustimmung des Onkels, besprochen, gemeinsam um halb sechs Uhr frh, sei es in der Reitschule, sei es ins Freie, zu reiten. Karl zgerte zuerst, seine Zusage zu geben, da er doch noch niemals auf einem Pferd gesessen war und das Reiten zuerst ein wenig lernen wolle, aber da ihm der Onkel und Mack so sehr zuredeten und das Reiten als bloes Vergngen und als gesunde bung, aber gar nicht als Kunst darstellten, sagte er schlielich zu. Nun mute er allerdings schon um halb fnf Uhr aus dem Bett, und das tat ihm oft sehr leid, denn er litt hier, wohl infolge der steten Aufmerksamkeit, die er whrend des Tages aufwenden mute, geradezu an Schlafsucht, aber in seinem Badezimmer verlor sich das Bedauern bald. ber die ganze Wanne der Lnge und Breite nach spannte sich das Sieb der Dusche welcher Mitschler zu Hause, und war er noch so reich, besa etwas Derartiges und gar noch allein fr sich, und da lag nun Karl ausgestreckt, in dieser Wanne konnte er die Arme ausbreiten, und lie die Strme des lauen, heien, wieder lauen und endlich eisigen Wassers nach Belieben teilweise oder ber die ganze Flche hin auf sich herab. Wie in dem noch ein wenig fortlaufenden Genusse des Schlafes lag er da und fing besonders gern mit den geschlossenen Augenlidern die letzten, einzeln fallenden Tropfen auf, die sich dann ffneten und ber das Gesicht hinflossen. In der Reitschule, wo ihn das hoch sich aufbauende Automobil des Onkels absetzte, erwartete ihn bereits der Englischprofessor, whrend Mack ausnahmslos erst spter kam. Er konnte aber auch unbesorgt erst spter kommen, denn das eigentliche, lebendige Reiten fing erst an, wenn er da war. Bumten sich nicht die Pferde aus ihrem bisherigen Halbschlaf auf, wenn er eintrat, knallte die Peitsche nicht lauter durch den Raum, erschienen nicht pltzlich auf der umlaufenden Galerie einzelne Personen, Zuschauer, Pferdewrter, Reitschler oder was sie sonst sein mochten? Karl aber ntzte die Zeit vor der Ankunft Macks dazu aus, um doch ein wenig, wenn auch nur die primitivsten Vorbungen des Reitens zu betreiben. Es war ein langer Mann da, der auf den hchsten Pferdercken mit kaum erhobenem Arm hinaufreichte und der Karl diesen immer kaum eine Viertelstunde dauernden Unterricht erteilte. Die Erfolge, die Karl hierbei hatte, waren nicht bergro, und er konnte sich viele englische Klagerufe dauernd aneignen, die er whrend dieses Lernens zu seinem Englischprofessor atemlos ausstie, der immer am Trpfosten, meist schlafbedrftig, lehnte. Aber fast alle Unzufriedenheit mit dem Reiten hrte auf, wenn Mack kam. Der lange Mann wurde weggeschickt, und bald hrte man in dem noch immer halbdunklen Saal nichts anderes als die Hufe der galoppierenden Pferde und man sah kaum etwas anderes als Macks erhobenen Arm, mit dem er Karl ein Kommando gab. Nach einer halben Stunde solchen wie Schlaf vergehenden Vergngens wurde haltgemacht. Mack war in groer Eile, verabschiedete sich von Karl, klopfte ihm manchmal auf die Wange, wenn er mit seinem Reiten besonders zufrieden gewesen war, und verschwand, ohne vor groer Eile mit Karl auch nur gemeinsam durch die Tr hinauszugehen. Karl nahm dann den Professor mit ins Automobil, und sie fuhren zu ihrer Englischstunde meist auf Umwegen, denn bei der Fahrt durch das Gedrnge der groen Strae, die eigentlich direkt von dem Hause des Onkels zur Reitschule fhrte, wre zuviel Zeit verlorengegangen. Im brigen hrte wenigstens diese Begleitung des Englischprofessors bald auf, denn Karl, der sich Vorwrfe machte, den mden Mann nutzlos in die Reitschule zu bemhen, zumal die englische Verstndigung mit Mack eine sehr einfache war, bat den Onkel, den Professor von dieser Pflicht zu entheben. Nach einiger berlegung gab der Onkel dieser Bitte auch nach. Verhltnismig lange dauerte es, ehe sich der Onkel entschlo, Karl auch nur einen kleinen Einblick in sein Geschft zu erlauben, obwohl Karl fters darum ersucht hatte. Es war eine Art Kommissions- und Speditionsgeschftes, wie sie, soweit sich Karl erinnern konnte, in Europa vielleicht gar nicht zu finden war. Das Geschft bestand nmlich in einem Zwischenhandel, der aber die Waren nicht etwa von den Produzenten zu den Konsumenten oder vielleicht zu den Hndlern vermittelte, sondern welcher die Vermittlung aller Waren und Urprodukte fr die groen Fabrikskartelle und zwischen ihnen besorgte. Es war daher ein Geschft, welches in einem Kufe, Lagerungen, Transporte und Verkufe riesenhaften Umfangs umfate und ganz genaue, unaufhrliche telephonische und telegraphische Verbindungen mit den Klienten unterhalten mute. Der Saal der Telegraphen war nicht kleiner, sondern grer als das Telegraphenamt der Vaterstadt, durch das Karl einmal an der Hand eines dort bekannten Mitschlers gegangen war. Im Saal der Telephone gingen, wohin man schaute, die Tren der Telephonzellen auf und zu, und das Luten war sinnverwirrend. Der Onkel ffnete die nchste dieser Tren, und man sah dort im sprhenden elektrischen Licht einen Angestellten, gleichgltig gegen jedes Gerusch der Tre, den Kopf eingespannt in ein Stahlband, das ihm die Hrmuscheln an die Ohren drckte. Der rechte Arm lag auf einem Tischchen, als wre er besonders schwer, und nur die Finger, welche den Bleistift hielten, zuckten unmenschlich gleichmig und rasch. In den Worten, die er in den Sprechtrichter sagte, war er sehr sparsam, und oft sah man sogar, da er vielleicht gegen den Sprecher etwas einzuwenden hatte, ihn etwas genauer fragen wollte, aber gewisse Worte, die er hrte, zwangen ihn, ehe er seine Absicht ausfhren konnte, die Augen zu senken und zu schreiben. Er mute auch nicht reden, wie der Onkel Karl leise erklrte, denn die gleichen Meldungen, wie sie dieser Mann aufnahm, wurden noch von zwei anderen Angestellten gleichzeitig aufgenommen und dann verglichen, so da Irrtmer mglichst ausgeschlossen waren. In dem gleichen Augenblick, als der Onkel und Karl aus der Tr getreten waren, schlpfte ein Praktikant hinein und kann mit dem inzwischen beschriebenen Papier heraus. Mitten durch den Saal war ein bestndiger Verkehr von hin und her gejagten Leuten. Keiner grte, das Gren war abgeschafft, jeder schlo sich den Schritten des ihm Vorhergehenden an und sah auf den Boden, auf dem er mglichst rasch vorwrtskommen wollte, oder fing mit den Blicken wohl nur einzelne Worte oder Zahlen von Papieren ab, die er in der Hand hielt und die bei seinem Laufschritt flatterten. Du hast es wirklich weit gebracht, sagte Karl einmal auf einem dieser Gnge durch den Betrieb, auf dessen Durchsicht man viele Tage verwenden mute, selbst wenn man jede Abteilung gerade nur gesehen haben wollte. Und alles habe ich vor dreiig Jahren selbst eingerichtet, mut du wissen. Ich hatte damals im Hafenviertel ein kleines Geschft, und wenn dort im Tag fnf Kisten abgeladen waren, so war es viel und ich ging aufgeblasen nach Hause. Heute habe ich die drittgrten Lagerhuser im Hafen, und jener Laden ist das Ezimmer und die Gertekammer der fnfundsechzigsten Gruppe meiner Packtrger. Das grenzt ja ans Wunderbare, sagte Karl. Alle Entwicklungen gehen hier so schnell vor sich, sagte der Onkel, das Gesprch abbrechend. Eines Tages kam der Onkel knapp vor der Zeit des Essens, das Karl wie gewhnlich allein einzunehmen gedachte, und forderte ihn auf, sich gleichfalls schwarz anzuziehen und mit ihm zum Essen zu kommen, an welchem zwei Geschftsfreunde teilnehmen wrden. Whrend Karl sich im Nebenzimmer umkleidete, setzte sich der Onkel zum Schreibtisch und sah die gerade beendete Englischaufgabe durch, schlug mit der Hand auf den Tisch und rief laut: Wirklich ausgezeichnet! Zweifellos gelang das Anziehen besser, als Karl dieses Lob hrte, aber er war auch wirklich seines Englischen schon ziemlich sicher. Im Speisezimmer des Onkels, das er vom ersten Abend seiner Ankunft noch in Erinnerung hatte, erhoben sich zwei groe, dicke Herren zur Begrung, ein gewisser Green der eine, ein gewisser Pollunder der zweite, wie sich whrend des Tischgesprchs herausstellte. Der Onkel pflegte nmlich kaum ein flchtiges Wort ber irgendwelche Bekannten auszusprechen und berlie es immer Karl, durch eigene Beobachtung das Notwendige oder Interessante herauszufinden. Nachdem whrend des eigentlichen Essens nur intime geschftliche Angelegenheiten besprochen worden waren, was fr Karl eine gute Lektion hinsichtlich kaufmnnischer Ausdrcke bedeutete, und man Karl still mit seinem Essen sich hatte beschftigen lassen, als sei er ein Kind, das sich vor allem ordentlich sattessen msse, beugte sich Herr Green zu Karl hin und fragte in dem unverkennbaren Bestreben, ein mglichst deutliches Englisch zu sprechen, im allgemeinen nach Karls ersten amerikanischen Eindrcken. Karl antwortete unter einer Sterbensstille ringsherum mit einigen Seitenblicken auf den Onkel ziemlich ausfhrlich und suchte sich zum Dank durch eine etwas New Yorkisch gefrbte Redeweise angenehm zu machen. Bei einem Ausdruck lachten sogar alle drei Herren durcheinander, und Karl frchtete schon, einen groben Fehler gemacht zu haben; jedoch nein, er hatte, wie Herr Pollunder erklrte, sogar etwas sehr Gelungenes gesagt. Dieser Herr Pollunder schien berhaupt an Karl ein besonderes Gefallen zu finden, und whrend der Onkel und Herr Green wieder zu den geschftlichen Besprechungen zurckkehrten, lie Herr Pollunder Karl seinen Sessel nahe zu sich hinschieben, fragte ihn zuerst vielerlei ber seinen Namen, seine Herkunft und seine Reise aus, bis er dann schlielich, um Karl wieder ausruhen zu lassen, lachend, hustend und eilig selbst von sich und seiner Tochter erzhlte, mit der er auf einem kleinen Landgut in der Nhe von New York wohnte, wo er aber allerdings nur die Abende verbringen konnte, denn er war Bankier, und sein Beruf hielt ihn in New York den ganzen Tag fest. Karl wurde auch gleich herzlichst eingeladen, auf dieses Landgut hinauszukommen, ein so frischgebackener Amerikaner wie Karl habe ja auch sicher das Bedrfnis, sich von New York manchmal zu erholen. Karl bat den Onkel sofort um die Erlaubnis, diese Einladung annehmen zu drfen, und der Onkel gab auch scheinbar freudig diese Erlaubnis, ohne aber ein bestimmtes Datum zu nennen oder auch nur in Erwgung ziehen zu lassen, wie es Karl und Herr Pollunder erwartet hatten. Aber schon am nchsten Tag wurde Karl in ein Bro des Onkels beordert (der Onkel hatte zehn verschiedene Bros allein in diesem Hause), wo er den Onkel und Herrn Pollunder ziemlich einsilbig in den Fauteuils liegend antraf. Herr Pollunder, sagte der Onkel, er war in der Abenddmmerung des Zimmers kaum zu erkennen, Herr Pollunder ist gekommen, um dich auf sein Landgut mitzunehmen, wie wir es gestern besprochen haben. Ich wute nicht, da es schon heute sein sollte, antwortete Karl, sonst wre ich schon vorbereitet. Wenn du nicht vorbereitet bist, dann verschieben wir vielleicht den Besuch besser fr nchstens, meinte der Onkel. Was fr Vorbereitungen! rief Herr Pollunder. Ein junger Mann ist immer vorbereitet. Es ist nicht seinetwegen, sagte der Onkel, zu seinem Gste gewendet, aber er mte immerhin noch in sein Zimmer hinaufgehen, und Sie wren aufgehalten. Es ist auch dazu reichlich Zeit, sagte Herr Pollunder, ich habe auch eine Verzgerung vorbedacht und frher Geschftsschlu gemacht. Du siehst, sagte der Onkel, was fr Unannehmlichkeiten dein Besuch schon jetzt veranlat. Es tut mir leid, sagte Karl, aber ich werde gleich wieder da sein, und wollte schon wegspringen. bereilen Sie sich nicht, sagte Herr Pollunder. Sie machen mir nicht die geringsten Unannehmlichkeiten, dagegen macht mir Ihr Besuch eine reine Freude. Du versumst morgen deine Reitstunde, hast du sie schon abgesagt? Nein, sagte Karl, dieser Besuch, auf den er sich gefreut hatte, fing an, eine Last zu werden, ich wute ja nicht Und trotzdem willst du wegfahren? fragte der Onkel weiter. Herr Pollunder, dieser freundliche Mensch, kam zu Hilfe. Wir werden auf der Fahrt bei der Reitschule halten und die Sache in Ordnung bringen. Das lt sich hren, sagte der Onkel. Aber Mack wird dich doch erwarten. Erwarten wird er mich nicht, sagte Karl, aber er wird allerdings hinkommen. Nun also? sagte der Onkel, als wre Karls Antwort nicht die geringste Rechtfertigung gewesen. Wieder sagte Herr Pollunder das Entscheidende: Aber Klara sie war Herrn Pollunders Tochter erwartet ihn auch und schon heute abend, und sie hat wohl den Vorzug vor Mack? Allerdings, sagte der Onkel. Also lauf schon in dein Zimmer, und er schlug mehrmals wie ohne Willen gegen die Armlehne des Fauteuils. Karl war schon bei der Tr, als ihn der Onkel noch mit der Frage zurckhielt: Zur Englischstunde bist du doch wohl morgen frh wieder hier? Aber! rief Herr Pollunder und drehte sich, soweit es seine Dicke erlaubte, in seinem Fauteuil vor Erstaunen. Ja darf er denn nicht wenigstens den morgigen Tag drauen bleiben? Ich brchte ihn dann bermorgen frh wieder zurck? Das geht auf keinen Fall, erwiderte der Onkel. Ich kann sein Studium nicht so in Unordnung kommen lassen. Spter, wenn er in einem an und fr sich geregelten Berufsleben sein wird, werde ich ihm sehr gern auch fr lngere Zeit erlauben, einer so freundlichen und ehrenden Einladung zu folgen. Was das fr Widersprche sind! dachte Karl. Herr Pollunder war traurig geworden. Fr einen Abend und eine Nacht steht es aber wirklich fast nicht dafr. Das war auch meine Meinung, sagte der Onkel. Man mu nehmen, was man bekommt, sagte Herr Pollunder und lachte schon wieder. Also, ich warte! rief er Karl zu, welcher, da der Onkel nichts mehr sagte, davoneilte. Als er bald reisefertig zurckkehrte, traf er im Bro nur noch Herrn Pollunder, der Onkel war fortgegangen. Herr Pollunder schttelte Karl ganz glcklich beide Hnde, als wolle er sich so stark als mglich dessen vergewissern, da Karl nun doch mitfahre. Karl war noch ganz erhitzt von der Eile und schttelte auch seinerseits Herrn Pollunders Hnde, er freute sich, den Ausflug machen zu knnen. Hat sich der Onkel nicht darber gergert, da ich fahre? Aber nein! Das hat er ja alles nicht so ernst gemeint. Ihre Erziehung liegt ihm eben am Herzen. Hat er es Ihnen selbst gesagt, da er das Frhere nicht so ernst gemeint hat? O ja, sagte Herr Pollunder gedehnt und bewies damit, da er nicht lgen konnte. Es ist merkwrdig, wie ungern er mir die Erlaubnis gegeben hat, Sie zu besuchen, obwohl Sie doch sein Freund sind. Auch Herr Pollunder konnte, obwohl er dies nicht offen eingestand, keine Erklrung dafr finden, und beide dachten, als sie in Herrn Pollunders Automobil durch den warmen Abend fuhren, noch lange darber nach, obwohl sie gleich von anderen Dingen sprachen. Sie saen eng beieinander, und Herr Pollunder hielt Karls Hand in der seinen, whrend er erzhlte. Karl wollte vieles ber das Frulein Klara hren, als sei er ungeduldig ber die lange Fahrt und knne mit Hilfe der Erzhlungen frher ankommen als in Wirklichkeit. Obwohl er am Abend noch niemals durch die New Yorker Straen gefahren war, und ber Trottoir und Fahrbahn, alle Augenblicke die Richtung wechselnd, wie in einem Wirbelwind der Lrm jagte, nicht wie von Menschen verursacht, sondern wie ein fremdes Element, kmmerte sich Karl, whrend er Herrn Pollunders Worte genau aufzunehmen suchte, um nichts anderes als Herrn Pollunders dunkle Weste, ber die quer eine dunkle Kette ruhig hing. Aus den Straen, wo das Publikum in groer, unverhllter Furcht vor Versptung in fliegendem Schritt und in Fahrzeugen, die zu mglichster Eile gebracht waren, zu den Theatern drngte, kamen sie durch bergangsbezirke in die Vorstdte, wo ihr Automobil durch Polizeileute zu Pferd immer wieder in Seitenstraen gewiesen wurde, da die groen Straen von den demonstrierenden Metallarbeitern, die im Streik standen, besetzt waren und nur der notwendigste Wagenverkehr an den Kreuzungsstellen gestattet werden konnte. Durchquerte dann das Automobil, aus dunkleren, dumpf hallenden Gassen kommend, eine dieser ganzen Pltzen gleichenden groen Straen, dann erschienen nach beiden Seiten hin in Perspektiven, denen niemand bis zum Ende folgen konnte, die Trottoirs angefllt mit einer in winzigen Schritten sich bewegenden Masse, deren Gesang einheitlicher war als der einer einzigen Menschenstimme. In der freigehaltenen Fahrbahn aber sah man hie und da einen Polizisten auf unbeweglichem Pferde oder Trger von Fahnen oder beschriebenen, ber die Strae gespannten Tchern oder einen von Mitarbeitern und Ordonnanzen umgebenen Arbeiterfhrer oder einen Wagen der elektrischen Straenbahn, der sich nicht rasch genug geflchtet hatte und nun leer und dunkel dastand, whrend der Fhrer und der Schaffner auf der Plattform saen. Kleine Trupps von Neugierigen standen weit entfernt von den wirklichen Demonstranten und verlieen ihre Pltze nicht, obwohl sie ber die eigentlichen Ereignisse im unklaren blieben. Karl aber lehnte froh in dem Arm, den Herr Pollunder um ihn gelegt hatte; die berzeugung, da er bald in einem beleuchteten, von Mauern umgebenen, von Hunden bewachten Landhause ein willkommener Gast sein werde, tat ihm ber alle Maen wohl, und wenn er auch wegen einer beginnenden Schlfrigkeit nicht mehr alles, was Herr Pollunder sagte, fehlerlos oder wenigstens nicht ohne Unterbrechung auffate, so raffte er sich doch von Zeit zu Zeit auf und wischte sich die Augen, um wieder fr eine Weile festzustellen, ob Herr Pollunder seine Schlfrigkeit bemerkte, denn das wollte er um jeden Preis vermieden wissen. Ein Landhaus bei New York Wir sind angekommen, sagte Herr Pollunder gerade in einem von Karls verlorenen Momenten. Das Automobil stand vor einem Landhaus, das, nach der Art von Landhusern reicher Leute in der Umgebung New Yorks, umfangreicher und hher war, als es sonst fr ein Landhaus ntig ist, das blo einer Familie dienen soll. Da nur der untere Teil des Hauses beleuchtet war, konnte man gar nicht bemessen, wie weit es in die Hhe reichte. Vorne rauschten Kastanienbume, zwischen denen das Gitter war schon geffnet ein kurzer Weg zur Freitreppe des Hauses fhrte. An seiner Mdigkeit beim Aussteigen glaubte Karl zu bemerken, da die Fahrt doch ziemlich lang gedauert hatte. Im Dunkel der Kastanienallee hrte er eine Mdchenstimme neben sich sagen: Da ist ja endlich der Herr Jakob. Ich heie Romann, sagte Karl und fate die ihm hingereichte Hand eines Mdchens, das er jetzt in Umrissen erkannte. Er ist ja nur Jakobs Neffe, sagte Herr Pollunder erklrend, und heit selbst Karl Romann. Das ndert nichts an unserer Freude, ihn hier zu haben, sagte das Mdchen, dem an Namen nicht viel lag. Trotzdem fragte Karl noch, whrend er zwischen Herrn Pollunder und dem Mdchen auf das Haus zuschritt: Sie sind das Frulein Klara? Ja, sagte sie, und schon fiel ein wenig unterscheidendes Licht vom Hause her auf ihr Gesicht, das sie ihm zuneigte, ich wollte mich aber hier in der Finsternis nicht vorstellen. Ja hat sie uns denn am Gitter erwartet? dachte Karl, der im Gehen allmhlich aufwachte. Wir haben brigens noch einen Gast heute abend, sagte Klara. Nicht mglich! rief Pollunder rgerlich. Herrn Green, sagte Klara. Wann ist er gekommen? fragte Karl, wie in einer Ahnung befangen. Vor einem Augenblick. Habt ihr denn sein Automobil nicht vor dem eueren gehrt? Karl sah zu Pollunder auf, um zu erfahren, wie er die Sache beurteile, aber er hatte die Hnde in den Hosentaschen und stampfte blo etwas strker im Gehen. Es ntzt nichts, nur knapp auerhalb New Yorks zu wohnen, von Strungen bleibt man nicht verschont. Wir werden unseren Wohnsitz unbedingt noch weiter verlegen mssen; und sollte ich die halbe Nacht durchfahren mssen, ehe ich nach Hause komme. Sie blieben an der Freitreppe stehen. Aber Herr Green war doch schon sehr lange nicht hier, sagte Klara, die offenbar mit ihrem Vater gnzlich einverstanden war, ihn aber ber sich hinaus beruhigen wollte. Warum kommt er denn gerade heute abend, sagte Pollunder, und die Rede rollte schon wtend ber die wulstige Unterlippe, die als loses, schweres Fleisch leicht in groe Bewegung kam. Allerdings! sagte Klara. Vielleicht wird er bald wieder weggehen, bemerkte Karl und staunte selbst ber das Einverstndnis, in welchem er sich mit diesen noch gestern ihm gnzlich fremden Leuten befand. O nein, sagte Klara, er hat irgendein groes Geschft fr Papa, dessen Besprechung wahrscheinlich lange dauern wird, denn er hat mir schon im Spa gedroht, da ich, wenn ich eine hfliche Hauswirtin sein will, bis zum Morgen werde zuhren mssen. Also auch das noch. Dann bleibt er ber Nacht! rief Pollunder, als sei damit endlich das Schlimmste erreicht. Ich htte wahrhaftig Lust, sagte er und wurde freundlicher durch den neuen Gedanken, ich htte wahrhaftig Lust, Sie, Herr Romann, wieder ins Automobil zu nehmen und zu Ihrem Onkel zurckzubringen. Der heutige Abend ist schon von vornherein gestrt, und wer wei, wann Sie uns nchstens Ihr Herr Onkel wieder berlt. Bringe ich Sie aber heute schon wieder zurck, so wird er Sie uns nchstens doch nicht verweigern knnen. Und er fate Karl schon bei der Hand, um seinen Plan auszufhren. Aber Karl rhrte sich nicht, und Klara bat, ihn hierzulassen, denn zumindest sie und Karl wrden von Herrn Green nicht im geringsten gestrt werden knnen, und schlielich merkte auch Pollunder selbst, da sein Entschlu nicht der festeste war. berdies und dies war vielleicht das Entscheidende hrte man pltzlich Herrn Green vom obersten Treppenaufsatz in den Garten hinunterrufen: Wo bleibt ihr denn? Kommt, sagte Pollunder und bog auf die Freitreppe ein. Hinter ihm gingen Karl und Klara, die einander jetzt im Licht studierten. Die roten Lippen, die sie hat, sagte sich Karl und dachte an die Lippen des Herrn Pollunder und wie schn sie sich in der Tochter verwandelt hatten. Nach dem Nachtmahl, so sagte sie, werden wir, wenn es Ihnen recht ist, gleich in meine Zimmer gehen, damit wir wenigstens diesen Herrn Green los sind, wenn schon Papa sich mit ihm beschftigen mu. Und Sie werden dann so freundlich sein, mir Klavier vorzuspielen, denn Papa hat schon erzhlt, wie gut Sie das knnen, ich aber bin leider ganz unfhig, Musik auszuben, und rhre mein Klavier nicht an, so sehr ich die Musik eigentlich liebe. Mit dem Vorschlag Klaras war Karl ganz einverstanden, wenn er auch gern Herrn Pollunder mit in ihre Gesellschaft htte ziehen wollen. Vor der riesigen Gestalt Greens an Pollunders Gre hatte sich Karl eben schon gewhnt, die sich vor ihnen, wie sie die Stufen hinaufstiegen, langsam entwickelte, wich allerdings von Karl jede Hoffnung, diesem Mann den Herrn Pollunder heute abend irgendwie zu entlocken. Herr Green empfing sie sehr eilig, als sei vieles einzuholen, nahm Herrn Pollunders Arm und schob Karl und Klara vor sich in das Speisezimmer, das besonders infolge der Blumen auf dem Tische, die sich aus Streifen frischen Laubes halb aufrichteten, sehr festlich aussah und doppelt die Anwesenheit des strenden Herrn Green bedauern lie. Gerade freute sich noch Karl, der beim Tische wartete, bis die anderen sich setzten, da die groe Glastre zum Garten hin offen bleiben wrde, denn ein starker Duft wehte herein wie in eine Gartenlaube, da ging gerade Herr Green unter Schnaufen daran, diese Glastre zuzumachen, bckte sich nach den untersten Riegeln, streckte sich nach den obersten und alles so jugendlich rasch, da der herbeieilende Diener nichts mehr zu tun fand. Die ersten Worte des Herrn Green bei Tische waren Ausdrcke des Staunens darber, da Karl die Erlaubnis des Onkels zu diesem Besuche bekommen hatte. Einen gefllten Suppenlffel nach dem anderen hob er zum Mund und erklrte rechts zu Klara, links zu Herrn Pollunder, warum er so staune und wie der Onkel ber Karl wache und wie die Liebe des Onkels zu Karl zu gro sei, als da man sie noch Liebe eines Onkels nennen knne. Nicht genug, da er sich hier unntig einmischt, mischt er sich noch gleichzeitig zwischen mich und den Onkel ein, dachte Karl und konnte keinen Schluck der goldfarbigen Suppe hinunterbringen. Dann wollte er sich aber wieder nichts anmerken lassen, wie gestrt er sich fhlte, und begann die Suppe stumm in sich hineinzuschtten. Das Essen verging langsam wie eine Plage. Nur Herr Green und hchstens noch Klara waren lebhaft und fanden mitunter Gelegenheit zu einem kurzen Lachen. Herr Pollunder verfing sich nur einige Male in die Unterhaltung, wenn Herr Green von Geschften zu sprechen anfing. Doch zog er sich auch von solchen Gesprchen bald zurck, und Herr Green mute ihn nach einiger Zeit wieder unvermutet damit berraschen. Er legte brigens Gewicht darauf und da war es, da Karl, der aufhorchte, als drohe etwas, von Klara darauf aufmerksam gemacht werden mute, da der Braten vor ihm stand und er bei einem Abendessen war, da er von vornherein nicht die Absicht gehabt habe, diesen unerwarteten Besuch zu machen. Denn wenn auch das Geschft, von dem noch gesprochen werden solle, von besonderer Dringlichkeit sei, so htte wenigstens das Wichtigste heute in der Stadt verhandelt und das Nebenschlichere fr morgen oder spter aufgespart werden knnen. Und so sei er auch tatschlich, noch lange vor Geschftsschlu, bei Herrn Pollunder gewesen, habe ihn aber nicht angetroffen, so da er gezwungen gewesen sei, nach Hause zu telephonieren, da er ber Nacht ausbleibe, und herauszufahren. Dann mu ich um Entschuldigung bitten, sagte Karl laut und ehe jemand Zeit zur Antwort hatte, denn ich bin daran schuld, da Herr Pollunder sein Geschft heute frher verlie, und es tut mir sehr leid. Herr Pollunder bedeckte den greren Teil seines Gesichtes mit der Serviette, whrend Klara Karl zwar anlchelte, doch war es kein teilnehmendes Lcheln, sondern eines, das ihn irgendwie beeinflussen sollte. Da braucht es keine Entschuldigung, sagte Herr Green, der gerade eine Taube mit scharfen Schnitten zerlegte, ganz im Gegenteil, ich bin ja froh, den Abend in so angenehmer Gesellschaft zu verbringen, statt das Nachtmahl allein zu Hause einzunehmen, wo mich meine alte Wirtschafterin bedient, die so alt ist, da ihr schon der Weg von der Tr zu meinem Tisch schwerfllt, und ich mich fr lange in meinen Sessel zurcklehnen kann, wenn ich sie auf diesem Gang beobachten will. Erst vor kurzem habe ich durchgesetzt, da der Diener die Speisen bis zur Tr des Speisezimmers bringt, der Weg aber von der Tr zu meinem Tisch gehrt ihr, soweit ich sie verstehe. Mein Gott, rief Klara, ist das eine Treue! Ja, es gibt noch Treue auf der Welt, sagte Herr Green und fhrte einen Bissen in den Mund, wo die Zunge, wie Karl zufllig bemerkte, mit einem Schwunge die Speise ergriff. Ihm wurde fast bel und er stand auf. Fast gleichzeitig griffen Herr Pollunder und Klara nach seinen Hnden. Sie mssen noch sitzen bleiben, sagte Klara. Und als er sich wieder gesetzt hatte, flsterte sie ihm zu: Wir werden bald zusammen verschwinden. Haben Sie Geduld. Herr Green hatte sich inzwischen ruhig mit seinem Essen beschftigt, als sei es Herrn Pollunders und Klaras natrliche Aufgabe, Karl zu beruhigen, wenn er ihm belkeiten verursachte. Das Essen zog sich besonders durch die Genauigkeit in die Lnge, mit der Herr Green jeden Gang behandelte, wenn er auch immer bereit war, jeden neuen Gang ohne Ermdung zu empfangen, es bekam wirklich den Anschein, als wolle er sich von seiner alten Wirtschafterin grndlich erholen. Hin und wieder lobte er Frulein Klaras Kunst in der Fhrung des Hauswesens, was ihr sichtlich schmeichelte, whrend Karl versucht war, ihn abzuwehren, als greife er sie an. Aber Herr Green begngte sich nicht einmal mit ihr, sondern bedauerte fters, ohne vom Teller aufzusehen, die auffallende Appetitlosigkeit Karls. Herr Pollunder nahm Karls Appetit in Schutz, obwohl er als Gastgeber Karl auch zum Essen htte aufmuntern sollen. Und tatschlich fhlte sich Karl durch den Zwang, unter dem er whrend des ganzen Nachtmahls litt, so empfindlich, da er gegen die eigene bessere Einsicht diese uerung Herrn Pollunders als Unfreundlichkeit auslegte. Und es entsprach nur diesem seinen Zustand, da er einmal ganz unpassend rasch und viel a und dann wieder fr lange Zeit mde Gabel und Messer sinken lie und der Unbeweglichste der Gesellschaft war, mit dem der Diener, der die Speisen reichte, oft nichts anzufangen wute. Ich werde schon morgen dem Herrn Senator erzhlen, wie Sie das Frulein Klara durch Ihr Nichtessen gekrnkt haben, sagte Herr Green und beschrnkte sich darauf, die spaige Absicht dieser Worte durch die Art, wie er mit Besteck hantierte, auszudrcken. Sehen Sie nur das Mdchen an, wie traurig es ist, fuhr er fort und griff Klara unters Kinn. Sie lie es geschehen und schlo die Augen. Du Dingschen, rief er, lehnte sich zurck und lachte, hochrot im Gesicht, mit der Kraft des Gesttigten. Vergebens suchte sich Karl das Benehmen Herrn Pollunders zu erklren. Der sa vor seinem Teller und sah in ihn, als geschehe dort das eigentlich Wichtige. Er zog Karls Sessel nicht nher zu sich, und wenn er einmal sprach, so sprach er zu allen, aber zu Karl hatte er nichts Besonderes zu reden. Dagegen duldete er, da Green, dieser alte, ausgepichte New Yorker Junggeselle, mit deutlicher Absicht Klara berhrte, da er Karl, Pollunders Gast beleidigte oder wenigstens als Kind behandelte und wer wei zu welchen Taten sich strkte und vordrang. Nach Aufhebung der Tafel als Green die allgemeine Stimmung merkte, war er der erste, der aufstand und gewissermaen alle mit sich erhob ging Karl allein abseits zu einem der groen, durch schmale weie Leisten geteilten Fenster, die zur Terrasse fhrten und die eigentlich, wie er beim Nhertreten merkte, richtige Tren waren. Was war von der Abneigung briggeblieben, die Herr Pollunder und seine Tochter anfangs gegenber Green gefhlt hatten und die damals Karl etwas unverstndlich vorgekommen war? Jetzt standen sie mit Green beisammen und nickten ihm zu. Der Rauch aus Herrn Greens Zigarre, einem Geschenk Pollunders, die von jener Dicke war, von der der Vater zu Hause hie und da als von einer Tatsache zu erzhlen pflegte, die er wahrscheinlich selbst mit eigenen Augen niemals gesehen hatte, verbreitete sich in dem Saal und trug Greens Einflu auch in Winkel und Nischen, die er persnlich niemals betreten wrde. So weit entfernt Karl auch stand, noch sprte er von dem Rauch einen Kitzel in der Nase, und das Benehmen Herrn Greens, nach welchem er sich von seinem Platz aus nur einmal schnell umsah, erschien ihm infam. Jetzt hielt er es gar nicht mehr fr ausgeschlossen, da ihm der Onkel die Erlaubnis zu diesem Besuch nur deshalb so lange verweigert hatte, weil er den schwachen Charakter Herrn Pollunders kannte und infolgedessen eine Krnkung Karls bei diesem Besuch, wenn auch nicht genau voraussah, so doch im Bereich der Mglichkeit erblickte. Auch das amerikanische Mdchen gefiel ihm nicht, obwohl er sich sie durchaus nicht etwa viel schner vorgestellt hatte. Seit sich Herr Green mit ihr abgegeben hatte, war er sogar berrascht von der Schnheit, deren ihr Gesicht fhig war, und besonders von dem Glanz ihrer unbndig bewegten Augen. Einen Rock, der so fest wie der ihre den Krper umschlossen htte, hatte er noch niemals gesehen, kleine Falten in dem gelblichen, zarten und festen Stoff zeigten die Strke der Spannung. Und doch lag Karl gar nichts an ihr und er htte gern darauf verzichtet, auf ihre Zimmer gefhrt zu werden, wenn er statt dessen die Tr, auf deren Klinke er fr jeden Fall die Hnde gelegt hatte, htte ffnen, ins Automobil steigen oder, wenn der Chauffeur schon schlief, allein nach New York htte spazieren drfen. Die klare Nacht mit dem ihm zugeneigten vollen Mond stand frei fr jedermann, und drauen im Freien vielleicht Furcht zu haben schien Karl sinnlos. Er stellte sich vor und zum erstenmal wurde ihm in diesem Saale wohl, wie er am Morgen frher drfte er kaum zu Fu nach Hause kommen den Onkel berraschen wollte. Er war zwar noch niemals in seinem Schlafzimmer gewesen, wute auch gar nicht, wo es lag, aber er wollte es schon erfragen. Dann wollte er anklopfen und auf das frmliche Herein! ins Zimmer laufen und den lieben Onkel, den er bisher immer nur bis hoch hinauf angezogen und zugeknpft kannte, aufrecht im Bette sitzend, die Augen erstaunt zur Tr gerichtet, im Nachthemd berraschen. Das war ja an und fr sich vielleicht noch nicht viel, aber man mute nur ausdenken, was das zur Folge haben knnte. Vielleicht wrde er zum erstenmal gemeinsam mit seinem Onkel frhstcken, der Onkel im Bett, er auf einem Sessel, das Frhstck auf einem Tischchen zwischen ihnen, vielleicht wrde dieses gemeinsame Frhstck zu einer stndigen Einrichtung werden, vielleicht wrden sie infolge dieser Art Frhstck, was sogar kaum zu vermeiden war, fters als wie bisher blo einmal whrend des Tages zusammenkommen und dann natrlich auch offener miteinander reden knnen. Es lag ja schlielich nur an dem Mangel dieser offenen Aussprache, wenn er heute dem Onkel gegenber etwas unfolgsam oder, besser, starrkpfig gewesen war. Und wenn er auch heute ber Nacht hierbleiben mute es sah leider ganz danach aus, obwohl man ihn hier beim Fenster stehen und auf eigene Faust sich unterhalten lieߠ, vielleicht wurde dieser unglckliche Besuch der Wendepunkt zum Besseren in dem Verhltnis zum Onkel, vielleicht hatte der Onkel in seinem Schlafzimmer heute abend hnliche Gedanken. Ein wenig getrstet wandte er sich um. Klara stand vor ihm und sagte: Gefllt es Ihnen denn gar nicht bei uns? Wollen Sie sich hier nicht ein wenig heimisch fhlen? Kommen Sie, ich will den letzten Versuch machen. Sie fhrte ihn quer durch den Saal zur Tre. An einem Seitentisch saen die beiden Herren bei leicht schumenden, in hohe Glser gefllten Getrnken, die Karl unbekannt waren und die er zu kosten Lust gehabt htte. Herr Green hatte einen Ellbogen auf dem Tisch, sein ganzes Gesicht war Herrn Pollunder mglichst nahe gerckt; wenn man Herrn Pollunder nicht gekannt htte, htte man ganz gut annehmen knnen, es werde hier etwas Verbrecherisches besprochen und kein Geschft. Whrend Herr Pollunder mit freundlichem Blick Karl zur Tre folgte, sah sich Green, obwohl man doch schon unwillkrlich sich den Blicken seines Gegenbers anzuschlieen pflegt, auch nicht im geringsten nach Karl um, welchem in diesem Benehmen der Ausdruck einer Art berzeugung Greens zu liegen schien, jeder, Karl fr sich und Green fr sich, solle hier mit seinen Fhigkeiten auszukommen versuchen, die notwendige gesellschaftliche Verbindung zwischen ihnen werde sich schon mit der Zeit durch den Sieg oder die Vernichtung eines von beiden herstellen. Wenn er das meint, sagte sich Karl, dann ist er ein Narr. Ich will wahrhaftig nichts von ihm, und er soll mich auch in Ruhe lassen. Kaum war er auf den Gang getreten, fiel ihm ein, da er sich wahrscheinlich unhflich benommen hatte, denn mit seinen auf Green gehefteten Augen hatte er sich von Klara aus dem Zimmer fast schleppen lassen. Desto williger ging er jetzt neben ihr her. Auf dem Wege durch die Gnge traute er zuerst seinen Augen nicht, als er alle zwanzig Schritte einen reich livrierten Diener mit einem Armleuchter stehen sah, dessen dicken Schaft jene mit beiden Hnden umschlossen hielten. Die neue elektrische Leitung ist bisher nur im Speisezimmer eingefhrt, erklrte Klara. Wir haben dieses Haus erst vor kurzem gekauft und es gnzlich umbauen lassen, soweit sich ein altes Haus mit seiner eigensinnigen Bauart berhaupt umbauen lt. Da gibt es also auch schon in Amerika alte Huser, sagte Karl. Natrlich, sagte Klara lachend und zog ihn weiter. Sie haben merkwrdige Begriffe von Amerika. Sie sollen mich nicht auslachen, sagte er rgerlich. Schlielich kannte er schon Europa und Amerika, sie aber nur Amerika. Im Vorbergehen stie Klara mit leicht ausgestreckter Hand eine Tr auf und sagte, ohne anzuhalten: Hier werden Sie schlafen. Karl wollte sich natrlich das Zimmer gleich anschauen, aber Klara erklrte ungeduldig und fast schreiend, das habe doch Zeit und er solle nur vorher mitkommen. Sie zogen sich auf dem Gang ein wenig hin und her, schlielich meinte Karl, er msse sich nicht in allem nach Klara richten, ri sich los und trat in das Zimmer. Ein berraschendes Dunkel vor dem Fenster erklrte sich durch einen Baumwipfel, der sich dort in seinem vollen Umfang wiegte. Man hrte Vogelgesang. Im Zimmer selbst, das vom Mondlicht noch nicht erreicht war, konnte man allerdings fast gar nichts unterscheiden. Karl bedauerte, die elektrische Taschenlampe, die er vom Onkel geschenkt bekommen hatte, nicht mitgenommen zu haben. In diesem Hause war ja eine Taschenlampe unentbehrlich, htte man ein paar solcher Lampen gehabt, htte man die Diener schlafen schicken knnen. Er setzte sich aufs Fensterbrett und sah und horchte hinaus. Ein aufgestrter Vogel schien sich durch das Laubwerk des alten Baumes zu drngen. Die Pfeife eines New Yorker Vorortzuges erklang irgendwo im Land. Sonst war es still. Aber nicht lange, denn Klara kam eilends herein. Sichtlich bse rief sie: Was soll denn das? und klatschte auf ihren Rock. Karl wollte erst antworten, wenn sie hflicher geworden war. Aber sie ging mit groen Schritten auf ihn zu, rief: Also wollen Sie mit mir kommen oder nicht? stie ihn mit Absicht oder blo in der Erregung derart in die Brust, da er aus dem Fenster gestrzt wre, htte er nicht noch im letzten Augenblick, vom Fensterbrett gleitend, mit den Fen den Zimmerboden berhrt. Jetzt wre ich bald hinausgefallen, sagte er vorwurfsvoll. Schade, da es nicht geschehen ist. Warum sind Sie so unartig! Ich stoe Sie noch einmal hinunter. Und wirklich umfate sie ihn und trug ihn, der, zuerst verblfft, sich schwer zu machen verga, mit ihrem vom Sport gesthlten Krper fast bis zum Fenster. Aber dort besann er sich, machte sich mit einer Wendung der Hften los und umfate sie. Ach, Sie tun mir weh, sagte sie gleich. Aber nun glaubte Karl, sie nicht mehr loslassen zu drfen. Er lie ihr zwar Freiheit, Schritte nach Belieben zu machen, folgte ihr aber und lie sie nicht los. Es war auch so leicht, sie in ihrem engen Kleid zu umfassen. Lassen Sie mich, flsterte sie, das erhitzte Gesicht eng an seinem, er mute sich anstrengen, sie zu sehen, so nahe war sie ihm. Lassen Sie mich, ich werde Ihnen etwas Schnes geben. Warum seufzt sie so, dachte Karl, es kann ihr nicht wehtun, ich drcke sie ja nicht, und er lie sie noch nicht los. Aber pltzlich, nach einem Augenblick unachtsamen, schweigenden Dastehens, fhlte er wieder ihre wachsende Kraft an seinem Leib, und sie hatte sich ihm entwunden, fate ihn mit gut ausgentztem Obergriff, wehrte seine Beine mit Fustellungen einer fremdartigen Kampftechnik ab und trieb ihn vor sich, mit groartiger Regelmigkeit Atem holend, gegen die Wand. Dort war aber ein Kanapee, auf das legte sie Karl hin und sagte, ohne sich allzusehr zu ihm hinabzubeugen: Jetzt rhr dich, wenn du kannst. Katze, tolle Katze, konnte Karl gerade noch aus dem Durcheinander von Wut und Scham rufen, in dem er sich befand. Du bist ja wahnsinnig, du tolle Katze! Gib acht auf deine Worte, sagte sie und lie die eine Hand zu seinem Halse gleiten, den sie so stark zu wrgen anfing, da Karl ganz unfhig war, etwas anderes zu tun als Luft zu schnappen, whrend sie mit der anderen Hand an seine Wange fuhr, wie probeweise sie berhrte, sie wieder, und zwar immer weiter, in die Luft zurckzog und jeden Augenblick mit einer Ohrfeige niederfallen lassen konnte. Wie wre es, fragte sie dabei, wenn ich dich zur Strafe fr dein Benehmen einer Dame gegenber mit einer tchtigen Ohrfeige nach Hause schicken wollte? Vielleicht wre es dir ntzlich fr deinen knftigen Lebensweg, wenn es auch keine schne Erinnerung abgeben wrde. Du tust mir ja leid und bist ein ertrglicher hbscher Junge, und httest du Jiu-Jitsu gelernt, httest du wahrscheinlich mich durchgeprgelt. Trotzdem, trotzdem es verlockt mich geradezu riesig, dich zu ohrfeigen, so wie du jetzt daliegst. Ich werde es wahrscheinlich bedauern; wenn ich es aber tun sollte, so wisse schon jetzt, da ich es fast gegen meinen Willen tun werde. Und ich werde mich dann natrlich nicht mit einer Ohrfeige begngen, sondern rechts und links schlagen, bis dir die Backen anschwellen. Und vielleicht bist du ein Ehrenmann ich mchte es fast glauben und wirst mit den Ohrfeigen nicht weiterleben wollen und dich aus der Welt schaffen. Aber warum bist du auch so gegen mich gewesen? Gefalle ich dir vielleicht nicht? Lohnt es sich nicht, auf mein Zimmer zu kommen? Achtung! Jetzt htte ich dir schon fast unversehens die Ohrfeige aufgepelzt. Wenn du heute also noch so loskommen solltest, benimm dich nchstens feiner. Ich bin nicht dein Onkel, dem du trotzen kannst. Im brigen will ich dich noch darauf aufmerksam machen, da du, wenn ich dich ungeohrfeigt loslasse, nicht glauben mut, da deine jetzige Lage und wirkliches Geohrfeigtwerden vom Standpunkt der Ehre aus das gleiche sind. Solltest du das glauben wollen, so wrde ich es doch vorziehen, dich wirklich zu ohrfeigen. Was wohl Mack sagen wird, wenn ich ihm das alles erzhle? Bei der Erinnerung an Mack lie sie Karl los, in seinen undeutlichen Gedanken erschien ihm Mack wie ein Befreier. Er fhlte noch ein Weilchen Klaras Hand an seinem Hals, wand sich daher noch ein wenig und lag dann still. Sie forderte ihn auf, aufzustehen, er antwortete nicht und rhrte sich nicht. Sie entzndete irgendwo eine Kerze, das Zimmer bekam Licht, ein blaues Zickzackmuster erschien auf dem Plafond, aber Karl lag, den Kopf aufs Sofapolster aufgesttzt so, wie ihn Klara gebettet hatte, und wandte ihn nicht einen Fingerbreit. Klara ging im Zimmer herum, ihr Rock rauschte um ihre Beine, wahrscheinlich beim Fenster blieb sie eine lange Weile stehen. Ausgetrotzt? hrte man sie dann fragen. Karl empfand es schwer, in diesem Zimmer, das ihm doch von Herrn Pollunder fr diese Nacht zugedacht war, keine Ruhe bekommen zu knnen. Da wanderte dieses Mdchen herum, blieb stehen und redete, und er hatte sie doch so unaussprechlich satt. Rasch schlafen und von hier fortgehen war sein einziger Wunsch. Er wollte gar nicht mehr ins Bett, nur hier auf dem Kanapee wollte er bleiben. Er lauerte nur darauf, da sie wegginge, um hinter ihr her zur Tr zu springen, sie zu verriegeln, und dann wieder zurck auf das Kanapee sich zu werfen. Er hatte ein solches Bedrfnis, sich zu strecken und zu ghnen, aber vor Klara wollte er das nicht tun. Und so lag er, starrte hinauf, fhlte sein Gesicht immer unbeweglicher werden und eine ihn umkreisende Fliege flimmerte ihm vor den Augen, ohne da er recht wute, was es war. Klara trat wieder zu ihm, beugte sich in die Richtung seiner Blicke, und htte er sich nicht bezwungen, htte er sie schon anschauen mssen. Ich gehe jetzt, sagte sie. Vielleicht bekommst du spter Lust, zu mir zu kommen. Die Tr zu meinen Zimmern ist die vierte, von dieser Tr aus gerechnet, auf dieser Seite des Ganges. Du gehst also an drei weiteren Tren vorber und die, zu welcher du dann kommst, ist die richtige. Ich gehe nicht mehr hinunter in den Saal, sondern bleibe schon in meinem Zimmer. Du hast mich aber auch ordentlich mde gemacht. Ich werde nicht gerade auf dich warten, aber wenn du kommen willst, so komm. Erinnere dich, da du versprochen hast, mir auf dem Klavier vorzuspielen. Aber vielleicht habe ich dich ganz entnervt und du kannst dich nicht mehr rhren, dann bleib und schlaf dich aus. Dem Vater sage ich vorlufig von unserer Rauferei kein Wort; ich bemerke das fr den Fall, da dir das Sorge machen sollte. Darauf lief sie trotz ihrer angeblichen Mdigkeit mit zwei Sprngen aus dem Zimmer. Sofort setzte sich Karl aufrecht, dieses Liegen war schon unertrglich geworden. Um ein wenig Bewegung zu machen ging er zur Tr und sah auf den Gang hinaus. War dort aber eine Finsternis! Er war froh, als er die Tr zugemacht und abgesperrt hatte und wieder bei seinem Tisch im Schein der Kerze stand. Sein Entschlu war, nicht lnger in diesem Haus zu bleiben, sondern hinunter zu Herrn Pollunder zu gehen, ihm offen zu sagen, wie ihn Klara behandelt hatte am Eingestndnis seiner Niederlage lag ihm gar nichts, und mit dieser wohl gengenden Begrndung um die Erlaubnis zu bitten, nach Hause fahren oder gehen zu drfen. Sollte Herr Pollunder etwas gegen diese sofortige Heimkehr einzuwenden haben, dann wollte ihn Karl wenigstens bitten, ihn durch einen Diener zum nchsten Hotel fhren zu lassen. In dieser Weise, wie sie Karl plante, ging man zwar sonst in der Regel nicht mit freundlichen Gastgebern um, aber noch seltener ging man mit einem Gaste derart um, wie es Klara getan hatte. Sie hatte sogar noch ihr Versprechen, dem Herrn Pollunder von der Rauferei vorlufig nichts zu sagen, fr eine Freundlichkeit gehalten, das war aber schon himmelschreiend. Ja, war denn Karl zu einem Ringkampf eingeladen worden, so da es fr ihn beschmend gewesen wre, von einem Mdchen geworfen zu werden, das wahrscheinlich den grten Teil ihres Lebens mit dem Lernen von Ringkmpferkniffen verbracht hatte? Am Ende hatte sie gar von Mack Unterricht bekommen. Mochte sie ihm nur alles erzhlen; der war sicher einsichtig, das wute Karl, obwohl er niemals Gelegenheit gehabt hatte, das im einzelnen zu erfahren. Karl wute aber auch, da, wenn Mack ihn unterrichtete, er noch viel grere Fortschritte als Klara machen wrde; dann kme er eines Tages wieder hierher, hchstwahrscheinlich uneingeladen, untersuchte natrlich zuerst die rtlichkeit, deren genaue Kenntnis ein groer Vorteil Klaras gewesen war, packte dann diese gleiche Klara und klopfte mit ihr das kleine Kanapee aus, auf das sie ihn heute geworfen hatte. Jetzt handelte es sich nur darum, den Weg zum Saal zurckzufinden, wo er ja wahrscheinlich auch seinen Hut in der ersten Zerstreutheit auf einen unpassenden Platz gelegt hatte. Die Kerze wollte er natrlich mitnehmen, aber selbst bei Licht war es nicht leicht, sich auszukennen. Er wute zum Beispiel nicht einmal, ob dieses Zimmer in der gleichen Ebene wie der Saal gelegen war. Klara hatte ihn auf dem Herweg immer so gezogen, da er sich gar nicht hatte umsehen knnen. Herr Green und die leuchtertragenden Diener hatten ihm auch zu denken gegeben; kurz, er wute jetzt tatschlich nicht einmal, ob sie eine oder zwei oder vielleicht gar keine Treppe passiert hatten. Nach der Aussicht zu schlieen, lag das Zimmer ziemlich hoch, und er suchte sich deshalb einzubilden, da sie ber Treppen gekommen waren, aber schon zum Hauseingang hatte man ja ber Treppen steigen mssen, warum konnte nicht auch diese Seite des Hauses erhht sein? Aber wenn wenigstens auf dem Gang irgendwo ein Lichtschein aus einer Tr zu sehen oder eine Stimme aus der Ferne auch noch so leise zu hren gewesen wre! Seine Taschenuhr, ein Geschenk des Onkels, zeigte elf Uhr, er nahm die Kerze und ging auf den Gang hinaus. Die Tr lie er offen, um fr den Fall, als sein Suchen vergeblich wre, wenigstens sein Zimmer wiederzufinden und danach, fr den uersten Notfall, die Tr zu Klaras Zimmer. Zur Sicherheit, damit sich die Tre nicht von selbst schliee, verstellte er sie mit einem Sessel. Auf dem Gang zeigte sich der belstand, da gegen Karl er ging natrlich von Klaras Tre weg nach links ein Luftzug strich, der zwar ganz schwach war, aber immerhin leicht die Kerze htte auslschen knnen, so da Karl die Flamme mit der Hand schtzen und berdies fters stehenbleiben mute, damit die niedergedrckte Flamme sich erhole. Es war ein langsames Vorwrtskommen, und der Weg schien dadurch doppelt lang. Karl war schon an groen Strecken der Wnde vorbergekommen, die gnzlich ohne Tren waren, man konnte sich nicht vorstellen, was dahinter war. Dann kam wieder Tr an Tr, er suchte, mehrere zu ffnen, sie waren versperrt und die Rume offenbar unbewohnt. Es war eine Raumverschwendung sondergleichen, und Karl dachte an die stlichen New Yorker Quartiere, die ihm der Onkel zu zeigen versprochen hatte, wo angeblich in einem kleinen Zimmer mehrere Familien wohnten und das Heim einer Familie in einem Zimmerwinkel bestand, in dem sich die Kinder um ihre Eltern scharten. Und hier standen so viele Zimmer leer und waren nur dazu da, um hohl zu klingen, wenn man an die Tr schlug. Herr Pollunder schien Karl irregefhrt zu sein von falschen Freunden und vernarrt in seine Tochter und dadurch verdorben. Der Onkel hatte ihn sicher richtig beurteilt, und nur sein Grundsatz, auf die Menschenbeurteilung Karls keinen Einflu zu nehmen, war schuld an diesem Besuch und an diesen Wanderungen auf den Gngen. Karl wollte das morgen dem Onkel ohne weiteres sagen, denn nach seinem Grundsatz wrde der Onkel auch das Urteil des Neffen ber ihn gerne und ruhig anhren. berdies war dieser Grundsatz vielleicht das einzige, was Karl an seinem Onkel nicht gefiel, und selbst dieses Nichtgefallen war nicht unbedingt. Pltzlich hrte die Wand an der einen Gangseite auf, und ein eiskaltes marmornes Gelnder trat an ihre Stelle. Karl stellte die Kerze neben sich und beugte sich vorsichtig hinunter. Dunkle Leere wehte ihm entgegen. Wenn das die Haupthalle des Hauses war im Schimmer der Kerze erschien ein Stck einer gewlbeartig gefhrten Decke, warum war man nicht durch diese Halle eingetreten? Wozu diente nur dieser groe, tiefe Raum? Man stand ja hier oben wie auf der Galerie einer Kirche. Karl bedauerte fast, nicht bis morgen in diesem Haus bleiben zu knnen, er htte gern bei Tageslicht von Herrn Pollunder sich berall herumfhren und ber alles unterrichten lassen. Das Gelnder war brigens nicht lang, und bald wurde Karl wieder vom geschlossenen Gang aufgenommen. Bei einer pltzlichen Wendung des Ganges stie Karl mit ganzer Wucht an die Mauer, und nur die ununterbrochene Sorgfalt, mit der er die Kerze krampfhaft hielt, bewahrte sie glcklicherweise vor dem Fallen und Auslschen. Da der Gang kein Ende nehmen wollte, nirgends ein Fenster einen Ausblick gab, weder in der Hhe noch in der Tiefe sich etwas rhrte, dachte Karl schon, er gehe immerfort im gleichen Kreisgang in der Runde, und hoffte schon, die offene Tr seines Zimmers vielleicht wiederzufinden, aber weder sie noch das Gelnder kehrte wieder. Bis jetzt hatte sich Karl von lautem Rufen zurckgehalten, denn er wollte in einem fremden Haus zu so spter Stunde keinen Lrm machen, aber jetzt sah er ein, da es in diesem unbeleuchteten Hause kein Unrecht war, und machte sich gerade daran, nach beiden Seiten des Ganges ein lautes Hallo! zu schreien, als er in der Richtung, aus der er gekommen war, ein kleines, sich nherndes Licht bemerkte. Jetzt konnte er erst die Lnge des geraden Ganges abschtzen; das Haus war eine Festung, keine Villa. Karls Freude ber dieses rettende Licht war so gro, da er alle Vorsicht verga und darauf zulief; schon bei den ersten Sprngen lschte seine Kerze aus. Er achtete nicht darauf, denn er brauchte sie nicht mehr, hier kam ihm ein alter Diener mit einer Laterne entgegen, der ihm den richtigen Weg schon zeigen wrde. Wer sind Sie? fragte der Diener und hielt Karl die Laterne ans Gesicht, wodurch er gleichzeitig sein eigenes beleuchtete. Sein Gesicht erschien etwas steif durch einen groen, weien Vollbart, der erst auf der Brust in seidenartige Ringel ausging. Es mu ein treuer Diener sein, dem man das Tragen eines solchen Bartes erlaubt, dachte Karl und sah diesen Bart unverwandt der Lnge und Breite nach an, ohne sich dadurch behindert zu fhlen, da er selbst beobachtet wurde. Im brigen antwortete er sofort, da er der Gast des Herrn Pollunder sei, aus seinem Zimmer in das Speisezimmer gehen wolle und es nicht finden knne. Ach so, sagte der Diener, wir haben das elektrische Licht noch nicht eingefhrt. Ich wei߫, sagte Karl. Wollen Sie nicht Ihre Kerze an meiner Lampe anznden? fragte der Diener. Bitte, sagte Karl und tat es. Es zieht hier so auf den Gngen, sagte der Diener, die Kerze lscht leicht aus, darum habe ich eine Laterne. Ja, eine Laterne ist viel praktischer, sagte Karl. Sie sind auch schon von der Kerze ganz betropft, sagte der Diener und leuchte mit der Kerze Karls Anzug ab. Das habe ich ja gar nicht bemerkt! rief Karl, und es tat ihm sehr leid, da es ein schwarzer Anzug war, von dem der Onkel gesagt hatte, er passe ihm am besten von allen. Die Rauferei mit Klara drfte dem Anzug auch nicht gentzt haben, erinnerte er sich jetzt. Der Diener war gefllig genug, den Anzug zu reinigen, so gut es in der Eile ging; immer wieder drehte sich Karl vor ihm herum und zeigte ihm noch hier und dort einen Fleck, den der Diener folgsam entfernte. Warum zieht es denn hier eigentlich so? fragte Karl, als sie schon weitergingen. Es ist hier eben noch viel zu bauen, sagte der Diener, man hat zwar mit dem Umbau schon angefangen, aber es geht sehr langsam. Jetzt streiken auch noch die Bauarbeiter, wie Sie vielleicht wissen. Man hat viel rger mit so einem Bau. Jetzt sind da ein paar groe Durchbrche gemacht worden, die niemand vermauert, und die Zugluft geht durch das ganze Haus. Wenn ich nicht die Ohren voll Watte htte, knnte ich nicht bestehen. Da mu ich wohl lauter reden? fragte Karl. Nein, Sie haben eine klare Stimme, sagte der Diener. Aber um auf diesen Bau zurckzukommen; besonders hier in der Nhe der Kapelle, die spter unbedingt von dem brigen Haus abgesperrt werden mu, ist die Zugluft gar nicht auszuhalten. Die Brstung, an der man in diesem Gang vorberkommt, geht also in eine Kapelle hinaus? Ja. Das habe ich mir gleich gedacht, sagte Karl. Sie ist sehr sehenswert, sagte der Diener, wre sie nicht gewesen, htte wohl Herr Mack das Haus nicht gekauft. Herr Mack? fragte Karl, ich dachte, das Haus gehre Herrn Pollunder? Allerdings, sagte der Diener, aber Herr Mack hat doch bei diesem Kauf den Ausschlag gegeben. Sie kennen Herrn Mack nicht? O ja, sagte Karl. Aber in welcher Verbindung ist er denn mit Herrn Pollunder? Er ist der Brutigam des Fruleins, sagte der Diener. Das wute ich freilich nicht, sagte Karl und blieb stehen. Setzt Sie das in solches Erstaunen? fragte der Diener. Ich will es mir nur zurechtlegen. Wenn man solche Beziehungen nicht kennt, kann man ja die grten Fehler machen, antwortete Karl. Es wundert mich nur, da man Ihnen davon nichts gesagt hat, sagte der Diener. Ja, wirklich, sagte Karl beschmt. Wahrscheinlich dachte man, Sie wten es, sagte der Diener, es ist ja keine Neuigkeit. Hier sind wir brigens, und ffnete eine Tr, hinter der sich eine Treppe zeigte, die senkrecht zu der Hintertre des ebenso wie bei der Ankunft hell beleuchteten Speisezimmers fhrte. Ehe Karl in das Speisezimmer eintrat, aus dem man die Stimmen Herrn Pollunders und Herrn Greens unverndert wie vor nun wohl schon zwei Stunden hrte, sagte der Diener: Wenn Sie wollen, erwarte ich Sie hier und fhre Sie dann in Ihr Zimmer. Es macht immerhin Schwierigkeiten, sich gleich am ersten Abend hier auszukennen. Ich werde nicht mehr in mein Zimmer zurckkehren, sagte Karl und wute nicht, warum er bei dieser Auskunft traurig wurde. Es wird nicht so arg sein, sagte der Diener, ein wenig berlegen lchelnd, und klopfte ihm auf den Arm. Er hatte sich wahrscheinlich Karls Worte dahin erklrt, da Karl beabsichtige, whrend der ganzen Nacht im Speisezimmer zu bleiben, sich mit den Herren zu unterhalten und mit ihnen zu trinken. Karl wollte jetzt keine Bekenntnisse machen, auerdem dachte er, der Diener, der ihm besser gefiel als die anderen hiesigen Diener, knne ihm ja dann die Wegrichtung nach New York zeigen, und sagte deshalb: Wenn Sie hier warten wollen, so ist das sicherlich eine groe Freundlichkeit von Ihnen, und ich nehme sie dankbar an. Jedenfalls werde ich in einer kleinen Weile herauskommen und Ihnen dann sagen, was ich weiter tun werde. Ich denke schon, da mir Ihre Hilfe noch ntig sein wird. Gut, sagte der Diener, stellte die Laterne auf den Boden und setzte sich auf ein niedriges Postament, dessen Leere wahrscheinlich auch mit dem Umbau des Hauses zusammenhing. Ich werde also hier warten. Die Kerze knnen Sie auch bei mir lassen, sagte der Diener noch, als Karl mit der brennenden Kerze in den Saal gehen wollte. Ich bin aber zerstreut, sagte Karl und reichte die Kerze dem Diener hin, welcher ihm blo zunickte, ohne da man wute, ob er es mit Absicht tat oder ob es eine Folge dessen war, da er mit der Hand seinen Bart strich. Karl ffnete die Tr, die ohne seine Schuld laut erklirrte, denn sie bestand aus einer einzigen Glasplatte, die sich fast bog, wenn die Tr rasch geffnet und nur an der Klinke festgehalten wurde. Karl lie die Tr erschrocken los, denn er hatte gerade besonders still eintreten wollen. Ohne sich mehr umzudrehen, merkte er noch, wie hinter ihm der Diener, der offenbar von seinem Postament herabgestiegen war, vorsichtig und ohne das geringste Gerusch die Tr schlo. Verzeihen Sie, da ich stre, sagte er zu den beiden Herren, die ihn mit ihren groen, erstaunten Gesichtern ansahen. Gleichzeitig aber berflog er mit einem Blick den Saal, ob er nicht irgendwo schnell seinen Hut finden knne. Er war aber nirgends zu sehen, der Etisch war vllig abgerumt, vielleicht war der Hut unangenehmerweise irgendwie in die Kche fortgetragen worden. Wo haben Sie denn Klara gelassen? fragte Herr Pollunder, dem brigens die Strung nicht unlieb schien, denn er setzte sich gleich anders in seinem Fauteuil und kehrte Karl seine ganze Front zu. Herr Green spielte den Unbeteiligten, zog eine Brieftasche heraus, die an Gre und Dicke ein Ungeheuer ihrer Art war, schien in den vielen Taschen ein bestimmtes Stck zu suchen, las aber whrend des Suchens auch andere Papiere, die ihm gerade in die Hand kamen. Ich htte eine Bitte, die Sie nicht miverstehen drfen, sagte Karl, ging eiligst zu Herrn Pollunder hin und legte, um ihm recht nahe zu sein, die Hand auf die Armlehne des Fauteuils. Was soll denn das fr eine Bitte sein? fragte Herr Pollunder und sah Karl mit offenem, rckhaltlosem Blicke an. Sie ist natrlich schon erfllt. Und er legte den Arm um Karl und zog ihn zu sich zwischen seine Beine. Karl duldete das gerne, obwohl er sich im allgemeinen doch fr eine solche Behandlung allzu erwachsen fhlte. Aber das Aussprechen seiner Bitte wurde natrlich schwieriger. Wie gefllt es Ihnen denn eigentlich bei uns? fragte Herr Pollunder. Scheint es Ihnen nicht auch, da man auf dem Lande sozusagen befreit wird, wenn man aus der Stadt herauskommt? Im allgemeinen und ein nicht mizuverstehender, durch Karl etwas verdeckter Seitenblick ging auf Herrn Green, im allgemeinen habe ich dieses Gefhl immer wieder, jeden Abend. Er spricht, dachte Karl, als wte er nichts von dem groen Haus, den endlosen Gngen, der Kapelle, den leeren Zimmern, dem Dunkel berall. Nun, sagte Herr Pollunder, die Bitte!, und schttelte Karl freundschaftlich, der stumm dastand. Ich bitte, sagte Karl, und so sehr er die Stimme dmpfte, es lie sich nicht vermeiden, da der daneben sitzende Green alles hrte, vor dem Karl die Bitte, die mglicherweise als eine Beleidigung Pollunders aufgefat werden konnte, so gern verschwiegen htte ich bitte, lassen Sie mich noch jetzt, in der Nacht, nach Hause. Und da das rgste ausgesprochen war, drngte alles andere um so schneller nach, er sagte, ohne die geringste Lge zu gebrauchen, Dinge, an die er gar nicht eigentlich vorher gedacht hatte. Ich mchte um alles gerne nach Hause. Ich werde gerne wiederkommen, denn wo Sie, Herr Pollunder, sind, dort bin auch ich gerne. Nur heute kann ich nicht hierbleiben. Sie wissen, der Onkel hat mir die Erlaubnis zu diesem Besuch nicht gerne gegeben. Er hat sicher dafr seine guten Grnde gehabt, wie fr alles, was er tut, und ich habe es mir herausgenommen, gegen seine bessere Einsicht die Erlaubnis frmlich zu erzwingen. Ich habe seine Liebe zu mir einfach mibraucht. Was fr Bedenken er gegen diesen Besuch hatte, ist ja jetzt gleichgltig, ich wei blo ganz bestimmt, da nichts in diesem Bedenken war, was Sie, Herr Pollunder, krnken knnte, der Sie der beste, der allerbeste Freund meines Onkels sind. Kein anderer kann sich in der Freundschaft meines Onkels auch nur im entferntesten mit Ihnen vergleichen. Das ist ja auch die einzige Entschuldigung fr meine Unfolgsamkeit, aber keine gengende. Sie haben vielleicht keinen genauen Einblick in das Verhltnis zwischen meinem Onkel und mir, ich will daher nur von dem Einleuchtendsten sprechen. Solange meine Englischstudien nicht abgeschlossen sind und ich mich im praktischen Handel nicht gengend umgesehen habe, bin ich gnzlich auf die Gte meines Onkels angewiesen, die ich allerdings als Blutsverwandter genieen darf. Sie drfen nicht glauben, da ich schon jetzt irgendwie mein Brot anstndig und vor allem anderen soll mich Gott bewahren verdienen knnte. Dazu ist leider meine Erziehung zu unpraktisch gewesen. Ich habe vier Klassen eines europischen Gymnasiums als Durchschnittsschler durchgemacht, und das bedeutet fr den Gelderwerb viel weniger als nichts, denn unsere Gymnasien sind im Lehrplan sehr rckschrittlich. Sie wrden lachen, wenn ich Ihnen erzhlen wollte, was ich gelernt habe. Wenn man weiterstudiert, das Gymnasium zu Ende macht, an die Universitt geht, dann gleicht sich ja wahrscheinlich alles irgendwie aus, und man hat zum Schlu eine geordnete Bildung, mit der sich etwas anfangen lt und die einem die Entschlossenheit zum Gelderwerb gibt. Ich aber bin aus diesem zusammenhngenden Studium leider herausgerissen worden; manchmal glaube ich, ich wei gar nichts, und schlielich wre auch alles, was ich wissen knnte, fr Amerikaner noch immer zu wenig. Jetzt werden in meiner Heimat neuestens hie und da Reformgymnasien eingerichtet, wo man auch moderne Sprachen und vielleicht auch Handelswissenschaften lernt; als ich aus der Volksschule trat, gab es das noch nicht. Mein Vater wollte mich zwar im Englischen unterrichten lassen, aber erstens konnte ich damals nicht ahnen, welches Unglck ber mich kommen wird und wie ich das Englische brauchen werde, und zweitens mute ich fr das Gymnasium viel lernen, so da ich fr andere Beschftigungen nicht besonders viel Zeit hatte. Ich erwhne das alles, um Ihnen zu zeigen, wie abhngig ich von meinem Onkel bin und wie verpflichtet infolgedessen ich ihm gegenber auch bin. Sie werden sicher zugeben, da ich es mir bei solchen Verhltnissen nicht erlauben darf, auch nur das geringste gegen seinen auch nur geahnten Willen zu tun. Und darum mu ich, um den Fehler, den ich ihm gegenber begangen habe, nur halbwegs wiedergutzumachen, sofort nach Hause gehen. Whrend dieser langen Rede Karls hatte Herr Pollunder aufmerksam zugehrt, fters, besonders wenn der Onkel erwhnt wurde, Karl, wenn auch unmerklich, an sich gedrckt und einige Male ernst und wie erwartungsvoll zu Green hinbergesehen, der sich weiterhin mit seiner Brieftasche beschftigte. Karl aber war, je deutlicher ihm seine Stellung zum Onkel im Laufe seiner Rede zu Bewutsein kam, immer unruhiger geworden, hatte sich unwillkrlich aus dem Arm Pollunders zu drngen gesucht. Alles beengte ihn hier; der Weg zum Onkel durch die Glastre, ber die Treppe, durch die Allee, ber die Landstraen, durch die Vorstdte zur groen Verkehrsstrae, einmndend in des Onkels Haus, erschien ihm als etwas streng Zusammengehriges, das leer, glatt und fr ihn vorbereitet dalag und mit einer starken Stimme nach ihm verlangte. Herrn Pollunders Gte und Herrn Greens Abscheulichkeit verschwammen, und er wollte aus diesem rauchigen Zimmer nichts anderes fr sich haben als die Erlaubnis zum Abschiednehmen. Zwar fhlte er sich gegen Herrn Pollunder abgeschlossen, gegen Herrn Green kampfbereit, und doch erfllte ihn ringsherum eine unbestimmte Furcht, deren Ste seine Augen trbten. Er trat einen Schritt zurck und stand nun gleich weit von Herrn Pollunder und von Herrn Green entfernt. Wollten Sie ihm nicht etwas sagen? fragte Herr Pollunder Herrn Green und fate wie bittend Herrn Greens Hand. Ich wte nicht, was ich ihm sagen sollte, sagte Herr Green, der endlich einen Brief aus seiner Tasche gezogen und vor sich auf den Tisch gelegt hatte. Es ist recht lobenswert, da er zu seinem Onkel zurckkehren will, und nach menschlicher Voraussicht sollte man glauben, da er dem Onkel eine besondere Freude damit machen wird. Es mte denn sein, da er durch seine Unfolgsamkeit den Onkel schon allzu bse gemacht hat, was ja auch mglich ist. Dann allerdings wre es besser, er bliebe hier. Es ist eben schwer, etwas Bestimmtes zu sagen; wir sind zwar beide Freunde des Onkels und es drfte Mhe machen, zwischen meiner und Herrn Pollunders Freundschaft Rangunterschiede zu erkennen, aber in das Innere des Onkels knnen wir nicht hineinschauen, und ganz besonders nicht ber die vielen Kilometer hinweg, die uns hier von New York trennen. Bitte, Herr Green, sagte Karl und nherte sich mit Selbstberwindung Herrn Green. Ich hre aus Ihren Worten heraus, da Sie es auch fr das beste halten, wenn ich gleich zurckkehre. Das habe ich durchaus nicht gesagt, meinte Herr Green und vertiefte sich in das Anschauen des Briefes, an dessen Rndern er mit zwei Fingern hin und her fuhr. Er schien damit andeuten zu wollen, da er von Herrn Pollunder gefragt worden sei, ihm auch geantwortet habe, whrend er mit Karl eigentlich nichts zu tun habe. Inzwischen war Herr Pollunder zu Karl getreten und hatte ihn sanft von Herrn Green weg zu einem der groen Fenster gezogen. Lieber Herr Romann, sagte er, zu Karls Ohr hinabgebeugt, und wischte zur Vorbereitung mit dem Taschentuch ber sein Gesicht, und bei der Nase innehaltend, schneuzte er sich. Sie werden doch nicht glauben, da ich Sie gegen Ihren Willen hier zurckhalten will. Davon ist ja keine Rede. Das Automobil kann ich Ihnen zwar nicht zur Verfgung stellen, denn es steht weit von hier in einer ffentlichen Garage, da ich noch keine Zeit hatte, hier, wo alles erst im Werden ist, eine eigene Garage einzurichten. Der Chauffeur wiederum schlft nicht hier im Haus, sondern in der Nhe der Garage, ich wei wirklich selbst nicht, wo. Auerdem ist es gar nicht seine Pflicht, jetzt zu Hause zu sein, seine Pflicht ist es nur, frh zur rechten Zeit hier vorzufahren. Aber das alles wren keine Hindernisse fr Ihre augenblickliche Heimkehr, denn wenn Sie darauf bestehen, begleite ich Sie sofort zur nchsten Station der Stadtbahn, die allerdings so weit entfernt ist, da Sie nicht viel frher zu Hause ankommen drften, als wenn Sie frh wir fahren ja schon um sieben Uhr mit mir in meinem Automobil fahren wollen. Da mchte ich, Herr Pollunder, doch lieber mit der Stadtbahn fahren, sagte Karl. An die Stadtbahn habe ich gar nicht gedacht. Sie sagen selbst, da ich mit der Stadtbahn frher ankomme, als frh mit dem Automobil. Es ist aber ein ganz kleiner Unterschied. Trotzdem, trotzdem, Herr Pollunder, sagte Karl, ich werde in Erinnerung an Ihre Freundlichkeit immer gerne herkommen, vorausgesetzt natrlich, da Sie mich nach meinem heutigen Benehmen noch einladen wollen, und vielleicht werde ich es nchstens besser ausdrcken knnen, warum heute jede Minute, um die ich meinen Onkel frher sehe, fr mich so wichtig ist. Und als htte er bereits die Erlaubnis zum Weggehen erhalten, fgte er hinzu: Aber keinesfalls drfen Sie mich begleiten. Es ist auch ganz unntig. Drauen ist ein Diener, der mich gern zur Station begleiten wird. Jetzt mu ich nur noch meinen Hut suchen. Und bei den letzten Worten durchschritt er schon das Zimmer, um noch in Eile einen letzten Versuch zu machen, ob sein Hut doch vielleicht zu finden wre. Knnte ich Ihnen nicht mit einer Mtze aushelfen? sagte Herr Green und zog eine Mtze aus der Tasche. Vielleicht pat sie Ihnen zufllig. Verblfft blieb Karl stehen und sagte: Ich werde Ihnen doch nicht Ihre Mtze wegnehmen. Ich kann ja ganz gut mit unbedecktem Kopf gehen. Ich brauche gar nichts. Es ist nicht meine Mtze. Nehmen Sie nur! Dann danke ich, sagte Karl, um sich nicht aufzuhalten, und nahm die Mtze. Er zog sie an und lachte zuerst, da sie ganz genau pate, nahm sie wieder in die Hand und betrachtete sie, konnte aber das Besondere, das er an ihr suchte, nicht finden; es war eine vollkommen neue Mtze. Sie pat so gut! sagte er. Also, sie pat! rief Herr Green und schlug auf den Tisch. Karl ging schon zur Tre zu, um den Diener zu holen, da erhob sich Herr Green, streckte sich nach dem reichlichen Mahl und der vielen Ruhe, klopfte stark gegen seine Brust und sagte in einem Ton zwischen Rat und Befehl: Ehe Sie weggehen, mssen Sie von Frulein Klara Abschied nehmen. Das mssen Sie, sagte auch Herr Pollunder, der ebenfalls aufgestanden war. Ihm hrte man es an, da die Worte nicht aus seinem Herzen kamen, schwach lie er die Hnde an die Hosennaht schlagen und knpfte immer wieder seinen Rock auf und zu, der nach der augenblicklichen Mode ganz kurz war und kaum zu den Hften ging, was so dicke Leute wie Herr Pollunder schlecht kleidete. brigens hatte man, wenn er so neben Herrn Green stand, den deutlichen Eindruck, da es bei Herrn Pollunder keine gesunde Dicke war; der Rcken war in seiner ganzen Masse etwas gekrmmt, der Bauch sah weich und unhaltbar aus, eine wahre Last, und das Gesicht erschien bleich und geplagt. Dagegen stand hier Herr Green, vielleicht noch etwas dicker als Herr Pollunder, aber es war eine zusammenhngende, sich gegenseitig tragende Dicke, die Fe waren soldatisch zusammengeklappt, den Kopf trug er aufrecht und schaukelnd; er schien ein groer Turner, ein Vorturner, zu sein. Gehen Sie also vorerst, fuhr Herr Green fort, zu Frulein Klara. Das drfte Ihnen sicher Vergngen machen und pat auch sehr gut in meine Zeiteinteilung hinein. Ich habe Ihnen nmlich tatschlich, ehe Sie von hier fortgehen, etwas Interessantes zu sagen, was wahrscheinlich auch fr Ihre Rckkehr entscheidend sein kann. Nur bin ich leider durch hheren Befehl gebunden, Ihnen vor Mitternacht nichts zu verraten. Sie knnen sich vorstellen, da mir das selbst leid tut, denn es strt meine Nachtruhe, aber ich halte mich an meinen Auftrag. Jetzt ist es viertel zwlf, ich kann also meine Geschfte noch mit Herrn Pollunder zu Ende besprechen, wobei Ihre Gegenwart nur stren wrde, und Sie knnen ein hbsches Weilchen mit Frulein Klara verbringen. Punkt zwlf stellen Sie sich dann hier ein, wo Sie das Ntige erfahren werden. Konnte Karl diese Forderung ablehnen, die von ihm wirklich nur das Geringste an Hflichkeit und Dankbarkeit gegenber Herrn Pollunder verlangte und die berdies ein sonst unbeteiligter, roher Mann stellte, whrend Herr Pollunder, den es anging, sich mit Worten und Blicken mglichst zurckhielt? Und was war jenes Interessante, das er erst um Mitternacht erfahren durfte? Wenn es seine Heimkehr nicht wenigstens um die dreiviertel Stunde beschleunigte, um die es sie jetzt verschob, interessierte es ihn wenig. Aber sein grter Zweifel war, ob er berhaupt zu Klara gehen konnte, die doch seine Feindin war. Wenn er wenigstens das Schlageisen bei sich gehabt htte, das ihm der Onkel als Briefbeschwerer geschenkt hatte! Das Zimmer Klaras mochte ja eine recht gefhrliche Hhle sein. Aber nun war es ja ganz und gar unmglich, hier gegen Klara das geringste zu sagen, da sie Pollunders Tochter und, wie er jetzt gehrt hatte, gar Macks Braut war. Sie htte ja nur um eine Kleinigkeit anders sich zu ihm verhalten mssen, und er htte sie wegen ihrer Beziehungen offen bewundert. Noch berlegte er das alles, aber schon merkte er, da man keine berlegungen von ihm verlangte, denn Green ffnete die Tr und sagte dem Diener, der vom Postamente sprang: Fhren Sie diesen jungen Mann zu Frulein Klara. So fhrt man Befehle aus, dachte Karl, als ihn der Diener, fast laufend, sthnend vor Altersschwche, auf einem besonders kurzen Weg zu Klaras Zimmer zog. Als Karl an seinem Zimmer vorberkam, dessen Tr noch immer offenstand, wollte er, vielleicht zu seiner Beruhigung, fr einen Augenblick eintreten. Der Diener lie das aber nicht zu. Nein, sagte er, Sie mssen zu Frulein Klara. Sie haben es ja selbst gehrt. Ich wrde mich nur einen Augenblick drinnen aufhalten, sagte Karl, und er dachte daran, sich zur Abwechslung ein wenig auf das Kanapee zu werfen, damit ihm die Zeit rascher gegen Mitternacht vorrcke. Erschweren Sie mir die Ausfhrung meines Auftrages nicht, sagte der Diener. Er scheint es fr eine Strafe zu halten, da ich zu Frulein Klara gehen muߋ, dachte Karl und machte ein paar Schritte, blieb aber aus Trotz wieder stehen. Kommen Sie doch, junger Herr, sagte der Diener, wenn Sie nun schon einmal hier sind. Ich wei, Sie wollten noch in der Nacht weggehen, es geht eben nicht alles nach Wunsch, ich habe es Ihnen ja gleich gesagt, da es kaum mglich sein wird. Ja, ich will weggehen und werde auch weggehen, sagte Karl, und will jetzt nur von Frulein Klara Abschied nehmen. So? sagte der Diener, und Karl sah ihm wohl an, da er kein Wort davon glaubte. Warum zgern Sie also, Abschied zu nehmen; kommen Sie doch. Wer ist auf dem Gang? ertnte Klaras Stimme, und man sah sie aus einer nahen Tr sich vorbeugen, eine groe Tischlampe mit rotem Schirm in der Hand. Der Diener eilte zu ihr hin und erstattete die Meldung. Karl ging ihm langsam nach. Sie kommen spt, sagte Klara. Ohne ihr vorlufig zu antworten, sagte Karl zum Diener leise, aber, da er seine Natur schon kannte, im Ton strengen Befehls: Sie warten auf mich knapp vor dieser Tr! Ich wollte schon schlafen gehen, sagte Klara und stellte die Lampe auf den Tisch. Wie unten im Speisezimmer schlo auch hier wieder der Diener vorsichtig von auen die Tr. Es ist ja schon halb zwlf vorber. Halb zwlf vorber? wiederholte Karl fragend, wie erschrocken ber diese Zahlen. Dann mu ich mich aber sofort verabschieden, sagte Karl, denn Punkt zwlf mu ich schon unten im Speisesaal sein. Was Sie fr eilige Geschfte haben! sagte Klara und ordnete zerstreut die Falten ihres losen Nachtkleides. Ihr Gesicht glhte und immerfort lchelte sie. Karl glaubte zu erkennen, da keine Gefahr bestand, mit Klara wieder in Streit zu geraten. Knnen Sie nicht doch noch ein wenig Klavier spielen, wie es mir gestern Papa und heute Sie selbst versprochen haben? Ist es nicht aber schon zu spt? fragte Karl. Er htte ihr gern gefllig sein wollen, denn sie war ganz anders als vorher, so als wre sie irgendwie aufgestiegen in die Kreise Pollunders und weiterhin Macks. Ja, spt ist es schon, sagte sie, und es schien ihr die Lust zur Musik schon vergangen zu sein. Dann widerhallt hier auch jeder Ton im ganzen Hause, ich bin berzeugt, wenn Sie spielen, wacht noch oben in der Dachkammer die Dienerschaft auf. Dann lasse ich also das Spiel, ich hoffe ja bestimmt noch wiederzukommen; brigens, wenn es Ihnen keine besondere Mhe macht, besuchen Sie doch einmal meinen Onkel und schauen Sie bei der Gelegenheit auch in mein Zimmer. Ich habe ein prachtvolles Piano. Der Onkel hat es mir geschenkt. Dann spiele ich Ihnen, wenn es Ihnen recht ist, alle meine Stckchen vor, es sind leider nicht viele, und sie passen auch gar nicht zu einem so groen Instrument, auf dem nur Virtuosen sich hren lassen sollten. Aber auch dieses Vergngen werden Sie haben knnen, wenn Sie mich von Ihrem Besuch vorher verstndigen, denn der Onkel will nchstens einen berhmten Lehrer fr mich engagieren Sie knnen sich denken, wie ich mich darauf freue, und dessen Spiel wird allerdings dafr stehen, mir whrend der Unterrichtsstunde einen Besuch zu machen. Ich bin, wenn ich ehrlich sein soll, froh, da es fr das Spiel schon zu spt ist, denn ich kann noch gar nichts, Sie wrden staunen, wie wenig ich kann. Und nun erlauben Sie, da ich mich verabschiede, schlielich ist es ja doch schon Schlafenszeit. Und weil ihn Klara gtig ansah und ihm wegen der Rauferei gar nichts nachzutragen schien, fgte er lchelnd hinzu, whrend er ihr die Hand reichte: In meiner Heimat pflegt man zu sagen: Schlafe wohl und trume s. Warten Sie, sagte sie, ohne die Hand anzunehmen, vielleicht sollten Sie doch spielen. Und sie verschwand durch eine kleine Seitentr, neben der das Piano stand. Was ist denn? dachte Karl. Lange kann ich nicht warten, so lieb sie auch ist. Es klopfte an der Gangtre, und der Diener, der die Tre nicht ganz zu ffnen wagte, flsterte durch einen kleinen Spalt: Verzeihen Sie, ich wurde soeben abberufen und kann nicht mehr warten. Gehen Sie nur, sagte Karl, der sich nun getraute, den Weg ins Speisezimmer allein zu finden. Lassen Sie mir nur die Laterne vor der Tre. Wie spt ist es brigens? Bald dreiviertel zwlf, sagte der Diener. Wie langsam die Zeit vergeht! sagte Karl. Der Diener wollte schon die Tre schlieen, da erinnerte sich Karl, da er ihm noch kein Trinkgeld gegeben hatte, nahm einen Schilling aus der Hosentasche er trug jetzt immer Mnzengeld, nach amerikanischer Sitte lose klingelnd, in der Hosentasche, Banknoten dagegen in der Westentasche und reichte ihn dem Diener mit den Worten: Fr Ihre guten Dienste. Klara war schon wieder eingetreten, die Hnde an ihrer festen Frisur, als es Karl einfiel, da er den Diener doch nicht htte wegschicken sollen, denn wer wrde ihn jetzt zur Station der Stadtbahn fhren? Nun, da wrde wohl schon Herr Pollunder einen Diener noch auftreiben knnen, vielleicht war brigens dieser Diener ins Speisezimmer gerufen worden und wrde dann zur Verfgung stehen. Ich bitte Sie also doch, ein wenig zu spielen. Man hrt hier so selten Musik, da man sich keine Gelegenheit, sie zu hren, entgehen lassen will. Dann ist es aber hchste Zeit, sagte Karl ohne weitere berlegungen und setzte sich gleich zum Klavier. Wollen Sie Noten haben? fragte Klara. Danke, ich kann ja Noten nicht einmal vollkommen lesen, antwortete Karl und spielte schon. Es war ein kleines Lied, das, wie Karl wohl wute, ziemlich langsam htte gespielt werden mssen, um, besonders fr Fremde, auch nur verstndlich zu sein, aber er hudelte es in rgstem Marschtempo hinunter. Nach der Beendigung fuhr die gestrte Stille des Hauses wie in groem Gedrnge wieder an ihren Platz. Man sa wie benommen da und rhrte sich nicht. Ganz schn, sagte Klara, aber es gab keine Hflichkeitsformel, die Karl nach diesem Spiel htte schmeicheln knnen. Wie spt ist es? fragte er. Dreiviertel zwlf. Dann habe ich noch ein Weilchen Zeit, sagte er und dachte bei sich: Entweder oder. Ich mu ja nicht alle zehn Lieder spielen, die ich kann, aber eines kann ich nach Mglichkeit gut spielen. Und er fing sein geliebtes Soldatenlied an. So langsam, da das aufgestrte Verlangen des Zuhrens sich nach der nchsten Note streckte, die Karl zurckhielt und nur schwer hergab. Er mute ja tatschlich bei jedem Lied die ntigen Tasten mit den Augen erst zusammensuchen, aber auerdem fhlte er in sich ein Leid entstehen, das, ber das Ende des Liedes hinaus, ein anderes Ende suchte und es nicht finden konnte. Ich kann ja nichts, sagte Karl nach Schlu des Liedes und sah Klara mit Trnen in den Augen an. Da ertnte aus dem Nebenzimmer lautes Hndeklatschen. Es hrt noch jemand zu! rief Karl aufgerttelt. Mack, sagte Klara leise. Und schon hrte man Mack rufen: Karl Romann, Karl Romann! Karl schwang sich mit beiden Fen zugleich ber die Klavierbank und ffnete die Tr. Er sah dort Mack in einem groen Himmelbett halb liegend sitzen, die Bettdecke war lose ber die Beine geworfen. Der Baldachin aus blauer Seide war die einzige, ein wenig mrchenhafte Pracht des sonst einfachen, aus schwerem Holz eckig gezimmerten Bettes. Auf dem Nachttischchen brannte nur eine Kerze, aber die Bettwsche und Macks Hemd waren so wei, da das ber sie fallende Kerzenlicht in fast blendendem Widerschein von ihnen strahlte; auch der Baldachin leuchtete, wenigstens am Rande, mit seiner leicht gewellten, nicht ganz fest gespannten Seide. Gleich hinter Mack versank aber das Bett und alles in vollstndigem Dunkel. Klara lehnte sich an den Bettpfosten und hatte nur noch Augen fr Mack. Servus, sagte Mack und reichte Karl die Hand. Sie spielen ja recht gut, bisher habe ich blo Ihre Reitkunst gekannt. Ich kann das eine so schlecht wie das andere, sagte Karl. Wenn ich gewut htte, da Sie zuhren, htte ich bestimmt nicht gespielt. Aber ihr Frulein er unterbrach sich, er zgerte Braut zu sagen, da Mack und Klara offenbar schon miteinander schliefen. Ich ahnte es ja, sagte Mack, darum mute Sie Klara aus New York hierherlocken, sonst htte ich Ihr Spiel gar nicht zu hren bekommen. Es ist ja reichlich anfngerhaft, und selbst in diesen Liedern, die Sie doch eingebt hatten und die sehr primitiv gesetzt sind, haben Sie einige Fehler gemacht, aber immerhin hat es mich sehr gefreut, ganz abgesehen davon, da ich das Spiel keines Menschen verachte. Wollen Sie sich aber nicht setzen und noch ein Weilchen bei uns bleiben? Klara, gib ihm doch einen Sessel. Ich danke, sagte Karl stockend. Ich kann nicht bleiben, so gern ich hierbliebe. Zu spt erfahre ich, da es so wohnliche Zimmer in diesem Hause gibt. Ich baue alles in dieser Art um, sagte Mack. In diesem Augenblick erklangen zwlf Glockenschlge, rasch hintereinander, einer in den Lrm des anderen dreinschlagend. Karl fhlte das Wehen der groen Bewegung dieser Glocken an den Wangen. Was war das fr ein Dorf, das solche Glocken hatte! Hchste Zeit, sagte Karl, streckte Mack und Klara nur die Hnde hin, ohne sie zu fassen, und lief auf den Gang hinaus. Dort fand er die Laterne nicht und bedauerte, dem Diener zu bald das Trinkgeld gegeben zu haben. Er wollte sich an der Wand zu der offenen Tr seines Zimmers hintasten, war aber kaum in der Hlfte des Weges, als er Herrn Green mit erhobener Kerze eilig heranschwanken sah. In der Hand, in der er auch die Kerze hielt, trug er einen Brief. Romann, warum kommen Sie denn nicht? Warum lassen Sie mich warten? Was haben Sie denn bei Frulein Klara getrieben? Viele Fragen! dachte Karl, und jetzt drckt er mich noch an die Wand, denn tatschlich stand er dicht vor Karl, der mit dem Rcken an der Wand lehnte. Green nahm in diesem Gang eine schon lcherliche Gre an, und Karl stellte sich zum Spa die Frage, ob er nicht etwa den guten Herrn Pollunder aufgefressen habe. Sie sind tatschlich kein Mann von Wort. Versprechen, um zwlf hinunterzukommen, und umschleichen statt dessen die Tre Frulein Klaras. Ich dagegen habe Ihnen fr Mitternacht etwas Interessantes versprochen und bin damit schon da. Und damit reichte er Karl den Brief. Auf dem Umschlag stand An Karl Romann, um Mitternacht persnlich abzugeben, wo immer er angetroffen wird. Schlielich, sagte Herr Green, whrend Karl den Brief ffnete, ist es, glaube ich, schon anerkennenswert, da ich Ihretwegen aus New York hierhergefahren bin, so da Sie mich durchaus nicht noch auf den Gngen Ihnen nachlaufen lassen mten. Vom Onkel! sagte Karl, kaum da er in den Brief hineingeschaut hatte. Ich habe es erwartet, sagte er zu Herrn Green gewendet. Ob Sie es erwartet haben oder nicht, ist mir kolossal gleichgltig. Lesen Sie nur schon, sagte dieser und hielt Karl die Kerze hin. Karl las bei ihrem Licht: Geliebter Neffe! Wie Du whrend unseres leider viel zu kurzen Zusammenlebens schon erkannt haben wirst, bin ich durchaus ein Mann von Prinzipien. Das ist nicht nur fr meine Umgebung, sondern auch fr mich sehr unangenehm und traurig, aber ich verdanke meinen Prinzipien alles, was ich bin, und niemand darf verlangen, da ich mich vom Erdboden wegleugne, niemand, auch Du nicht, mein geliebter Neffe, wenn auch Du gerade der Erste in der Reihe wrest, wenn es mir einmal einfallen sollte, jenen allgemeinen Angriff gegen mich zuzulassen. Dann wrde ich am liebsten gerade Dich mit diesen beiden Hnden, mit denen ich das Papier halte und beschreibe, auffangen und hochheben. Da aber vorlufig gar nichts darauf hindeutet, da dies einmal geschehen knnte, mu ich Dich nach dem heutigen Vorfall unbedingt von mir fortschicken, und ich bitte Dich dringend, mich weder selbst aufzusuchen noch brieflich oder durch Zwischentrger Verkehr mit mir zu suchen. Du hast Dich gegen meinen Willen dafr entschieden, heute abend von mir fortzugehen, dann bleibe aber auch bei diesem Entschlu Dein Leben lang; nur dann war es ein mnnlicher Entschlu. Ich erwhlte zum berbringer dieser Nachricht Herrn Green, meinen besten Freund, der sicherlich fr Dich schonende Worte genug finden wird, die mir im Augenblick tatschlich nicht zur Verfgung stehen. Er ist ein einflureicher Mann und wird Dich, schon mir zuliebe, in Deinen ersten selbstndigen Schritten mit Rat und Tat untersttzen. Um unsere Trennung zu begreifen, die mir jetzt am Schlusse dieses Briefes wieder unfalich scheint, mu ich mir immer wieder neuerlich sagen: Von Deiner Familie, Karl, kommt nichts Gutes. Sollte Herr Green vergessen, Dir Deinen Koffer und Deinen Regenschirm auszuhndigen, so erinnere ihn daran. Mit besten Wnschen fr Dein weiteres Wohlergehen. Dein treuer Onkel Jakob. Sind Sie fertig? fragte Green. Ja, sagte Karl. Haben Sie mir den Koffer und den Regenschirm mitgebracht? fragte Karl. Hier ist er, sagte Green und stellte Karls alten Reisekoffer, den er bisher mit der linken Hand hinter dem Rcken versteckt hatte, neben Karl auf den Boden. Und den Regenschirm? fragte Karl weiter. Alles hier, sagte Green und zog auch den Regenschirm hervor, den er in einer Hosentasche hngen hatte. Die Sachen hat ein gewisser Schubal, ein Obermaschinist der Hamburg-Amerika-Linie, gebracht, er hat behauptet, sie auf dem Schiff gefunden zu haben. Sie knnen ihm bei Gelegenheit danken. Nun habe ich wenigstens meine alten Sachen wieder, sagte Karl und legte den Schirm auf den Koffer. Sie sollten aber in Zukunft besser auf sie achtgeben, lt Ihnen der Herr Senator sagen, bemerkte Herr Green und fragte dann, offenbar aus privater Neugierde: Was ist das eigentlich fr ein merkwrdiger Koffer? Es ist ein Koffer, mit dem die Soldaten in meiner Heimat zum Militr einrcken, antwortete Karl, es ist der alte Militrkoffer meines Vaters. Er ist sonst ganz praktisch, fgte er lchelnd hinzu, vorausgesetzt, da man ihn nicht irgendwo stehen lt. Schlielich Sind Sie ja belehrt genug, sagte Herr Green, und einen zweiten Onkel haben Sie in Amerika wohl nicht. Hier gebe ich Ihnen noch eine Karte dritter Klasse nach San Franzisko. Ich habe diese Reise fr Sie beschlossen, weil erstens die Erwerbsmglichkeiten im Osten fr Sie viel bessere sind und weil zweitens hier in allen Dingen, die fr Sie in Betracht kommen knnten, Ihr Onkel seine Hnde im Spiele hat und ein Zusammentreffen unbedingt vermieden werden mu. In Frisko knnen Sie ganz ungestrt arbeiten; fangen Sie nur ruhig ganz unten an und versuchen Sie, sich allmhlich hinaufzuarbeiten. Karl konnte keine Bosheit aus diesen Worten heraushren, die schlimme Nachricht, welche den ganzen Abend in Green gesteckt hatte, war berbracht, und von nun an schien Green ein ungefhrlicher Mann, mit dem man vielleicht offener reden konnte als mit jedem anderen. Der beste Mensch, der ohne eigene Schuld zum Boten einer so geheimen und qulenden Entschlieung auserwhlt wird, mu, solange er sie bei sich behlt, verdchtig scheinen. Ich werde, sagte Karl, die Besttigung eines erfahrenen Mannes erwartend, dieses Haus sofort verlassen, denn ich bin nur als Neffe meines Onkels aufgenommen, whrend ich als Fremder hier nichts zu suchen habe. Wrden Sie so liebenswrdig sein, mir den Ausgang zu zeigen und mich dann auf den Weg zu fhren, auf dem ich zur nchsten Gastwirtschaft komme? Aber rasch, sagte Green. Sie machen mir nicht wenig Scherereien. Beim Anblick des groen Schrittes, den Green gleich gemacht hatte, stockte Karl, das war doch eine verdchtige Eile, und er fate Green unten beim Rock und sagte in einem pltzlichen Erkennen des wahren Sachverhaltes: Eines mssen Sie mir noch erklren: auf dem Umschlag des Briefes, den Sie mir zu bergeben hatten, steht blo, da ich ihn um Mitternacht erhalten soll, wo immer ich angetroffen werde. Warum haben Sie mich also mit Berufung auf diesen Brief hier zurckgehalten, als ich um vierter zwlf von hier fort wollte? Sie gingen dabei ber Ihren Auftrag hinaus. Green leitete seine Antwort mit einer Handbewegung ein, welche das Unntze von Karls Bemerkung bertrieben darstellte, und sagte dann: Steht vielleicht auf dem Umschlag, da ich mich Ihretwegen zu Tode hetzen soll, und lt vielleicht der Inhalt des Briefes darauf schlieen, da die Aufschrift so aufzufassen ist? Htte ich Sie nicht zurckgehalten, htte ich Ihnen den Brief eben um Mitternacht auf der Landstrae bergeben mssen. Nein, sagte Karl unbeirrt, es ist nicht ganz so. Auf dem Umschlag steht: Zu bergeben nach Mitternacht. Wenn Sie zu mde waren, htten Sie mir vielleicht gar nicht folgen knnen, oder ich wre, was allerdings selbst Herr Pollunder geleugnet hat, schon um Mitternacht bei meinem Onkel angekommen, oder es wre schlielich Ihre Pflicht gewesen, mich in Ihrem Automobil, von dem pltzlich nicht mehr die Rede war, zu meinem Onkel zurckzubringen, da ich so danach verlangte, zurckzukehren. Besagt nicht die berschrift ganz deutlich, da die Mitternacht fr mich noch der letzte Termin sein soll? Und Sie sind es, der die Schuld trgt, da ich ihn versumt habe. Karl sah Green mit scharfen Augen an und erkannte wohl, wie in Green die Beschmung ber diese Entlarvung mit der Freude ber das Gelingen seiner Absicht kmpfte. Endlich nahm er sich zusammen und sagte in einem Tone, als wre er Karl, der doch schon lange schwieg, mitten in die Rede gefallen: Kein Wort weiter! und schob ihn, der Koffer und Schirm wieder aufgenommen hatte, durch eine kleine Tr, die er vor ihm aufstie, hinaus. Karl stand erstaunt im Freien. Eine an das Haus angebaute Treppe ohne Gelnder fhrte vor ihm hinab. Er mute nur hinuntergehen und dann sich ein wenig rechts zur Allee wenden, die auf die Landstrae fhrte. In dem hellen Mondschein konnte man sich gar nicht verirren. Unten im Garten hrte er das vielfache Bellen von Hunden, die losgelassen, ringsherum im Dunkel der Bume liefen. Man hrte in der sonstigen Stille ganz genau, wie sie nach ihren groen Sprngen ins Gras schlugen. Ohne von diesen Hunden belstigt zu werden, kam Karl glcklich aus dem Garten. Er konnte nicht mit Bestimmtheit feststellen, in welcher Richtung New York lag. Er hatte bei der Herfahrt zu wenig auf die Einzelheiten geachtet, die ihm jetzt htten ntzlich sein knnen. Schlielich sagte er sich, da er ja nicht unbedingt nach New York msse, wo ihn niemand erwarte und einer sogar mit Bestimmtheit nicht erwarte. Er whlte also eine beliebige Richtung und machte sich auf den Weg. Weg nach Ramses In dem kleinen Wirtshaus, in das Karl nach kurzem Marsch kam, und das eigentlich nur eine kleine letzte Station des New Yorker Fuhrwerkverkehrs bildete und deshalb kaum fr Nachtlager bentzt zu werden pflegte, verlangte Karl die billigste Bettstelle, die zu haben war, denn er glaubte, mit dem Sparen sofort anfangen zu mssen. Er wurde, seiner Forderung entsprechend, vom Wirt mit einem Wink, als sei er ein Angestellter, die Treppe hinaufgewiesen, wo ihn ein zerrauftes, altes Frauenzimmer, rgerlich ber den gestrten Schlaf, empfing und, fast ohne ihn anzuhren, mit ununterbrochenen Ermahnungen, leise aufzutreten, in ein Zimmer fhrte, dessen Tr sie, nicht ohne ihn vorher mit einem Pst! angehaucht zu haben, schlo. Karl wute zuerst nicht recht, ob die Fenstervorhnge blo herabgelassen waren oder ob vielleicht das Zimmer berhaupt keine Fenster habe, so finster war es; schlielich bemerkte er eine kleine, verhngte Luke, deren Tuch er wegzog, wodurch einiges Licht hereinkam. Das Zimmer hatte zwei Betten, die aber beide schon besetzt waren. Karl sah dort zwei junge Leute, die in schwerem Schlafe lagen und vor allem deshalb wenig vertrauenswrdig erschienen, weil sie, ohne verstndlichen Grund, angezogen schliefen; der eine hatte sogar seine Stiefel an. In dem Augenblick, als Karl die Luke freigelegt hatte, hob einer der Schlfer die Arme und Beine ein wenig in die Hhe, was einen derartigen Anblick bot, da Karl trotz seinen Sorgen in sich hineinlachte. Er sah bald ein, da er, abgesehen davon, da auch keine andere Schlafgelegenheit, weder Kanapee noch Sofa, vorhanden war, zu keinem Schlafe werde kommen knnen, denn er durfte seinen erst wiedergewonnenen Koffer und das Geld, das er bei sich trug, keiner Gefahr aussetzen. Weggehen aber wollte er auch nicht, denn er getraute sich nicht, an der Zimmerfrau und dem Wirt vorber das Haus gleich wieder zu verlassen. Schlielich war es ja hier doch vielleicht nicht unsicherer als auf der Landstrae. Auffallend war freilich, da im ganzen Zimmer, soweit sich das bei dem halben Licht feststellen lie, kein einziges Gepckstck zu entdecken war. Aber vielleicht und hchstwahrscheinlich waren die zwei jungen Leute die Hausdiener, die der Gste wegen bald aufstehen muten und deshalb angezogen schliefen. Dann war es allerdings nicht besonders ehrenvoll, mit ihnen zu schlafen, aber desto ungefhrlicher. Nur durfte er sich aber, solange das nicht auer jedem Zweifel stand, auf keinen Fall zum Schlafe niederlegen. Unter dem Bett stand eine Kerze mit Zndhlzchen, die sich Karl mit schleichenden Schritten holte. Er hatte kein Bedenken, Licht zu machen, denn das Zimmer gehrte nach Auftrag des Wirtes ihm ebensogut wie den beiden anderen, die berdies den Schlaf der halben Nacht schon genossen hatten und durch den Besitz der Betten ihm gegenber in unvergleichlichem Vorteil waren. Im brigen gab er sich natrlich durch Vorsicht beim Herumgehen und Hantieren alle Mhe, sie nicht zu wecken. Zunchst wollte er seinen Koffer untersuchen, um einmal einen berblick ber seine Sachen zu bekommen, an die er sich schon nur undeutlich erinnerte und von denen sicher das Wertvollste schon verlorengegangen sein drfte. Denn wenn der Schubal seine Hand auf etwas legt, dann ist wenig Hoffnung, da man es unbeschdigt zurckbekommt. Allerdings hatte er vom Onkel ein groes Trinkgeld erwarten knnen, whrend er aber andererseits wieder beim Fehlen einzelner Objekte auf den eigentlichen Kofferwchter, den Herrn Butterbaum, sich hatte ausreden knnen. ber den ersten Anblick beim ffnen des Koffers war Karl entsetzt. Wie viele Stunden hatte er whrend der berfahrt darauf verwendet, den Koffer zu ordnen und wieder neu zu ordnen, und jetzt war alles so wild durcheinander hineingestopft, da der Deckel beim ffnen des Schlosses von selbst in die Hhe sprang. Bald aber erkannte Karl zu seiner Freude, da die Unordnung nur darin ihren Grund hatte, da man seinen Anzug, den er whrend der Fahrt getragen hatte und fr den der Koffer natrlich nicht mehr berechnet gewesen war, nachtrglich mit eingepackt hatte. Nicht das geringste fehlte. In der Geheimtasche des Rockes befand sich nicht nur der Pa, sondern auch das von zu Hause mitgenommene Geld, so da Karl, wenn er jenes, das er bei sich hatte, dazu legte, mit Geld fr den Augenblick reichlich versehen war. Auch die Wsche, die er bei seiner Ankunft auf dem Leib getragen hatte, fand sich vor, rein gewaschen und gebgelt. Er legte auch sofort Uhr und Geld in die bewhrte Geheimtasche. Das einzig Bedauerliche war, da die Veroneser Salami, die auch nicht fehlte, allen Sachen ihren Geruch mitgeteilt hatte. Wenn sich das nicht durch irgendein Mittel beseitigen lie, hatte Karl die Aussicht, monatelang in diesen Geruch eingehllt herumzugehen. Beim Hervorsuchen einiger Gegenstnde, die zuunterst lagen es waren dies eine Taschenbibel, Briefpapier und die Photographien der Eltern, fiel ihm die Mtze vom Kopf und in den Koffer. In ihrer alten Umgebung erkannte er sie sofort, es war seine Mtze, die Mtze, die ihm die Mutter als Reisemtze mitgegeben hatte. Er hatte jedoch aus Vorsicht diese Mtze auf dem Schiff nicht getragen, da er wute, da man in Amerika allgemein Mtzen statt Hte trgt, weshalb er die seine nicht schon vor der Ankunft hatte abntzen wollen. Nun hatte sie allerdings Herr Green dazu bentzt, um sich auf Karls Kosten zu belustigen. Ob ihm vielleicht auch dazu der Onkel den Auftrag gegeben hatte? Und in einer unabsichtlichen, wtenden Bewegung fate er den Kofferdeckel, der laut zuklappte. Nun war keine Hilfe mehr, die beiden Schlfer waren geweckt. Zuerst streckte sich und ghnte der eine, ihm folgte gleich der andere. Dabei war fast der ganze Kofferinhalt auf dem Tisch ausgeschttet; wenn es Diebe waren, brauchten sie nur heranzutreten und auszuwhlen. Nicht nur um dieser Mglichkeit vorzukommen, sondern um auch sonst gleich Klarheit zu schaffen, ging Karl mit der Kerze in der Hand zu den Betten und erklrte, mit welchem Rechte er hier sei. Sie schienen diese Erklrung gar nicht erwartet zu haben, denn noch viel zu verschlafen, um reden zu knnen, sahen sie ihn blo ohne jedes Erstaunen an. Sie waren beide sehr junge Leute, aber schwere Arbeit oder Not hatten ihnen vorzeitig die Knochen aus den Gesichtern vorgetrieben, unordentliche Brte hingen ihnen ums Kinn, ihr schon lange nicht geschnittenes Haar lag ihnen zerfahren auf dem Kopf, und ihre tiefliegenden Augen rieben und drckten sie nun noch vor Verschlafenheit mit den Fingerkncheln. Karl wollte ihren augenblicklichen Schwchezustand ausntzen und sagte deshalb: Ich heie Karl Romann und bin ein Deutscher. Bitte, sagen Sie mir, da wir doch ein gemeinsames Zimmer haben, auch Ihren Namen und Ihre Nationalitt. Ich erklre nur noch gleich, da ich keinen Anspruch auf ein Bett habe, da ich so spt gekommen bin und berhaupt nicht die Absicht habe, zu schlafen. Auerdem mssen Sie sich nicht an meinem schnen Kleid stoen, ich bin vllig arm und ohne Aussichten. Der Kleinere von beiden es war jener, der die Stiefel anhatte deutete mit Armen, Beinen und Mienen an, da ihn das alles gar nicht interessiere und da jetzt berhaupt keine Zeit fr derartige Redensarten sei, legte sich nieder und schlief sofort; der andere, ein dunkelhutiger Mann, legte sich auch wieder nieder, sagte aber noch vor dem Einschlafen mit lssig ausgestreckter Hand: Der da heit Robinson und ist Irlnder, ich heie Delamarche, bin Franzose und bitte jetzt um Ruhe. Kaum hatte er das gesagt, blies er mit groem Atemaufwand Karls Kerze aus und fiel auf das Kissen zurck. Diese Gefahr ist also vorlufig abgewehrt, sagte sich Karl und kehrte zum Tisch zurck. Wenn ihre Schlfrigkeit nicht Vorwand war, war ja alles gut. Unangenehm war blo, da der eine Irlnder war. Karl wute nicht mehr genau, in welchem Buch er einmal zu Hause gelesen hatte, da man sich in Amerika vor den Irlndern hten solle. Whrend seines Aufenthaltes beim Onkel htte er freilich die beste Gelegenheit gehabt, die Frage nach der Gefhrlichkeit der Irlnder auf den Grund zu gehen, hatte dies aber, weil er sich fr immer gut aufgehoben geglaubt hatte, vllig versumt. Nun wollte er wenigstens mit der Kerze, die er wieder angezndet hatte, diesen Irlnder genauer ansehen, wobei er fand, da gerade dieser ertrglicher aussah als der Franzose. Er hatte sogar noch eine Spur von runden Wangen und lchelte im Schlafe ganz freundlich, soweit das Karl aus einiger Entfernung, auf den Fuspitzen stehend, feststellen konnte. Trotz allem fest entschlossen, nicht zu schlafen, setzte sich Karl auf den einzigen Stuhl des Zimmers, verschob vorlufig das Packen des Koffers, da er ja dafr die ganze Nacht noch verwenden konnte, und bltterte ein wenig in der Bibel, ohne etwas zu lesen. Dann nahm er die Photographie der Eltern zur Hand, auf welcher der kleine Vater hoch aufgerichtet stand, whrend die Mutter in dem Fauteuil vor ihm, ein wenig eingesunken, dasa. Die eine Hand hielt der Vater auf der Rckenlehne des Fauteuils, die andere, zur Faust geballt, auf einem illustrierten Buch, das aufgeschlagen auf einem schwachen Schmucktischchen ihm zur Seite lag. Es gab auch eine andere Photographie, auf welcher Karl mit seinen Eltern abgebildet war. Vater und Mutter sahen ihn dort scharf an, whrend er nach dem Auftrag des Photographen den Apparat hatte anschauen mssen. Diese Photographie hatte er aber auf die Reise nicht mitgenommen. Desto genauer sah er die vor ihm liegende an und suchte von verschiedenen Seiten den Blick des Vaters aufzufangen. Aber der Vater wollte, wie er auch den Anblick durch verschiedene Kerzenstellungen nderte, nicht lebendig werden, sein waagerechter, starker Schnurrbart sah der Wirklichkeit auch gar nicht hnlich, es war keine gute Aufnahme. Die Mutter dagegen war schon besser abgebildet, ihr Mund war so verzogen, als sei ihr ein Leid angetan worden und als zwinge sie sich zu lcheln. Karl schien es, als msse dies jedem, der das Bild ansah, so sehr auffallen, da es ihm im nchsten Augenblick wieder schien, die Deutlichkeit dieses Eindrucks sei zu stark und fast widersinnig. Wie knne man von einem Bild so sehr die unumstliche berzeugung eines verborgenen Gefhls des Abgebildeten erhalten! Und er sah vom Bild ein Weilchen lang weg. Als er mit den Blicken wieder zurckkehrte, fiel ihm die Hand der Mutter auf, die ganz vorne an der Lehne des Fauteuils herabhing, zum Kssen nahe. Er dachte, ob es nicht vielleicht doch gut wre, den Eltern zu schreiben, wie sie es ja tatschlich beide (und der Vater zuletzt sehr streng in Hamburg) von ihm verlangt hatten. Er hatte sich freilich damals, als ihm die Mutter am Fenster an einem schrecklichen Abend die Amerikareise angekndigt hatte, unabnderlich zugeschworen, niemals zu schreiben, aber was galt ein solcher Schwur eines unerfahrenen Jungen hier in den neuen Verhltnissen! Ebensogut htte er damals schwren knnen, da er nach zwei Monaten amerikanischen Aufenthalts General der amerikanischen Miliz sein werde, whrend er tatschlich in einer Dachkammer mit zwei Lumpen beisammen war, in einem Wirtshaus vor New York, und auerdem zugeben mute, da er hier wirklich an seinem Platze war. Und lchelnd prfte er die Gesichter der Eltern, als knne man aus ihnen erkennen, ob sie noch immer das Verlangen hatten, eine Nachricht von ihrem Sohn zu bekommen. In diesem Anschauen merkte er bald, da er doch sehr mde war und kaum die Nacht werde durchmachen knnen. Das Bild entfiel seinen Hnden, dann legte er das Gesicht auf das Bild, dessen Khle seiner Wange wohltat, und mit einem angenehmen Gefhl schlief er ein. Geweckt wurde er frh durch das Kitzeln unter der Achsel. Es war der Franzose, der sich diese Zudringlichkeit erlaubte. Aber auch der Irlnder stand schon vor Karls Tisch und beide sahen ihn mit keinem geringeren Interesse an, als es Karl in der Nacht ihnen gegenber getan hatte. Karl wunderte sich nicht darber, da ihn ihr Aufstehen nicht schon geweckt hatte; sie muten durchaus nicht aus bser Absicht besonders leise aufgetreten sein, denn er hatte tief geschlafen und auerdem hatte ihnen das Anziehen und offenbar auch das Waschen nicht viel Arbeit gemacht. Nun begrten sie einander ordentlich und mit einer gewissen Frmlichkeit, und Karl erfuhr, da die beiden Maschinenschlosser waren, die in New York schon lange Zeit keine Arbeit hatten bekommen knnen und infolgedessen ziemlich heruntergekommen waren. Robinson ffnete zum Beweise dessen seinen Rock, und man konnte sehen, da kein Hemd da war, was man allerdings auch schon an dem lose sitzenden Kragen htte erkennen knnen, der hinten am Rock befestigt war. Sie hatten die Absicht, in das zwei Tagereisen von New York entfernte Stdtchen Butterford zu marschieren, wo angeblich Arbeitsstellen frei waren. Sie hatten nichts dagegen, da Karl mitkomme, und versprachen ihm erstens, zeitweilig seinen Koffer zu tragen, und zweitens, falls sie selbst Arbeit bekommen sollten, ihm eine Lehrlingsstelle zu verschaffen, was, wenn nur berhaupt Arbeit vorhanden sei, eine Leichtigkeit wre. Karl hatte noch kaum zugestimmt, als sie ihm schon freundschaftlich den Rat gaben, das schne Kleid auszuziehen, da es ihm bei jeder Bewerbung um eine Stelle hinderlich sein werde. Gerade in diesem Hause sei eine gute Gelegenheit, das Kleid loszuwerden, denn die Zimmerfrau betreibe einen Kleiderhandel. Sie halfen Karl, der auch rcksichtlich des Kleides noch nicht ganz entschlossen war, aus dem Kleid heraus und trugen es davon. Als Karl, allein gelassen und ein wenig schlaftrunken, sein altes Reisekleid noch langsam anzog, machte er sich Vorwrfe, das Kleid verkauft zu haben, das ihm vielleicht bei der Bewerbung um eine Lehrlingsstelle schaden, bei der um einen besseren Posten aber nur ntzen konnte, und er ffnete die Tr, um die beiden zurckzurufen, stie aber schon mit ihnen zusammen, die einen halben Dollar als Erls auf den Tisch legten, dabei aber so frhliche Gesichter machten, da man sich unmglich dazu berreden konnte, sie htten bei dem Verkauf nicht auch ihren Verdienst gehabt, und zwar einen rgerlich groen. Es war brigens keine Zeit, sich darber auszusprechen, denn die Zimmerfrau kam herein, genau so verschlafen wie in der Nacht, und trieb alle drei auf den Gang hinaus, mit der Erklrung, da das Zimmer fr neue Gste hergerichtet werden msse. Davon war aber natrlich keine Rede, sie handelte nur aus Bosheit. Karl, der seinen Koffer gerade hatte ordnen wollen, mute zusehen, wie die Frau seine Sachen mit beiden Hnden packte und mit einer Kraft in den Koffer warf, als seien es irgendwelche Tiere, die man zum Kuschen bringen mute. Die beiden Schlosser machten sich zwar um sie zu schaffen, zupften sie an ihrem Rock, beklopften ihren Rcken, aber wenn sie die Absicht hatten, Karl damit zu helfen, so war das ganz verfehlt. Als die Frau den Koffer zugeklappt hatte, drckte sie Karl den Halter in die Hand, schttelte die Schlosser ab und jagte alle drei mit der Drohung aus dem Zimmer, da sie, wenn sie nicht folgten, keinen Kaffee bekommen wrden. Die Frau mute offenbar gnzlich vergessen haben, da Karl nicht von allem Anfang an zu den Schlossern gehrt hatte, denn sie behandelte sie als eine einzige Bande. Allerdings hatten die Schlosser Karls Kleid ihr verkauft und damit eine gewisse Gemeinsamkeit erwiesen. Auf dem Gange muten sie lange hin und her gehen, und besonders der Franzose, der sich in Karl eingehngt hatte, schimpfte ununterbrochen, drohte, den Wirt, wenn er sich vorwagen sollte, niederzuboxen, und es schien eine Vorbereitung dazu zu sein, da er die geballten Fuste rasend aneinander rieb. Endlich kam ein unschuldiger kleiner Junge, der sich strecken mute, als er dem Franzosen die Kaffeekanne reichte. Leider war nur eine Kanne vorhanden, und man konnte dem Jungen nicht begreiflich machen, da noch Glser erwnscht wren. So konnte immer nur einer trinken und die beiden anderen standen vor ihm und warteten. Karl hatte keine Lust zu trinken, wollte aber die anderen nicht krnken und stand also, wenn er an der Reihe war, unttig da, die Kanne an den Lippen. Zum Abschied warf der Irlnder die Kanne auf die steinernen Fliesen hin. Sie verlieen, von niemandem gesehen, das Haus und traten in den dichten, gelblichen Morgennebel. Sie marschierten im allgemeinen still nebeneinander am Rande der Strae, Karl mute seinen Koffer tragen, die anderen wrden ihn wahrscheinlich erst auf seine Bitte ablsen; hie und da scho ein Automobil aus dem Nebel, und die drei drehten ihre Kpfe nach den meist riesenhaften Wagen, die so auffllig in ihrem Bau und so kurz in ihrer Erscheinung waren, da man nicht Zeit hatte, auch nur das Vorhandensein von Insassen zu bemerken. Spter begannen die Kolonnen von Fuhrwerken, welche Lebensmittel nach New York brachten, und die in fnf die ganze Breite der Strae einnehmenden Reihen so ununterbrochen dahinzogen, da niemand die Strae htte berqueren knnen. Von Zeit zu Zeit verbreiterte sich die Strae zu einem Platz, in dessen Mitte auf einer turmartigen Erhhung ein Polizist auf und ab schritt, um alles bersehen und mit einem Stckchen den Verkehr auf der Hauptstrae sowie den von den Seitenstraen hier einmndenden Verkehr ordnen zu knnen, der dann bis zum nchsten Platze und zum nchsten Polizisten unbeaufsichtigt blieb, aber von den schweigenden und aufmerksamen Kutschern und Chauffeuren freiwillig in gengender Ordnung gehalten wurde. ber die allgemeine Ruhe staunte Karl am meisten. Wre nicht das Geschrei der sorglosen Schlachttiere gewesen, man htte vielleicht nichts gehrt als das Klappern der Hufe und das Sausen der Antiderapants. Dabei war die Fahrtschnelligkeit natrlich nicht immer die gleiche. Wenn auf einzelnen Pltzen infolge allzu groen Andrangs von den Seiten groe Umstellungen vorgenommen werden muten, stockten die ganzen Reihen und fuhren nur Schritt fr Schritt, dann aber kam es auch wieder vor, da fr ein Weilchen alles blitzschnell vorbeijagte, bis es, wie von einer einzigen Bremse regiert, sich wieder besnftigte. Dabei stieg von der Strae nicht der geringste Staub auf, alles bewegte sich in der klarsten Luft. Fugnger gab es keine, hier wanderten keine einzelnen Marktweiber zur Stadt wie in Karls Heimat, aber doch erschienen hie und da groe, flache Automobile, auf denen an zwanzig Frauen mit Rckenkrben, also doch vielleicht Marktweiber, standen und die Hlse streckten, um den Verkehr zu berblicken und sich Hoffnung auf raschere Fahrt zu holen. Dann sah man hnliche Automobile, auf denen einzelne Mnner, die Hnde in den Hosentaschen, herumspazierten. Auf einem dieser Automobile, die verschiedene Aufschriften trugen, las Karl unter einem kleinen Aufschrei: Hafenarbeiter fr die Spedition Jakob aufgenommen. Der Wagen fuhr gerade ganz langsam, und ein auf der Wagentreppe stehender kleiner, gebckter, lebhafter Mann lud die drei Wanderer zum Einsteigen ein. Karl flchtete sich hinter die Schlosser, als knne sich auf dem Wagen der Onkel befinden und ihn sehen. Er war froh, da auch die beiden die Einladung ablehnten, wenn ihn auch der hochmtige Gesichtsausdruck gewissermaen krnkte, mit dem sie das taten. Sie muten durchaus nicht glauben, da sie zu gut waren, um in die Dienste des Onkels zu treten. Er gab es ihnen, wenn auch natrlich nicht ausdrcklich, sofort zu verstehen. Darauf bat ihn Delamarche, sich geflligst nicht in Sachen einzumischen, die er nicht verstehe; diese Art, Leute aufzunehmen, sei ein schndlicher Betrug, und die Firma Jakob sei berchtigt in den ganzen Vereinigten Staaten. Karl antwortete nicht, hielt sich aber von nun an mehr an den Irlnder, er bat ihn auch, ihm jetzt ein wenig den Koffer zu tragen, was dieser, nachdem Karl seine Bitte mehrmals wiederholt hatte, auch tat. Nur klagte er ununterbrochen ber die Schwere des Koffers, bis es sich zeigte, da er nur die Absicht hatte, den Koffer um die Veroneser Salami zu erleichtern, die ihm wohl schon im Hotel angenehm aufgefallen war. Karl mute sie auspacken, der Franzose nahm sie zu sich, um sie mit seinem dolchartigen Messer zu behandeln und fast ganz allein aufzuessen. Robinson bekam nur hie und da eine Schnitte, Karl dagegen, der wieder den Koffer tragen mute, wenn er ihn nicht auf der Landstrae stehen lassen wollte, bekam nichts, als htte er sich seinen Anteil schon im voraus genommen. Es schien ihm zu kleinlich, um ein Stckchen zu betteln, aber die Galle regte sich in ihm. Aller Nebel war schon verschwunden, in der Ferne erglnzte ein hohes Gebirge, das mit welligem Kamm in noch ferneren Sonnendunst fhrte. An der Seite der Strae lagen schlecht bebaute Felder, die sich um groe Fabriken hinzogen, die dunkel angeraucht im freien Lande standen. In den wahllos hingestellten einzelnen Mietskasernen zitterten die vielen Fenster in der mannigfaltigsten Bewegung und Beleuchtung, und auf all den kleinen, schwachen Balkonen hatten Frauen und Kinder vielerlei zu tun, whrend um sie herum, sie verdeckend und enthllend, aufgehngte und hingelegte Tcher und Wschestcke im Morgenwind flatterten und mchtig sich bauschten. Glitten die Blicke von den Husern ab, dann sah man Lerchen hoch am Himmel fliegen und unten wieder die Schwalben, nicht allzuweit ber den Kpfen der Fahrenden. Vieles erinnerte Karl an seine Heimat und er wute nicht, ob er gut daran tue, New York zu verlassen und in das Innere des Landes zu gehen. In New York war das Meer und zu jeder Zeit die Mglichkeit der Rckkehr in die Heimat. Und so blieb er stehen und sagte zu seinen beiden Begleitern, er habe doch wieder Lust, in New York zu bleiben. Und als Delamarche ihn einfach weitertreiben wollte, lie er sich nicht treiben und sagte, da er doch wohl noch das Recht habe, ber sich zu entscheiden. Der Irlnder mute erst vermitteln und erklren, da Butterford viel schner als New York sei, und beide muten ihn noch sehr bitten, ehe er wieder weiterging. Und selbst dann wre er noch nicht gegangen, wenn er sich nicht gesagt htte, da es fr ihn vielleicht besser sei, an einen Ort zu kommen, wo die Mglichkeit der Rckkehr in die Heimat keine so leichte sei. Gewi werde er dort besser arbeiten und vorwrtskommen, da ihn keine unntzen Gedanken hindern wrden. Und nun war er es, der die beiden anderen zog, und sie freuten sich so sehr ber seinen Eifer, da sie, ohne sich erst bitten zu lassen, den Koffer abwechselnd trugen und Karl gar nicht recht verstand, womit er ihnen eigentlich diese Freude verursache. Sie kamen in eine ansteigende Gegend, und wenn sie hie und da stehenblieben, konnten sie beim Rckblick das Panorama New Yorks und seines Hafens immer ausgedehnter sich entwickeln sehen. Die Brcke, die New York mit Brooklyn verbindet, hing zart ber den East River, und sie erzitterte, wenn man die Augen klein machte. Sie schien ganz ohne Verkehr zu sein, und unter ihr spannte sich das unbelebte, glatte Wasserband. Alles in beiden Riesenstdten schien leer und nutzlos aufgestellt. Unter den Husern gab es kaum einen Unterschied zwischen den groen und den kleinen. In der unsichtbaren Tiefe der Straen ging wahrscheinlich das Leben fort nach seiner Art, aber ber ihnen war nichts zu sehen als leichter Dunst, der sich zwar nicht bewegte, aber ohne Mhe verjagbar zu sein schien. Selbst in den Hafen, den grten der Welt, war Ruhe eingekehrt, und nur hie und da glaubte man, wohl beeinflut von der Erinnerung an einen frheren Anblick aus der Nhe, ein Schiff zu sehen, das eine kurze Strecke sich fortschob. Aber man konnte ihm auch nicht lange folgen, es entging den Augen und war nicht mehr zu finden. Aber Delamarche und Robinson sahen offenbar viel mehr, sie zeigten nach rechts und links und berwlbten mit den ausgestreckten Hnden Pltze und Grten, die sie mit Namen benannten. Sie konnten es nicht begreifen, da Karl ber zwei Monate in New York gewesen war und kaum etwas anderes von der Stadt gesehen hatte als eine Strae. Und sie versprachen ihm, wenn sie in Butterford genug verdient htten, mit ihm nach New York zu gehen und ihm alles Sehenswerte zu zeigen und ganz besonders natrlich jene rtlichkeiten, wo man sich bis zum Seligwerden unterhielt. Und Robinson begann im Anschlu daran mit vollem Mund ein Lied zu singen, das Delamarche mit Hndeklatschen begleitete und das Karl als eine Operettenmelodie aus seiner Heimat erkannte, die ihm hier mit einem englischen Text viel besser gefiel, als sie ihm je zu Hause gefallen hatte. So gab es eine kleine Vorstellung im Freien, an der alle Anteil nahmen, nur die Stadt unten, die sich angeblich bei dieser Melodie unterhielt, schien gar nichts davon zu wissen. Einmal fragte Karl, wo denn die Spedition Jakob liege, und sofort sah er Delamarches und Robinsons ausgestreckte Zeigefinger vielleicht auf den gleichen, vielleicht auf meilenweit entfernte Punkte gerichtet. Als sie dann weitergingen, fragte Karl, wann sie frhestens mit gengendem Verdienst nach New York zurckkehren knnten. Delamarche sagte, das knne schon ganz gut in einem Monat sein, denn in Butterford sei Arbeitermangel und die Lhne seien hoch. Natrlich wrden sie ihr Geld in eine gemeinsame Kasse legen, damit zufllige Unterschiede im Verdienst unter ihnen als Kameraden ausgeglichen wrden. Die gemeinsame Kasse gefiel Karl nicht, obwohl er als Lehrling natrlich weniger verdienen wrde als ausgelernte Arbeiter. berdies erwhnte Robinson, da sie natrlich, wenn in Butterford keine Arbeit wre, weiterwandern mten, entweder um als Landarbeiter irgendwo unterzukommen oder vielleicht nach Kalifornien in die Goldwscherei zu gehen, was, nach Robinsons ausfhrlichen Erzhlungen zu schlieen, sein liebster Plan war. Warum sind Sie denn Schlosser geworden, wenn Sie jetzt in die Goldwscherei wollen? fragte Karl, der ungern von der Notwendigkeit solcher weiten, unsicheren Reisen hrte. Warum ich Schlosser geworden bin? sagte Robinson, doch gewi nicht deshalb, damit meiner Mutter Sohn dabei verhungert. In den Goldwschereien ist ein feiner Verdienst. War einmal, sagte Delamarche. Ist noch immer, sagte Robinson und erzhlte von vielen dabei reich gewordenen Bekannten, die noch immer dort waren, natrlich keinen Finger mehr rhrten, aus alter Freundschaft ihm aber und selbstverstndlich auch seinen Kameraden zu Reichtum verhelfen wrden. Wir werden schon in Butterford Stellen erzwingen, sagte Delamarche und sprach damit Karl aus der Seele, aber eine zuversichtliche Ausdrucksweise war es nicht. Whrend des Tages machten sie nur einmal in einem Wirtshaus halt und aen davor im Freien an einem, wie es Karl schien, eisernen Tisch fast rohes Fleisch, das man mit Messer und Gabel nicht zerschneiden, sondern nur zerreien konnte. Das Brot hatte eine walzenartige Form, und in jedem Brotlaib steckte ein langes Messer. Zu diesem Essen wurde eine schwarze Flssigkeit gereicht, die im Halse brannte. Delamarche und Robinson schmeckte sie aber, sie erhoben oft auf die Erfllung verschiedener Wnsche ihre Glser und stieen miteinander an, wobei sie ein Weilchen lang in der Hhe Glas an Glas hielten. Am Nebentisch saen Arbeiter in kalkbespritzten Blusen, und alle tranken die gleiche Flssigkeit. Automobile, die in Mengen vorberfuhren, warfen Schwaden von Staub ber die Tische hin. Groe Zeitungsbltter wurden herumgereicht, man sprach erregt vom Streik der Bauarbeiter, der Name Mack wurde fters genannt. Karl erkundigte sich ber ihn und erfuhr, da dies der Vater des ihm bekannten Mack und der grte Bauunternehmer von New York war. Der Streik kostete ihn Millionen und bedrohte vielleicht seine geschftliche Stellung. Karl glaubte kein Wort von diesem Gerede schlecht unterrichteter, belwollender Leute. Verbittert wurde das Essen fr Karl auerdem dadurch, da es sehr fraglich war, wie das Essen gezahlt werden sollte. Das Natrliche wre gewesen, da jeder seinen Teil gezahlt htte, aber Delamarche wie auch Robinson hatten gelegentlich bemerkt, da fr das letzte Nachtlager ihr letztes Geld aufgegangen war. Uhr, Ring oder sonst etwas Veruerbares war an keinem zu sehen. Und Karl konnte ihnen doch nicht vorhalten, da sie an dem Verkauf seiner Kleider etwas verdient htten, das wre doch Beleidigung und Abschied fr immer gewesen. Das Erstaunliche aber war, da weder Delamarche noch Robinson irgendwelche Sorgen wegen der Bezahlung hatten, vielmehr hatten sie gute Laune genug, mglichst oft Anknpfungen mit der Kellnerin zu versuchen, die stolz und mit schwerem Gang zwischen den Tischen hin und her ging. Ihr Haar hing ihr von den Seiten ein wenig lose in Stirn und Wangen, und sie strich es immer wieder zurck, indem sie mit den Hnden darunter hinfuhr. Schlielich, als man vielleicht das erste freundliche Wort von ihr erwartete, trat sie zum Tische, legte beide Hnde auf ihn und fragte: Wer zahlt? Nie waren Hnde rascher aufgeflogen als jetzt jene von Delamarche und Robinson, die auf Karl zeigten. Karl erschrak darber nicht, denn er hatte es ja vorausgesehen, und sah nichts Schlimmes darin, da die Kameraden, von denen er ja auch Vorteile erwartete, einige Kleinigkeiten von ihm bezahlen lieen, wenn es auch anstndiger gewesen wre, diese Sache vor dem entscheidenden Augenblick ausdrcklich zu besprechen. Peinlich war blo, da er das Geld erst aus der Geheimtasche heraufbefrdern mute. Seine ursprngliche Absicht war es gewesen, das Geld fr die letzte Not aufzuheben und sich also vorlufig mit seinen Kameraden gewissermaen in eine Reihe zu stellen. Der Vorteil, den er durch dieses Geld und vor allem durch das Verschweigen des Besitzes gegenber den Kameraden erlangte, wurde fr diese mehr als reichlich dadurch aufgewogen, da sie schon seit ihrer Kindheit in Amerika waren, da sie gengende Kenntnisse und Erfahrungen fr Gelderwerb hatten und da sie schlielich an bessere Lebensverhltnisse als ihre gegenwrtigen nicht gewhnt waren. Diese bisherigen Absichten, die Karl rcksichtlich seines Geldes hatte, muten an und fr sich durch diese Bezahlung nicht gestrt werden, denn einen Vierteldollar konnte er schlielich entbehren und deshalb also ein Vierteldollarstck auf den Tisch legen und erklren, dies sei sein einziges Eigentum und er sei bereit, es fr die gemeinsame Reise nach Butterford zu opfern. Fr die Fureise gengte ein solcher Betrag auch vollkommen. Nun aber wute er nicht, ob er gengend Kleingeld hatte, und berdies lag dieses Geld sowie die zusammengelegten Banknoten irgendwo in der Tiefe der Geheimtasche, in der man eben am besten etwas fand, wenn man den ganzen Inhalt auf den Tisch schttete. Auerdem war es hchst unntig, da die Kameraden von dieser Geheimtasche berhaupt etwas erfuhren. Nun schien es zum Glck, da die Kameraden sich noch immer mehr fr die Kellnerin interessierten als dafr, wie Karl das Geld fr die Bezahlung zusammenbrchte. Delamarche lockte die Kellnerin durch die Aufforderung, die Rechnung aufzustellen, zwischen sich und Robinson und sie konnte die Zudringlichkeiten der beiden nur dadurch abwehren, da sie einem oder dem anderen die ganze Hand auf das Gesicht legte und ihn wegschob. Inzwischen sammelte Karl, hei vor Anstrengung, unter der Tischplatte in der einen Hand das Geld, das er mit der anderen Stck fr Stck in der Geheimtasche herumjagte und herausholte. Endlich glaubte er, obwohl er das amerikanische Geld noch nicht genau kannte, er htte, wenigstens der Menge der Stcke nach, eine gengende Summe, und legte sie auf den Tisch. Der Klang des Geldes unterbrach sofort die Scherze. Zu Karls rger und zu allgemeinem Erstaunen zeigte sich, da fast ein ganzer Dollar dalag. Keiner fragte zwar, warum Karl von dem Gelde, das fr eine bequeme Eisenbahnfahrt nach Butterford gereicht htte, frher nichts gesagt hatte, aber Karl war doch in groer Verlegenheit. Langsam strich er, nachdem das Essen bezahlt war, das Geld wieder ein, noch aus seiner Hand nahm Delamarche ein Geldstck, das er fr die Kellnerin als Trinkgeld brauchte, die er umarmte und an sich drckte, um ihr dann, von der anderen Seite her, das Geld zu berreichen. Karl war ihnen dankbar, da sie auf dem Weitermarsch keine Bemerkungen ber das Geld machten, und er dachte sogar eine Zeitlang daran, ihnen sein ganzes Vermgen einzugestehen, unterlie das aber doch, da sich keine rechte Gelegenheit fand. Gegen Abend kamen sie in eine mehr lndliche, fruchtbare Gegend. Ringsherum sah man ungeteilte Felder, die sich in ihrem ersten Grn ber sanfte Hgel legten, reiche Landsitze umgrenzten die Strae, und stundenlang ging man zwischen den vergoldeten Gittern der Grten, mehrmals kreuzten sie den gleichen langsam flieenden Strom und vielemal hrten sie ber sich die Eisenbahnzge auf den hoch sich schwingenden Viadukten donnern. Eben ging die Sonne an dem geraden Rande ferner Wlder nieder, als sie sich auf einer Anhhe inmitten einer kleinen Baumgruppe ins Gras hinwerfen, um sich von den Strapazen auszuruhen. Delamarche und Robinson lagen da und streckten sich nach Krften. Karl sa aufrecht und sah auf die ein paar Meter tiefer fhrende Strae, auf der immer wieder Automobile, wie schon whrend des ganzen Tages, leicht aneinander vorbereilten, als wrden sie in genauer Anzahl immer wieder von der Ferne abgeschickt und in der gleichen Anzahl in der anderen Ferne erwartet. Whrend des ganzen Tages seit dem frhesten Morgen hatte Karl kein Automobil halten, keinen Passagier aussteigen gesehen. Robinson machte den Vorschlag, die Nacht hier zu verbringen, da sie alle gengend mde wren, da sie dann desto frher ausmarschieren knnten und da sie schlielich kaum ein billigeres und besser gelegenes Nachtlager vor Einbruch vlliger Dunkelheit finden knnten. Delamarche war einverstanden, und nur Karl glaubte zu der Bemerkung verpflichtet zu sein, da er Geld genug habe, um das Nachtlager fr alle auch in einem Hotel zu bezahlen. Delamarche sagte, sie wrden das Geld noch brauchen, er solle es nur gut aufheben. Delamarche verbarg nicht im geringsten, da man mit Karls Geld schon rechnete. Da sein erster Vorschlag angenommen war, erklrte nun Robinson weiter, nun mten sie aber vor dem Schlafen, um sich fr morgen zu krftigen, etwas Tchtiges essen, und einer solle das Essen fr alle aus dem Hotel holen, das in nchster Nhe an der Landstrae mit der Aufschrift Hotel Occidental leuchtete. Als der Jngste, und da sich auch sonst niemand meldete, zgerte Karl nicht, sich fr diese Besorgung anzubieten, und ging, nachdem er eine Bestellung auf Speck, Brot und Bier erhalten hatte, ins Hotel hinber. Es mute eine groe Stadt in der Nhe sein, denn gleich der erste Saal des Hotels, den Karl betrat, war von einer lauten Menge erfllt, und an dem Bfett, das sich an einer Lngswand und an den zwei Seitenwnden hinzog, liefen unaufhrlich viele Kellner mit weien Schrzen vor der Brust und konnten doch die ungeduldigen Gste nicht zufriedenstellen, denn immer wieder hrte man an den verschiedensten Stellen Flche und Fuste, die auf den Tisch schlugen. Karl wurde von niemandem beachtet; es gab auch im Saale selbst keine Bedienung, die Gste, die an winzigen, bereits zwischen drei Tischnachbarn verschwindenden Tischen saen, holten alles, was sie wnschten, beim Bfett. Auf allen Tischchen stand eine groe Flasche mit l, Essig oder dergleichen, und alle Speisen, die vom Bfett geholt wurden, wurden vor dem Essen aus dieser Flasche bergossen. Wollte Karl berhaupt erst zum Bfett kommen, wo ja dann wahrscheinlich, besonders bei seiner groen Bestellung, die Schwierigkeiten erst beginnen wrden, mute er sich zwischen vielen Tischen durchdrngen, was natrlich bei aller Vorsicht nicht ohne grobe Belstigung der Gste durchzufhren war, die jedoch alles wie gefhllos hinnahmen, selbst als Karl einmal, allerdings gleichfalls von einem Gast, gegen ein Tischchen gestoen wurde, das er fast umgeworfen htte. Er entschuldigte sich zwar, wurde aber offenbar nicht verstanden, verstand brigens auch nicht das geringste von dem, was man ihm zurief. Beim Bfett fand er mit Mhe ein kleines freies Pltzchen, auf dem ihm eine lange Weile die Aussicht durch die aufgesttzten Ellbogen seiner Nachbarn genommen war. Es schien hier berhaupt eine Sitte, die Ellbogen aufzusttzen und die Faust an die Schlfe zu drcken; Karl mute daran denken, wie der Lateinprofessor Dr.Krumpal gerade diese Haltung gehat hatte und wie er immer heimlich und unversehens herangekommen war und mittels eines pltzlich erscheinenden Lineals mit scherzhaftem Ruck die Ellbogen von den Tischen gestreift hatte. Karl stand eng ans Bfett gedrngt, denn kaum hatte er sich angestellt, war hinter ihm ein Tisch aufgestellt worden, und der eine der dort sich niederlassenden Gste streifte schwer, wenn er sich nur ein wenig beim Reden zurckbog, mit seinem groen Hut Karls Rcken. Und dabei war so wenig Hoffnung, vom Kellner etwas zu bekommen, selbst als die beiden plumpen Nachbarn befriedigt weggegangen waren. Einigemal hatte Karl einen Kellner ber den Tisch hin bei der Schrze gefat, aber immer hatte sich der mit verzerrtem Gesicht losgerissen. Keiner war zu halten, sie liefen nur und liefen nur. Wenn wenigstens in der Nhe Karls etwas Passendes zum Essen und Trinken gewesen wre, er htte es genommen, sich nach dem Preis erkundigt, das Geld hingelegt und wre mit Freude weggegangen. Aber gerade vor ihm lagen nur Schsseln mit heringartigen Fischen, deren schwarze Schuppen am Rande goldig glnzten. Die konnten sehr teuer sein und wrden wahrscheinlich niemanden sttigen. Auerdem waren kleine Fchen mit Rum erreichbar, aber Rum wollte er seinen Kameraden nicht bringen, sie schienen schon sowieso bei jeder Gelegenheit nur auf den konzentriertesten Alkohol auszugehen und darin wollte er sie nicht noch untersttzen. Es blieb also Karl nichts brig, als einen anderen Platz zu suchen und mit seinen Bemhungen von vorne anzufangen. Nun aber war auch schon die Zeit sehr vorgerckt. Die Uhr am anderen Ende des Saales, deren Zeiger man bei scharfem Hinsehen durch den Rauch gerade noch erkennen konnte, zeigte schon neun vorber. Anderswo am Bfett war aber das Gedrnge noch grer als an dem frheren, ein wenig abgelegenen Platz. Auerdem fllte sich der Saal desto mehr, je spter es wurde. Immer wieder zogen durch die Haupttre mit groem Hallo neue Gste ein. An manchen Stellen rumten Gste selbstherrlich das Bfett ab und setzten sich aufs Pult und tranken einander zu, es waren die besten Pltze, man bersah den ganzen Saal. Karl drngte sich zwar noch weiter durch, aber eine eigentliche Hoffnung, etwas zu erreichen, hatte er nicht mehr. Er machte sich Vorwrfe darber, da er, der die hiesigen Verhltnisse nicht kannte, sich zu dieser Besorgung angeboten hatte. Seine Kameraden wrden ihn mit vollem Rechte auszanken und gar noch denken, da er, nur um Geld zu sparen, nichts mitgebracht hatte. Nun stand er gar in einer Gegend, wo ringsherum an den Tischen warme Fleischspeisen mit schnen, gelben Kartoffeln gegessen wurden; es war ihm unbegreiflich, wie sich die Leute das verschafft hatten. Da sah er ein paar Schritte vor sich eine ltere, offenbar zum Hotelpersonal gehrige Frau, die lachend mit einem Gaste redete. Dabei arbeitete sie fortwhrend mit einer Haarnadel in ihrer Frisur herum. Sofort war Karl entschlossen, seine Bestellung bei dieser Frau vorzubringen, schon weil sie ihm als die einzige Frau im Saal eine Ausnahme vom allgemeinen Lrm und Jagen bedeutete und dann auch aus dem einfachen Grunde, weil sie die einzige Hotelangestellte war, die man erreichen konnte, vorausgesetzt allerdings, da sie nicht beim ersten Wort, das er an sie richten wrde, in Geschften fortlief. Aber ganz das Gegenteil trat ein. Karl hatte sie noch gar nicht angeredet, sondern nur ein wenig belauert, als sie, wie man eben manchmal mitten im Gesprch beiseiteschaut, zu Karl hinsah und ihn, ihre Rede unterbrechend, freundlich und in einem Englisch, klar wie die Grammatik, fragte, ob er etwas suche. Allerdings, sagte Karl, Ich kann hier gar nichts bekommen. Dann kommen Sie mit mir, Kleiner, sagte sie, verabschiedete sich von ihrem Bekannten, der seinen Hut abnahm, was hier wie unglaubliche Hflichkeit erschien, fate Karl bei der Hand, ging zum Bfett, schob einen Gast beiseite, ffnete eine Klapptre im Pult, durchquerte den Gang hinter dem Pult, wo man sich vor den unermdlich laufenden Kellnern in acht nehmen mute, ffnete eine zweite Tapetentre, und schon befanden sie sich in groen, khlen Vorratskammern. Man mu eben den Mechanismus kennen, sagte sich Karl. Also, was wollen Sie denn? fragte sie und beugte sich dienstbereit zu ihm herab. Sie war sehr dick, ihr Leib schaukelte sich, aber ihr Gesicht hatte eine, natrlich im Verhltnis, fast zarte Bildung. Karl war fast versucht, im Anblick der vielen Ewaren, die hier sorgfltig in Regalen und auf Tischen aufgerichtet lagen, fr seine Bestellung rasch ein feineres Nachtessen auszudenken, besonders da er erwarten konnte, von dieser einflureichen Frau billiger bedient zu werden, schlielich aber nannte er doch wieder, da ihm nichts Passendes einfiel, nur Speck, Brot und Bier. Nichts weiter? fragte die Frau. Nein danke, sagte Karl, aber fr drei Personen. Auf die Frage der Frau nach den beiden anderen erzhlte Karl in ein paar kurzen Worten von seinen Kameraden, es machte ihm Freude, ein wenig ausgefragt zu werden. Aber das ist ja ein Essen fr Strflinge, sagte die Frau und erwartete nun offenbar weitere Wnsche Karls. Dieser aber frchtete nun, sie werde ihn beschenken und kein Geld annehmen wollen, und schwieg deshalb. Das werden wir gleich zusammengestellt haben, sagte die Frau, ging mit einer bei ihrer Dicke bewunderungswerten Beweglichkeit zu einem Tisch hin, schnitt mit einem langen, dnnen, sgeblattartigen Messer ein groes Stck mit viel Fleisch durchwachsenen Specks ab, nahm aus einem Regal einen Laib Brot, hob vom Boden drei Flaschen Bier auf und legte alles in einen leichten Strohkorb, den sie Karl reichte. Zwischendurch erklrte sie Karl, sie habe ihn deshalb hierhergefhrt, weil die Ewaren drauen auf dem Bfett im Rauch und in den vielen Ausdnstungen trotz dem schnellen Verbrauch immer die Frische verlieren. Fr die Leute drauen sei aber alles gut genug. Karl sagte nun gar nichts mehr, denn er wute nicht, wodurch er diese auszeichnende Behandlung verdiene. Er dachte an seine Kameraden, die vielleicht, so gute Kenner Amerikas sie auch waren, doch nicht bis in diese Vorratskammer gedrungen wren und sich mit den verdorbenen Ewaren auf dem Bfett htten begngen mssen. Man hrte hier keinen Laut aus dem Saal, die Mauern muten sehr dick sein, um diese Gewlbe gengend khl zu erhalten. Karl hatte schon den Strohkorb ein Weilchen lang in der Hand, dachte aber nicht ans Zahlen und rhrte sich auch nicht. Nur als die Frau noch nachtrglich eine Flasche, hnlich denen, die drauen auf den Tischen standen, in den Korb legen wollte, dankte er schaudernd. Haben Sie noch einen weiten Marsch? fragte die Frau. Bis nach Butterford, antwortete Karl. Das ist noch sehr weit, sagte die Frau. Noch eine Tagereise, sagte Karl. Nicht weiter? fragte die Frau. O nein, sagte Karl. Die Frau rckte einige Sachen auf den Tischen zurecht, ein Kellner kam herein, schaute suchend herum, wurde dann von der Frau auf eine groe Schssel, in der ein breiter, mit ein wenig Petersilie bestreuten Haufen von Sardinen lag, hingewiesen und trug dann diese Schssel in den erhobenen Hnden in den Saal hinaus. Warum wollen Sie denn eigentlich im Freien bernachten? fragte die Frau. Wir haben hier Platz genug. Schlafen Sie bei uns im Hotel. Das war fr Karl sehr verlockend, besonders da er die vorige Nacht so schlecht verbracht hatte. Ich habe mein Gepck drauen, sagte er zgernd und nicht ganz ohne Eitelkeit. Das bringen Sie nur her, sagte die Frau, das ist kein Hindernis. Aber meine Kameraden! sagte Karl und merkte sofort, da die allerdings ein Hindernis waren. Die drfen natrlich auch hier bernachten, sagte die Frau. Kommen Sie nur! Lassen Sie sich nicht so bitten. Meine Kameraden sind im brigen brave Leute, sagte Karl, aber sie sind nicht rein. Haben Sie den Schmutz im Saal nicht gesehen? fragte die Frau und verzog das Gesicht. Zu uns kann wirklich der rgste kommen. Ich werde also gleich drei Betten vorbereiten lassen. Allerdings nur auf dem Dachboden, denn das Hotel ist vollbesetzt, ich bin auch auf den Dachboden bersiedelt, aber besser als im Freien ist es jedenfalls. Ich kann meine Kameraden nicht mitbringen, sagte Karl. Er stellte sich vor, welchen Lrm die beiden auf den Gngen dieses feinen Hotels machen wrden; Robinson wrde alles verunreinigen und Delamarche unfehlbar selbst diese Frau belstigen. Ich wei nicht, warum das unmglich sein soll, sagte die Frau, aber wenn Sie es so wollen, dann lassen Sie eben Ihre Kameraden drauen und kommen allein zu uns. Das geht nicht, das geht nicht, sagte Karl, es sind meine Kameraden und ich mu bei ihnen bleiben. Sie sind starrkpfig, sagte die Frau und sah von ihm weg, man meint es gut mit Ihnen, mchte Ihnen gern behilflich sein, und Sie wehren sich mit allen Krften. Karl sah das alles ein, aber er wute keinen Ausweg, so sagte er nur noch: Meinen besten Dank fr Ihre Freundlichkeit. Dann erinnerte er sich daran, da er noch nicht gezahlt hatte, und fragte nach dem schuldigen Betrag. Zahlen Sie das erst, wenn Sie mir den Strohkorb zurckbringen, sagte die Frau. Sptestens morgen frh mu ich ihn haben. Bitte, sagte Karl. Sie ffnete eine Tre, die geradewegs ins Freie fhrte, und sagte noch, whrend er mit einer Verbeugung hinaustrat: Gute Nacht, Sie handeln aber nicht recht. Er war schon ein paar Schritte weit, da rief sie ihm noch nach: Auf Wiedersehen morgen! Kaum war er drauen, hrte er auch schon wieder aus dem Saal den ungeschwchten Lrm, in den sich jetzt auch Klnge eines Blasorchesters mischten. Er war froh, da er nicht durch den Saal hatte hinausgehen mssen. Das Hotel war jetzt in allen seinen fnf Stockwerken beleuchtet und machte die Strae davor in ihrer ganzen Breite hell. Noch immer fuhren drauen, wenn auch schon in unterbrochener Folge, Automobile, rascher aus der Ferne her anwachsend als bei Tage, tasteten mit den weien Strahlen ihrer Laternen den Boden der Strae ab, kreuzten mit erblassenden Lichtern die Lichtzone des Hotels und eilten aufleuchtend in das weitere Dunkel. Die Kameraden fand Karl schon in tiefem Schlaf, er war aber auch zu lange ausgeblieben. Gerade wollte er das Mitgebrachte appetitlich auf Papiere ausbreiten, die er im Korb vorfand, um erst, wenn alles fertig wre, die Kameraden zu wecken, als er zu seinem Schrecken seinen Koffer, den er abgesperrt zurckgelassen hatte und dessen Schlssel er in der Tasche trug, vollstndig geffnet sah, whrend der halbe Inhalt ringsherum im Gras verstreut war. Steht auf! rief er. Ihr schlaft, und inzwischen waren Diebe da. Fehlt denn etwas? fragte Delamarche. Robinson war noch nicht ganz wach und griff schon nach dem Bier. Ich wei nicht, rief Karl, aber der Koffer ist offen. Das ist doch eine Unvorsichtigkeit, sich schlafen zu legen und den Koffer hier frei stehen zu lassen. Delamarche und Robinson lachten, und der erstere sagte: Sie drfen eben nchstens nicht so lange fortbleiben. Das Hotel ist zehn Schritte entfernt, und Sie brauchen zum Hin- und Herweg drei Stunden. Wir haben Hunger gehabt, haben gedacht, da Sie in Ihrem Koffer etwas zum Essen haben knnten, und haben das Schlo so lange gekitzelt, bis es sich aufgemacht hat. Im brigen war ja gar nichts darin, und Sie knnen alles wieder ruhig einpacken. So, sagte Karl, starrte in den rasch sich leerenden Korb und horchte auf das eigentmliche Gerusch, das Robinson beim Trinken hervorbrachte, da ihm die Flssigkeit zuerst weit in die Gurgel eindrang, dann aber mit einer Art Pfeifen wieder zurckschnellte, um erst dann in groem Ergu in die Tiefe zu rollen. Haben Sie schon zu Ende gegessen? fragte er, als sich die beiden einen Augenblick verschnauften. Haben Sie denn nicht schon im Hotel gegessen? fragte Delamarche, der glaubte, Karl beanspruche seinen Anteil. Wenn Sie noch essen wollen, dann beeilen Sie sich, sagte Karl und ging zu seinem Koffer. Der scheint Launen zu haben, sagte Delamarche zu Robinson. Ich habe keine Launen, sagte Karl, aber ist das vielleicht recht, in meiner Abwesenheit meinen Koffer aufzubrechen und meine Sachen herauszuwerfen? Ich wei, man mu unter Kameraden manches dulden, und ich habe mich auch darauf vorbereitet, aber das ist zu viel. Ich werde im Hotel bernachten und gehe nicht nach Butterford. Essen Sie rasch auf, ich mu den Korb zurckgeben. Siehst du, Robinson, so spricht man, sagte Delamarche, das ist die feine Redeweise. Er ist eben ein Deutscher. Du hast mich frh vor ihm gewarnt, aber ich bin ein guter Narr gewesen und habe ihn doch mitgenommen. Wir haben ihm unser Vertrauen geschenkt, haben ihn einen ganzen Tag mit uns geschleppt, haben dadurch zumindest einen halben Tag verloren und jetzt weil ihn dort im Hotel irgend jemand gelockt hat verabschiedet er sich, verabschiedet sich einfach. Aber weil er ein falscher Deutscher ist, tut er dies nicht offen, sondern sucht sich den Vorwand mit dem Koffer, und weil er ein grober Deutscher ist, kann er nicht weggehen, ohne uns in unserer Ehre zu beleidigen und uns Diebe zu nennen, weil wir mit seinem Koffer einen kleinen Scherz gemacht haben. Karl, der seine Sachen packte, ohne sich umzuwenden: Reden Sie nur so weiter und erleichtern Sie mir das Weggehen. Ich wei ganz gut, was Kameradschaft ist. Ich habe in Europa auch Freunde gehabt, und keiner kann mir vorwerfen, da ich mich falsch oder gemein gegen ihn benommen htte. Wir sind jetzt natrlich auer Verbindung, aber wenn ich noch einmal nach Europa zurckkommen sollte, werden mich alle gut aufnehmen und mich sofort als ihren Freund anerkennen. Und Sie, Delamarche, und Sie, Robinson, Sie htte ich verraten sollen, da Sie doch, was ich niemals vertuschen werde, so freundlich waren, sich meiner anzunehmen und mir eine Lehrlingsstelle in Butterford in Aussicht zu stellen? Aber es ist etwas anderes. Sie haben nichts, und das erniedrigt Sie in meinen Augen nicht im geringsten, aber Sie mignnen mir meinen kleinen Besitz und suchen mich deshalb zu demtigen, das kann ich nicht aushalten. Und nun, nachdem Sie meinen Koffer aufgebrochen haben, entschuldigen Sie sich mit keinem Wort, sondern beschimpfen mich noch und beschimpfen weiter mein Volk damit nehmen Sie mir aber auch jede Mglichkeit, bei Ihnen zu bleiben. brigens gilt das alles nicht eigentlich von Ihnen, Robinson. Gegen Ihren Charakter habe ich nur einzuwenden, da Sie von Delamarche zu sehr abhngig sind. Da sehen wir ja, sagte Delamarche, indem er zu Karl trat und ihm einen leichten Sto gab, wie um ihn aufmerksam zu machen, da sehen wir ja, wie Sie sich entpuppen. Den ganzen Tag sind Sie hinter mir gegangen, haben sich an meinem Rock gehalten, haben mir jede Bewegung nachgemacht und waren sonst still wie ein Muschen. Jetzt aber, da Sie im Hotel irgendeinen Rckhalt spren, fangen Sie groe Reden zu halten an. Sie sind ein kleiner Schlaumeier, und ich wei noch gar nicht, ob wir das so ruhig hinnehmen werden. Ob wir nicht das Lehrgeld fr das verlangen werden, was Sie uns whrend des Tages abgeschaut haben. Du, Robinson, wir beneiden ihn meint er um seinen Besitz. Ein Tag Arbeit in Butterford von Kalifornien gar nicht zu reden, und wir haben zehnmal mehr, als Sie uns gezeigt haben und als Sie in Ihrem Rockfutter noch versteckt haben mgen. Also, nur immer Achtung aufs Maul! Karl hatte sich vom Koffer erhoben und sah nun auch den verschlafenen, aber vom Bier ein wenig belebten Robinson herankommen. Wenn ich noch lange hierbleibe, sagte er, knnte ich vielleicht noch weitere berraschungen erleben. Sie scheinen Lust zu haben, mich durchzuprgeln. Alle Geduld hat ein Ende, sagte Robinson. Sie schweigen besser, Robinson, sagte Karl, ohne Delamarche aus den Augen zu lassen, im Innern geben Sie mir ja doch recht, aber nach auen mssen Sie es mit Delamarche halten! Wollen Sie ihn vielleicht bestechen? fragte Delamarche. Fllt mir nicht ein, sagte Karl. Ich bin froh, da ich fortgehe, und ich will mit keinem von Ihnen mehr etwas zu tun haben. Nur eines will ich noch sagen, Sie haben mir den Vorwurf gemacht, da ich Geld besitze und es vor Ihnen versteckt habe. Angenommen, da es wahr ist, war es nicht sehr richtig Leuten gegenber gehandelt, die ich erst ein paar Stunden kannte, und besttigen Sie nicht noch durch Ihr jetziges Benehmen die Richtigkeit einer derartigen Handlungsweise? Bleib ruhig, sagte Delamarche zu Robinson, obwohl sich dieser nicht rhrte. Dann fragte er Karl. Da Sie so unverschmt aufrichtig sind, so treiben Sie doch, da wir ja so gemtlich beisammenstehen, diese Aufrichtigkeit noch weiter und gestehen Sie ein, warum Sie eigentlich ins Hotel wollen. Karl mute einen Schritt ber den Koffer hinweg machen, so nahe war Delamarche an ihn herangetreten. Aber Delamarche lie sich dadurch nicht beirren, schob den Koffer beiseite, machte einen Schritt vorwrts, wobei er den Fu auf ein weies Vorhemd setzte, das im Gras liegengeblieben war, und wiederholte seine Frage. Wie zur Antwort stieg von der Strae her ein Mann mit einer stark leuchtenden Taschenlampe zu der Gruppe herauf. Es war ein Kellner aus dem Hotel. Kaum hatte er Karl erblickt, sagte er: Ich suche Sie schon fast eine halbe Stunde. Alle Bschungen auf beiden Straenseiten habe ich schon abgesucht. Die Frau Oberkchin lt Ihnen nmlich sagen, da sie den Strohkorb, den sie Ihnen geborgt hat, dringend braucht. Hier ist er, sagte Karl mit einer vor Aufregung unsicheren Stimme. Delamarche und Robinson waren in scheinbarer Bescheidenheit beiseitegetreten, wie sie es vor fremden gutgestellten Leuten immer machten. Der Kellner nahm den Korb an sich und sagte: Dann lt Sie die Frau Oberkchin fragen, ob Sie es sich nicht berlegt haben und doch vielleicht im Hotel bernachten wollten. Auch die beiden anderen Herren wren willkommen, wenn Sie sie mitnehmen wollen. Die Betten sind schon vorbereitet. Die Nacht ist ja heute warm, aber hier, auf der Lehne, ist es durchaus nicht ungefhrlich zu schlafen, man findet fters Schlangen. Da die Frau Oberkchin so freundlich ist, werde ich ihre Einladung doch annehmen, sagte Karl und wartete auf eine uerung seiner Kameraden. Aber Robinson stand stumpf da, und Delamarche hatte die Hnde in den Hosentaschen und schaute zu den Sternen hinauf. Beide bauten offenbar darauf, da Karl sie ohne weiteres mitnehmen werde. Fr diesen Fall, sagte der Kellner, habe ich den Auftrag, Sie ins Hotel zu fhren und Ihr Gepck zu tragen. Dann warten Sie, bitte, noch einen Augenblick, sagte Karl und bckte sich, um die paar Sachen, die noch herumlagen, in den Koffer zu legen. Pltzlich richtete er sich auf. Die Photographie fehlte, sie war ganz oben im Koffer gelegen und war nirgends zu finden. Alles war vollstndig, nur die Photographie fehlte. Ich kann die Photographie nicht finden, sagte er bittend zu Delamarche. Welche Photographie? fragte dieser. Die Photographie meiner Eltern, sagte Karl. Wir haben keine Photographie gesehen, sagte Delamarche. Es war keine Photographie darin, Herr Romann, besttigte auch Robinson von seiner Seite. Aber das ist doch unmglich, sagte Karl, und seine hilfesuchenden Blicke zogen den Kellner nher. Sie lag obenauf und jetzt ist sie weg. Wenn Sie doch lieber den Spa mit dem Koffer nicht gemacht htten! Jeder Irrtum ist ausgeschlossen, sagte Delamarche, in dem Koffer war keine Photographie. Sie war mir wichtiger als alles, was ich sonst im Koffer habe, sagte Karl zum Kellner, der herumging und im Grase suchte. Sie ist nmlich unersetzlich, ich bekomme keine zweite. Und als der Kellner von dem aussichtslosen Suchen ablie, sagte er noch: Es war das einzige Bild, das ich von meinen Eltern besa. Daraufhin sagte der Kellner laut, ohne jede Beschnigung: Vielleicht knnten wir noch die Taschen der Herren untersuchen. Ja, sagte Karl sofort, ich mu die Photographie finden. Aber ehe ich die Taschen durchsuche, sage ich noch, da, wer mir die Photographie freiwillig gibt, den ganzen gefllten Koffer bekommt. Nach einem Augenblick allgemeiner Stille sagte Karl zum Kellner: Meine Kameraden wollen also offenbar die Taschendurchsuchung. Aber selbst jetzt verspreche ich sogar demjenigen, in dessen Tasche die Photographie gefunden wird, den ganzen Koffer. Mehr kann ich nicht tun. Sofort machte sich der Kellner daran, Delamarche zu untersuchen, der ihm schwieriger zu behandeln schien als Robinson, den er Karl berlie. Er machte Karl darauf aufmerksam, da beide gleichzeitig untersucht werden mten, da sonst einer unbeobachtet die Photographie beiseiteschaffen knnte. Gleich beim ersten Griff fand Karl in Robinsons Tasche eine ihm gehrige Krawatte, aber er nahm sie nicht an sich und rief dem Kellner zu: Was Sie bei Delamarche auch finden mgen, lassen Sie ihm, bitte, alles. Ich will nichts als die Photographie, nur die Photographie. Beim Durchsuchen der Brusttaschen gelangte Karl mit der Hand an die heie, fettige Brust Robinsons, und es kam ihm zu Bewutsein, da er an seinen Kameraden vielleicht ein groes Unrecht begehe. Er beeilte sich nun nach Mglichkeit. Im brigen war alles umsonst, weder bei Robinson noch bei Delamarche fand sich die Photographie vor. Es hilft nichts, sagte der Kellner. Sie haben wahrscheinlich die Photographie zerrissen und die Stcke weggeworfen, sagte Karl. Ich dachte, sie wren Freunde, aber im geheimen wollten sie mir nur schaden. Nicht eigentlich Robinson, der wre gar nicht auf den Einfall gekommen, da die Photographie solchen Wert fr mich hat, aber desto mehr Delamarche. Karl sah nur den Kellner vor sich, dessen Laterne einen kleinen Kreis beleuchtete, whrend alles sonst, auch Delamarche und Robinson, in tiefem Dunkel war. Es war natrlich gar nicht mehr die Rede davon, da die beiden in das Hotel mitgenommen werden knnten. Der Kellner schwang den Koffer auf die Achsel, Karl nahm den Strohkorb, und sie gingen. Karl war schon auf der Strae, als er, im Nachdenken sich unterbrechend, stehenblieb und in das Dunkel hinaufrief: Hren Sie einmal, sollte doch einer von Ihnen die Photographie noch haben und mir ins Hotel bringen wollen er bekommt den Koffer noch immer und wird, ich schwre es, nicht angezeigt. Es kam keine eigentliche Antwort herunter, nur ein abgerissenes Wort war zu hren, der Beginn eines Zurufs Robinsons, dem aber offenbar Delamarche sofort den Mund stopfte. Noch eine lange Weile wartete Karl, ob man sich oben nicht doch noch anders entscheiden wrde. Zweimal rief er in Abstnden: Ich bin noch immer da! Aber kein Laut antwortete, nur einmal rollte ein Stein den Abhang herab, vielleicht durch Zufall, vielleicht in einem verfehlten Wurf. Hotel Occidental Im Hotel wurde Karl gleich in eine Art Bro gefhrt, in welchem die Oberkchin, ein Vormerkbuch in der Hand, einer jungen Schreibmaschinistin einen Brief in die Schreibmaschine diktierte. Das uerst przise Diktieren, der beherrschte und elastische Tastenschlag jagten an dem nur hie und da merklichen Ticken der Wanduhr vorber, die schon fast halb zwlf zeigte. So! sagte die Oberkchin, klappte das Vormerkbuch zu, die Schreibmaschinistin sprang auf und stlpte den Holzdeckel ber die Maschine, ohne bei dieser mechanischen Arbeit die Augen von Karl zu lassen. Sie sah noch wie ein Schulmdchen aus, ihre Schrze war sehr sorgfltig gebgelt, auf den Achseln zum Beispiel gewellt, die Frisur recht hoch, und man staunte ein wenig, wenn man nach diesen Einzelheiten ihr ernstes Gesicht sah. Nach Verbeugungen, zuerst gegen die Oberkchin, dann gegen Karl, entfernte sie sich, und Karl sah unwillkrlich die Oberkchin mit einem fragenden Blicke an. Das ist aber schn, da Sie nun doch gekommen sind, sagte die Oberkchin. Und Ihre Kameraden? Ich habe sie nicht mitgenommen, sagte Karl. Die marschieren wohl sehr frh aus, sagte die Oberkchin, wie um sich die Sache zu erklren. Mu sie denn nicht denken, da ich auch mitmarschiere? fragte sich Karl und sagte deshalb, um jeden Zweifel auszuschlieen: Wir sind in Unfrieden auseinandergegangen. Die Oberkchin schien das als eine angenehme Nachricht aufzufassen. Dann sind Sie also frei? fragte sie. Ja, frei bin ich, sagte Karl, und nichts schien ihm wertloser. Hren Sie, mchten Sie nicht hier im Hotel eine Stelle annehmen? fragte die Oberkchin. Sehr gern, sagte Karl, ich habe aber entsetzlich wenig Kenntnisse. Ich kann zum Beispiel nicht einmal auf der Schreibmaschine schreiben. Das ist nicht das Wichtigste, sagte die Oberkchin. Sie bekmen eben vorlufig nur eine ganz kleine Anstellung und mten dann zusehen, durch Flei und Aufmerksamkeit sich hinaufzubringen. Jedenfalls aber glaube ich, da es fr Sie besser und passender wre, sich irgendwo festzusetzen, statt so durch die Welt zu bummeln. Dazu scheinen Sie mir nicht gemacht. Das wrde alles auch der Onkel unterschreiben, sagte sich Karl und nickte zustimmend. Gleichzeitig erinnerte er sich, da er, um den man so besorgt war, sich noch gar nicht vorgestellt hatte. Entschuldigen Sie, bitte, sagte er, da ich mich noch gar nicht vorgestellt habe, ich heie Karl Romann. Sie sind ein Deutscher, nicht wahr? Ja, sagte Karl, Ich bin noch nicht lange in Amerika. Woher sind Sie denn? Aus Prag in Bhmen, sagte Karl. Sehen Sie einmal an, rief die Oberkchin in einem stark englisch betonten Deutsch und hob fast die Arme, dann sind wir ja Landsleute, ich heie Grete Mitzelbach und bin aus Wien. Und Prag kenne ich ja ganz ausgezeichnet, ich war ja ein halbes Jahr in der Goldenen Gans auf dem Wenzelsplatz angestellt. Aber denken Sie nur einmal. Wann ist das gewesen? fragte Karl. Das ist schon viele, viele Jahre her. Die alte Goldene Gans, sagte Karl, ist vor zwei Jahren niedergerissen worden. Ja, freilich, sagte die Oberkchin, ganz in Gedanken an vergangene Zeiten. Mit einem Male aber wieder lebhaft werdend, rief sie und fate dabei Karls Hnde: Jetzt, da es sich herausgestellt hat, da Sie mein Landsmann sind, drfen Sie um keinen Preis von hier fort. Das drfen Sie mir nicht antun. Htten Sie zum Beispiel Lust, Liftjunge zu werden? Sagen Sie nur ja und Sie sind es. Wenn Sie ein bichen herumgekommen sind, werden Sie wissen, da es nicht besonders leicht ist, solche Stellen zu bekommen, denn sie sind der beste Anfang, den man sich denken kann. Sie kommen mit allen Gsten zusammen, man sieht Sie immer, man gibt Ihnen kleine Auftrge; kurz, Sie haben jeden Tag die Mglichkeit, zu etwas Besserem zu gelangen. Fr alles brige lassen Sie mich sorgen. Liftjunge mchte ich ganz gerne sein, sagte Karl nach einer kleinen Pause. Es wre ein groer Unsinn gewesen, gegen die Stelle eines Liftjungen mit Rcksicht auf seine fnf Gymnasialklassen Bedenken zu haben. Eher wre hier in Amerika Grund gewesen, sich der fnf Gymnasialklassen zu schmen. brigens hatten die Liftjungen Karl immer gefallen, sie waren ihm wie der Schmuck des Hotels erschienen. Sind nicht Sprachkenntnisse erforderlich? fragte er noch. Sie sprechen Deutsch und ein schnes Englisch, das gengt vollkommen. Englisch habe ich erst in Amerika in zweieinhalb Monaten erlernt, sagte Karl, er glaubte, seinen einzigen Vorzug nicht verschweigen zu drfen. Das spricht schon gengend fr Sie, sagte die Oberkchin. Wenn ich daran denke, welche Schwierigkeiten mir das Englisch gemacht hat. Das ist allerdings schon seine dreiig Jahre her. Gerade gestern habe ich davon gesprochen. Gestern war nmlich mein fnfzigster Geburtstag. Und sie suchte lchelnd den Eindruck von Karls Mienen abzulesen, den die Wrde dieses Alters auf ihn machte. Dann wnsche ich Ihnen viel Glck, sagte Karl. Das kann man immer brauchen, sagte sie, schttelte Karl die Hand und wurde wieder halb traurig ber diese alte Redensart aus der Heimat, die ihr da im Deutschsprechen eingefallen war. Aber ich halte Sie auf , rief sie dann. Und Sie sind gewi sehr mde, und wir knnen auch alles viel besser bei Tag besprechen. Die Freude, einen Landsmann getroffen zu haben, macht ganz gedankenlos. Kommen Sie, ich werde Sie in Ihr Zimmer fhren. Ich habe noch eine Bitte, Frau Oberkchin, sagte Karl im Anblick des Telephonkastens, der auf dem Tisch stand, es ist mglich, da mir morgen, vielleicht sehr frh, meine frheren Kameraden eine Photographie bringen, die ich dringend brauche. Wren Sie so freundlich und wrden Sie dem Portier telephonieren, er mchte die Leute zu mir schicken oder mich holen lassen? Gewi߫, sagte die Oberkchin, aber wrde es nicht gengen, wenn er ihnen die Photographie abnimmt? Was ist es denn fr eine Photographie, wenn man fragen darf? Es ist die Photographie meiner Eltern, sagte Karl. Nein, ich mu mit den Leuten selbst sprechen. Die Oberkchin sagte nichts weiter und gab telephonisch in die Portierloge den entsprechenden Befehl, wobei sie 536 als Zimmernummer Karls nannte. Sie gingen dann durch eine der Eingangstr entgegengesetzte Tr auf einen kleinen Gang hinaus, wo an dem Gelnder eines Aufzuges ein kleiner Liftjunge schlafend lehnte. Wir knnen uns selbst bedienen, sagte die Oberkchin leise und lie Karl in den Aufzug eintreten. Eine Arbeitszeit von zehn bis zwlf Stunden ist eben ein wenig zuviel fr einen solchen Jungen, sagte sie dann, whrend sie aufwrts fuhren. Aber es ist eigentmlich in Amerika. Da ist dieser kleine Junge zum Beispiel, er ist auch erst vor einem halben Jahre mit seinen Eltern hier angekommen, er ist ein Italiener. Jetzt sieht er aus, als knne er die Arbeit unmglich aushalten, hat schon kein Fleisch im Gesicht, schlft im Dienst ein, obwohl er von Natur sehr bereitwillig ist aber er mu nur noch ein halbes Jahr hier oder irgendwo anders in Amerika dienen und hlt alles mit Leichtigkeit aus, und in fnf Jahren wird er ein starker Mann sein. Von solchen Beispielen knnte ich Ihnen stundenlang erzhlen. Dabei denke ich gar nicht an Sie, denn Sie sind ein krftiger Junge; Sie sind siebzehn Jahre alt, nicht? Ich werde nchstens Monat sechzehn, antwortete Karl. Sogar erst sechzehn! sagte die Oberkchin. Also nur Mut! Oben fhrte sie Karl in ein Zimmer, das zwar schon als Dachzimmer eine schiefe Wand hatte, im brigen aber bei einer Beleuchtung durch zwei Glhbirnen sich sehr wohnlich zeigte. Erschrecken Sie nicht ber die Einrichtung, sagte die Oberkchin, es ist nmlich kein Hotelzimmer, sondern ein Zimmer meiner Wohnung, die aus drei Zimmern besteht, so da Sie mich nicht im geringsten stren. Ich sperre die Verbindungstre ab, so da Sie ganz ungeniert bleiben. Morgen, als neuer Hotelangestellter, werden Sie natrlich Ihr eigenes Zimmerchen bekommen. Wren Sie mit Ihren Kameraden gekommen, dann htte ich Ihnen in der gemeinsamen Schlafkammer der Hausdiener aufbetten lassen, aber da Sie allein sind, denke ich, da es Ihnen hier besser passen wird, wenn Sie auch nur auf einem Sofa schlafen mssen. Und nun schlafen Sie wohl, damit Sie sich fr den Dienst krftigen. Er wird morgen noch nicht zu anstrengend sein. Ich danke Ihnen vielmals fr Ihre Freundlichkeit. Warten Sie, sagte sie, beim Ausgang stehenbleibend, da wren Sie aber bald geweckt worden. Und sie ging zu der einen Seitentr des Zimmers, klopfte und rief: Therese! Bitte, Frau Oberkchin, meldete sich die Stimme der kleinen Schreibmaschinistin. Wenn du mich frh wecken gehst, so mut du ber den Gang gehen, hier im Zimmer schlft ein Gast. Er ist todmde. Sie lchelte Karl zu, whrend sie dies sagte. Hast du verstanden? Ja, Frau Oberkchin. Also dann gute Nacht! Gute Nacht wnsch ich. Ich schlafe nmlich, sagte die Oberkchin zur Erklrung, seit einigen Jahren ungemein schlecht. Jetzt kann ich ja mit meiner Stellung zufrieden sein und brauche eigentlich keine Sorgen zu haben. Aber es mssen die Folgen meiner frheren Sorgen sein, die mir diese Schlaflosigkeit verursachen. Wenn ich um drei Uhr frh einschlafe, kann ich froh sein. Da ich aber schon um fnf, sptestens um halb sechs wieder auf dem Platze sein mu, mu ich mich wecken lassen, und zwar besonders vorsichtig, damit ich nicht noch nervser werde, als ich es schon bin. Und da weckt mich eben die Therese. Aber jetzt wissen Sie wirklich schon alles, und ich komme gar nicht weg. Gute Nacht! Und trotz ihrer Schwere huschte sie fast aus dem Zimmer. Karl freute sich auf den Schlaf, denn der Tag hatte ihn sehr hergenommen. Und behaglichere Umgebung konnte er fr einen langen, ungestrten Schlaf gar nicht wnschen. Das Zimmer war zwar nicht zum Schlafzimmer bestimmt, es war eher ein Wohnzimmer, oder, richtiger, ein Reprsentationszimmer der Oberkchin, und ein Waschtisch war ihm zuliebe eigens fr diesen Abend hergebracht worden, aber dennoch fhlte sich Karl nicht als Eindringling, sondern nur desto besser versorgt. Sein Koffer war richtig her gestellt und wohl schon lange nicht in grerer Sicherheit gewesen. Auf einem niedrigen Schrank mit Schiebefchern, ber den eine gromaschige wollene Decke gezogen war, standen verschiedene Photographien im Rahmen und unter Glas; bei der Besichtigung des Zimmers blieb Karl da stehen und sah sie an. Es waren meist alte Photographien und stellten in der Mehrzahl Mdchen dar, die, in unmodernen, unbehaglichen Kleidern, mit locker aufgesetzten, kleinen, aber hochgehenden Hten, die rechte Hand auf einen Schirm gesttzt, dem Beschauer zugewendet waren und doch mit den Blicken auswichen. Unter den Herrenbildnissen fiel Karl besonders das eines jungen Soldaten auf, der das Kppi auf ein Tischchen gelegt hatte, stramm mit seinem wilden schwarzen Haar dastand und voll von einem stolzen, aber unterdrckten Lachen war. Die Knpfe seiner Uniform waren auf der Photographie nachtrglich vergoldet worden. Alle diese Photographien stammten wohl noch aus Europa, man htte dies auf der Rckseite wahrscheinlich auch genau ablesen knnen, aber Karl wollte sie nicht in die Hand nehmen. So wie diese Photographien hier standen, so htte er auch die Photographie seiner Eltern in seinem knftigen Zimmer aufstellen mgen. Gerade streckte er sich nach einer grndlichen Waschung des ganzen Krpers, die er, seiner Nachbarin wegen, mglichst leise durchzufhren sich bemht hatte, im Vorgenu des Schlafes auf seinem Kanapee aus, da glaubte er ein schwaches Klopfen an einer Tr zu hren. Man konnte nicht gleich feststellen, an welcher Tr es war, es konnte auch blo ein zuflliges Gerusch sein. Es wiederholte sich auch nicht gleich, und Karl schlief schon fast, als es wieder erfolgte. Aber nun war kein Zweifel mehr, da es ein Klopfen war und von der Tr der Schreibmaschinistin herkam. Karl lief auf den Fuspitzen zur Tr hin und fragte so leise, da es, wenn man trotz allem nebenan doch schlief, niemanden htte wecken knnen: Wnschen Sie etwas? Sofort und ebenso leise kam die Antwort: Mchten Sie nicht die Tr ffnen? Der Schlssel steckt auf Ihrer Seite. Bitte, sagte Karl, ich mu mich nur zuerst anziehen. Es gab eine kleine Pause, dann hie es: Das ist nicht ntig. Machen Sie auf und legen Sie sich ins Bett, ich werde ein wenig warten. Gut, sagte Karl und fhrte es auch so aus, nur drehte er auerdem noch das elektrische Licht an. Ich liege schon, sagte er dann etwas lauter. Da trat auch schon aus ihrem dunklen Zimmer die kleine Schreibmaschinistin, genau so angezogen wie unten im Bro, sie hatte wohl die ganze Zeit ber nicht daran gedacht, schlafen zu gehen. Entschuldigen Sie vielmals, sagte sie und stand ein wenig gebckt vor Karls Lager, und verraten Sie mich, bitte, nicht. Ich will Sie auch nicht lange stren, ich wei, da Sie todmde sind. Es ist nicht so arg, sagte Karl, aber es wre vielleicht doch besser gewesen, ich htte mich angezogen. Er mute ausgestreckt daliegen, um bis an den Hals zugedeckt sein zu knnen, denn er besa kein Nachthemd. Ich bleibe ja nur einen Augenblick, sagte sie und griff nach einem Sessel. Kann ich mich zum Kanapee setzen? Karl nickte. Da setzte sie sich so eng zum Kanapee, da Karl an die Mauer rcken mute, um zu ihr aufschauen zu knnen. Sie hatte ein rundes, gleichmiges Gesicht, nur die Stirn war ungewhnlich hoch, aber das konnte auch vielleicht nur an der Frisur liegen, die ihr nicht recht pate. Ihr Anzug war sehr rein und sorgfltig. In der linken Hand quetschte sie ein Taschentuch. Werden Sie lange hierbleiben? fragte sie. Es ist noch nicht ganz bestimmt, antwortete Karl, aber ich denke, ich werde bleiben. Das wre nmlich sehr gut, sagte sie und fuhr mit dem Taschentuch ber ihr Gesicht, ich bin hier nmlich so allein. Das wundert mich, sagte Karl. Die Frau Oberkchin ist doch sehr freundlich zu Ihnen. Sie behandelt Sie gar nicht wie eine Angestellte. Ich dachte schon, Sie wren Verwandte. O nein, sagte sie, ich heie Therese Berchtold, ich bin aus Pommern. Auch Karl stellte sich vor. Daraufhin sah sie ihn zum erstenmal voll an, als sei er ihr durch die Namensnennung ein wenig fremder geworden. Sie schwiegen ein Weilchen. Dann sagte sie: Sie drfen nicht glauben, da ich undankbar bin. Ohne die Frau Oberkchin stnde es ja mit mir viel schlechter. Ich war frher Kchenmdchen hier im Hotel und schon in groer Gefahr, entlassen zu werden, denn ich konnte die schwere Arbeit nicht leisten. Man stellt hier groe Ansprche. Vor einem Monat ist ein Kchenmdchen nur vor beranstrengung ohnmchtig geworden und vierzehn Tage im Krankenhaus gelegen. Und ich bin nicht sehr stark, ich habe frher viel zu leiden gehabt und bin dadurch in der Entwicklung ein wenig zurckgeblieben; Sie wrden wohl gar nicht sagen, da ich schon achtzehn Jahre alt bin. Aber jetzt werde ich schon strker. Der Dienst hier mu wirklich sehr anstrengend sein, sagte Karl. Unten habe ich jetzt einen Liftjungen stehend schlafen gesehen. Dabei haben es die Liftjungen noch am besten, sagte sie, die verdienen ihr schnes Geld an Trinkgeldern und mssen sich schlielich doch bei weitem nicht so plagen wie die Leute in der Kche. Aber da habe ich wirklich einmal Glck gehabt, die Frau Oberkchin hat einmal ein Mdchen gebraucht, um die Servietten fr ein Bankett herzurichten, hat zu uns Kchenmdchen heruntergeschickt, es gibt hier an fnfzig solcher Mdchen, ich war gerade bei der Hand und habe sie sehr zufriedengestellt, denn im Aufbauen der Servietten habe ich mich immer ausgekannt. Und so hat sie mich von da an in ihrer Nhe behalten und allmhlich zu ihrer Sekretrin ausgebildet. Dabei habe ich sehr viel gelernt. Gibt es denn da so viel zu schreiben? fragte Karl. Ach, sehr viel, antwortete sie, das knnen Sie sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen. Sie haben doch gesehen, da ich heute bis halb zwlf gearbeitet habe, und heute ist kein besonderer Tag. Allerdings schreibe ich nicht immerfort, sondern habe auch viel Besorgungen in der Stadt zu machen. Wie heit denn die Stadt? fragte Karl. Das wissen Sie nicht? sagte sie, Ramses. Ist es eine groe Stadt? fragte Karl. Sehr gro߫, antwortete sie, ich gehe nicht gern hin. Aber wollen Sie nicht wirklich schon schlafen? Nein, nein, sagte Karl, ich wei ja noch gar nicht, warum Sie hereingekommen sind. Weil ich mit niemandem reden kann. Ich bin nicht wehleidig, aber wenn wirklich niemand fr einen da ist, so ist man schon glcklich, schlielich von jemandem angehrt zu werden. Ich habe Sie schon unten im Saal gesehen, ich kam gerade, um die Frau Oberkchin zu holen, als sie Sie in die Speisekammer wegfhrte. Das ist ein schrecklicher Saal, sagte Karl. Ich merke es schon gar nicht mehr, antwortete sie. Aber ich wollte nur sagen, da ja die Frau Oberkchin so freundlich zu mir ist, wie es nur meine Mutter war. Aber es ist doch ein zu groer Unterschied in unserer Stellung, als da ich frei mit ihr reden knnte. Unter den Kchenmdchen habe ich frher gute Freundinnen gehabt, aber die sind schon lngst nicht mehr hier, und die neuen Mdchen kenne ich kaum. Schlielich kommt es mir manchmal vor, da mich meine jetzige Arbeit mehr anstrengt als die frhere, da ich sie aber nicht einmal so gut verrichte wie die, und da mich die Frau Oberkchin nur aus Mitleid in meiner Stellung hlt. Schlielich mu man ja wirklich eine bessere Schulbildung gehabt haben, um Sekretrin zu werden. Es ist eine Snde, das zu sagen, aber oft und oft frchte ich, wahnsinnig zu werden. Um Gottes willen, sagte sie pltzlich viel schneller und griff flchtig nach Karls Schulter, da er die Hnde unter der Decke hielt. Sie drfen aber der Frau Oberkchin kein Wort davon sagen, sonst bin ich wirklich verloren. Wenn ich ihr auer den Umstnden, die ich ihr durch meine Arbeit mache, auch noch Leid bereiten sollte, das wre wirklich das Hchste. Es ist selbstverstndlich, da ich ihr nichts sagen werde, antwortete Karl. Dann ist es gut, sagte sie, und bleiben Sie hier. Ich wre froh, wenn Sie hierblieben, und wir knnten, wenn es Ihnen recht ist, zusammenhalten. Gleich, wie ich Sie zum erstenmal gesehen habe, habe ich Vertrauen zu Ihnen gehabt. Und trotzdem denken Sie, so schlecht bin ich habe ich auch Angst gehabt, die Frau Oberkchin knnte Sie an meiner Stelle zum Sekretr machen und mich entlassen. Erst wie ich da lange allein gesessen bin, whrend Sie unten im Bro waren, habe ich mir die Sache so zurechtgelegt, da es sogar sehr gut wre, wenn Sie meine Arbeiten bernhmen, denn die wrden Sie sicher besser verstehen. Wenn Sie die Besorgungen in der Stadt nicht machen wollten, knnte ich ja diese Arbeit behalten. Sonst aber wre ich in der Kche gewi viel ntzlicher, besonders da ich auch schon etwas strker geworden bin. Die Sache ist schon geordnet, sagte Karl, ich werde Liftjunge und Sie bleiben Sekretrin. Wenn Sie aber der Frau Oberkchin nur die geringste Andeutung von Ihren Plnen machen, verrate ich auch das brige, was Sie mir heute gesagt haben, so leid es mir tun wrde. Diese Tonart erregte Therese so sehr, da sie sich beim Bett niederwarf und wimmernd das Gesicht ins Bettzeug drckte. Ich verrate ja nichts, sagte Karl, aber Sie drfen auch nichts sagen. Nun konnte er nicht mehr ganz unter seiner Decke versteckt bleiben, streichelte ein wenig ihren Arm, fand nichts Rechtes, was er ihr sagen knne, und dachte nur, da hier ein bitteres Leben sei. Endlich beruhigte sie sich wenigstens so weit, da sie sich ihres Weinens schmte, sah Karl dankbar an, redete ihm zu, morgen lange zu schlafen, und versprach, wenn sie Zeit fnde, gegen acht Uhr heraufzukommen und ihn zu wecken. Sie wecken ja so geschickt, sagte Karl. Ja, einiges kann ich, sagte sie, fuhr mit der Hand zum Abschied sanft ber seine Decke hin und lief in ihr Zimmer. Am nchsten Tag bestand Karl darauf, gleich seinen Dienst anzutreten, obwohl ihm die Oberkchin diesen Tag fr die Besichtigung von Ramses freigeben wollte. Aber Karl erklrte offen, dafr werde sich noch Gelegenheit finden, jetzt sei es fr ihn das Wichtigste, mit der Arbeit anzufangen, denn eine auf ein anderes Ziel gerichtete Arbeit habe er schon in Europa nutzlos abgebrochen und fange als Liftjunge in einem Alter an, in dem wenigstens die tchtigeren Jungen nahe daran seien, in natrlicher Folge eine hhere Arbeit zu bernehmen. Es sei ganz richtig, da er als Liftjunge anfange, aber ebenso richtig sei, da er sich besonders beeilen msse. Bei diesen Umstnden wrde ihm die Besichtigung der Stadt gar kein Vergngen machen. Nicht einmal zu einem kurzen Weg, zu dem ihn Therese aufforderte, konnte er sich entschlieen. Immer schwebte ihm der Gedanke vor Augen, es knne schlielich mit ihm, wenn er nicht fleiig sei, so weit kommen wie mit Delamarche und Robinson. Beim Hotelschneider wurde ihm die Liftjungenuniform anprobiert, die uerlich sehr prchtig mit Goldknpfen und Goldschnren ausgestattet war, bei deren Anziehen es Karl aber doch ein wenig schauderte, denn besonders unter den Achseln war das Rckchen kalt, hart und dabei unaustrockbar na von dem Schwei der Liftjungen, die es vor ihm getragen hatten. Die Uniform mute auch vor allem ber der Brust eigens fr Karl erweitert werden, denn keine der zehn vorliegenden wollte auch nur beilufig passen. Trotz dieser Nharbeit, die hier notwendig war, und obwohl der Meister sehr peinlich schien zweimal flog die bereits abgelieferte Uniform aus seiner Hand in die Werkstatt zurck, war alles in kaum fnf Minuten erledigt, und Karl verlie das Atelier schon als Liftjunge mit anliegenden Hosen und einem, trotz der bestimmten gegenteiligen Zusicherung des Meisters, sehr beengenden Jckchen, das immer wieder zu Atembungen verlockte, da man sehen wollte, ob das Atmen noch immer mglich war. Dann meldete er sich bei jenem Oberkellner, unter dessen Befehl er stehen sollte, einem schlanken, schnen Mann mit groer Nase, der wohl schon in den Vierzigern stehen konnte. Er hatte keine Zeit, sich auch nur auf das geringste Gesprch einzulassen, und lutete blo einen Liftjungen herbei, zufllig gerade jenen, den Karl gestern gesehen hatte. Der Oberkellner nannte ihn nur bei seinem Taufnamen Giacomo, was Karl erst spter erfuhr, denn in der englischen Aussprache war der Name nicht zu erkennen. Dieser Junge bekam nun den Auftrag, Karl das fr den Liftdienst Notwendige zu zeigen, aber er war so scheu und eilig, da Karl von ihm, so wenig auch im Grunde zu zeigen war, kaum dieses Wenige erfahren konnte. Sicher war Giacomo auch deshalb verrgert, weil er den Liftdienst offenbar Karls halber verlassen mute und den Zimmermdchen zur Hilfeleistung zugeteilt war, was ihm nach bestimmten Erfahrungen, die er aber verschwieg, entehrend vorkam. Enttuscht war Karl vor allem dadurch, da ein Liftjunge mit der Maschinerie des Aufzuges nur insoferne etwas zu tun hatte, als er ihn durch einen einfachen Druck auf den Knopf in Bewegung setzte, whrend fr Reparaturen am Triebwerk derartig ausschlielich die Maschinisten des Hotels verwendet wurden, da zum Beispiel Giacomo trotz halbjhrigem Dienst beim Lift weder das Triebwerk im Keller noch die Maschinerie im Innern des Aufzuges mit eigenen Augen gesehen hatte, obwohl ihn dies, wie er ausdrcklich sagte, sehr gefreut htte. berhaupt war es ein einfrmiger Dienst und wegen der zwlfstndigen Arbeitszeit, abwechselnd bei Tag und Nacht, so anstrengend, da er nach Giacomos Angaben berhaupt nicht auszuhalten war, wenn man nicht minutenweise im Stehen schlafen konnte. Karl sagte hierzu nichts, aber er begriff wohl, da gerade diese Kunst Giacomo die Stelle gekostet hatte. Sehr willkommen war es Karl, da der Aufzug, den er zu besorgen hatte, nur fr die obersten Stockwerke bestimmt war, weshalb er es nicht mit den anspruchsvollsten reichen Leuten zu tun haben wrde. Allerdings konnte man hier auch nicht so viel lernen wie anderswo und es war nur fr den Anfang gut. Schon nach der ersten Woche sah Karl ein, da er dem Dienst vollstndig gewachsen war. Das Messing seines Aufzuges war am besten geputzt, keiner der dreiig anderen Aufzge konnte sich damit vergleichen, und es wre vielleicht noch leuchtender gewesen, wenn der Junge, der bei dem gleichen Aufzug diente, auch nur annhernd so fleiig gewesen wre und sich nicht in seiner Lssigkeit durch Karls Flei untersttzt gefhlt htte. Es war ein geborener Amerikaner, namens Renell, ein eitler Junge mit dunklen Augen und glatten, etwas gehhlten Wangen. Er hatte einen eleganten Privatanzug, in dem er an dienstfreien Abenden leicht parfmiert in die Stadt eilte; hie und da bat er auch Karl, ihn abends zu vertreten, da er in Familienangelegenheiten weggehen msse, und es kmmerte ihn wenig, da sein Aussehen allen solchen Ausreden widersprach. Trotzdem konnte ihn Karl gut leiden und hatte es gern, wenn Renell an solchen Abenden vor dem Ausgehen in seinem Privatanzug unten beim Lift vor ihm stehenblieb, sich noch ein wenig entschuldigte, whrend er die Handschuhe ber die Finger zog, und dann durch den Korridor abging. Im brigen wollte ihm Karl mit diesen Vertretungen nur eine Geflligkeit machen, wie sie ihm gegenber einem lteren Kollegen am Anfang selbstverstndlich schien, eine dauernde Einrichtung sollte es nicht werden. Denn ermdend genug war dieses ewige Fahren im Lift allerdings und gar in den Abendstunden hatte es fast keine Unterbrechung. Bald lernte Karl auch die kurzen, tiefen Verbeugungen machen, die man von den Liftjungen verlangt, und das Trinkgeld fing er im Fluge ab. Es verschwand in seiner Westentasche, und niemand htte nach seinen Mienen sagen knnen, ob es gro oder klein war. Vor Damen ffnete er die Tr mit einer kleinen Beigabe von Galanterie und schwang sich in den Aufzug langsam hinter ihnen, die in Sorge um ihre Rcke, Hte und Behnge zgernder als Mnner einzutreten pflegten. Whrend der Fahrt stand er, weil dies das unaufflligste war, knapp bei der Tr, mit dem Rcken zu seinen Fahrgsten, und hielt den Griff der Aufzugstr, um sie im Augenblick der Ankunft pltzlich und doch nicht etwa erschreckend seitwrts wegzustoen. Selten nur klopfte ihm einer whrend der Fahrt auf die Schulter, um irgendeine kleine Auskunft zu bekommen, dann drehte er sich eilig um, als habe er es erwartet, und gab mit lauter Stimme Antwort. Oft gab es trotz den vielen Aufzgen, besonders nach Schlu der Theater oder nach Ankunft bestimmter Exprezge, ein solches Gedrnge, da er, kaum da die Gste oben entlassen waren, wieder hinunterrasen mute, um die dort Wartenden aufzunehmen. Er hatte auch die Mglichkeit, durch Ziehen an einem durch den Aufzugskasten hindurchgehenden Drahtseil, die gewhnliche Schnelligkeit zu steigern, allerdings war dies durch die Aufzugsordnung verboten und sollte auch gefhrlich sein. Karl tat es auch niemals, wenn er mit Passagieren fuhr, aber wenn er sie oben abgesetzt hatte und unten andere warteten, dann kannte er keine Rcksicht und arbeitete an dem Seil mit starken, taktmigen Griffen wie ein Matrose. Er wute brigens, da dies die anderen Liftjungen auch taten, und er wollte seine Passagiere nicht an andere Jungen verlieren. Einzelne Gste, die lngere Zeit im Hotel wohnten, was hier brigens ziemlich gebruchlich war, zeigten hie und da durch ein Lcheln, da sie Karl als ihren Liftjungen erkannten, Karl nahm diese Freundlichkeit mit ernstem Gesicht, aber gerne an. Manchmal, wenn der Verkehr etwas schwcher war, konnte er auch besondere kleine Auftrge annehmen, zum Beispiel, einem Hotelgast, der sich nicht erst in sein Zimmer bemhen wollte, eine im Zimmer vergessene Kleinigkeit zu holen, dann flog er in seinem in solchen Augenblicken ihm besonders vertrauten Aufzug allein hinauf, trat in das fremde Zimmer, wo meistens sonderbare Dinge, die er nie gesehen hatte, herumlagen oder an den Kleiderrechen hingen, fhlte den charakteristischen Geruch einer fremden Seife, eines Parfms, eines Mundwassers und eilte, ohne sich im geringsten aufzuhalten, mit dem meist trotz undeutlichen Angaben gefundenen Gegenstand wieder zurck. Oft bedauerte er, grere Auftrge nicht bernehmen zu knnen, da hierfr eigene Diener und Botenjungen bestimmt waren, die ihre Wege auf Fahrrdern, ja sogar Motorrdern besorgten. Nur zu Botengngen aus den Zimmern in die Speise- oder Spielsle konnte sich Karl bei gnstiger Gelegenheit verwenden lassen. Wenn er nach der zwlfstndigen Arbeitszeit drei Tage lang um sechs Uhr abends, die nchsten drei Tage um sechs Uhr frh aus der Arbeit kam, war er so mde, da er geradewegs, ohne sich um jemanden zu kmmern, in sein Bett ging. Es lag im gemeinsamen Schlafsaal der Liftjungen, die Frau Oberkchin, deren Einflu vielleicht doch nicht so gro war, wie er am ersten Abend geglaubt hatte, hatte sich zwar bemht, ihm ein eigenes Zimmerchen zu verschaffen, und es wre ihr wohl auch gelungen, aber da Karl sah, welche Schwierigkeiten es machte und wie die Oberkchin fters mit seinem Vorgesetzten, jenem so beschftigten Oberkellner, wegen dieser Sache telephonierte, verzichtete er darauf und berzeugte die Oberkchin von dem Ernst seines Verzichtes mit dem Hinweis darauf, da er von den anderen Jungen wegen eines nicht eigentlich selbsterarbeiteten Vorzuges nicht beneidet werden wolle. Ein ruhiges Schlafzimmer war dieser Schlafsaal allerdings nicht. Denn da jeder einzelne die freie Zeit von zwlf Stunden verschiedenartig auf Essen, Schlaf, Vergngen und Nebenverdienst verteilte, war im Schlafsaal immerfort die grte Bewegung. Da schliefen einige und zogen die Decke ber die Ohren, um nichts zu hren; wurde doch einer geweckt, dann schrie er so wtend ber das Geschrei der anderen, da auch die brigen noch so guten Schlfer nicht standhalten konnten. Fast jeder Junge hatte seine Pfeife, so wurde damit eine Art Luxus getrieben, auch Karl hatte sich eine angeschafft und fand bald Geschmack an ihr. Nun durfte aber im Dienst nicht geraucht werden, die Folge dessen war, da im Schlafsaal jeder, solange er nicht unbedingt schlief, auch rauchte. Infolgedessen stand jedes Bett in einer eigenen Rauchwolke und alles in einem allgemeinen Dunst. Es war unmglich durchzusetzen, obwohl eigentlich die Mehrzahl grundstzlich zustimmte, da in der Nacht nur an einem Ende des Saales das Licht brennen sollte. Wre dieser Vorschlag durchgedrungen, dann htten diejenigen, welche schlafen wollten, dies im Dunkel der einen Saalhlfte es war ein groer Saal mit vierzig Betten ruhig tun knnen, whrend die anderen im beleuchteten Teil Wrfel oder Karten htten spielen und alles brige besorgen knnen, wozu Licht ntig war. Htte einer, dessen Bett in der beleuchteten Saalhlfte stand, schlafen gehen wollen, so htte er sich in eines der freien Betten im Dunkel legen knnen, denn es standen immer Betten genug frei, und niemand wendete gegen eine derartige vorbergehende Bentzung seines Bettes durch einen anderen etwas ein. Aber es gab keine Nacht, in der diese Einteilung befolgt worden wre. Immer wieder fanden sich zum Beispiel zwei, welche, nachdem sie das Dunkel zu etwas Schlaf ausgenutzt hatten, Lust bekamen, in ihren Betten auf einem zwischen sie gelegten Brett Karten zu spielen, und natrlich drehte sie eine passende elektrische Lampe auf, deren stechendes Licht die Schlafenden, wenn sie ihm zugewendet waren, auffahren lie. Man wlzte sich zwar noch ein wenig herum, fand aber schlielich auch nichts Besseres zu tun, als mit dem gleichfalls geweckten Nachbarn auch ein Spiel bei neuer Beleuchtung vorzunehmen. Und wieder dampften natrlich auch alle Pfeifen. Es gab allerdings auch einige, die um jeden Preis schlafen wollten Karl gehrte meist zu ihnen und die, statt den Kopf aufs Kissen zu legen, ihn mit dem Kissen bedeckten oder hineinwickelten; aber wie wollte man im Schlaf bleiben, wenn der nchste Nachbar in tiefer Nacht aufstand, um vor dem Dienst noch ein wenig in der Stadt dem Vergngen nachzugehen, wenn er in dem am Kopfende des eigenen Bettes angebrachten Waschbecken laut und wassersprhend sich wusch, wenn er die Stiefel nicht nur polternd anzog, sondern stampfend sich besser in sie hineintreten wollte fast alle hatten trotz amerikanischer Stiefelform zu enge Stiefel, um dann schlielich, da ihm eine Kleinigkeit in seiner Ausstattung fehlte, das Kissen des Schlafenden zu heben, unter dem man, allerdings schon lngst geweckt, nur darauf wartete, auf ihn loszufahren? Nun waren sie aber auch alle Sportsleute und junge, meist krftige Burschen, die keine Gelegenheit zu sportlichen bungen versumen wollten. Und man konnte sicher sein, wenn man in der Nacht, mitten aus dem Schlaf durch groen Lrm geweckt, aufsprang, auf dem Boden neben seinem Bett zwei Ringkmpfer zu finden und bei greller Beleuchtung auf allen Betten in der Runde aufrecht stehende Sachverstndige in Hemd und Unterhosen. Einmal fiel anllich eines solchen nchtlichen Boxkampfes einer der Kmpfer ber den schlafenden Karl, und das erste, was Karl beim ffnen der Augen erblickte, war das Blut, das dem Jungen aus der Nase rann und, ehe man noch etwas dagegen unternehmen konnte, das ganze Bettzeug berflo. Oft verbrachte Karl fast die ganzen zwlf Stunden mit Versuchen, einige Stunden Schlaf zu gewinnen, obwohl es ihn auch sehr lockte, an den Unterhaltungen der anderen teilzunehmen; aber immer wieder schien es ihm, da alle anderen in ihrem Leben einen Vorsprung vor ihm hatten, den er durch fleiigere Arbeit und ein wenig Verzichtleistung ausgleichen msse. Obwohl ihm also hauptschlich seiner Arbeit wegen am Schlaf sehr gelegen war, beklagte er sich doch weder gegenber der Oberkchin, noch gegenber Therese ber die Verhltnisse im Schlafsaal, denn erstens trugen im ganzen und groen alle Jungen schwer daran, ohne sich ernstlich zu beklagen, und zweitens war die Plage im Schlafsaal ein notwendiger Teil seiner Aufgabe als Liftjunge, die er ja aus den Hnden der Oberkchin dankbar bernommen hatte. Einmal in der Woche hatte er beim Schichtwechsel vierundzwanzig Stunden frei, die er zum Teil dazu verwendete, bei der Oberkchin ein, zwei Besuche zu machen und mit Therese, deren krgliche freie Zeit er abpate, irgendwo, in einem Winkel, auf einem Korridor und selten nur in ihrem Zimmer, einige flchtige Reden auszutauschen. Manchmal begleitete er sie auch auf ihren Besorgungen in der Stadt, die alle hchst eilig ausgefhrt werden muten. Dann liefen sie fast, Karl mit ihrer Tasche in der Hand, zur nchsten Station der Untergrundbahn, die Fahrt verging im Nu, als werde der Zug ohne jeden Widerstand nur hingerissen, schon waren sie ihm entstiegen, klapperten, statt auf den Aufzug zu warten, der ihnen zu langsam war, die Stufen hinauf, die groen Pltze, von denen sternfrmig die Straen auseinanderflogen, erschienen und brachten ein Getmmel in den von allen Seiten geradlinig strmenden Verkehr, aber Karl und Therese eilten eng beisammen in die verschiedenen Bros, Waschanstalten, Lagerhuser und Geschfte, in denen telephonisch nicht leicht zu besorgende, im brigen nicht besonders verantwortliche Bestellungen oder Beschwerden auszurichten waren. Therese merkte bald, da Karls Hilfe hierbei nicht zu verachten war, da sie vielmehr in vieles eine groe Beschleunigung brachte. Niemals mute sie in seiner Begleitung wie sonst oft darauf warten, da die berbeschftigten Geschftsleute sie anhrten. Er trat an das Pult und klopfte so lange mit den Kncheln darauf, bis es half, er rief ber Menschenmauern sein noch immer etwas berspitztes, aus hundert Stimmen leicht herauszuhrendes Englisch hin, er ging auf die Leute ohne Zgern zu, und mochten sie sich hochmtig in die Tiefe der lngsten Geschftssle zurckgezogen haben. Er tat es nicht aus bermut und wrdigte jeden Widerstand, aber er fhlte sich in einer sicheren Stellung, die ihm Rechte gab, das Hotel Occidental war eine Kundschaft, deren man nicht spotten durfte, und schlielich war Therese trotz ihrer geschftlichen Erfahrung hilfsbedrftig. Sie sollten immer mitkommen, sagte sie manchmal, glcklich lachend, wenn sie von einer besonders gut ausgefhrten Unternehmung kamen. Nur dreimal whrend der eineinhalb Monate, die Karl in Ramses blieb, war er lngere Zeit, ber ein paar Stunden, in Thereses Zimmerchen. Es war natrlich kleiner als irgendein Zimmer der Oberkchin, die wenigen Dinge, welche darin standen, waren gewissermaen nur um das Fenster gelagert, aber Karl verstand schon nach seinen Erfahrungen aus dem Schlafsaal den Wert eines eigenen, verhltnismig ruhigen Zimmers, und wenn er es auch nicht ausdrcklich sagte, so merkte Therese doch, wie ihm ihr Zimmer gefiel. Sie hatte keine Geheimnisse vor ihm, und es wre auch nicht gut mglich gewesen, nach ihrem Besuch damals, am ersten Abend, noch Geheimnisse vor ihm zu haben. Sie war ein uneheliches Kind, ihr Vater war Baupolier und hatte die Mutter und das Kind aus Pommern sich nachkommen lassen; aber als htte er damit seine Pflicht erfllt oder als htte er andere Menschen erwartet als die abgearbeitete Frau und das schwache Kind, die er an der Landungsstelle in Empfang nahm, war er bald nach ihrer Ankunft ohne viel Erklrungen nach Kanada ausgewandert, und die Zurckgebliebenen hatten weder einen Brief noch eine sonstige Nachricht von ihm erhalten, was zum Teil auch nicht zu verwundern war, denn sie waren in den Massenquartieren des New Yorker Ostens unauffindbar verloren. Einmal erzhlte Therese Karl stand neben ihr beim Fenster und sah auf die Strae vom Tode ihrer Mutter. Wie die Mutter und sie an einem Winterabend sie konnte damals etwa fnf Jahre alt gewesen sein jede mit ihrem Bndel durch die Straen eilten, um Schlafstellen zu suchen. Wie die Mutter sie zuerst bei der Hand fhrte es war ein Schneesturm und nicht leicht vorwrtszukommen, bis die Hand erlahmte und sie Therese, ohne sich nach ihr umzusehen, loslie, die sich nun Mhe geben mute, sich selbst an den Rcken der Mutter festzuhalten. Oft stolperte Therese und fiel sogar, aber die Mutter war wie in einem Wahn und hielt nicht an. Und diese Schneestrme in den langen, geraden New Yorker Straen! Karl hatte noch keinen Winter in New York mitgemacht. Geht man gegen den Wind, und der dreht sich im Kreise, kann man keinen Augenblick die Augen ffnen, immerfort zerreibt einem der Wind den Schnee auf dem Gesicht, man luft, aber kommt nicht weiter, es ist etwas Verzweifeltes. Ein Kind ist dabei natrlich gegen die Erwachsenen im Vorteil, es luft unter dem Wind durch und hat noch ein wenig Freude an allem. So hatte auch damals Therese ihre Mutter nicht ganz begreifen knnen, und sie war fest davon berzeugt, da, wenn sie sich an jenem Abend klger sie war eben noch ein so kleines Kind zu ihrer Mutter verhalten htte, diese nicht einen so jammervollen Tod htte erleiden mssen. Die Mutter war damals schon zwei Tage ohne Arbeit gewesen, nicht das kleinste Geldstck war mehr vorhanden, der Tag war ohne einen Bissen im Freien verbracht worden, und in ihren Bndeln schleppten sie nur unbrauchbare Fetzen mit sich herum, die sie, vielleicht aus Aberglauben, nicht wegzuwerfen wagten. Nun war der Mutter fr den nchsten Morgen Arbeit bei einem Bau in Aussicht gestellt worden, aber sie frchtete, wie sie Therese den ganzen Tag ber zu erklren suchte, die gnstige Gelegenheit nicht ausnutzen zu knnen, denn sie fhlte sich todmde, hatte schon am Morgen zum Schrecken der Passanten auf der Gasse viel Blut gehustet, und ihre einzige Sehnsucht war, irgendwo in die Wrme zu kommen und sich auszuruhen. Und gerade an diesem Abend war es unmglich, ein Pltzchen zu bekommen. Dort, wo sie nicht schon vom Hausbesorger aus dem Torgang gewiesen wurden, in dem man sich immerhin vom Wetter ein wenig htte erholen knnen, durcheilten sie die engen, eisigen Korridore, durchstiegen die hohen Stockwerke, umkreisten die schmalen Terrassen der Hfe, klopften wahllos an Tren, wagten einmal niemanden anzusprechen, baten dann jeden, der ihnen entgegenkam, und einmal oder zweimal hockte die Mutter atemlos auf der Stufe einer stillen Treppe nieder, ri Therese, die sich fast wehrte, an sich und kte sie mit schmerzhaftem Anpressen der Lippen. Wenn man nachher wei, da das die letzten Ksse waren, begreift man nicht, da man, und mag man ein kleiner Wurm gewesen sein, so blind sein konnte, das nicht einzusehen. In manchen Zimmern, an denen sie vorberkamen, waren die Tren geffnet, um eine erstickende Luft herauszulassen, und aus dem rauchigen Dunst, der, wie durch einen Brand verursacht, die Zimmer erfllte, trat nur die Gestalt irgend jemandes hervor, der im Trrahmen stand und entweder durch seine stumme Gegenwart oder durch ein kurzes Wort die Unmglichkeit eines Unterkommens in dem betreffenden Zimmer bewies. Therese schien es jetzt im Rckblick, da die Mutter nur in den ersten Stunden ernstlich einen Platz suchte, denn nachdem etwa Mitternacht vorber war, hat sie wohl niemanden mehr angesprochen, obwohl sie mit kleinen Pausen bis zur Morgendmmerung nicht aufhrte weiterzueilen und obwohl in diesen Husern, in denen weder Haustore noch Wohnungstren je verschlossen werden, immerfort Leben ist und einem auf Schritt und Tritt Menschen begegnen. Natrlich war es kein Laufen, das sie rasch weiterbrachte, sondern es war nur die uerste Anstrengung, deren sie fhig war, und es konnte in Wirklichkeit ganz gut auch blo ein Schleichen sein. Therese wute auch nicht, ob sie von Mitternacht bis fnf Uhr frh in zwanzig Husern oder in zwei oder gar nur in einem Haus gewesen waren. Die Korridore dieser Huser sind nach schlauen Plnen der besten Raumausntzung, aber ohne Rcksicht auf leichte Orientierung angelegt; wie oft waren sie wohl durch die gleichen Korridore gekommen! Therese hatte wohl in dunkler Erinnerung, da sie das Tor eines Hauses, das sie ewig durchsucht hatten, wieder verlieen, aber ebenso schien es ihr, da sie sich auf der Gasse gleich umgewandt und wieder in dieses Haus gestrzt htten. Fr das Kind war es natrlich ein unbegreifliches Leid, einmal von der Mutter gehalten, einmal sich an ihr festhaltend, ohne ein kleines Wort des Trostes mitgeschleift zu werden, und das Ganze schien damals fr seinen Unverstand nur die Erklrung zu haben, da die Mutter von ihm weglaufen wolle. Darum hielt sich Therese desto fester, selbst wenn die Mutter sie an einer Hand hielt, der Sicherheit halber auch noch mit der anderen Hand an den Rcken der Mutter, und heulte in Abstnden. Sie wollte nicht hier zurckgelassen werden, zwischen den Leuten, die vor ihnen die Treppe stampfend emporstiegen, die hinter ihnen, noch nicht zu sehen, hinter einer Wendung der Treppe herankamen, die in den Gngen vor einer Tr Streit miteinander hatten und einander gegenseitig in das Zimmer hineinstieen. Betrunkene wanderten mit dumpfem Gesang im Haus umher, und glcklich schlpfte noch die Mutter mit Therese durch solche sich gerade schlieende Gruppen. Gewi htten sie spt in der Nacht, wo man nicht mehr so achtgab und niemand mehr unbedingt auf seinem Recht bestand, wenigstens in einen der allgemeinen, von Unternehmern vermieteten Schlafsle sich drngen knnen, an deren einigen sie vorberkamen, aber Therese verstand es nicht, und die Mutter wollte keine Ruhe mehr. Am Morgen, dem Beginn eines schnen Wintertages, lehnten sie beide an einer Hausmauer und hatten dort vielleicht ein wenig geschlafen, vielleicht nur mit offenen Augen herumgestarrt. Es zeigte sich, da Therese ihr Bndel verloren hatte, und die Mutter machte sich daran, Therese zur Strafe fr die Unachtsamkeit zu schlagen, aber Therese hrte keinen Schlag und sprte keinen. Sie gingen dann weiter durch die sich belebenden Gassen, die Mutter an der Mauer, kamen ber eine Brcke, wo die Mutter mit der Hand den Reif vom Gelnder streifte, und gelangten schlielich, damals hatte Therese es hingenommen, heute verstand sie es nicht, gerade zu jenem Bau, zu dem die Mutter fr jenen Morgen bestellt war. Sie sagte Therese nicht, ob sie warten oder weggehen solle, und Therese nahm dies als Befehl zum Warten, da dies ihren Wnschen am besten entsprach. Sie setzte sich also auf einen Ziegelhaufen und sah zu, wie die Mutter ihr Bndel aufschnrte, einen bunten Fetzen herausnahm und damit ihr Kopftuch umband, das sie whrend der ganzen Nacht getragen hatte. Therese war zu mde, als da ihr auch nur der Gedanke gekommen wre, der Mutter zu helfen. Ohne sich in der Bauhtte zu melden, wie dies blich war, und ohne jemanden zu fragen, stieg die Mutter eine Leiter hinauf, als wisse sie schon selbst, welche Arbeit ihr zugeteilt war. Therese wunderte sich darber, da die Handlangerinnen gewhnlich nur unten mit Kalklschen, mit dem Hinreichen der Ziegel und mit sonstigen einfachen Arbeiten beschftigt werden. Sie dachte daher, die Mutter wolle heute eine besser bezahlte Arbeit ausfhren, und lchelte verschlafen zu ihr hinauf. Der Bau war noch nicht hoch, kaum bis zum Erdgescho, gediehen, wenn auch schon die hohen Gerststangen fr den weiteren Bau, allerdings noch ohne Verbindungshlzer, zum blauen Himmel ragten. Oben umging die Mutter geschickt die Maurer, die Ziegel auf Ziegel legten und sie unbegreiflicherweise nicht zur Rede stellten, sie hielt sich vorsichtig mit zarter Hand an einem Holzverschlag, der als Gelnder diente, und Therese staunte unten in ihrem Dusel diese Geschicklichkeit an und glaubte noch einen freundlichen Blick der Mutter erhalten zu haben. Nun kam aber die Mutter auf ihrem Gang zu einem kleinen Ziegelhaufen, vor dem das Gelnder und wahrscheinlich auch der Weg aufhrte, aber sie hielt sich nicht daran, ging auf den Ziegelhaufen los, ihre Geschicklichkeit schien sie verlassen zu haben, sie stie den Ziegelhaufen um und fiel ber ihn hinweg in die Tiefe. Viele Ziegel rollten ihr nach und schlielich, eine ganze Weile spter, lste sich irgendwo ein schweres Brett los und krachte auf sie nieder. Die letzte Erinnerung Thereses an ihre Mutter war, wie sie mit auseinandergestreckten Beinen dalag in dem karierten Rock, der noch aus Pommern stammte, wie jenes auf ihr liegende rohe Brett sie fast bedeckte, wie nun die Leute von allen Seiten zusammenliefen und wie oben vom Bau irgendein Mann zornig etwas hinunterrief. Es war spt geworden, als Therese ihre Erzhlung beendet hatte. Sie hatte ausfhrlich erzhlt, wie es sonst nicht ihre Gewohnheit war, und gerade bei gleichgltigen Stellen, wie bei der Beschreibung der Gerststangen, die jede fr sich allein in den Himmel ragten, hatte sie mit Trnen in den Augen innehalten mssen. Sie wute jede Kleinigkeit, die damals vorgefallen war, jetzt, nach zehn Jahren, ganz genau, und weil der Anblick ihrer Mutter oben im halbfertigen Erdgescho das letzte Andenken an das Leben der Mutter war und sie es ihrem Freunde gar nicht deutlich genug berantworten konnte, wollte sie nach dem Schlusse ihrer Erzhlung noch einmal darauf zurckkommen, stockte aber, legte das Gesicht in die Hnde und sagte kein Wort mehr. Es gab aber auch lustigere Zeiten in Theresens Zimmer. Gleich bei seinem ersten Besuch hatte Karl dort ein Lehrbuch der kaufmnnischen Korrespondenz liegen gesehen und auf seine Bitten geborgt erhalten. Es wurde gleichzeitig besprochen, da Karl die im Buch enthaltenen Aufgaben machen und Therese, die das Buch, soweit es fr ihre kleinen Arbeiten ntig war, schon durchstudiert hatte, zur Durchsicht vorlegen solle. Nun lag Karl ganze Nchte lang, Watte in den Ohren, unten auf seinem Bett im Schlafsaal, der Abwechslung halber in allen mglichen Lagen, las im Buch und kritzelte die Aufgaben in ein Heftchen, mit einer Fllfeder, die ihm die Oberkchin zur Belohnung dafr geschenkt hatte, da er fr sie ein groes Inventarverzeichnis sehr praktisch angelegt und rein ausgefhrt hatte. Es gelang ihm, die meisten Strungen der anderen Jungen dadurch zum Guten zu wenden, da er sich von ihnen immer kleine Ratschlge in der englischen Sprache geben lie, bis sie dessen mde wurden und ihn in Ruhe lieen. Oft staunte er, wie die anderen mit ihrer gegenwrtigen Lage ganz ausgeshnt waren, ihren provisorischen Charakter ltere als zwanzigjhrige Liftjungen wurden nicht geduldet gar nicht fhlten, die Notwendigkeit einer Entscheidung ber ihren knftigen Beruf nicht einsahen und trotz Karls Beispiel nichts anderes lasen als hchstens Detektivgeschichten, die in schmutzigen Fetzen von Bett zu Bett gereicht wurden. Bei den Zusammenknften korrigierte nun Therese mit bergroer Umstndlichkeit; es ergaben sich strittige Ansichten, Karl fhrte als Zeugen seinen groen New Yorker Professor an, aber der galt bei Therese ebenso wenig wie die grammatikalischen Meinungen der Liftjungen. Sie nahm ihm die Fllfeder aus der Hand und strich die Stelle, von deren Fehlerhaftigkeit sie berzeugt war, durch, Karl aber strich in solchen Zweifelsfllen, obwohl im allgemeinen keine hhere Autoritt als Therese die Sache zu Gesicht bekommen sollte, aus Genauigkeit die Striche Theresens wieder durch. Manchmal allerdings kam die Oberkchin und entschied dann immer zu Theresens Gunsten, was noch nicht beweisend war, denn Therese war ihre Sekretrin. Gleichzeitig aber brachte sie die allgemeine Vershnung, denn es wurde Tee gekocht, Gebck geholt, und Karl mute von Europa erzhlen, allerdings mit vielen Unterbrechungen von seiten der Oberkchin, die immer wieder fragte und staunte, wodurch sie Karl zu Bewutsein brachte, wie vieles sich dort in verhltnismig kurzer Zeit von Grund aus gendert hatte und wie vieles wohl auch schon seit seiner Abwesenheit anders geworden war und immerfort anders wurde. Karl mochte etwa einen Monat in Ramses gewesen sein, als ihm eines Abends Renell im Vorbergehen sagte, er sei vor dem Hotel von einem Mann mit Namen Delamarche angesprochen und nach Karl ausgefragt worden. Renell habe nun keinen Grund gehabt, etwas zu verschweigen, und habe der Wahrheit gem erzhlt, da Karl Liftjunge sei, jedoch Aussicht habe, infolge der Protektion der Oberkchin noch ganz andere Stellen zu bekommen. Karl merkte, wie vorsichtig Renell von Delamarche behandelt worden war, der ihn sogar fr diesen Abend zu einem gemeinsamen Nachtmahl eingeladen hatte. Ich habe nichts mehr mit Delamarche zu tun, sagte Karl, nimm du dich nur auch vor ihm in acht! Ich? sagte Renell, streckte sich und eilte weg. Er war der zierlichste Junge im Hotel, und es ging unter den anderen Jungen, ohne da man den Urheber wute, das Gercht um, da er von einer vornehmen Dame, die schon lngere Zeit im Hotel wohnte, im Lift zumindest abgekt worden sei. Fr den, der das Gercht kannte, hatte es unbedingt einen groen Reiz, jene selbstbewute Dame, in deren uerem nicht das geringste die Mglichkeit eines solchen Benehmens ahnen lie, mit ihren ruhigen, leichten Schritten, zarten Schleiern, streng geschnrter Taille an sich vorbergehen zu sehen. Sie wohnte im ersten Stock, und Renells Lift war nicht der ihre, aber man konnte natrlich, wenn die anderen Lifts augenblicklich besetzt waren, solchen Gsten den Eintritt in einen anderen Lift nicht verwehren. So kam es, da diese Dame hie und da in Karls und Renells Lift fuhr, und tatschlich immer nur, wenn Renell Dienst hatte. Es konnte Zufall sein, aber niemand glaubte daran, und wenn der Lift mit den beiden abfuhr, gab es in der ganzen Reihe der Liftjungen eine mhsam unterdrckte Unruhe, die sogar schon zum Einschreiten eines Oberkellners gefhrt hatte. Sei es nun, da die Dame, sei es, da das Gercht die Ursache war, jedenfalls hatte sich Renell verndert, war noch bei weitem selbstbewuter geworden, berlie das Putzen gnzlich Karl, der schon auf die nchste Gelegenheit einer grndlichen Aussprache hierber wartete, und war im Schlafsaal gar nicht mehr zu sehen. Kein anderer war so vollstndig aus der Gemeinschaft der Liftjungen ausgetreten, denn im allgemeinen hielten alle, zumindest in Dienstfragen, streng zusammen und hatten eine Organisation, die von der Hoteldirektion anerkannt war. Alles dieses lie sich Karl durch den Kopf gehen, dachte auch an Delamarche, und verrichtete im brigen seinen Dienst wie immer. Gegen Mitternacht hatte er eine kleine Abwechslung, denn Therese, die ihn fters mit kleinen Geschenken berraschte, brachte ihm einen groen Apfel und eine Tafel Schokolade. Sie unterhielten sich ein wenig, durch die Unterbrechungen, welche die Fahrten mit dem Aufzug brachten, kaum gestrt. Das Gesprch kam auch auf Delamarche, und Karl merkte, da er sich eigentlich durch Therese hatte beeinflussen lassen, wenn er ihn seit einiger Zeit fr einen gefhrlichen Menschen hielt, denn so erschien er allerdings Therese nach Karls Erzhlungen. Karl jedoch hielt ihn im Grunde nur fr einen Lumpen, der durch das Unglck sich hatte verderben lassen und mit dem man schon auskommen konnte. Therese widersprach dem aber sehr lebhaft und forderte Karl in langen Reden das Versprechen ab, kein Wort mit Delamarche mehr zu reden. Statt dieses Versprechen zu geben, drngte sie Karl wiederholt, schlafen zu gehen, da Mitternacht schon lngst vorber war, und als sie sich weigerte, drohte er, seinen Posten zu verlassen und sie in ihr Zimmer zu fhren. Als sie endlich bereit war wegzugehen, sagte er: Warum machst du dir so unntige Sorgen, Therese? Fr den Fall, da du dadurch besser schlafen solltest, verspreche ich dir gerne, da ich mit Delamarche nur reden werde, wenn es sich nicht vermeiden lt. Dann kamen viele Fahrten, denn der Junge am Nebenlift wurde zu irgendeiner anderen Hilfeleistung verwendet, und Karl mute beide Lifts besorgen. Es gab Gste, die von Unordnung sprachen, und ein Herr, der eine Dame begleitete, berhrte Karl sogar mit dem Spazierstock, um ihn zur Eile anzutreiben, eine Ermahnung, die recht unntig war. Wenn doch wenigstens die Gste, da sie sahen, da bei dem einen Lift kein Junge stand, gleich zu Karls Lift getreten wren, aber das taten sie nicht, sondern gingen zu dem Nebenlift und blieben dort, die Hand an der Klinke, stehen oder traten gar selbst in den Aufzug ein, was nach dem strengsten Paragraphen der Dienstordnung die Liftjungen um jeden Preis verhten sollten. So gab es fr Karl ein sehr ermdendes Hin- und Herlaufen, ohne da er aber dabei das Bewutsein gehabt htte, seine Pflicht genau zu erfllen. Gegen drei Uhr frh wollte berdies ein Packtrger, ein alter Mann, mit dem er ein wenig befreundet war, irgendeine Hilfeleistung von ihm haben, aber die konnte er nun keinesfalls leisten, denn gerade standen Gste vor seinen beiden Lifts. Und es gehrte Geistesgegenwart dazu, sich sofort mit groen Schritten fr eine Gruppe zu entscheiden. Er war daher glcklich, als der andere Junge wieder antrat, und rief ein paar Worte des Vorwurfs wegen seines langen Ausbleibens zu ihm hinber, obwohl er wahrscheinlich keine Schuld daran hatte. Nach vier Uhr frh trat ein wenig Ruhe ein, aber Karl brauchte sie auch schon dringend. Er lehnte schwer am Gelnder neben seinem Aufzug, a langsam den Apfel, aus dem schon nach dem ersten Bi ein starker Duft strmte, und sah in einen Lichtschacht hinunter, der von den groen Fenstern der Vorratskammern umgeben war, hinter denen hngende Massen von Bananen im Dunkel gerade noch schimmerten. Der Fall Robinson Da klopfte ihm jemand auf die Schulter. Karl, der natrlich dachte, es wre ein Gast, steckte den Apfel eiligst in die Tasche und eilte, kaum da er den Mann ansah, zum Aufzug hin. Guten Abend, Herr Romann, sagte nun aber der Mann, ich bin es, Robinson. Sie haben sich aber verndert! sagte Karl und schttelte den Kopf. Ja, es geht mir gut, sagte Robinson und sah an seiner Kleidung hinunter, die vielleicht aus ziemlich feinen Stcken bestand, aber so zusammengewrfelt war, da sie geradezu schbig aussah. Das Auffallendste war eine offenbar zum erstenmal getragene weie Weste mit vier kleinen, schwarz eingefaten Tschchen, auf die Robinson auch durch Vorstrecken der Brust aufmerksam zu machen suchte. Sie haben teuere Kleider, sagte Karl und dachte flchtig an sein schnes einfaches Kleid, in dem er sogar neben Renell htte bestehen knnen und das die zwei schlechten Freunde verkauft hatten. Ja, sagte Robinson, ich kaufe mir fast jeden Tag irgend etwas. Wie gefllt Ihnen die Weste? Ganz gut, sagte Karl. Es sind aber keine wirklichen Taschen, das ist nur so gemacht, sagte Robinson und fate Karl bei der Hand, damit sich dieser selbst davon berzeuge. Aber Karl wich zurck, denn aus Robinsons Mund kam ein unertrglicher Branntweingeruch. Sie trinken wieder viel, sagte Karl und stand schon wieder am Gelnder. Nein, sagte Robinson, nicht viel, und fgte im Widerspruch zu seiner frheren Zufriedenheit hinzu: Was hat der Mensch sonst auf der Welt. Eine Fahrt unterbrach das Gesprch, und kaum war Karl wieder unten, erfolgte ein telephonischer Anruf, laut dessen Karl den Hotelarzt holen sollte, da eine Dame im siebenten Stockwerk einen Ohnmachtsanfall erlitten hatte. Whrend dieses Weges hoffte Karl im geheimen, da Robinson sich inzwischen entfernt haben werde, denn er wollte nicht mit ihm gesehen werden und, in Gedanken an Theresens Warnung, auch von Delamarche nichts hren. Aber Robinson wartete noch in der steifen Haltung eines Vollgetrunkenen, und gerade ging ein hherer Hotelbeamter in schwarzem Gehrock und Zylinderhut vorber, glcklicherweise ohne Robinson, wie es schien, besonders zu beachten. Wollen Sie, Romann, nicht einmal zu uns kommen, wir haben es jetzt sehr fein, sagte Robinson und sah Karl lockend an. Laden Sie mich ein oder Delamarche? fragte Karl. Ich und Delamarche. Wir sind darin einig, sagte Robinson. Dann sage ich Ihnen und bitte Sie, Delamarche das gleiche auszurichten: Unser Abschied war, wenn das nicht schon an und fr sich klar gewesen sein sollte, ein endgltiger. Sie beide haben mir mehr Leid getan als irgend jemand. Haben Sie sich vielleicht in den Kopf gesetzt, mich auch weiterhin nicht in Ruhe zu lassen? Wir sind doch Ihre Kameraden, sagte Robinson, und widerliche Trnen der Trunkenheit stiegen ihm in die Augen. Delamarche lt Ihnen sagen, da er Sie fr alles Frhere entschdigen will. Wir wohnen jetzt mit Brunelda zusammen, einer herrlichen Sngerin. Und im Anschlu daran wollte er gerade ein Lied in hohen Tnen singen, wenn ihn nicht Karl noch rechtzeitig angezischt htte: Schweigen Sie, aber augenblicklich; wissen Sie denn nicht, wo Sie sind! Romann, sagte Robinson, nun rcksichtlich des Singens eingeschchtert, ich bin doch Ihr Kamerad, sagen Sie, was Sie wollen. Und nun haben Sie hier eine so schne Position, knnten Sie mir einiges Geld berlassen? Sie vertrinken es ja blo wieder, sagte Karl, da sehe ich in Ihrer Tasche sogar irgendeine Branntweinflasche, aus der Sie gewi, whrend ich weg war, getrunken haben, denn anfangs waren Sie ja noch ziemlich bei Sinnen. Das ist nur zur Strkung, wenn ich auf einem Wege bin, sagte Robinson entschuldigend. Ich will Sie ja nicht mehr bessern, sagte Karl. Aber das Geld! sagte Robinson mit aufgerissenen Augen. Sie haben wohl von Delamarche den Auftrag bekommen, Geld mitzubringen. Gut, ich gebe Ihnen Geld, aber nur unter der Bedingung, da Sie sofort von hier fortgehen und niemals mehr mich hier besuchen. Wenn Sie mir etwas mitteilen wollen, schreiben Sie an mich. Karl Romann, Liftjunge, Hotel Occidental, gengt als Adresse. Aber hier drfen Sie, das wiederhole ich, mich nicht mehr besuchen. Hier bin ich im Dienst und habe keine Zeit fr Besuche. Wollen Sie also das Geld unter dieser Bedingung? fragte Karl und griff in die Westentasche, denn er war entschlossen, das Trinkgeld der heutigen Nacht zu opfern. Robinson nickte blo zu der Frage und atmete schwer. Karl deutete das unrichtig und fragte nochmals: Ja oder nein? Da winkte ihn Robinson zu sich heran und flsterte unter Schlingbewegungen, die schon ganz deutlich waren: Romann, mir ist sehr schlecht. Zum Teufel, entfuhr es Karl, und mit beiden Hnden schleppte er ihn zum Gelnder. Und schon ergo es sich aus Robinsons Mund in die Tiefe. Hilflos strich er in den Pausen, die ihm seine belkeit lie, blindlings zu Karl hin. Sie sind wirklich ein guter Junge, sagte er dann, oder: Es hrt schon auf, was aber noch lange nicht richtig war, oder: Die Hunde, was haben sie mir dort fr ein Zeug eingegossen! Karl hielt es vor Unruhe und Ekel bei ihm nicht mehr aus und begann auf und ab zu gehen. Hier, im Winkel neben dem Aufzug, war ja Robinson ein wenig versteckt, aber wie, wenn ihn doch jemand bemerkte, einer dieser nervsen, reichen Gste, die nur darauf warten, dem herbeilaufenden Hotelbeamten eine Beschwerde mitzuteilen, fr welche dieser dann wtend am ganzen Hause Rache nimmt, oder wenn einer dieser immerfort wechselnden Hoteldetektive vorberkme, die niemand kennt auer der Direktion und die man in jedem Menschen vermutet, der prfende Blicke, vielleicht blo aus Kurzsichtigkeit, macht. Und unten brauchte nur jemand bei dem die ganze Nacht nicht aussetzenden Restaurationsbetrieb in die Vorratskammern zu gehen, staunend die Scheulichkeit im Lichtschacht zu bemerken und Karl telephonisch anzufragen, was denn um Himmels willen da oben los sei. Konnte Karl dann Robinson verleugnen? Und wenn er es tte, wrde sich nicht Robinson in seiner Dummheit und Verzweiflung statt aller Entschuldigung gerade nur auf Karl berufen? Und mute dann nicht Karl sofort entlassen werden, da dann das Unerhrte geschehen war, da ein Liftjunge, der niedrigste und entbehrlichste Angestellte in der ungeheueren Stufenleiter der Dienerschaft dieses Hotels, durch seinen Freund das Hotel hatte beschmutzen und die Gste erschrecken oder ganz vertreiben lassen? Konnte man einen Liftjungen weiter dulden, der solche Freunde hatte, von denen er sich berdies whrend seiner Dienststunden besuchen lie? Sah es nicht ganz so aus, als ob ein solcher Liftjunge selbst ein Sufer oder gar etwas rgeres sei, denn welche Vermutung war einleuchtender, als da er seine Freunde aus den Vorrten des Hotels so lange berftterte, bis sie an einer beliebigen Stelle dieses gleichen, peinlich rein gehaltenen Hotels solche Dinge ausfhrten, wie jetzt Robinson? Und warum sollte sich ein solcher Junge auf die Diebsthle von Lebensmitteln beschrnken, da doch die Mglichkeit zu stehlen bei der bekannten Nachlssigkeit der Gste, den berall offenstehenden Schrnken, den auf den Tischen herumliegenden Kostbarkeiten, den aufgerissenen Kassetten, den gedankenlos hingeworfenen Schlsseln wirklich unzhlige waren? Gerade sah Karl in der Ferne Gste aus einem Kellerlokal heraufsteigen, in dem eben eine Varietvorstellung beendet worden war. Karl stellte sich zu seinem Aufzug und wagte sich gar nicht nach Robinson umzudrehen, aus Furcht vor dem, was er zu sehen bekommen knnte. Es beruhigte ihn wenig, da er keinen Laut, nicht einmal einen Seufzer, von dort hrte. Er bediente zwar seine Gste und fuhr mit ihnen auf und ab, aber seine Zerstreutheit konnte er doch nicht ganz verbergen, und bei jeder Abwrtsfahrt war er darauf gefat, unten eine peinliche berraschung vorzufinden. Endlich hatte er wieder Zeit, nach Robinson zu sehen, der in seinem Winkel ganz klein kauerte und das Gesicht gegen die Knie drckte. Seinen runden, harten Hut hatte er weit aus der Stirne geschoben. Also jetzt gehen Sie schon, sagte Karl leise und bestimmt. Hier ist das Geld. Wenn Sie sich beeilen, kann ich Ihnen noch den krzesten Weg zeigen. Ich werde nicht weggehen knnen, sagte Robinson und wischte sich mit einem winzigen Taschentuche die Stirn, ich werde hier sterben. Sie knnen sich nicht vorstellen, wie schlecht mir ist. Delamarche nimmt mich berall in die feinen Lokale mit, aber ich vertrage dieses zimperliche Zeug nicht, ich sage es Delamarche tglich. Hier knnen Sie nun einmal nicht bleiben, sagte Karl, bedenken Sie doch, wo Sie sind. Wenn man Sie hier findet, werden Sie bestraft, und ich verliere meinen Posten. Wollen Sie das? Ich kann nicht weggehen, sagte Robinson, lieber springe ich da hinunter, und er zeigte zwischen den Gelnderstangen in den Lichtschacht. Wenn ich hier so sitze, so kann ich es noch ertragen, aber aufstehen kann ich nicht, ich habe es ja schon versucht, whrend Sie weg waren. Dann hole ich also einen Wagen, und Sie fahren ins Krankenhaus, sagte Karl und schttelte ein wenig Robinsons Beine, der jeden Augenblick in vllige Teilnahmslosigkeit zu verfallen drohte. Aber kaum hatte Robinson das Wort Krankenhaus gehrt, das ihm schreckliche Vorstellungen zu erwecken schien, als er laut zu weinen anfing und die Hnde, um Gnade bittend, nach Karl ausstreckte. Still, sagte Karl, schlug ihm mit einem Klaps die Hnde nieder, lief zu dem Liftjungen, den er in der Nacht vertreten hatte, bat ihn fr ein kleines Weilchen um die gleiche Geflligkeit, eilte zu Robinson zurck, zog den noch immer Schluchzenden mit aller Kraft in die Hhe und flsterte ihm zu: Robinson, wenn Sie wollen, da ich mich Ihrer annehme, dann strengen Sie sich aber an, jetzt eine ganz kleine Strecke Wegs aufrecht zu gehen. Ich fhre Sie nmlich in mein Bett, in dem Sie so lange bleiben knnen, bis Ihnen gut ist. Sie werden staunen, wie bald Sie sich erholen werden. Aber jetzt benehmen Sie sich nur vernnftig, denn auf den Gngen sind berall Leute, und auch mein Bett ist in einem allgemeinen Schlafsaal. Wenn man auf Sie auch nur ein wenig aufmerksam wird, kann ich nichts mehr fr Sie tun. Und die Augen mssen Sie offenhalten, ich kann Sie da nicht wie einen Todkranken herumfhren. Ich will ja alles tun, was Sie fr recht halten, sagte Robinson, aber Sie allein werden mich nicht fhren knnen. Knnten Sie nicht noch Renell holen? Renell ist nicht hier, sagte Karl. Ach ja, sagte Robinson, Renell ist mit Delamarche beisammen. Die beiden haben mich ja nach Ihnen ausgeschickt. Ich verwechsle schon alles. Karl bentzte diese und noch andere unverstndliche Selbstgesprche Robinsons, um ihn vorwrts zu schieben, und kam mit ihm auch glcklich bis zu einer Ecke, von der aus ein etwas schwcher beleuchteter Gang zum Schlafsaal der Liftjungen fhrte. Gerade jagte in vollem Lauf ein Liftjunge auf sie zu und an ihnen vorber. Im brigen hatten sie bis jetzt nur ungefhrliche Begegnungen gehabt; zwischen vier und fnf Uhr war nmlich die stillste Zeit, und Karl hatte wohl gewut, da, wenn ihm das Wegschaffen Robinsons jetzt nicht gelnge, in der Morgendmmerung und im beginnenden Tagesverkehr berhaupt nicht mehr daran zu denken wre. Im Schlafsaal war am anderen Ende des Saales gerade eine groe Rauferei oder sonstige Veranstaltung im Gange, man hrte rhythmisches Hndeklatschen, aufgeregtes Fetrappeln und sportliche Zurufe. In der bei der Tr gelegenen Saalhlfte sah man in den Betten nur wenige unbeirrte Schlfer, die meisten lagen auf dem Rcken und starrten in die Luft, whrend hie und da einer, bekleidet oder unbekleidet, wie er gerade war, aus dem Bett sprang, um nachzusehen, wie die Dinge am anderen Saalende standen. So brachte Karl Robinson, der sich an das Gehen inzwischen ein wenig gewhnt hatte, ziemlich unbeachtet in Renells Bett, da es der Tre sehr nahe lag und glcklicherweise nicht besetzt war, whrend in seinem eigenen Bett, wie er aus der Ferne sah, ein fremder Junge, den er gar nicht kannte, ruhig schlief. Kaum fhlte Robinson das Bett unter sich, als er sofort ein Bein baumelte noch aus dem Bett heraus einschlief. Karl zog ihm die Decke weit ber das Gesicht und glaubte, sich wenigstens fr die nchste Zeit keine Sorgen machen zu mssen, da Robinson gewi nicht vor sechs Uhr frh erwachen wrde, und bis dahin wrde er wieder hier sein und dann, vielleicht schon mit Renell, ein Mittel finden, um Robinson wegzubringen. Eine Inspektion des Schlafsaales durch irgendwelche hheren Organe gab es nur in auerordentlichen Fllen, die Abschaffung der frher blichen allgemeinen Inspektion hatten die Liftjungen schon vor Jahren durchgesetzt, es war also auch von dieser Seite nichts zu frchten. Als Karl wieder bei seinem Aufzug angelangt war, sah er, da sowohl sein Aufzug als auch jener seines Nachbarn gerade in die Hhe fuhren. Unruhig wartete er darauf, wie sich das aufklren wrde. Sein Aufzug kam frher herunter, und es entstieg ihm jener Junge, der vor einem Weilchen durch den Gang gelaufen war. Ja, wo bist du denn gewesen, Romann? fragte dieser. Warum bist du weggegangen? Warum hast du es nicht gemeldet? Aber ich habe ihm doch gesagt, da er mich ein Weilchen vertreten soll, antwortete Karl und zeigte auf den Jungen vom Nachbarlift, der gerade herankam. Ich habe ihn doch auch zwei Stunden lang whrend des grten Verkehrs vertreten. Das ist alles sehr gut, sagte der Angesprochene, aber das gengt doch nicht. Weit du denn nicht, da man auch die krzeste Abwesenheit whrend des Dienstes im Bro des Oberkellners melden mu? Dazu hast du ja das Telephon da. Ich htte dich schon gerne vertreten, aber du weit ja, da das nicht so leicht ist. Gerade waren vor beiden Lifts neue Gste vom Vier-Uhr-dreiig-Exprezug. Ich konnte doch nicht zuerst mit deinem Lift laufen und meine Gste warten lassen, so bin ich also zuerst mit meinem Lift hinaufgefahren! Nun? fragte Karl gespannt, da beide Jungen schwiegen. Nun, sagte der Junge vom Nachbarlift, da geht gerade der Oberkellner vorber, sieht die Leute vor deinem Lift ohne Bedienung, bekommt Galle, fragt mich, der ich gleich hergerannt bin, wo du steckst, ich habe keine Ahnung davon, denn du hast mir ja gar nicht gesagt, wohin du gehst, und so telephoniert er gleich in den Schlafsaal, da sofort ein anderer Junge herkommen soll. Ich habe dich ja noch im Gang getroffen, sagte Karls Ersatzmann. Karl nickte. Natrlich, beteuerte der andere Junge, habe ich gleich gesagt, da du mich um deine Vertretung gebeten hast, aber hrt denn der auf solche Entschuldigungen? Du kennst ihn wahrscheinlich noch nicht. Und wir sollten dir ausrichten, da du sofort ins Bro kommen sollst. Also halte dich lieber nicht auf und lauf hin. Vielleicht verzeiht er es dir noch, du warst ja wirklich nur zwei Minuten weg. Berufe dich nur ruhig darauf, da du mich um Vertretung gebeten hast. Davon, da du mich vertreten hast, rede lieber nicht, la dir raten, mir kann nichts geschehen, ich hatte Erlaubnis, aber es ist nicht gut, von einer solchen Sache zu reden und sie noch in diese Angelegenheit zu mischen, mit der sie nichts zu tun hat. Es ist das erstemal gewesen, da ich meinen Posten verlassen habe, sagte Karl. Das ist immer so, nur glaubt man es nicht, sagte der Junge und lief zu seinem Lift, da sich Leute nherten. Karls Vertreter, ein etwa vierzehnjhriger Junge, der offenbar mit Karl Mitleid hatte, sagte: Es sind schon viele Flle vorgekommen, in denen man solche Sachen verziehen hat. Gewhnlich wird man zu anderen Arbeiten versetzt. Entlassen wurde, soviel ich wei, wegen einer solchen Sache nur einer. Du mut dir eine gute Entschuldigung ausdenken. Auf keinen Fall sage, da dir pltzlich schlecht geworden ist, da lacht er dich aus. Da ist es schon besser, du sagst, ein Gast hat dir irgendeine eilige Bestellung an einen anderen Gast aufgegeben und du weit nicht mehr, wer der erste Gast war, und den zweiten hast du nicht finden knnen. Na, sagte Karl, es wird nicht so schlimm werden, nach allem, was er gehrt hatte, glaubte er an keinen guten Ausgang mehr. Und wenn selbst dieses Dienstversumnis verziehen werden sollte, so lag doch drinnen im Schlafsaal noch Robinson als lebendige Schuld, und es war bei dem galligen Charakter des Oberkellners nur zu wahrscheinlich, da man sich mit keiner oberflchlichen Untersuchung begngen und Robinson schlielich doch noch aufstbern wrde. Es bestand wohl kein ausdrckliches Verbot, nach dem fremde Leute in den Schlafsaal nicht mitgenommen werden durften, aber dies bestand nur deshalb nicht, weil eben unausdenkbare Dinge nicht verboten werden. Als Karl in das Bro des Oberkellners eintrat, sa dieser gerade bei seinem Morgenkaffee, machte einmal einen Schluck und sah dann wieder in ein Verzeichnis, das ihm offenbar der gleichfalls anwesende oberste Hotelportier berbracht hatte. Es war dies ein groer Mann, den seine ppige, reichgeschmckte Uniform noch auf den Achseln und die Arme hinunter schlngelten sich goldene Ketten und Bnder noch breitschultriger machte, als er von Natur aus war. Ein glnzender schwarzer Schnurrbart, weit in Spitzen ausgezogen, so wie ihn Ungarn tragen, rhrte sich auch bei der schnellsten Kopfbewegung nicht. Im brigen konnte sich der Mann infolge seiner Kleiderlast berhaupt nur schwer bewegen und stellte sich nicht anders als mit seitwrts eingestemmten Beinen auf, um sein Gewicht richtig zu verteilen. Karl war frei und eilig eingetreten, wie er es sich hier im Hotel angewhnt hatte, denn die Langsamkeit und Vorsicht, die bei Privatpersonen Hflichkeit bedeutet, hlt man bei Liftjungen fr Faulheit. Auerdem mute man ihm auch nicht gleich beim Eintreten sein Schuldbewutsein ansehen. Der Oberkellner hatte zwar flchtig auf die sich ffnende Tr hingeblickt, war dann aber sofort zu seinem Kaffee und zu seiner Lektre zurckgekehrt, ohne sich weiter um Karl zu kmmern. Der Portier aber fhlte sich vielleicht durch Karls Anwesenheit gestrt, vielleicht hatte er irgendeine geheime Nachricht oder Bitte vorzutragen, jedenfalls sah er alle Augenblicke bs und mit steif geneigtem Kopf nach Karl hin, um sich dann, wenn er, offenbar seiner Absicht entsprechend, mit Karls Blicken zusammengetroffen war, wieder dem Oberkellner zuzuwenden. Karl aber glaubte, es wrde sich nicht gut ausnehmen, wenn er jetzt, da er nun schon einmal hier war, das Bro wieder verliee, ohne vom Oberkellner den Befehl hierzu erhalten zu haben. Dieser aber studierte weiter das Verzeichnis und a zwischendurch von einem Stck Kuchen, von dem er hie und da, ohne im Lesen innezuhalten, den Zucker abschttelte. Einmal fiel ein Blatt des Verzeichnisses zu Boden, der Portier machte nicht einmal den Versuch, es aufzuheben, er wute, da er es nicht zustande brchte, es war auch nicht ntig, denn Karl war schon zur Stelle und reichte das Blatt dem Oberkellner, der es ihm mit einer Handbewegung abnahm, als sei es von selbst vom Boden aufgeflogen. Die ganze kleine Dienstleistung hatte nichts gentzt, denn der Portier hrte auch weiterhin mit seinen bsen Blicken nicht auf. Trotzdem war Karl gefater als frher. Schon da seine Sache fr den Oberkellner so wenig Wichtigkeit zu haben schien, konnte man fr ein gutes Zeichen halten. Es war schlielich auch nur begreiflich. Natrlich bedeutet ein Liftjunge gar nichts und darf sich deshalb nichts erlauben, aber eben deshalb, weil er nichts bedeutet, kann er auch nichts Auergewhnliches anstellen. Schlielich war der Oberkellner in seiner Jugend selbst Liftjunge gewesen was noch der Stolz dieser Generation von Liftjungen war, er war es gewesen, der die Liftjungen zum erstenmal organisiert hatte, und gewi hat auch er einmal ohne Erlaubnis seinen Posten verlassen, wenn ihn auch jetzt allerdings niemand zwingen konnte, sich daran zu erinnern, und wenn man auch nicht auer acht lassen durfte, da er, gerade als gewesener Liftjunge, darin seine Pflicht sah, diesen Stand durch zeitweilig unnachsichtliche Strenge in Ordnung zu halten. Nun setzte aber Karl auerdem seine Hoffnung auf das Vorrcken der Zeit. Nach der Brouhr war es schon viertel sechs, jeden Augenblick konnte Renell zurckkehren, vielleicht war er sogar schon da, denn es mute ihm doch aufgefallen sein, da Robinson nicht zurckgekommen war, brigens konnten sich Delamarche und Renell gar nicht weit vom Hotel Occidental aufgehalten haben, wie Karl jetzt einfiel, denn sonst htte auch Robinson in seinem elenden Zustand den Weg hierher nicht gefunden. Wenn nun Renell Robinson in seinem Bett antraf, was doch geschehen mute, dann war alles gut. Denn praktisch, wie Renell war, besonders wenn es sich um seine Interessen handelte, wrde er schon Robinson irgendwie gleich aus dem Hotel entfernen, was ja um so leichter geschehen konnte, als Robinson sich inzwischen ein wenig gestrkt hatte und berdies wahrscheinlich Delamarche vor dem Hotel wartete, um ihn in Empfang zu nehmen. Wenn aber Robinson einmal entfernt war, dann konnte Karl dem Oberkellner viel ruhiger entgegentreten und fr diesmal vielleicht noch mit einer, wenn auch schweren, Rge davonkommen. Dann wrde er sich mit Therese beraten, ob er der Oberkchin die Wahrheit sagen drfe er fr seinen Teil sah kein Hindernis, und wenn das mglich war, wrde die Sache ohne besonderen Schaden aus der Welt geschafft sein. Gerade hatte sich Karl durch solche berlegungen ein wenig beruhigt und machte sich daran, das in dieser Nacht eingenommene Trinkgeld unauffllig zu berzhlen, denn es schien ihm dem Gefhl nach besonders reichlich gewesen zu sein, als der Oberkellner das Verzeichnis mit den Worten Warten Sie noch, bitte, einen Augenblick, Feodor, auf den Tisch legte, elastisch aufsprang und Karl so laut anschrie, da dieser erschrocken vorerst nur in das groe, schwarze Mundloch starrte. Du hast deinen Posten ohne Erlaubnis verlassen. Weit du, was das bedeutet? Das bedeutet Entlassung. Ich will keine Entschuldigung hren, deine erlogenen Ausreden kannst du fr dich behalten, mir gengt vollstndig die Tatsache, da du nicht da warst. Wenn ich das einmal dulde und verzeihe, werden nchstens alle vierzig Liftjungen whrend des Dienstes davonlaufen, und ich kann meine fnftausend Gste allein die Treppe hinauftragen. Karl schwieg. Der Portier war nher gekommen und zog das Rckchen Karls, das einige Falten warf, ein wenig tiefer, zweifellos um den Oberkellner auf diese kleine Unordentlichkeit im Anzug Karls besonders aufmerksam zu machen. Ist dir vielleicht pltzlich schlecht geworden? fragte der Oberkellner listig. Karl sah ihn prfend an und antwortete: Nein. Also nicht einmal schlecht ist dir geworden? schrie der Oberkellner desto strker. Also dann mut du ja irgendeine groartige Lge erfunden haben. Welche Entschuldigung hast du? Heraus damit. Ich habe nicht gewut, da man telephonisch um Erlaubnis bitten mu߫, sagte Karl. Das ist allerdings kstlich, sagte der Oberkellner, fate Karl beim Rockkragen und brachte ihn fast in der Schwebe vor eine Dienstordnung der Lifts, die an der Wand aufgenagelt war. Auch der Portier ging hinter ihnen zur Wand hin. Da, lies! sagte der Oberkellner und zeigte auf einen Paragraphen. Karl glaubte, er solle es fr sich lesen. Laut! kommandierte aber der Oberkellner. Statt laut zu lesen, sagte Karl, in der Hoffnung, damit den Oberkellner besser zu beruhigen: Ich kenne den Paragraphen, ich habe ja die Dienstordnung auch bekommen und genau gelesen. Aber gerade eine solche Bestimmung, die man niemals braucht, vergit man. Ich diene schon zwei Monate und habe niemals meinen Posten verlassen. Dafr wirst du ihn jetzt verlassen, sagte der Oberkellner, ging zum Tisch hin, nahm das Verzeichnis wieder zur Hand, als wolle er darin weiterlesen, schlug damit aber auf den Tisch, als sei es ein nutzloser Fetzen, und ging, starke Rte auf Stirn und Wangen, kreuz und quer im Zimmer herum. Wegen eines solchen Bengels hat man das ntig! Solche Aufregungen beim Nachtdienst! stie er einigemal hervor. Wissen Sie, wer gerade hinauffahren wollte, als dieser Kerl hier vom Lift weggelaufen war? wandte er sich zum Portier. Und er nannte einen Namen, bei dem es dem Portier, der gewi alle Gste kannte und bewerten konnte, so schauderte, da er schnell auf Karl hinsah, als sei nur dessen Existenz eine Besttigung dessen, da der Trger jenes Namens eine Zeitlang bei einem Lift, dessen Junge weggelaufen war, nutzlos hatte warten mssen. Das ist schrecklich! sagte der Portier und schttelte langsam in grenzenloser Beunruhigung den Kopf gegen Karl hin, welcher ihn traurig ansah und dachte, da er nun auch fr die Begriffsstutzigkeit dieses Mannes werde ben mssen. Ich kenne dich brigens auch schon, sagte der Portier und streckte seinen dicken, groen, steifgespannten Zeigefinger aus. Du bist der einzige Junge, welcher mich grundstzlich nicht grt. Was bildest du dir eigentlich ein! Jeder, der an der Portierloge vorbergeht, mu mich gren. Mit den brigen Portiers kannst du es halten, wie du willst, ich aber verlange gegrt zu werden. Ich tue zwar manchmal so, als ob ich nicht aufpate, aber du kannst ganz ruhig sein, ich wei sehr genau, wer mich grt oder nicht, du Lmmel! Und er wandte sich von Karl ab und schritt hochaufgerichtet auf den Oberkellner zu, der aber, statt sich zu des Portiers Sache zu uern, sein Frhstck beendete und eine Morgenzeitung berflog, die ein Diener eben ins Zimmer hereingebracht hatte. Herr Oberportier, sagte Karl, der whrend der Unachtsamkeit des Oberkellners wenigstens die Sache mit dem Portier ins reine bringen wollte, denn er begriff, da ihm vielleicht der Vorwurf des Portiers nicht schaden konnte, wohl aber dessen Feindschaft, ich gre Sie ganz gewi. Ich bin doch noch nicht lange in Amerika und stamme aus Europa, wo man bekanntlich viel mehr grt, als ntig ist. Das habe ich mir natrlich noch nicht ganz abgewhnen knnen, und noch vor zwei Monaten hat man mir in New York, wo ich zufllig in hheren Kreisen verkehrte, bei jeder Gelegenheit zugeredet, mit meiner bertriebenen Hflichkeit aufzuhren. Und da sollte ich gerade Sie nicht gegrt haben! Ich habe Sie jeden Tag einigemal gegrt. Aber natrlich nicht jedesmal, wenn ich Sie gesehen habe, da ich doch tglich hundertmal an Ihnen vorberkomme. Du hast mich jedesmal zu gren, jedesmal, ohne Ausnahme, du hast die ganze Zeit, whrend du mit mir sprichst, die Kappe in der Hand zu halten, du hast mich immer mit Oberportier anzureden und nicht mit Sie. Und alles das jedesmal und jedesmal. Jedesmal? wiederholte Karl leise und fragend, er erinnerte sich jetzt, wie er vom Portier whrend der ganzen Zeit seines hiesigen Aufenthaltes immer streng und vorwurfsvoll angeschaut worden war, schon von jenem ersten Morgen an, an dem er, seiner dienenden Stellung noch nicht recht angepat, etwas zu khn, diesen Portier ohne weiteres umstndlich und dringlich ausgefragt hatte, ob nicht zwei Mnner vielleicht nach ihm gefragt und etwa eine Photographie fr ihn zurckgelassen htten. Jetzt siehst du, wohin ein solches Benehmen fhrt, sagte der Portier, der wieder ganz nahe zu Karl zurckgekehrt war, und zeigte auf den noch lesenden Oberkellner, als sei dieser der Vertreter seiner Rache. In deiner nchsten Stellung wirst du es schon verstehen, den Portier zu gren, und wenn es auch nur vielleicht in einer elenden Spelunke sein wird. Karl sah ein, da er eigentlich seinen Posten schon verloren hatte, denn der Oberkellner hatte es bereits ausgesprochen, der Oberportier als fertige Tatsache wiederholt, und wegen eines Liftjungen drfte wohl die Besttigung der Entlassung seitens der Hoteldirektion nicht ntig sein. Es war allerdings schneller gegangen, als er gedacht hatte, denn schlielich hatte er doch zwei Monate gedient, so gut er konnte, und gewi besser als mancher andere Junge. Aber auf solche Dinge wird eben im entscheidenden Augenblick offenbar in keinem Weltteil, weder in Europa noch in Amerika, Rcksicht genommen, sondern es wird so entschieden, wie einem in der ersten Wut das Urteil aus dem Munde fhrt. Vielleicht wre es jetzt am besten gewesen, wenn er sich gleich verabschiedet htte und weggegangen wre, die Oberkchin und Therese schliefen vielleicht noch, er htte sich, um ihnen die Enttuschung und Trauer ber sein Benehmen wenigstens beim persnlichen Abschied zu ersparen, brieflich verabschieden, htte rasch seinen Koffer packen und in der Stille fortgehen knnen. Blieb er aber auch nur einen Tag noch, und er htte allerdings ein wenig Schlaf gebraucht, so erwartete ihn nichts anderes als Aufbauschung seiner Sache zum Skandal, Vorwrfe von allen Seiten, der unertrgliche Anblick der Trnen Theresens und vielleicht gar der Oberkchin und mglicherweise zuguterletzt auch noch eine Bestrafung. Andererseits aber beirrte es ihn, da er hier zwei Feinden gegenberstand und da an jedem Wort, das er aussprechen wrde, wenn nicht der eine, so der andere etwas aussetzen und zum Schlechten deuten wrde. Deshalb schwieg er und geno vorlufig die Ruhe, die im Zimmer herrschte, denn der Oberkellner las noch immer die Zeitung, und der Oberportier ordnete sein ber den Tisch hin verstreutes Verzeichnis nach den Seitenzahlen, was ihm bei seiner offenbaren Kurzsichtigkeit groe Schwierigkeiten machte. Endlich legte der Oberkellner die Zeitung ghnend hin, vergewisserte sich durch einen Blick auf Karl, da dieser noch anwesend sei, und drehte die Glocke des Tischtelephons an. Er rief mehrere Male Hallo!, aber niemand meldete sich. Es meldet sich niemand, sagte er zum Oberportier. Dieser, der das Telephonieren, wie es Karl schien, mit besonderem Interesse beobachtete, sagte: Es ist ja schon dreiviertel sechs. Sie ist gewi schon wach. Luten Sie nur strker. In diesem Augenblick kam, ohne weitere Aufforderung, das telephonische Gegenzeichen. Hier Oberkellner Isbary, sagte der Oberkellner. Guten Morgen, Frau Oberkchin. Ich habe Sie doch nicht am Ende geweckt? Das tut mir sehr leid. Ja, ja, dreiviertel sechs ist es schon. Aber es tut mir aufrichtig leid, da ich Sie erschreckt habe. Sie wollten whrend des Schlafens das Telephon abstellen. Nein, nein, tatschlich, es gibt fr mich keine Entschuldigung, besonders bei der Geringfgigkeit der Sache, wegen der ich Sie sprechen will. Aber natrlich habe ich Zeit, bitte sehr, ich bleibe beim Telephon, wenn es Ihnen recht ist. Sie mu im Nachthemd zum Telephon gelaufen sein, sagte der Oberkellner lchelnd zum Oberportier, der die ganze Zeit ber mit gespanntem Gesichtsausdruck zum Telephonkasten sich gebckt gehalten hatte. Ich habe sie wirklich geweckt, sie wird nmlich sonst von dem kleinen Mdel, das bei ihr auf der Schreibmaschine schreibt, geweckt, und die mu es heute ausnahmsweise versumt haben. Es tut mir leid, da ich sie aufgeschreckt habe, sie ist sowieso nervs. Warum spricht sie nicht weiter? Sie ist nachschauen gegangen, was mit dem Mdel los ist, antwortete der Oberkellner schon mit der Muschel am Ohr, denn es lutete wieder. Sie wird sich schon finden, redete er weiter ins Telephon hinein. Sie drfen sich nicht von allem so erschrecken lassen. Sie brauchen wirklich eine grndliche Erholung. Ja also, meine kleine Anfrage. Es ist da ein Liftjunge namens er drehte sich fragend nach Karl um, der, da er genau aufpate, gleich mit seinem Namen aushelfen konnte, also namens Karl Romann. Wenn ich mich recht erinnere, so haben Sie sich fr ihn ein wenig interessiert; leider hat er Ihre Freundlichkeit schlecht belohnt, er hat ohne Erlaubnis seinen Posten verlassen, hat mir dadurch schwere, jetzt noch gar nicht bersehbare Unannehmlichkeiten verursacht, und ich habe ihn daher soeben entlassen. Ich hoffe, Sie nehmen die Sache nicht tragisch. Wie meinen Sie? Entlassen, ja, entlassen. Aber ich sagte Ihnen doch, da er seinen Posten verlassen hat. Nein, da kann ich Ihnen wirklich nicht nachgeben, liebe Frau Oberkchin. Es handelt sich um meine Autoritt, da steht viel auf dem Spiel, so ein Junge verdirbt mir die ganze Bande. Gerade bei den Liftjungen mu man teuflisch aufpassen. Nein, nein, in diesem Falle kann ich Ihnen den Gefallen nicht tun, so sehr ich es mir immer angelegen sein lasse, Ihnen gefllig zu sein. Und wenn ich ihn schon trotz allem hier liee, zu keinem anderen Zweck, als um meine Galle in Ttigkeit zu erhalten, Ihretwegen, ja, Ihretwegen, Frau Oberkchin, kann er nicht hierbleiben. Sie nehmen einen Anteil an ihm, den er durchaus nicht verdient, und da ich nicht nur ihn kenne, sondern auch Sie, wei ich, da das zu den schwersten Enttuschungen fr Sie fhren mte, die ich Ihnen um jeden Preis ersparen will. Ich sage das ganz offen, obwohl der verstockte Junge ein paar Schritte vor mir steht. Er wird entlassen, nein, nein, Frau Oberkchin, er wird vollstndig entlassen, nein, nein, er wird zu keiner anderen Arbeit versetzt, er ist vollstndig unbrauchbar. brigens laufen ja auch sonst Beschwerden gegen ihn ein. Der Oberportier zum Beispiel, ja also, was denn, Feodor, ja, Feodor beklagt sich ber die Unhflichkeit und Frechheit dieses Jungen. Wie, das soll nicht gengen? Ja, liebe Frau Oberkchin, Sie verleugnen wegen dieses Jungen Ihren Charakter. Nein, so drfen Sie mir nicht zusetzen. In diesem Augenblick beugte sich der Portier zum Ohr des Oberkellners und flsterte etwas. Der Oberkellner sah ihn zuerst erstaunt an und redete dann so rasch in das Telephon, da Karl ihn anfangs nicht ganz genau verstand und auf den Fuspitzen zwei Schritte nher trat. Liebe Frau Oberkchin, hie es, aufrichtig gesagt, ich htte nicht geglaubt, da Sie eine so schlechte Menschenkennerin sind. Eben erfahre ich etwas ber Ihren Engelsjungen, was Ihre Meinung ber ihn grndlich ndern wird, und es tut mir fast leid, da gerade ich es Ihnen sagen mu. Dieser feine Junge also, den Sie ein Muster von Anstand nennen, lt keine dienstfreie Nacht vergehen, ohne in die Stadt zu laufen, aus der er erst am Morgen wiederkommt. Ja, ja, Frau Oberkchin, das ist durch Zeugen bewiesen, durch einwandfreie Zeugen, ja. Knnen Sie mir nun vielleicht sagen, wo er das Geld zu diesen Lustbarkeiten hernimmt? Wie er die Aufmerksamkeit fr seinen Dienst behalten soll? Und wollen Sie vielleicht auch noch, da ich Ihnen beschreiben soll, was er in der Stadt treibt? Diesen Jungen loszuwerden will ich mich aber ganz besonders beeilen. Und Sie, bitte, nehmen das als Mahnung, wie vorsichtig man gegen hergelaufene Burschen sein soll. Aber, Herr Oberkellner, rief nun Karl, frmlich erleichtert durch den groen Irrtum, der hier unterlaufen schien und der vielleicht am ehesten dazu fhren konnte, da sich alles noch unerwartet besserte, da liegt bestimmt eine Verwechslung vor. Ich glaube, der Herr Oberportier hat Ihnen gesagt, da ich jede Nacht weggehe. Das ist aber durchaus nicht richtig, ich bin vielmehr jede Nacht im Schlafsaal, das knnen alle Jungens besttigen. Wenn ich nicht schlafe, lerne ich kaufmnnische Korrespondenz, aber aus dem Schlafsaal rhre ich mich keine Nacht. Das ist ja leicht zu beweisen. Der Herr Oberportier verwechselt mich offenbar mit jemand anderem, und jetzt verstehe ich auch, warum er glaubt, da ich ihn nicht gre. Wirst du sofort schweigen, schrie der Oberportier und schttelte die Faust, wo andere einen Finger bewegt htten. Ich soll dich mit jemand anderem verwechseln! Ja, dann kann ich nicht mehr Oberportier sein, wenn ich die Leute verwechsle. Hren Sie nur, Herr Isbary, dann kann ich nicht mehr Oberportier sein, nun ja, wenn ich die Leute verwechsle. In meinen dreiig Dienstjahren ist mir allerdings noch keine Verwechslung passiert, wie mir Hunderte von Herren Oberkellnern, die wir seit jener Zeit hatten, besttigen mssen, aber bei dir, miserabler Junge, soll ich mit den Verwechslungen angefangen haben. Bei dir, mit deiner auffallenden, glatten Fratze. Was gibt es da zu verwechseln! Du knntest jede Nacht hinter meinem Rcken in die Stadt gelaufen sein, und ich besttige blo nach deinem Gesicht, da du ein ausgegorener Lump bist. La, Feodor! sagte der Oberkellner, dessen telephonisches Gesprch mit der Oberkchin pltzlich abgebrochen worden zu sein schien. Die Sache ist ja ganz einfach. Auf seine Unterhaltungen in der Nacht kommt es in erster Reihe gar nicht an. Er mchte ja vielleicht vor seinem Abschied noch irgendeine groe Untersuchung ber seine Nachtbeschftigung verursachen wollen. Ich kann mir schon vorstellen, da ihm das gefallen wrde. Es wrden womglich alle vierzig Liftjungen heraufzitiert und als Zeugen einvernommen, die wrden ihn natrlich auch alle verwechselt haben, es mte also zur Zeugenschaft allmhlich das ganze Personal heran, der Hotelbetrieb wrde natrlich auf ein Weilchen eingestellt, und wenn er dann schlielich doch hinausgeworfen wrde, so htte er doch wenigstens seinen Spa gehabt. Also das machen wir lieber nicht. Die Oberkchin, diese gute Frau, hat er schon zum Narren gehalten, und damit soll es genug sein. Ich will nichts weiter hren; du bist wegen Dienstversumnis auf der Stelle aus dem Dienst entlassen. Da gebe ich dir eine Anweisung an die Kasse, da dir dein Lohn bis zum heutigen Tage ausgezahlt werde. Das ist brigens bei deinem Verhalten unter uns gesagt einfach ein Geschenk, das ich dir nur aus Rcksicht auf die Frau Oberkchin mache. Ein telephonischer Anruf hielt den Oberkellner ab, die Anweisung sofort zu unterschreiben. Die Liftjungen geben mir aber heute zu schaffen! rief er schon nach Anhren der ersten Worte. Das ist ja unerhrt! rief er nach einem Weilchen. Und vom Telephon weg wandte er sich zum Hotelportier und sagte: Bitte, Feodor, halt mal diesen Burschen ein wenig, wir werden noch mit ihm zu reden haben. Und ins Telephon gab er den Befehl: Komm sofort herauf. Nun konnte sich der Oberportier wenigstens austoben, was ihm beim Reden nicht hatte gelingen wollen. Er hielt Karl oben am Arm fest, aber nicht etwa mit ruhigem Griff, der schlielich auszuhalten gewesen wre, sondern er lockerte hie und da den Griff und machte ihn dann mit Steigerung fester und fester, was bei seinen groen Krperkrften gar nicht aufzuhren schien und ein Dunkel vor Karls Augen verursachte. Aber er hielt Karl nicht nur, sondern als htte er auch den Befehl bekommen, ihn gleichzeitig zu strecken, zog er ihn auch hie und da in die Hhe und schttelte ihn, wobei er immer wieder halb fragend zum Oberkellner sagte: Ob ich ihn jetzt nur nicht verwechsle, ob ich ihn jetzt nur nicht verwechsle. Es war eine Erlsung fr Karl, als der oberste der Liftjungen, ein gewisser Be, ein ewig fauchender, dicker Junge, eintrat, und die Aufmerksamkeit des Oberportiers ein wenig auf sich lenkte. Karl war so ermattet, da er kaum grte, als er zu seinem Erstaunen hinter dem Jungen Therese, leichenbla, unordentlich angezogen, mit lose aufgesteckten Haaren, hereinschlpfen sah. Im Augenblick war sie bei ihm und flsterte: Wei es schon die Oberkchin? Der Oberkellner hat es ihr telephoniert, antwortete Karl. Dann ist es schon gut, dann ist es schon gut, sagte sie rasch, mit lebhaften Augen. Nein, sagte Karl. Du weit ja nicht, was sie gegen mich haben. Ich mu weg, die Oberkchin ist davon auch schon berzeugt. Bitte, bleib nicht hier, geh hinauf, ich werde mich dann von dir verabschieden kommen. Aber, Romann, was fllt dir denn ein, du wirst schn bei uns bleiben, solange es dir gefllt. Der Oberkellner macht ja alles, was die Oberkchin will, er liebt sie ja, ich habe es letzthin erfahren. Da sei nur ruhig. Bitte, Therese, geh jetzt weg. Ich kann mich nicht so gut verteidigen, wenn du hier bist. Und ich mu mich genau verteidigen, weil Lgen gegen mich vorgebracht werden. Je besser ich aber aufpassen und mich verteidigen kann, desto mehr Hoffnung ist, da ich bleibe. Also, Therese Leider konnte er in einem pltzlichen Schmerz nicht unterlassen, leise hinzuzufgen: Wenn mich nur dieser Oberportier losliee! Ich wute gar nicht, da er mein Feind ist. Aber wie er mich immerfort drckt und zieht! Warum sage ich das nur! dachte er gleichzeitig, kein Frauenzimmer kann das ruhig anhren, und tatschlich wandte sich Therese, ohne da er sie noch mit der freien Hand htte davon abhalten knnen, an den Oberportier: Herr Oberportier, bitte, lassen Sie doch sofort den Romann frei, Sie machen ihm ja Schmerzen. Die Frau Oberkchin wird gleich persnlich kommen, und dann wird man schon sehen, da ihm in allem Unrecht geschieht. Lassen Sie ihn los; was kann es Ihnen denn fr ein Vergngen machen, ihn zu qulen! Und sie griff sogar nach des Oberportiers Hand. Befehl, kleines Frulein, Befehl, sagte der Oberportier und zog mit der freien Hand Therese freundlich an sich, whrend er mit der anderen Karl nun sogar angestrengt drckte, als wolle er ihm nicht nur Schmerzen machen, sondern als habe er mit diesem in seinem Besitz befindlichen Arm ein besonderes Ziel, das noch lange nicht erreicht sei. Therese brauchte einige Zeit, um sich der Umarmung des Oberportiers zu entwinden, und wollte sich gerade beim Oberkellner, der sich noch immer von dem sehr umstndlichen Be erzhlen lie, fr Karl einsetzen, als die Oberkchin mit raschem Schritte eintrat. Gott sei Dank! rief Therese und man hrte einen Augenblick lang im Zimmer nichts als diese lauten Worte. Gleich sprang der Oberkellner auf und schob Be zur Seite. Sie kommen also selbst, Frau Oberkchin? Wegen dieser Kleinigkeit? Nach unserem Telephongesprch konnte ich es ja ahnen, aber geglaubt habe ich es eigentlich doch nicht. Und dabei wird die Sache Ihres Schtzlings immerfort rger. Ich frchte, ich werde ihn tatschlich nicht entlassen, aber dafr einsperren lassen mssen. Hren Sie selbst. Und er winkte Be herbei. Ich mchte zuerst ein paar Worte mit dem Romann reden, sagte die Oberkchin und setzte sich auf einen Sessel, da sie der Oberkellner hierzu ntigte. Karl, bitte, komm nher, sagte sie dann. Karl folgte oder wurde vielmehr vom Oberportier nher geschleppt. Lassen Sie ihn doch los, sagte die Oberkchin rgerlich, er ist doch kein Raubmrder! Der Oberportier lie ihn tatschlich los, drckte aber vorher noch einmal so stark, da ihm selbst vor Anstrengung die Trnen in die Augen traten. Karl, sagte die Oberkchin, legte die Hnde ruhig in den Scho und sah Karl mit geneigtem Kopfe an es war gar nicht wie ein Verhr, vor allem will ich dir sagen, da ich noch vollstndiges Vertrauen zu dir habe. Auch der Herr Oberkellner ist ein gerechter Mann, dafr brge ich. Wir beide wollen dich im Grunde gerne hier behalten sie sah hierbei flchtig zum Oberkellner hinber, als wolle sie bitten, ihr nicht ins Wort zu fallen. Es geschah auch nicht. Vergi also, was man dir bis jetzt vielleicht hier gesagt hat. Vor allem, was dir vielleicht der Herr Oberportier gesagt hat, mut du nicht besonders schwer nehmen. Er ist zwar ein aufgeregter Mann, was bei seinem Dienst kein Wunder ist, aber hat auch Frau und Kinder und wei, da man einen Jungen, der nur auf sich angewiesen ist, nicht unntig plagen mu, sondern da das schon die brige Welt gengend besorgt. Es war ganz still im Zimmer. Der Oberportier sah, Erklrungen fordernd, auf den Oberkellner, dieser sah auf die Oberkchin und schttelte den Kopf. Der Liftjunge Be grinste recht sinnlos hinter dem Rcken des Oberkellners. Therese schluchzte vor Freude und Leid in sich hinein und hatte alle Mhe, es niemanden hren zu lassen. Karl aber blickte, obwohl das nur als schlechtes Zeichen aufgefat werden konnte, nicht auf die Oberkchin, die gewi nach seinem Blick verlangte, sondern vor sich auf den Fuboden. In seinem Arm zuckte der Schmerz nach allen Richtungen, das Hemd klebte an den Striemen fest, und er htte eigentlich den Rock ausziehen und die Sache besehen sollen. Was die Oberkchin sagte, war natrlich sehr freundlich gemeint, aber unglcklicherweise schien es ihm, als msse es gerade durch das Verhalten der Oberkchin zutage treten, da er keine Freundlichkeit verdiene, da er die Wohltaten der Oberkchin zwei Monate unverdient genossen habe, ja, da er nichts anderes verdiene, als unter die Hnde des Oberportiers zu kommen. Ich sage das, fuhr die Oberkchin fort, damit du jetzt unbeirrt antwortest, was du brigens wahrscheinlich auch sonst getan httest, wie ich dich zu kennen glaube. Darf ich, bitte, inzwischen den Arzt holen, der Mann knnte nmlich inzwischen verbluten, mischte sich pltzlich der Liftjunge Be sehr hflich, aber sehr strend ein. Geh, sagte der Oberkellner zu Be, der gleich davonlief. Und dann zur Oberkchin: Die Sache ist die. Der Oberportier hat den Jungen da nicht zum Spa festgehalten. Unten, im Schlafsaal der Liftjungen, ist nmlich in einem Bett sorgfltig zugedeckt ein wildfremder, schwer betrunkener Mann aufgefunden worden. Man hat ihn natrlich geweckt und wollte ihn wegschaffen. Da hat dieser Mann aber einen groen Radau zu machen angefangen, immer wieder herumgeschrien, der Schlafsaal gehre dem Karl Romann, dessen Gast er sei, der ihn hergebracht habe und der jeden bestrafen werde, der ihn anzurhren wagen wrde. Im brigen msse er auch deshalb auf den Karl Romann warten, weil ihm dieser Geld versprochen habe und es nur holen gegangen sei. Achten Sie, bitte, darauf, Frau Oberkchin: Geld versprochen habe und es holen gegangen sei. Du kannst auch achtgeben, Romann, sagte der Oberkellner nebenbei zu Karl, der sich gerade nach Therese umgedreht hatte, die wie gebannt den Oberkellner anstarrte und immer wieder entweder irgendwelche Haare aus der Stirn strich oder diese Handbewegung um ihrer selbst willen machte. Aber vielleicht erinnere ich dich an irgendwelche Verpflichtungen. Der Mann unten hat nmlich weiterhin gesagt, da ihr beide nach deiner Rckkunft irgendeiner Sngerin einen Nachtbesuch machen werdet, deren Namen allerdings niemand verstanden hat, da ihn der Mann immer nur unter Gesang aussprechen konnte. Hier unterbrach sich der Oberkellner, denn die sichtlich bleich gewordene Oberkchin erhob sich vom Sessel, den sie ein wenig zurckstie. Ich verschone Sie mit dem Weiteren, sagte der Oberkellner. Nein, bitte, nein, sagte die Oberkchin und ergriff seine Hand, erzhlen Sie nur weiter, ich will alles hren, darum bin ich ja hier. Der Oberportier, der vortrat und sich zum Zeichen dessen, da er von Anfang an alles durchschaut hatte, laut auf die Brust schlug, wurde vom Oberkellner mit den Worten: Ja, Sie hatten ganz recht, Feodor! gleichzeitig beruhigt und zurckgewiesen. Es ist nicht mehr viel zu erzhlen, sagte der Oberkellner. Wie die Jungen eben schon sind, haben sie den Mann zuerst ausgelacht, haben dann mit ihm Streit bekommen, und er ist, da dort immer gute Boxer zur Verfgung stehen, einfach niedergeboxt worden; und ich habe gar nicht zu fragen gewagt, an welchen und an wie vielen Stellen er blutet, denn diese Jungen sind frchterliche Boxer, und ein Betrunkener macht es ihnen natrlich leicht! So, sagte die Oberkchin, hielt den Sessel an der Lehne und sah auf den Platz, den sie eben verlassen hatte. Also sprich doch, bitte, ein Wort, Romann! sagte sie dann. Therese war von ihrem bisherigen Platz zur Oberkchin hinbergelaufen und hatte sich, was sie Karl sonst niemals hatte tun sehen, in die Oberkchin eingehngt. Der Oberkellner stand knapp hinter der Oberkchin und glttete langsam einen kleinen, bescheidenen Spitzenkragen der Oberkchin, der sich ein wenig umgeschlungen hatte. Der Oberportier neben Karl sagte: Also wird's?, wollte damit aber nur einen Sto markieren, den er unterdessen Karl in den Rcken gab. Es ist wahr, sagte Karl, infolge des Stoes unsicherer, als er wollte, da ich den Mann in den Schlafsaal gebracht habe. Mehr wollen wir nicht wissen, sagte der Portier im Namen aller. Die Oberkchin wandte sich stumm zum Oberkellner und dann zu Therese. Ich konnte mir nicht anders helfen, sagte Karl weiter. Der Mann ist mein Kamerad von frher her, er kam, nachdem wir uns zwei Monate lang nicht gesehen hatten, hierher, um mir einen Besuch zu machen, war aber so betrunken, da er nicht wieder allein fortgehen konnte. Der Oberkellner sagte neben der Oberkchin halblaut vor sich hin: Er kam also zu Besuch und war nachher so betrunken, da er nicht fortgehen konnte. Die Oberkchin flsterte ber die Schulter dem Oberkellner etwas zu, der mit einem offenbar nicht zu dieser Sache gehrigen Lcheln Einwnde zu machen schien. Therese Karl sah nur zu ihr hin drckte ihr Gesicht in vlliger Hilflosigkeit an die Oberkchin und wollte nichts mehr sehen. Der einzige, der mit Karls Erklrung vollstndig zufrieden war, war der Oberportier, welcher einigemal wiederholte: Es ist ja ganz recht, seinem Saufbruder mu man helfen, und diese Erklrung jedem der Anwesenden durch Blicke und Handbewegungen einzuprgen suchte. Schuld also bin ich, sagte Karl und machte eine Pause, als warte er auf ein freundliches Wort seiner Richter, das ihm Mut zur weiteren Verteidigung geben knnte, aber es kam nicht, schuld bin ich nur daran, da ich den Mann er heit Robinson, ist ein Irlnder in den Schlafsaal gebracht habe. Alles andere, was er gesagt hat, hat er aus Betrunkenheit gesagt und ist nicht richtig. Du hast ihm also kein Geld versprochen?" fragte der Oberkellner. Ja, sagte Karl, und es tat ihm leid, da er das vergessen hatte, er hatte sich aus Unberlegtheit oder Zerstreutheit in allzu bestimmten Ausdrcken als schuldlos bezeichnet. Geld habe ich ihm versprochen, weil er mich darum gebeten hat. Aber ich wollte es nicht holen, sondern ihm das Trinkgeld geben, das ich heute nacht verdient hatte Und er zog zum Beweise das Geld aus der Tasche und zeigte auf der flachen Hand die paar kleinen Mnzen. Du verrennst dich immer mehr, sagte der Oberkellner. Wenn man dir glauben sollte, mte man immer das, was du frher gesagt hast, vergessen. Zuerst hast du also den Mann nicht einmal den Namen Robinson glaube ich dir, so hat, seit es Irland gibt, kein Irlnder geheien, zuerst also hast du ihn nur in den Schlafsaal gebracht, wofr allein du brigens schon im Schwung hinausfliegen knntest, Geld aber hast du ihm zuerst nicht versprochen, dann wieder, wenn man dich berraschend fragt, hast du ihm Geld versprochen. Aber wir haben hier kein Antwort- und Fragespiel, sondern wollen deine Rechtfertigung hren. Zuerst aber wolltest du das Geld nicht holen, sondern ihm dein heutiges Trinkgeld geben, dann aber zeigt sich, da du dieses Geld noch bei dir hast, also offenbar doch noch anderes holen wolltest, wofr auch dein langes Ausbleiben spricht. Schlielich wre es ja nichts Besonderes, wenn du fr ihn aus deinem Koffer httest Geld holen wollen; da du es aber mit aller Kraft leugnest, das ist allerdings etwas Besonderes, ebenso wie du auch immerfort verschweigen willst, da du den Mann erst hier im Hotel betrunken gemacht hast, woran ja nicht der geringste Zweifel ist, denn du selbst hast zugegeben, da er allein gekommen ist, aber nicht allein weggehen konnte, und er selbst hat ja im Schlafsaal herumgeschrien, da er dein Gast ist. Fraglich also bleiben jetzt nur noch zwei Dinge, die du, wenn du die Sache vereinfachen willst, selbst beantworten kannst, die man aber schlielich auch ohne deine Mithilfe wird feststellen knnen: Erstens, wie hast du dir den Zutritt zu den Vorratskammern verschafft, und zweitens, wie hast du verschenkbares Geld angesammelt? Es ist unmglich, sich zu verteidigen, wenn nicht guter Wille da ist, sagte sich Karl und antwortete dem Oberkellner nicht mehr, so sehr Therese wahrscheinlich darunter litt. Er wute, da alles, was er sagen konnte, hinterher ganz anders aussehen wrde, als es gemeint gewesen war, und da es nur der Art der Beurteilung berlassen bleibe, Gutes oder Bses vorzufinden. Er antwortet nicht, sagte die Oberkchin. Es ist das Vernnftigste, was er tun kann, sagte der Oberkellner. Er wird sich schon noch etwas ausdenken, sagte der Oberportier und strich mit der frher grausamen Hand behutsam seinen Bart. Sei still, sagte die Oberkchin zu Therese, die an ihrer Seite zu schluchzen begann, du siehst, er antwortet nicht, wie kann ich denn da etwas fr ihn tun? Schlielich bin ich es, die vor dem Herrn Oberkellner unrecht behlt. Sag doch, Therese, habe ich deiner Meinung nach etwas fr ihn zu tun versumt? Wie konnte das Therese wissen, und was ntzte es, da sich die Oberkchin durch diese ffentlich an das kleine Mdchen gerichtete Frage und Bitte vor diesen beiden Herren vielleicht viel vergab? Frau Oberkchin, sagte Karl, der sich noch einmal aufraffte, aber nur um Therese die Antwort zu ersparen, zu keinem anderen Zweck, ich glaube nicht, da ich Ihnen irgendwie Schande gemacht habe, und nach genauer Untersuchung mte das auch jeder andere finden. Jeder andere, sagte der Oberportier und zeigte mit dem Finger auf den Oberkellner, das ist eine Spitze gegen Sie, Herr Isbary. Nun, Frau Oberkchin, sagte dieser, es ist halb sieben, hohe und hchste Zeit. Ich denke, Sie lassen mir am besten das Schluwort in dieser schon allzu duldsam behandelten Sache. Der kleine Giacomo war hereingekommen, wollte zu Karl treten, lie aber, durch die allgemein herrschende Stille erschreckt, davon ab und wartete. Die Oberkchin hatte seit Karls letzten Worten den Blick nicht von ihm gewendet, und es deutete auch nichts daraufhin, da sie die Bemerkung des Oberkellners gehrt hatte. Ihre Augen sahen voll auf Karl hin, sie waren gro und blau, aber ein wenig getrbt durch das Alter und die viele Mhe. Wie sie so dastand und den Sessel vor sich schwach schaukelte, htte man ganz gut erwarten knnen, sie werde im nchsten Augenblick sagen: Nun, Karl, die Sache ist, wenn ich es berlege, noch nicht recht klargestellt und braucht, wie du richtig gesagt hast, noch eine genaue Untersuchung. Und die wollen wir jetzt veranstalten, ob man sonst damit einverstanden ist oder nicht, denn Gerechtigkeit mu sein. Statt dessen aber sagte die Oberkchin nach einer kleinen Pause, die niemand zu unterbrechen gewagt hatte nur die Uhr schlug in Besttigung der Worte des Oberkellners halb sieben und mit ihr, wie jeder wute, gleichzeitig alle Uhren im ganzen Hotel, es klang im Ohr und in der Ahnung wie das zweimalige Zucken einer einzigen groen Ungeduld: Nein, Karl, nein, nein! Das wollen wir uns nicht einreden. Gerechte Dinge haben auch ein besonderes Aussehen, und das hat, ich mu es gestehen, deine Sache nicht. Ich darf das sagen und mu es auch sagen; ich mu es gestehen, denn ich bin es, die mit dem besten Vorurteil fr dich hergekommen ist. Du siehst, auch Therese schweigt. (Aber sie schwieg doch nicht, sie weinte.) Die Oberkchin stockte in einem pltzlich sie berkommenden Entschlu und sagte: Karl, komm einmal her, und als er zu ihr gekommen war gleich vereinigten sich hinter seinem Rcken der Oberkellner und der Oberportier zu lebhaftem Gesprch, umfate sie ihn mit der linken Hand, ging mit ihm und der willenlos folgenden Therese in die Tiefe des Zimmers und dort mit beiden einigemal auf und ab, wobei sie sagte: Es ist mglich, Karl, und darauf scheinst du zu vertrauen, sonst wrde ich dich berhaupt nicht verstehen, da eine Untersuchung dir in einzelnen Kleinigkeiten recht geben wird. Warum denn nicht? Du hast vielleicht tatschlich den Oberportier gegrt. Ich glaube es sogar bestimmt, ich wei auch, was ich von dem Oberportier zu halten habe, du siehst, ich rede selbst jetzt offen zu dir. Aber solche kleine Rechtfertigungen helfen dir gar nichts. Der Oberkellner, dessen Menschenkenntnis ich im Laufe vieler Jahre zu schtzen gelernt habe, und welcher der verllichste Mensch ist, den ich berhaupt kenne, hat deine Schuld klar ausgesprochen, und die scheint mir allerdings unwiderleglich. Vielleicht hast du blo unberlegt gehandelt, vielleicht aber bist du nicht der, fr den ich dich gehalten habe. Und doch, damit unterbrach sie sich gewissermaen selbst und sah flchtig nach den beiden Herren zurck, kann ich es mir noch nicht abgewhnen, dich fr einen im Grunde anstndigen Jungen zu halten. Frau Oberkchin! Frau Oberkchin! mahnte der Oberkellner, der ihren Blick aufgefangen hatte. Wir sind gleich fertig, sagte die Oberkchin und redete nun schneller auf Karl ein: Hre, Karl, so wie ich die Sache bersehe, bin ich noch froh, da der Oberkellner keine Untersuchung einleiten will; denn, wollte er sie einleiten, ich mte es in deinem Interesse verhindern. Niemand soll erfahren, wie und womit du den Mann bewirtet hast, der brigens nicht einer deiner frheren Kameraden gewesen sein kann, wie du vorgibst, denn mit denen hast du ja zum Abschied groen Streit gehabt, so da du nicht jetzt einen von ihnen traktieren wirst. Es kann also nur ein Bekannter sein, mit dem du dich leichtsinnigerweise in der Nacht in irgendeiner stdtischen Kneipe verbrdert hast. Wie konntest du mir, Karl, alle diese Dinge verbergen? Wenn es dir im Schlafsaal vielleicht unertrglich war und du zuerst aus diesem unschuldigen Grunde mit deinem Nachtschwrmen angefangen hast, warum hast du denn kein Wort gesagt, du weit, ich wollte dir ein eigenes Zimmer verschaffen und habe darauf geradezu erst ber deine Bitten verzichtet. Es scheint jetzt, als httest du den allgemeinen Schlafsaal vorgezogen, weil du dich dort ungebundener fhltest. Und dein Geld hattest du doch in meiner Kassa aufgehoben, und die Trinkgelder brachtest du mir jede Woche; woher, um Gottes willen, Junge, hast du das Geld fr deine Vergngungen genommen und woher wolltest du jetzt das Geld fr deinen Freund holen? Das sind natrlich lauter Dinge, die ich wenigstens jetzt dem Oberkellner gar nicht andeuten darf, denn dann wre vielleicht eine Untersuchung unausweichlich. Du mut also unbedingt aus dem Hotel, und zwar so schnell als mglich. Geh direkt in die Pension Brenner du warst doch schon mehrmals mit Therese dort sie werden dich auf diese Empfehlung hin umsonst aufnehmen und die Oberkchin schrieb mit einem goldenen Crayon, den sie aus der Bluse zog, einige Zeilen auf eine Visitenkarte, wobei sie aber die Rede nicht unterbrach deinen Koffer werde ich dir gleich nachschicken. Therese, lauf doch in die Garderobe der Liftjungen und pack seinen Koffer! (Aber Therese rhrte sich noch nicht, sondern wollte, wie sie alles Leid ausgehalten hatte, nun auch die Wendung zum Besseren, welche die Sache Karls dank der Gte der Oberkchin nahm, ganz miterleben.) Jemand ffnete, ohne sich zu zeigen, ein wenig die Tr und schlo sie gleich wieder. Es mute offenbar Giacomo gegolten haben, denn dieser trat vor und sagte: Romann, ich habe dir etwas auszurichten. Gleich, sagte die Oberkchin und steckte Karl, der mit gesenktem Kopf ihr zugehrt hatte, die Visitenkarte in die Tasche, dein Geld behalte ich vorlufig, du weit, du kannst es mir anvertrauen. Heute bleib zu Hause und berlege deine Angelegenheit, morgen heute habe ich keine Zeit, auch habe ich mich schon viel zu lange hier aufgehalten komme ich zu Brenner, und wir werden zusehen, was wir weiter fr dich machen knnen. Verlassen werde ich dich nicht, das sollst du jedenfalls schon heute wissen. ber deine Zukunft mut du dir keine Sorgen machen, eher ber die letztvergangene Zeit. Darauf klopfte sie ihm leicht auf die Schulter und ging zum Oberkellner hinber. Karl hob den Kopf und sah der groen, stattlichen Frau nach, die sich in ruhigem Schritt und freier Haltung von ihm entfernte. Bist du denn gar nicht froh, sagte Therese, die bei ihm zurckgeblieben war, da alles so gut ausgefallen ist? O ja, sagte Karl und lchelte ihr zu, wute aber nicht, warum er darber froh sein sollte, da man ihn als einen Dieb wegschickte. Aus Theresens Augen strahlte die reinste Freude, als sei es ihr ganz gleichgltig, ob Karl etwas verbrochen hatte oder nicht, ob er gerecht beurteilt worden war oder nicht, wenn man ihn nur gerade entwischen lie, in Schande oder in Ehren. Und so verhielt sich gerade Therese, die doch in ihren eigenen Angelegenheiten so peinlich war und ein nicht ganz eindeutiges Wort der Oberkchin wochenlang in ihren Gedanken drehte und untersuchte. Mit Absicht fragte er: Wirst du meinen Koffer gleich packen und wegschicken? Er mute gegen seinen Willen vor Staunen den Kopf schtteln, so schnell fand sich Therese in die Frage hinein, und die berzeugung, da in dem Koffer Dinge waren, die man vor allen Leuten geheimhalten mute, lie sie gar nicht nach Karl hinbersehen, gar nicht ihm die Hand reichen, sondern nur flstern: Natrlich, Karl, gleich, gleich werde ich den Koffer packen. Und schon war sie davongelaufen. Nun lie sich aber Giacomo nicht mehr halten, und aufgeregt durch das lange Warten, rief er laut: Romann, der Mann wlzt sich unten im Gang und will sich nicht wegschaffen lassen. Sie wollten ihn ins Krankenhaus bringen lassen, aber er wehrt sich und behauptet, du wrdest niemals dulden, da er ins Krankenhaus kommt. Man solle ein Automobil nehmen und ihn nach Hause schicken, du wrdest das Automobil bezahlen. Willst du? Der Mann hat Vertrauen zu dir, sagte der Oberkellner. Karl zuckte mit den Schultern und zhlte Giacomo sein Geld in die Hand. Mehr habe ich nicht, sagte er dann. Ich soll dich auch fragen, ob du mitfahren willst, fragte noch Giacomo, mit dem Gelde klimpernd. Er wird nicht mitfahren, sagte die Oberkchin. Also, Romann, sagte der Oberkellner schnell und wartete gar nicht, bis Giacomo drauen war, du bist auf der Stelle entlassen. Der Oberportier nickte mehrere Male, als wren es seine eigenen Worte, die der Oberkellner nur nachspreche. Die Grnde deiner Entlassung kann ich nicht laut aussprechen, denn sonst mte ich dich einsperren lassen. Der Oberportier sah auffallend streng zur Oberkchin hinber, denn er hatte wohl erkannt, da sie die Ursache dieser allzu milden Behandlung war. Jetzt geh zu Be, zieh dich um, bergib Be deine Livree und verlasse sofort, aber sofort das Haus. Die Oberkchin schlo die Augen, sie wollte damit Karl beruhigen. Whrend er sich zum Abschied verbeugte, sah er flchtig, wie der Oberkellner die Hand der Oberkchin wie im geheimen umfate und mit ihr spielte. Der Oberportier begleitete Karl mit schweren Schritten bis zur Tr, die er ihn nicht schlieen lie, sondern selbst noch offen hielt, um Karl nachschreien zu knnen: In einer Viertelminute will ich dich beim Haupttor an mir vorbergehen sehen! Merk dir das! Karl beeilte sich, wie er nur konnte, um nur beim Haupttor eine Belstigung zu vermeiden, aber es ging alles viel langsamer, als er wollte. Zuerst war Be nicht gleich zu finden und jetzt, in der Frhstckszeit, war alles voll Menschen, dann zeigte sich, da ein Junge sich Karls alte Hosen ausgeborgt hatte, und Karl mute die Kleiderstnder bei fast allen Betten absuchen, ehe er diese Hosen fand, so da wohl fnf Minuten vergangen waren, ehe Karl zum Haupttor kam. Gerade vor ihm ging eine Dame mitten zwischen vier Herren. Sie gingen alle auf ein groes Automobil zu, das sie erwartete und dessen Schlag bereits ein Lakai geffnet hielt, whrend er den freien linken Arm seitwrts waagrecht und steif ausstreckte, was hchst feierlich aussah. Aber Karl hatte umsonst gehofft, hinter dieser vornehmen Gesellschaft unbemerkt hinauszukommen. Schon fate ihn der Oberportier bei der Hand und zog ihn zwischen zwei Herren hindurch, die er um Verzeihung bat, zu sich hin. Das soll eine Viertelminute gewesen sein, sagte er und sah Karl von der Seite an, als beobachte er eine schlecht gehende Uhr. Komm einmal her, sagte er dann und fhrte ihn in die groe Portierloge, die Karl zwar schon lngst einmal anzusehen Lust gehabt hatte, in die er aber jetzt, von dem Portier geschoben, nur mit Mitrauen eintrat. Er war schon in der Tr, als er sich umwandte und den Versuch machte, den Oberportier wegzuschieben und wegzukommen. Nein, nein, hier geht man hinein, sagte der Oberportier und drehte Karl um. Ich bin doch schon entlassen, sagte Karl und meinte damit, da ihm im Hotel niemand mehr etwas zu befehlen habe. Solange ich dich halte, bist du nicht entlassen, sagte der Portier, was allerdings auch richtig war. Karl fand schlielich auch keine Ursache, warum er sich gegen den Portier wehren sollte. Was konnte ihm denn auch im Grunde noch geschehen? berdies bestanden die Wnde der Portierloge ausschlielich aus ungeheueren Glasscheiben, durch die man die im Vestibl gegeneinanderstrmende Menschenmenge deutlich sah, als wre man mitten unter ihnen. Ja, es schien in der ganzen Portierloge keinen Winkel zu geben, in dem man sich vor den Augen der Leute verbergen konnte. So eilig es dort drauen die Leute zu haben schienen, denn mit ausgestrecktem Arm und gesenktem Kopf, mit sphenden Augen, mit hochgehaltenen Gepckstcken suchten sie ihren Weg, so versumte doch kaum einer, einen Blick in die Portierloge zu werfen, denn hinter deren Scheiben waren immer Ankndigungen und Nachrichten ausgehngt, die sowohl fr die Gste als fr das Hotelpersonal Wichtigkeit hatten. Auerdem aber bestand noch ein unmittelbarer Verkehr der Portierloge mit dem Vestibl, denn an zwei groen Schiebefenstern saen zwei Unterportiers und waren unaufhrlich damit beschftigt, Ausknfte in den verschiedensten Angelegenheiten zu erteilen. Das waren geradezu berbrdete Leute, und Karl htte behaupten wollen, da der Oberportier, wie er ihn kannte, sich in seiner Laufbahn um diese Posten herumgewunden hatte. Diese zwei Auskunftserteiler hatten von auen konnte man sich das nicht richtig vorstellen in der ffnung des Fensters immer zumindest zehn fragende Gesichter vor sich. Unter diesen zehn Fragern, die immerfort wechselten, war oft ein Durcheinander von Sprachen, als sei jeder einzelne von einem anderen Lande abgesandt. Immer fragten einige gleichzeitig, immer redeten auerdem einzelne durcheinander. Die meisten wollten etwas aus der Portierloge holen oder etwas dort abgeben, so sah man immer auch ungeduldig fuchtelnde Hnde aus dem Gedrnge ragen. Einmal hatte einer ein Begehren wegen irgendeiner Zeitung, die sich unversehens von der Hhe aus entfaltete und fr einen Augenblick alle Gesichter verhllte. All diesem muten nun die zwei Unterportiers standhalten. Bloes Reden htte fr ihre Aufgabe nicht gengt, sie plapperten, besonders der eine, ein dsterer Mann mit einem das ganze Gesicht umgebenden dunklen Bart, gab die Auskunft ohne die geringste Unterbrechung. Er sah weder auf die Tischplatte, wo er fortwhrend Handreichungen auszufhren hatte, noch auf das Gesicht dieses oder jenes Fragers, sondern ausschlielich starr vor sich, offenbar um seine Krfte zu sparen und zu sammeln. brigens strte wohl sein Bart ein wenig die Verstndlichkeit seiner Rede, und Karl konnte in dem Weilchen, whrend dessen er bei ihm stehenblieb, sehr wenig von dem Gesagten auffassen, wenn es auch mglicherweise trotz dem englischen Beiklang gerade fremde Sprachen waren, die er gebrauchen mute. Auerdem beirrte es, da sich eine Auskunft so knapp an die andere anschlo und in sie berging, so da oft noch ein Frager mit gespanntem Gesicht zuhorchte, da er glaubte, es gehe noch um seine Sache, um erst nach einem Weilchen zu merken, da er schon erledigt war. Gewhnen mute man sich auch daran, da der Unterportier niemals bat, eine Frage zu wiederholen, selbst wenn sie im ganzen verstndlich und nur ein wenig undeutlich gestellt war, ein kaum merkliches Kopfschtteln verriet dann, da er nicht die Absicht habe, diese Frage zu beantworten, und es war Sache des Fragestellers, seinen eigenen Fehler zu erkennen und die Frage besser zu formulieren. Besonders damit verbrachten manche Leute sehr lange Zeit vor dem Schalter. Zur Untersttzung der Unterportiers war jedem ein Laufbursche beigegeben, der in gestrecktem Lauf von einem Bcherregal und aus verschiedenen Kasten alles herbeizubringen hatte, was der Unterportier gerade bentigte. Das waren die bestbezahlten, wenn auch anstrengendsten Posten, die es im Hotel fr ganz junge Leute gab, in gewissem Sinne waren sie auch noch rger daran als die Unterportiers, denn diese hatten blo nachzudenken und zu reden, whrend die jungen Leute gleichzeitig nachdenken und laufen muten. Brachten sie einmal etwas Unrichtiges herbei, so konnte sich natrlich der Unterportier in der Eile nicht damit aufhalten, ihnen lange Belehrungen zu geben, er warf vielmehr einfach das, was sie ihm auf den Tisch legten, mit einem Ruck vom Tisch hinunter. Sehr interessant war die Ablsung der Unterportiers, die gerade kurz nach dem Eintritt Karls stattfand. Eine solche Ablsung mute natrlich, wenigstens whrend des Tages, fters stattfinden, denn es gab wohl kaum einen Menschen, der es lnger als eine Stunde hinter dem Schalter ausgehalten htte. Zur Ablsungszeit ertnte nun eine Glocke, und gleichzeitig traten aus einer Seitentr die zwei Unterportiers, die jetzt an die Reihe kommen sollten, jeder von seinem Laufburschen gefolgt. Sie stellten sich vorlufig unttig beim Schalter auf und betrachteten ein Weilchen die Leute drauen, um festzustellen, in welchem Stadium sich gerade die augenblickliche Fragebeantwortung befand. Schien ihnen der Augenblick passend, um einzugreifen, klopften sie dem abzulsenden Unterportier auf die Schulter, der, obwohl er sich bisher um nichts, was hinter seinem Rcken vorging, gekmmert hatte, sofort verstand und seinen Platz frei machte. Das Ganze ging so rasch, da es oft die Leute drauen berraschte und sie aus Schrecken ber das so pltzlich vor ihnen auftauchende neue Gesicht fast zurckwichen. Die abgelsten zwei Mnner streckten sich und begossen dann ber zwei bereitstehenden Waschbecken ihre heien Kpfe. Die abgelsten Laufburschen durften sich aber noch nicht strecken, sondern hatten noch ein Weilchen damit zu tun, die whrend ihrer Dienststunden auf den Boden geworfenen Gegenstnde aufzuheben und an ihren Platz zu legen. Alles dieses hatte Karl mit der angespanntesten Aufmerksamkeit in wenigen Augenblicken in sich aufgenommen, und mit leichten Kopfschmerzen folgte er still dem Oberportier, der ihn weiterfhrte. Offenbar hatte auch der Oberportier den groen Eindruck beachtet, den diese Art der Auskunftserteilung auf Karl gemacht hatte, und er ri pltzlich an Karls Hand und sagte: Siehst du, so wird hier gearbeitet. Karl hatte ja allerdings hier im Hotel nicht gefaulenzt, aber von solcher Arbeit hatte er doch keine Ahnung gehabt, und fast vllig vergessend, da der Oberportier sein groer Feind war, sah er zu ihm auf und nickte stumm und anerkennend mit dem Kopf. Das schien dem Oberportier aber wieder eine berschtzung des Unterportiers und vielleicht eine Unhflichkeit gegenber seiner Person zu sein, denn als htte er Karl zum Narren gehalten, rief er, ohne Besorgnis, da man ihn hren knnte: Natrlich ist dieses hier die dmmste Arbeit im ganzen Hotel; wenn man eine Stunde zugehrt hat, kennt man so ziemlich alle Fragen, die gestellt werden, und den Rest braucht man ja nicht zu beantworten. Wenn du nicht frech und ungezogen gewesen wrest, gelogen, gelumpt, gesoffen und gestohlen httest, htte ich dich vielleicht bei so einem Fenster anstellen knnen, denn dazu kann ich ausschlielich nur vernagelte Kpfe brauchen. Karl berhrte gnzlich die Beschimpfung, soweit sie ihn betraf, so sehr war er darber emprt, da die ehrliche und schwere Arbeit der Unterportiers, statt anerkannt zu werden, verhhnt wurde, und berdies verhhnt von einem Mann, der, wenn er es gewagt htte, sich einmal zu einem solchen Schalter zu setzen, gewi nach ein paar Minuten unter dem Gelchter aller Frager htte abziehen mssen. Lassen Sie mich, sagte Karl, seine Neugierde in betreff der Portierloge war bis zum berma gestillt, ich will mit Ihnen nichts mehr zu tun haben. Das gengt nicht, um fortzukommen, sagte der Oberportier, drckte Karls Arme, da dieser sie gar nicht rhren konnte, und trug ihn frmlich an das andere Ende der Portierloge. Sahen die Leute drauen diese Gewaltttigkeit des Oberportiers nicht? Oder, wenn sie es sahen, wie faten sie sie denn auf, da keiner sich darber aufhielt, da niemand wenigstens an die Scheibe klopfte, um dem Oberportier zu zeigen, da er beobachtet werde und nicht nach seinem Gutdnken mit Karl verfahren drfe? Aber bald hatte Karl auch keine Hoffnung mehr, vom Vestibl aus Hilfe zu bekommen, denn der Oberportier griff an eine Schnur und ber den Scheiben der halben Portierloge zogen sich im Fluge bis an die letzte Hhe schwarze Vorhnge zusammen. Auch in diesem Teil der Portierloge waren ja Menschen, aber alle in voller Arbeit und ohne Ohr und Auge fr alles, was nicht mit ihrer Arbeit zusammenhing. Auerdem waren sie ganz vom Oberportier abhngig und htten, statt Karl zu helfen, lieber geholfen, alles zu verbergen, was auch immer dem Oberportier eingefallen wre. Da waren zum Beispiel sechs Unterportiers bei sechs Telephonen. Die Anordnung war, wie man gleich bemerkte, so getroffen, da immer einer blo Gesprche aufnahm, whrend sein Nachbar nach den vom ersten empfangenen Notizen die Auftrge telephonisch weiterleitete. Es waren dies jene neuesten Telephone, fr die keine Telephonzelle ntig war, denn das Glockenluten war nicht lauter als ein Zirpen, man konnte in das Telephon mit Flstern hineinsprechen und doch kamen die Worte dank besonderer elektrischer Verstrkungen mit Donnerstimmen an ihrem Ziele an. Deshalb hrte man die drei Sprecher an ihren Telephonen kaum und htte glauben knnen, sie beobachteten murmelnd irgendeinen Vorgang in der Telephonmuschel, whrend die drei anderen, wie betubt von dem auf sie herandringenden, fr die Umgebung im brigen unhrbaren Lrm, die Kpfe auf das Papier sinken lieen, das zu beschreiben ihre Aufgabe war. Wieder stand auch hier neben jedem der drei Sprecher ein Junge zur Hilfeleistung; diese drei Jungen taten nichts anderes, als abwechselnd den Kopf horchend zu ihrem Herrn zu strecken und dann eilig, als wrden sie gestochen, in riesigen, gelben Bchern die umschlagenden Blttermassen berrauschten bei weitem jedes Gerusch der Telephone die Telephonnummern herauszusuchen. Karl konnte sich tatschlich nicht enthalten, das alles genau zu verfolgen, obwohl der Oberportier, der sich gesetzt hatte, ihn in einer Art Umklammerung vor sich hinhielt. Es ist meine Pflicht, sagte der Oberportier und schttelte Karl, als wolle er nur erreichen, da dieser ihm sein Gesicht zuwende, das, was der Oberkellner aus welchen Grnden immer versumt hat, im Namen der Hoteldirektion wenigstens ein wenig nachzuholen. So tritt hier immer jeder fr den anderen ein. Ohne das wre ein so groer Betrieb undenkbar. Du willst vielleicht sagen, da ich nicht dein unmittelbarer Vorgesetzter bin; nun, desto schner ist es von mir, da ich mich dieser sonst verlassenen Sache annehme. Im brigen bin ich in gewissem Sinne als Oberportier ber alle gesetzt, denn mir unterstehen doch alle Tore des Hotels, also dieses Haupttor, die drei Mittel- und die zehn Nebentore, von den unzhligen Trchen und trlosen Ausgngen gar nicht zu reden. Natrlich haben mir alle in Betracht kommenden Bedienungsmannschaften unbedingt zu gehorchen. Gegenber diesen groen Ehren habe ich natrlich andererseits vor der Hoteldirektion die Verpflichtung, niemanden hinauszulassen, der nur im geringsten verdchtig ist. Gerade du aber kommst mir, weil es mir so beliebt, sogar stark verdchtig vor. Und vor Freude darber hob er die Hnde und lie sie wieder stark zurckschlagen, da es klatschte und wehtat. Es ist mglich, fgte er hinzu und unterhielt sich dabei kniglich, da du bei einem anderen Ausgang unbemerkt hinausgekommen wrest, denn du standest mir natrlich nicht dafr, besondere Anweisungen deinetwegen ergehen zu lassen. Aber da du nun einmal hier bist, will ich dich genieen. Im brigen habe ich nicht daran gezweifelt, da du das Rendezvous, das wir uns beim Haupttor gegeben hatten, auch einhalten wirst, denn das ist eine Regel, da der Freche und der Unfolgsame gerade dort und dann mit seinen Lastern aufhrt, wo es ihm schadet. Du wirst das an dir selbst gewi noch oft beobachten knnen. Glauben Sie nicht, sagte Karl und atmete den eigentmlich dumpfen Geruch ein, der vom Oberportier ausging, und den er erst hier, wo er so lange in seiner nchsten Nhe stand, bemerkte, glauben Sie nicht, sagte er, da ich vollstndig in Ihrer Gewalt bin, ich kann ja schreien. Und ich kann dir den Mund stopfen, sagte der Oberportier ebenso ruhig und schnell, wie er es wohl ntigenfalls auszufhren gedachte. Und meinst du denn wirklich, wenn man deinetwegen hereinkommen sollte, es wrde sich jemand finden, der dir recht geben wrde, mir, dem Oberportier, gegenber? Du siehst also wohl den Unsinn deiner Hoffnungen ein. Weit du, wie du noch in der Uniform warst, da hast du tatschlich noch ein wenig beachtenswert ausgesehen, aber in diesem Anzug, der tatschlich nur in Europa mglich ist! Und er zerrte an den verschiedensten Stellen des Anzuges, der jetzt allerdings, obwohl er vor fnf Monaten noch fast neu gewesen war, abgenutzt, faltig, vor allem aber fleckig war, was hauptschlich auf die Rcksichtslosigkeit der Liftjungen zurckzufhren war, die jeden Tag, um den Saalboden dem allgemeinen Befehl gem glatt und staubfrei zu erhalten, aus Faulheit keine eigentliche Reinigung vornahmen, sondern mit irgendeinem l den Boden besprengten und damit gleichzeitig alle Kleider auf den Kleiderstndern schndlich bespritzten. Nun konnte man seine Kleider aufheben, wo man wollte, immer fand sich einer, der gerade seine Kleider nicht bei der Hand hatte, dagegen die versteckten fremden Kleider mit Leichtigkeit fand und sich ausborgte. Und womglich war dieser eine gerade derjenige, der an diesem Tage die Saalreinigung vorzunehmen hatte und der dann die Kleider nicht nur mit dem l bespritzte, sondern vollstndig von oben bis unten bego. Nur Renell hatte seine kostbaren Kleider an irgendeinem geheimen Orte versteckt, von wo sie kaum jemals einer hervorgezogen hatte, zumal sich ja auch niemand vielleicht aus Bosheit oder Geiz fremde Kleider ausborgte, sondern aus bloer Eile und Nachlssigkeit dort nahm, wo er sie fand. Aber selbst auf Renells Kleid war mitten auf dem Rcken ein kreisrunder, rtlicher lfleck, und in der Stadt htte ein Kenner an diesem Fleck selbst in diesem eleganten jungen Mann den Liftjungen feststellen knnen. Und Karl sagte sich bei diesen Erinnerungen, da er auch als Liftjunge genug gelitten hatte und da doch alles vergebens gewesen war, denn nun war dieser Liftjungendienst nicht, wie er gehofft hatte, eine Vorstufe zu besserer Anstellung gewesen, vielmehr war er jetzt noch tiefer hinabgedrckt worden und sogar sehr nahe an das Gefngnis geraten. berdies wurde er jetzt noch vom Oberportier festgehalten, der wohl darber nachdachte, wie er Karl noch weiter beschmen knne. Und vllig vergessend, da der Oberportier durchaus nicht der Mann war, der sich vielleicht berzeugen lie, rief Karl, whrend er sich mit der gerade freien Hand mehrmals gegen die Stirn schlug: Und wenn ich Sie wirklich nicht gegrt haben sollte, wie kann denn ein erwachsener Mensch wegen eines unterlassenen Grues so rachschtig werden! Ich bin nicht rachschtig, sagte der Oberportier, Ich will nur deine Taschen durchsuchen. Ich bin zwar berzeugt, da ich nichts finden werde, denn du wirst wohl vorsichtig gewesen sein und hast wohl deinen Freund allmhlich alles, jeden Tag etwas, wegschleppen lassen. Aber durchsucht worden mut du sein. Und schon griff er in die eine von Karls Rocktaschen mit solcher Gewalt, da die seitlichen Nhte platzten. Da ist also schon nichts, sagte er und berklaubte in seiner Hand den Inhalt dieser Tasche, einen Reklamekalender des Hotels, ein Blatt mit einer Aufgabe aus kaufmnnischer Korrespondenz, einige Rock- und Hosenknpfe, die Visitenkarte der Oberkchin, einen Polierstift fr die Ngel, den ihm einmal ein Gast beim Kofferpacken zugeworfen hatte, einen alten Taschenspiegel, den ihm Renell einmal zum Dank fr vielleicht zehn Vertretungen im Dienste geschenkt hatte, und noch ein paar Kleinigkeiten. Da ist also nichts, wiederholte der Oberportier und warf alles unter die Bank, als sei es selbstverstndlich, da das Eigentum Karls, soweit es nicht gestohlen war, unter die Bank gehre. Jetzt ist's aber genug, sagte sich Karl sein Gesicht mute glhend rot sein, und als der Oberportier, durch die Gier unvorsichtig gemacht, in Karls zweiter Tasche herumgrub, fuhr Karl mit einem Ruck aus den rmeln heraus, stie im ersten, noch unbeherrschten Sprung einen Unterportier ziemlich stark gegen seinen Apparat, lief durch die schwle Luft, eigentlich langsamer, als er beabsichtigt hatte, zur Tr, war aber glcklich drauen, ehe der Oberportier in seinem schweren Mantel sich auch nur hatte erheben knnen. Die Organisation des Wachdienstes mute doch nicht so mustergltig sein, es lutete zwar von einigen Seiten, aber Gott wei zu welchen Zwecken! Hotelangestellte gingen zwar im Torgang in solcher Anzahl kreuz und quer, da man fast daran denken konnte, sie wollten in unaufflliger Weise den Ausgang unmglich machen, denn viel sonstigen Sinn konnte man in diesem Hin- und Hergehen nicht erkennen; jedenfalls kam Karl bald ins Freie, mute aber noch das Hoteltrottoir entlanggehen, denn zur Strae konnte man nicht gelangen, da eine ununterbrochene Reihe von Automobilen stockend sich am Haupttor vorbeibewegte. Diese Automobile waren, um nur so bald als mglich zu ihrer Herrschaft zu kommen, geradezu ineinandergefahren, jedes wurde vom nachfolgenden vorwrtsgeschoben. Fugnger, die es besonders eilig hatten, auf die Strae zu gelangen, stiegen zwar hie und da durch die einzelnen Automobile hindurch, als sei dort ein ffentlicher Durchgang, und es war ihnen ganz gleichgltig, ob im Automobil nur der Chauffeur und die Dienerschaft sa oder auch die vornehmsten Leute. Ein solches Benehmen schien aber Karl doch bertrieben, und man mute sich wohl in den Verhltnissen schon auskennen, um das zu wagen; wie leicht konnte er an ein Automobil geraten, dessen Insassen das belnahmen, ihn hinunterwarfen und einen Skandal veranlaten, und nichts hatte er als ein entlaufener verdchtiger Hotelangestellter in Hemdrmeln mehr zu frchten. Schlielich konnte ja die Reihe der Automobile nicht in Ewigkeit so fortgehen, und er war auch, solange er sich ans Hotel hielt, eigentlich am wenigsten verdchtig. Tatschlich gelangte Karl endlich an eine Stelle, wo die Automobilreihe zwar nicht aufhrte, aber zur Strae hin abbog und lockerer wurde. Gerade wollte er in den Verkehr der Strae schlpfen, in dem wohl noch viel verdchtiger aussehende Leute, als er war, frei herumliefen, da hrte er in der Nhe seinen Namen rufen. Er wandte sich um und sah, wie zwei ihm wohlbekannte Liftjungen aus einer niedrigen, kleinen Trffnung, die wie der Eingang einer Gruft aussah, mit uerster Anstrengung eine Bahre herauszogen, auf der, wie Karl nun erkannte, wahrhaftig Robinson lag, Kopf, Gesicht und Arme mannigfaltig umbunden. Es war hlich anzusehen, wie er die Arme an die Augen fhrte, um mit dem Verbande die Trnen abzuwischen, die er vor Schmerzen oder vor sonstigem Leid oder gar vor Freude ber das Wiedersehen mit Karl vergo. Romann, rief er vorwurfsvoll, warum lt du mich denn so lange warten! Schon eine Stunde verbringe ich damit, mich zu wehren, damit ich nicht wegtransportiert werde, ehe du kommst. Diese Kerle und er gab dem einen Liftjungen ein Kopfstck, als sei er durch die Verbnde vor Schlgen geschtzt sind ja wahre Teufel. Ach, Romann, der Besuch bei dir ist mir teuer zu stehen gekommen. Was hat man dir denn gemacht? sagte Karl und trat an die Bahre heran, welche die Liftjungen, um sich auszuruhen, lachend niederstellten. Du fragst noch, seufzte Robinson, und siehst, wie ich ausschaue. Bedenke, ich bin ja hchstwahrscheinlich fr mein ganzes Leben zum Krppel geschlagen. Ich habe frchterliche Schmerzen von hier bis hierher und er zeigte zuerst auf den Kopf und dann auf die Zehen, ich mchte dir wnschen, da du gesehen httest, wie ich aus der Nase geblutet habe. Meine Weste ist ganz verdorben, die habe ich berhaupt dort gelassen, meine Hosen sind zerfetzt, ich bin in Unterhosen und er lftete die Decke ein wenig und lud Karl ein, unter sie zu schauen. Was wird nur aus mir werden! Ich werde zumindest einige Monate liegen mssen, und das will ich dir gleich sagen, ich habe niemanden anderen als dich, der mich pflegen knnte, Delamarche ist ja viel zu ungeduldig. Romann, Romannchen! Und Robinson streckte die Hand nach dem ein wenig zurcktretenden Karl aus, um ihn durch Streicheln fr sich zu gewinnen. Warum habe ich dich nur besuchen mssen! wiederholte er mehrere Male, um Karl die Mitschuld nicht vergessen zu lassen, die dieser an seinem Unglck hatte. Nun erkannte zwar Karl sofort, da das Klagen Robinsons nicht von seinen Wunden, sondern von dem ungeheueren Katzenjammer stammte, in dem er sich befand, da er, in schwerer Trunkenheit kaum eingeschlafen, gleich geweckt und zu seiner berraschung blutig geboxt worden war und sich in der wachen Welt gar nicht mehr zurechtfinden konnte. Die Bedeutungslosigkeit der Wunden war schon an den unfrmlichen, aus alten Fetzen bestehenden Verbnden zu sehen, mit denen ihn die Liftjungen offenbar zum Spa ganz und gar umwickelt hatten. Und auch die zwei Liftjungen an den Enden der Bahre prusteten vor Lachen von Zeit zu Zeit. Nun war aber hier nicht der Ort, Robinson zur Besinnung zu bringen, denn strmend eilten hier die Passanten, ohne sich um die Gruppe an der Bahre zu kmmern, vorbei, fters sprangen Leute mit richtigem Turnerschwung ber Robinson hinweg, der mit Karls Geld bezahlte Chauffeur rief: Vorwrts, vorwrts! Die Liftjungen hoben mit letzter Kraft die Bahre auf, Robinson erfate Karls Hand und sagte schmeichelnd: Nun komm, so komm doch. War nicht Karl in dem Aufzug, in dem er sich befand, im Dunkel des Automobils noch am besten aufgehoben? Und so setzte er sich neben Robinson, der den Kopf an ihn lehnte Die zurckbleibenden Liftjungen schttelten ihm, als ihrem gewesenen Kollegen, durch das Coupfenster herzlich die Hand, und das Automobil drehte sich mit scharfer Wendung zur Strae hin, als msse unbedingt ein Unglck geschehen, aber gleich nahm der alles umfassende Verkehr auch die schnurgerade Fahrt dieses Automobils ruhig in sich auf. Ein Asyl Es mute wohl eine entlegene Vorstadtstrae sein, in der das Automobil haltmachte, denn ringsherum herrschte Stille, am Trottoirrand hockten Kinder und spielten. Ein Mann mit einer Menge alter Kleider ber den Schultern rief beobachtend zu den Fenstern der Huser empor. In seiner Mdigkeit fhlte sich Karl unbehaglich, als er aus dem Automobil auf den Asphalt trat, den die Vormittagssonne warm und hell beschien. Wohnst du wirklich hier? rief er ins Automobil hinein. Robinson, der whrend der ganzen Fahrt friedlich geschlafen hatte, brummte irgendeine undeutliche Bejahung und schien darauf zu warten, da Karl ihn hinaustragen werde. Dann habe ich hier also nichts mehr zu tun. Leb wohl, sagte Karl und machte sich daran, die ein wenig sich senkende Strae abwrts zu gehen. Aber Karl, was fllt dir denn ein? rief Robinson und stand schon vor lauter Sorge ziemlich aufrecht, nur mit noch etwas unruhigen Knien, im Wagen. Ich mu doch gehen, sagte Karl, der der raschen Gesundung Robinsons zugesehen hatte. In Hemdrmeln? fragte dieser. Ich werde mir schon noch einen Rock verdienen, antwortete Karl, nickte Robinson zuversichtlich zu, grte mit erhobener Hand und wre wirklich fortgegangen, wenn nicht der Chauffeur gerufen htte: Noch einen kleinen Augenblick Geduld, mein Herr! Es zeigte sich unangenehmerweise, da der Chauffeur noch Ansprche auf eine nachtrgliche Bezahlung stellte, denn die Wartezeit vor dem Hotel war noch nicht bezahlt. Nun ja, rief aus dem Automobil Robinson in Besttigung der Richtigkeit dieser Forderung, ich habe ja dort so lange auf dich warten mssen. Etwas mut du ihm noch geben. Ja, freilich, sagte der Chauffeur. Ja, wenn ich nur noch etwas htte, sagte Karl und griff in die Hosentaschen, obwohl er wute, da es nutzlos war. Ich kann mich nur an Sie halten, sagte der Chauffeur und stellte sich breitbeinig auf, von dem kranken Mann dort kann ich nichts verlangen. Vom Tor her nherte sich ein junger Bursch mit zerfressener Nase und hrte aus einer Entfernung von einigen Schritten zu. Gerade machte durch die Strae ein Polizeimann die Runde, fate mit gesenktem Gesicht den hemdrmeligen Menschen ins Auge und blieb stehen. Robinson, der den Polizeimann auch bemerkt hatte, machte die Dummheit, aus dem anderen Fenster ihm zuzurufen: Es ist nichts, es ist nichts!, als ob man einen Polizeimann wie eine Fliege verscheuchen knnte. Die Kinder, welche den Polizeimann beobachtet hatten, wurden nun durch sein Stillstehen auch auf Karl und den Chauffeur aufmerksam und liefen im Trab herbei. Im Tor gegenber stand eine alte Frau und sah starr hinber. Romann! rief da eine Stimme aus der Hhe. Es war Delamarche, der das vom Balkon des letzten Stockwerks rief. Er selbst war nur schon recht undeutlich gegen den weilich blauen Himmel zu sehen, hatte offenbar einen Schlafrock an und beobachtete mit einem Operngucker die Strae. Neben ihm war ein roter Sonnenschirm aufgespannt, unter dem eine Frau zu sitzen schien. Halloh! rief er mit grter Anstrengung, um sich verstndlich zu machen, ist Robinson auch da? Ja, antwortete Karl, von einem zweiten, viel lauteren Ja Robinsons aus dem Wagen krftig untersttzt. Halloh! rief es zurck, ich komme gleich! Robinson beugte sich aus dem Wagen. Das ist ein Mann, sagte er, und dieses Lob Delamarches war an Karl gerichtet, an den Chauffeur, an den Polizeimann und an jeden, der es hren wollte. Oben auf dem Balkon, den man aus Zerstreutheit noch ansah, obwohl ihn Delamarche schon verlassen hatte, erhob sich nun unter dem Sonnenschirm tatschlich eine starke Frau in rotem, taillenlosem Kleid, nahm den Operngucker von der Brstung und sah durch ihn auf die Leute hinunter, die nur allmhlich die Blicke von ihr wandten. Karl sah in Erwartung Delamarches in das Haustor und weiterhin in den Hof, den eine fast ununterbrochene Reihe von Geschftsdienern durchquerte, von denen jeder eine kleine, aber offenbar sehr schwere Kiste auf der Achsel trug. Der Chauffeur war zu seinem Wagen getreten und putzte, um die Zeit auszunutzen, mit einem Fetzen die Wagenlaternen. Robinson befhlte seine Gliedschmerzen, schien erstaunt ber die geringen Schmerzen zu sein, die er trotz grter Aufmerksamkeit fhlen konnte, und begann vorsichtig, mit tief geneigtem Gesicht, einen der dicken Verbnde am Bein zu lsen. Der Polizeimann hielt sein schwarzes Stckchen quer vor sich und wartete still, mit der groen Geduld, die Polizeileute haben mssen, ob sie nun im gewhnlichen Dienst oder auf der Lauer sind. Der Bursche mit der zerfressenen Nase setzte sich auf einen Torstein und streckte die Beine von sich. Die Kinder nherten sich Karl allmhlich mit kleinen Schritten, denn dieser schien ihnen, obwohl er sie nicht beachtete, wegen seiner blauen Hemdrmel der Wichtigste von allen zu sein. An der Lnge der Zeit, die bis zur Ankunft Delamarches verging, konnte man die groe Hhe dieses Hauses ermessen. Und Delamarche kam sogar sehr eilig, mit nur flchtig zugezogenem Schlafrock. Also, da seid ihr! rief er erfreut und streng zugleich. Bei seinen groen Schritten enthllte sich stets fr einen Augenblick seine farbige Unterkleidung. Karl begriff nicht ganz, warum Delamarche hier, in der Stadt, in der riesigen Mietskaserne, auf der offenen Strae, so bequem angezogen herumging, als sei er in seiner Privatvilla. Ebenso wie Robinson hatte auch Delamarche sich sehr verndert. Sein dunkles, glatt rasiertes, peinlich reines, von roh ausgearbeiteten Muskeln gebildetes Gesicht sah stolz und respekteinflend aus. Der grelle Schein seiner jetzt immer etwas zusammengezogenen Augen berraschte. Sein violetter Schlafrock war zwar alt, fleckig und fr ihn zu gro, aber aus diesem hlichen Kleidungsstck bauschte sich oben eine mchtige, dunkle Krawatte aus schwerer Seide. Nun? fragte er alle insgesamt. Der Polizeimann trat ein wenig nher und lehnte sich an den Motorkasten des Automobils. Karl gab eine kleine Erklrung. Robinson ist ein wenig marod, aber wenn er sich Mhe gibt, wird er schon die Treppen hinaufgehen knnen; der Chauffeur hier will noch eine Nachzahlung zum Fahrgeld, das ich schon bezahlt habe. Und jetzt gehe ich. Guten Tag. Du gehst nicht, sagte Delamarche. Ich habe es ihm auch schon gesagt, meldete sich Robinson aus dem Wagen. Ich gehe doch, sagte Karl und machte ein paar Schritte. Aber Delamarche war schon hinter ihm und schob ihn mit Gewalt zurck. Ich sage, du bleibst! rief er. Aber lat mich doch, sagte Karl und machte sich bereit, wenn es ntig sein sollte, mit den Fusten sich die Freiheit zu verschaffen, so wenig Aussicht auf Erfolg gegenber einem Mann wie Delamarche auch war. Aber da stand doch der Polizeimann, da war der Chauffeur, hie und da gingen Arbeitergruppen durch die sonst freilich ruhige Strae; wrde man es denn dulden, da ihm von Delamarche ein Unrecht geschehe? In einem Zimmer htte er mit ihm nicht allein sein wollen, aber hier? Delamarche zahlte jetzt ruhig dem Chauffeur, der unter vielen Verbeugungen den unverdient groen Betrag einsteckte und aus Dankbarkeit zu Robinson ging und mit diesem offenbar darber sprach, wie er am besten herausbefrdert werden knnte. Karl sah sich unbeobachtet, vielleicht duldete Delamarche ein stillschweigendes Fortgehen leichter; wenn Streit vermieden werden konnte, war es natrlich am besten, und so ging Karl einfach in die Fahrbahn hinein, um mglichst rasch wegzukommen. Die Kinder strmten zu Delamarche, um ihn auf Karls Flucht aufmerksam zu machen, aber er mute selbst gar nicht eingreifen, denn der Polizeimann sagte mit vorgestrecktem Stabe: Halt! Wie heit du? fragte er, schob den Stab unter den Arm und zog langsam ein Buch hervor. Karl sah ihn jetzt zum erstenmal genauer an, es war ein krftiger Mann, hatte aber schon fast ganz weies Haar. Karl Romann, sagte er. Romann, wiederholte der Polizeimann, zweifellos nur, weil er ein ruhiger und grndlicher Mensch war, aber Karl, der es hier eigentlich zum erstenmal mit amerikanischen Behrden zu tun bekam, sah schon in dieser Wiederholung das Aussprechen eines gewissen Verdachtes. Und tatschlich konnte seine Sache nicht gut stehen, denn selbst Robinson, der doch so sehr mit seinen eigenen Sorgen beschftigt war, bat aus dem Wagen heraus mit stummen lebhaften Handbewegungen den Delamarche, er mge Karl doch helfen. Aber Delamarche wehrte ihn mit hastigem Kopfschtteln ab und sah unttig zu, die Hnde in seinen bergroen Taschen. Der Bursche auf dem Trstein erklrte einer Frau, die jetzt erst aus dem Tore trat, den ganzen Sachverhalt von allem Anfang an. Die Kinder standen in einem Halbkreis hinter Karl und sahen still zum Polizeimann hinauf. Zeig deine Ausweispapiere, sagte der Polizeimann. Das war wohl nur eine formelle Frage; denn wenn man keinen Rock hat, wird man auch nicht viel Ausweispapiere bei sich haben. Karl schwieg deshalb, um lieber auf die nchste Frage ausfhrlich zu antworten und so den Mangel der Ausweispapiere mglichst zu vertuschen. Aber die nchste Frage war: Du hast also keine Ausweispapiere? und Karl mute antworten: Bei mir nicht. Das ist aber schlimm, sagte der Polizeimann, sah nachdenklich im Kreise umher und klopfte mit zwei Fingern auf den Deckel seines Buches. Hast du irgendeinen Verdienst? fragte der Polizeimann schlielich. Ich war Liftjunge, sagte Karl. Du warst Liftjunge, bist es also nicht mehr, und wovon lebst du denn jetzt? Jetzt werde ich mir eine neue Arbeit suchen. Ja, bist du denn entlassen worden? Ja, vor einer Stunde. Pltzlich? Ja, sagte Karl und hob wie zur Entschuldigung die Hand. Die ganze Geschichte konnte er hier nicht erzhlen, und wenn es auch mglich gewesen wre, so schien es doch ganz aussichtslos, ein drohendes Unrecht durch Erzhlung eines erlittenen Unrechts abzuwehren. Und wenn er sein Recht nicht von der Gte der Oberkchin und von der Einsicht des Oberkellners erhalten hatte, von der Gesellschaft hier auf der Strae hatte er es gewi nicht zu erwarten. Und ohne Rock bist du entlassen worden? fragte der Polizeimann. Nun ja, sagte Karl; also auch in Amerika gehrte es zur Art der Behrden, das, was sie sahen, noch eigens zu fragen. (Wie hatte sein Vater bei der Beschaffung des Reisepasses ber die nutzlosen Fragereien der Behrden sich rgern mssen!) Karl hatte groe Lust wegzulaufen, sich irgendwo zu verstecken und keine Fragen mehr anhren zu mssen. Und nun stellte gar der Polizeimann jene Frage, vor der sich Karl am meisten gefrchtet und in deren unruhiger Voraussicht er sich bisher wahrscheinlich unvorsichtiger benommen hatte, als es sonst geschehen wre. In welchem Hotel warst du denn angestellt? Er senkte den Kopf und antwortete nicht, auf diese Frage wollte er unbedingt nicht antworten. Es durfte nicht geschehen, da er, von einem Polizeimann eskortiert, wieder ins Hotel Occidental zurckkme, da dort Verhre stattfanden, zu denen seine Freunde und Feinde beigezogen wrden, da die Oberkchin ihre schon sehr schwach gewordene gute Meinung ber Karl gnzlich aufgab, da sie ihn, den sie in der Pension Brenner vermutete, von einem Polizeimann aufgegriffen, in Hemdrmeln, ohne ihre Visitenkarte, zurckgekehrt fand, whrend der Oberkellner vielleicht nur voll Verstndnis nicken und der Oberportier dagegen von der Hand Gottes sprechen wrde, die den Lumpen endlich gefunden habe. Er war im Hotel Occidental angestellt, sagte Delamarche und trat an die Seite des Polizeimannes. Nein, rief Karl und stampfte mit dem Fue auf, es ist nicht wahr! Delamarche sah ihn mit spttisch zugespitztem Munde an, als knne er noch ganz andere Dinge verraten. Unter die Kinder brachte die unerwartete Aufregung Karls groe Bewegung, und sie zogen zu Delamarche hin, um lieber von dort aus Karl genau anzusehen. Robinson hatte den Kopf vllig aus dem Wagen gesteckt und verhielt sich vor Spannung ganz ruhig; hie und da ein Augenzwinkern war seine einzige Bewegung. Der Bursche im Tor schlug in die Hnde vor Vergngen, die Frau neben ihm gab ihm einen Sto mit dem Ellbogen, damit er ruhig sei. Die Gepcktrger hatten gerade Frhstckspause und erschienen smtlich mit groen Tpfen schwarzen Kaffees, in dem sie mit Stangenbroten herumrhrten. Einige setzten sich auf den Trottoirrand, alle schlurften den Kaffee sehr laut. Sie kennen wohl den Jungen? fragte der Polizeimann den Delamarche. Besser, als mir lieb ist, sagte dieser. Ich habe ihm seinerzeit viel Gutes getan, er aber hat sich dafr sehr schlecht bedankt, was Sie wohl, selbst nach dem ganz kurzen Verhr, das Sie mit ihm angestellt haben, leicht begreifen werden. Ja, sagte der Polizeimann, er scheint ein verstockter Junge zu sein. Das ist er, sagte Delamarche, aber es ist das noch nicht seine schlechteste Eigenschaft. So? sagte der Polizeimann. Ja, sagte Delamarche, der nun im Reden war und dabei mit den Hnden in den Taschen seinen ganzen Mantel in schwingende Bewegung brachte, das ist ein feiner Hecht. Ich und mein Freund dort im Wagen, wir haben ihn zufllig im Elend aufgegriffen, er hatte damals keine Ahnung von amerikanischen Verhltnissen, er kam gerade aus Europa, wo man ihn auch nicht hatte brauchen knnen; nun, wir schleppten ihn mit uns, lieen ihn mit uns leben, erklrten ihm alles, wollten ihm einen Posten verschaffen, dachten, trotz allen Anzeichen, die dagegen sprachen, noch einen brauchbaren Menschen aus ihm zu machen, da verschwand er einmal in der Nacht, war einfach weg, und das unter Begleitumstnden, die ich lieber verschweigen will. War es so oder nicht? fragte Delamarche schlielich und zupfte Karl am Hemdrmel. Zurck, ihr Kinder! rief der Polizeimann, denn diese hatten sich so weit vorgedrngt, da Delamarche fast ber eines gestolpert wre. Inzwischen waren auch die Gepcktrger, die bisher die Interessantheit dieses Verhrs unterschtzt hatten, aufmerksam geworden und hatten sich in dichtem Ring hinter Karl versammelt, der nun auch nicht einen Schritt htte zurcktreten knnen und berdies unaufhrlich in den Ohren das Durcheinander der Stimmen dieser Gepcktrger hatte, die in einem gnzlich unverstndlichen, vielleicht mit slawischen Worten untermischten Englisch mehr polterten als redeten. Danke fr die Auskunft, sagte der Polizeimann und salutierte vor Delamarche. Jedenfalls werde ich ihn mitnehmen und dem Hotel Occidental zurckgeben lassen. Aber Delamarche sagte: Drfte ich die Bitte stellen, mir den Jungen vorlufig zu berlassen, ich htte einiges mit ihm in Ordnung zu bringen. Ich verpflichte mich, ihn dann selbst ins Hotel zurckzufhren. Das kann ich nicht tun, sagte der Polizeimann. Delamarche sagte: Hier ist meine Visitenkarte, und reichte ihm ein Krtchen. Der Polizeimann sah es anerkennend an, sagte aber, verbindlich lchelnd: Nein, es ist vergeblich. So sehr sich Karl bisher vor Delamarche gehtet hatte, jetzt sah er in ihm die einzig mgliche Rettung. Es war zwar verdchtig, wie sich dieser beim Polizeimann um Karl bewarb, aber jedenfalls wrde sich Delamarche leichter als der Polizeimann bewegen lassen, ihn nicht ins Hotel zurckzufhren. Und selbst wenn Karl an der Hand des Delamarche ins Hotel zurckkam, so war es viel weniger schlimm, als wenn es in Begleitung des Polizeimannes geschah. Vorlufig aber durfte natrlich Karl nicht zu erkennen geben, da er tatschlich zu Delamarche wollte, sonst war alles verloren. Und unruhig sah er auf die Hand des Polizeimannes, die sich jeden Augenblick erheben konnte, um ihn zu fassen. Ich mte doch wenigstens erfahren, warum er pltzlich entlassen worden ist, sagte schlielich der Polizeimann, whrend Delamarche mit verdrielichem Gesicht beiseite sah und die Visitenkarte zwischen den Fingerspitzen zerdrckte. Aber er ist doch gar nicht entlassen! rief Robinson zu allgemeiner berraschung und beugte sich, auf den Chauffeur gesttzt mglichst weit aus dem Wagen. Im Gegenteil, er hat ja dort einen guten Posten. Im Schlafsaal ist er der Oberste und kann hineinfhren, wen er will. Nur ist er riesig beschftigt, und wenn man etwas von ihm haben will, mu man lange warten. Immerfort steckt er beim Oberkellner, bei der Oberkchin und ist Vertrauensperson. Entlassen ist er auf keinen Fall. Ich wei nicht, warum er das gesagt hat. Wie kann er denn entlassen sein? Ich habe mich im Hotel schwer verletzt, und da hat er den Auftrag bekommen, mich nach Hause zu schaffen, und weil er gerade ohne Rock war, ist er eben ohne Rock mitgefahren. Ich konnte nicht noch warten, bis er den Rock holt. Nun also, sagte Delamarche mit ausgebreiteten Armen, in einem Ton, als werfe er dem Polizeimann Mangel an Menschenkenntnis vor, und diese seine zwei Worte schienen in die Unbestimmtheit der Aussage Robinsons eine widerspruchslose Klarheit zu bringen. Ist das aber auch wahr? fragte der Polizeimann schon schwcher. Und wenn es wahr ist, warum gibt der Junge vor, entlassen zu sein? Du sollst antworten, sagte Delamarche. Karl sah den Polizeimann an, der hier zwischen fremden, nur auf sich selbst bedachten Leuten Ordnung schaffen sollte, und etwas von seinen allgemeinen Sorgen ging auch auf Karl ber. Er wollte nicht lgen und hielt die Hnde fest verschlungen auf dem Rcken. In dem Tore erschien ein Aufseher und klatschte in die Hnde, zum Zeichen, da die Gepcktrger wieder an ihre Arbeit gehen sollten. Sie schtteten den Bodensatz aus ihren Kaffeetpfen und zogen verstummend mit schwankenden Schritten ins Haus. So kommen wir zu keinem Ende, sagte der Polizeimann und wollte Karl am Arm fassen. Karl wich unwillkrlich noch ein wenig zurck, fhlte den freien Raum, der sich ihm infolge des Abmarsches der Gepcktrger erffnet hatte, wandte sich um und setzte sich unter einigen groen Anfangssprngen in Lauf. Die Kinder brachen in einen einzigen Schrei aus und liefen mit ausgestreckten rmchen ein paar Schritte mit. Haltet ihn! rief der Polizeimann die lange, fast leere Gasse hinab und lief unter gleichmigem Ausstoen dieses Rufes in geruschlosem, groe Kraft und bung verratendem Lauf hinter Karl her. Es war ein Glck fr Karl, da die Verfolgung in einem Arbeiterviertel stattfand. Die Arbeiter halten es nicht mit den Behrden. Karl lief mitten in der Fahrbahn, weil er dort die wenigsten Hindernisse hatte, und sah nun hie und da auf dem Trottoir Arbeiter stehenbleiben und ihn ruhig beobachten, whrend der Polizeimann ihnen sein Haltet ihn! zurief und in seinem Lauf, er hielt sich klugerweise auf dem glatten Trottoir, unaufhrlich den Stab gegen Karl hin ausstreckte. Karl hatte wenig Hoffnung und verlor sie fast ganz, als der Polizeimann nun, da sie sich Quergassen nherten, die gewi auch Polizeipatrouillen enthielten, geradezu betubende Pfiffe ausstie. Karls Vorteil war lediglich seine leichte Kleidung, er flog, oder besser strzte, die sich immer mehr senkende Strae hinab, nur machte er, zerstreut infolge seiner Verschlafenheit, oft zu hohe, zeitraubende und nutzlose Sprnge. Auerdem aber hatte der Polizeimann sein Ziel, ohne nachdenken zu mssen, immer vor Augen, fr Karl dagegen war der Lauf doch eigentlich Nebensache, er mute nachdenken, unter verschiedenen Mglichkeiten auswhlen, immer neu sich entschlieen. Sein etwas verzweifelter Plan war vorlufig, die Quergassen zu vermeiden, da man nicht wissen konnte, was in ihnen steckte, vielleicht wrde er da geradewegs in eine Wachstube hineinlaufen; er wollte sich, solange es nur ging, an diese weithin bersichtliche Strae halten, die erst tief unten in eine Brcke auslief, die, kaum begonnen, in Wasser- und Sonnendunst verschwand. Gerade wollte er sich nach diesem Entschlu zu schnellerem Lauf zusammennehmen, um die erste Querstrae besonders eilig zu passieren, da sah er nicht allzu weit vor sich einen Polizeimann, lauernd an die dunkle Mauer eines im Schatten liegenden Hauses gedrckt, bereit, im richtigen Augenblick auf Karl loszuspringen. Jetzt blieb keine Hilfe als die Quergasse, und als er gar aus dieser Gasse ganz harmlos beim Namen gerufen wurde es schien ihm zwar zuerst eine Tuschung zu sein, denn ein Sausen hatte er schon die ganze Zeit lang in den Ohren, zgerte er nicht mehr lnger und bog, um die Polizeileute mglichst zu berraschen, auf einem Fu sich schwenkend, rechtwinklig in diese Gasse ein. Kaum war er zwei Sprnge weit gekommen da man seinen Namen gerufen hatte, hatte er schon wieder vergessen, nun pfiff auch der zweite Polizeimann, man merkte seine unverbrauchte Kraft, ferne Passanten in dieser Querstrae schienen eine raschere Gangart anzunehmen, da griff aus einer kleinen Haustre eine Hand nach Karl und zog ihn mit den Worten Still sein! in einen dunklen Flur. Es war Delamarche, ganz auer Atem, mit erhitzten Wangen, seine Haare klebten ihm rings um den Kopf. Den Schlafrock trug er unter dem Arm und war nur mit Hemd und Unterhose bekleidet. Die Tre, welche nicht das eigentliche Haustor war, sondern nur einen unscheinbaren Nebeneingang bildete, hatte er gleich geschlossen und versperrt. Einen Augenblick, sagte er dann, lehnte sich mit hochgehaltenem Kopf an die Wand und atmete schwer. Karl lag fast in seinen Armen und drckte halb besinnungslos das Gesicht an seine Brust. Da laufen die Herren, sagte Delamarche und streckte den Finger aufhorchend gegen die Tr. Wirklich liefen jetzt die zwei Polizeileute vorbei, ihr Laufen klang in der leeren Gasse, wie wenn Stahl gegen Stein geschlagen wird. Du bist aber ordentlich hergenommen, sagte Delamarche zu Karl, der noch immer an seinem Atem wrgte und kein Wort herausbringen konnte. Delamarche setzte ihn vorsichtig auf den Boden, kniete neben ihm nieder, strich ihm mehrmals ber die Stirn und beobachtete ihn. Jetzt geht es schon, sagte Karl und stand mhsam auf. Dann also los, sagte Delamarche, der seinen Schlafrock wieder angezogen hatte, und schob Karl, der noch vor Schwche den Kopf gesenkt hielt, vor sich her. Von Zeit zu Zeit schttelte er Karl, um ihn frischer zu machen. Du willst mde sein? sagte er. Du konntest doch im Freien laufen wie ein Pferd, ich aber mute hier durch die verfluchten Gnge und Hfe schleichen. Glcklicherweise bin ich aber auch ein Lufer. Vor Stolz gab er Karl einen weit ausgeholten Schlag auf den Rcken. Von Zeit zu Zeit ist ein solches Wettrennen mit der Polizei eine gute bung. Ich war schon mde, wie ich zu laufen anfing, sagte Karl. Fr schlechtes Laufen gibt es keine Entschuldigung, sagte Delamarche. Wenn ich nicht wre, htten sie dich schon lngst gefat. Ich glaube auch, sagte Karl. Ich bin Ihnen sehr verpflichtet. Kein Zweifel, sagte Delamarche. Sie gingen durch einen langen, schmalen Flurgang, der mit dunklen, glatten Steinen gepflastert war. Hie und da ffnete sich rechts oder links ein Treppenaufgang oder man erhielt einen Durchblick in einen anderen, greren Flur. Erwachsene waren kaum zu sehen, nur Kinder spielten auf den leeren Treppen. An einem Gelnder stand ein kleines Mdchen und weinte, da ihr vor Trnen das ganze Gesicht glnzte. Kaum hatte sie Delamarche bemerkt, als sie, mit offenem Munde nach Luft schnappend, die Treppe hinauflief und sich erst hoch oben beruhigte, als sie nach hufigem Umdrehen sich berzeugt hatte, da ihr niemand folge oder folgen wolle. Die habe ich vor einem Augenblick niedergerannt, sagte Delamarche lachend und drohte ihr mit der Faust, worauf sie schreiend weiter hinauflief. Auch die Hfe, durch die sie kamen, waren fast gnzlich verlassen. Nur hie und da schob ein Geschftsdiener einen zweirdrigen Karren vor sich her, eine Frau fllte an der Pumpe eine Kanne mit Wasser, ein Brieftrger durchquerte mit ruhigen Schritten den ganzen Hof, ein alter Mann mit weiem Schnauzbart sa mit bergeschlagenen Beinen vor einer Glastr und rauchte eine Pfeife, vor einem Speditionsgeschft wurden Kisten abgeladen, die unbeschftigten Pferde drehten gleichmtig die Kpfe, ein Mann in einem Arbeitsmantel berwachte mit einem Papier in der Hand die ganze Arbeit; in einem Bro war das Fenster geffnet, und ein Angestellter, der an seinem Schreibpult sa, hatte sich von ihm abgewendet und sah nachdenklich hinaus, wo gerade Karl und Delamarche vorbergingen. Eine ruhigere Gegend kann man sich gar nicht wnschen, sagte Delamarche. Am Abend ist ein paar Stunden lang groer Lrm, aber whrend des Tages geht es hier musterhaft zu. Karl nickte, ihm schien die Ruhe zu gro zu sein. Ich knnte gar nicht anderswo wohnen, sagte Delamarche, denn Brunelda vertrgt absolut keinen Lrm. Kennst du Brunelda? Nun, du wirst sie ja sehen. Jedenfalls empfehle ich dir, dich mglichst still aufzufhren. Als sie zu der Treppe kamen, die zur Wohnung Delamarches fhrte, war das Automobil bereits weggefahren, und der Bursche mit der zerfressenen Nase meldete, ohne ber Karls Wiedererscheinen irgendwie zu staunen, er habe Robinson die Treppe hinaufgetragen. Delamarche nickte ihm blo zu, als sei er sein Diener, der eine selbstverstndliche Pflicht erfllt habe, und zog Karl, der ein wenig zgerte und auf die sonnige Strae sah, mit sich die Treppe hinauf. Wir sind gleich oben, sagte Delamarche einige Male whrend des Treppensteigens, aber seine Voraussage wollte sich nicht erfllen, immer wieder setzte sich an eine Treppe eine neue in nur unmerklich vernderter Richtung an. Einmal blieb Karl sogar stehen, nicht eigentlich vor Mdigkeit, aber vor Wehrlosigkeit gegenber dieser Treppenlnge. Die Wohnung liegt ja sehr hoch, sagte Delamarche, als sie weitergingen, aber auch das hat seine Vorteile. Man geht sehr selten aus, den ganzen Tag ist man im Schlafrock, wir haben es sehr gemtlich. Natrlich kommen in diese Hhe auch keine Besuche herauf. Woher sollten denn die Besuche kommen? dachte Karl. Endlich erschien auf einem Treppenabsatz Robinson vor einer geschlossenen Wohnungstr, und nun waren sie angelangt; die Treppe war noch nicht einmal zu Ende, sondern fhrte im Halbdunkel weiter, ohne da irgend etwas auf ihren baldigen Abschlu hinzudeuten schien. Ich habe es mir ja gedacht, sagte Robinson leise, als bedrckten ihn noch Schmerzen. Delamarche bringt ihn! Romann, was wrest du ohne Delamarche! Robinson stand in Unterkleidung da und suchte sich nur, soweit es mglich war, in die kleine Bettdecke einzuwickeln, die man ihm aus dem Hotel Occidental mitgegeben hatte; es war nicht einzusehen, warum er nicht in die Wohnung ging, statt hier vor mglicherweise vorberkommenden Leuten sich lcherlich zu machen. Schlft sie? fragte Delamarche. Ich glaube nicht, sagte Robinson, aber ich habe doch lieber gewartet, bis du kommst. Zuerst mssen wir schauen, ob sie schlft, sagte Delamarche und beugte sich zum Schlsselloch. Nachdem er lange unter verschiedenartigen Kopfdrehungen hindurchgeschaut hatte, erhob er sich und sagte: Man sieht sie nicht genau, das Rouleau ist heruntergelassen. Sie sitzt auf dem Kanapee, aber vielleicht schlft sie. Ist sie denn krank? fragte Karl, denn Delamarche stand da, als bitte er um Rat. Nun aber fragte er in scharfem Tone zurck: Krank? Er kennt sie ja nicht, sagte Robinson entschuldigend. Ein paar Tren weiter waren zwei Frauen auf den Korridor getreten, sie wischten die Hnde an ihren Schrzen rein, sahen auf Delamarche und Robinson und schienen sich ber sie zu unterhalten. Aus einer Tr sprang ein noch ganz junges Mdchen mit glnzendem blondem Haar und schmiegte sich zwischen die zwei Frauen, indem es sich in ihre Arme einhngte. Das sind widerliche Weiber, sagte Delamarche leise, aber offenbar nur aus Rcksicht auf die schlafende Brunelda, nchstens werde ich sie bei der Polizei anzeigen und werde fr Jahre Ruhe vor ihnen haben. Schau nicht hin, zischte er dann Karl an, der nichts Bses daran gefunden hatte, die Frauen anzuschauen, wenn man nun schon einmal auf dem Gang auf das Erwachen Bruneldas warten mute. Und rgerlich schttelte er den Kopf, als habe er von Delamarche keine Ermahnungen anzunehmen, und wollte, um dies noch deutlicher zu zeigen, auf die Frauen zugehen, da hielt ihn aber Robinson mit den Worten Romann, hte dich! am rmel zurck, und Delamarche, schon durch Karl gereizt, wurde ber ein lautes Auflachen des Mdchens so wtend, da er mit groem Anlauf, Arme und Beine werfend, auf die Frauen zueilte, die jede in ihre Tre wie weggeweht verschwanden. So mu ich hier fters die Gnge reinigen, sagte Delamarche, als er mit langsamen Schritten zurckkehrte; da erinnerte er sich an Karls Widerstand und sagte: Von dir aber erwarte ich ein ganz anderes Benehmen, sonst knntest du mit mir schlechte Erfahrungen machen. Da rief aus dem Zimmer eine fragende Stimme in sanftem, mdem Tonfall: Delamarche? Ja, antwortete Delamarche und sah freundlich die Tr an, knnen wir eintreten? O ja, hie es, und Delamarche ffnete, nachdem er noch die zwei hinter ihm Wartenden mit einem Blick gestreift hatte, langsam die Tr. Man trat in vollstndiges Dunkel ein. Der Vorhang der Balkontr, ein Fenster war nicht vorhanden, war bis zum Boden hinabgelassen und wenig durchscheinend, auerdem aber trug die berfllung des Zimmers mit Mbeln und herumhngenden Kleidern viel zu seiner Verdunkelung bei. Die Luft war dumpf, und man roch geradezu den Staub, der sich hier in Winkeln, die offenbar fr jede Hand unzugnglich waren, angesammelt hatte. Das erste, was Karl beim Eintritt bemerkte, waren drei Kasten, die knapp hintereinander aufgestellt waren. Auf dem Kanapee lag die Frau, die frher vom Balkon hinuntergeschaut hatte. Ihr rotes Kleid hatte sich unten ein wenig verzogen und hing in einem groen Zipfel bis auf den Boden, man sah ihre Beine fast bis zu den Knien, sie trug dicke weie Wollstrmpfe; Schuhe hatte sie keine. Das ist eine Hitze, Delamarche, sagte sie, wandte das Gesicht von der Wand, hielt ihre Hand lssig in Schwebe gegen Delamarche hin, der sie ergriff und kte. Karl sah nur ihr Doppelkinn an, das bei der Wendung des Kopfes auch mitrollte. Soll ich den Vorhang vielleicht hinaufziehen lassen? fragte Delamarche. Nur das nicht, sagte sie mit geschlossenen Augen und wie verzweifelt, dann wird es ja noch rger. Karl war zum Fuende des Kanapees getreten, um die Frau genauer anzusehen, er wunderte sich ber ihre Klagen, denn die Hitze war gar nicht auerordentlich. Warte, ich werde es dir ein wenig bequem machen, sagte Delamarche ngstlich, ffnete oben am Hals ein paar Knpfe und zog dort das Kleid auseinander, so da der Hals und der Ansatz der Brust frei wurde und ein zarter, gelblicher Spitzensaum des Hemdes erschien. Wer ist das, sagte die Frau pltzlich und zeigte mit dem Finger auf Karl, warum starrt er mich so an? Du fngst bald an, dich ntzlich zu machen, sagte Delamarche und schob Karl beiseite, whrend er die Frau mit den Worten beruhigte: Es ist nur der Junge, den ich zu deiner Bedienung mitgebracht habe. Aber ich will doch niemanden haben! rief sie. Warum bringst du mir fremde Leute in die Wohnung? Aber die ganze Zeit wnschst du dir doch eine Bedienung, sagte Delamarche und kniete nieder; auf dem Kanapee war trotz seiner groen Breite neben Brunelda nicht der geringste Platz. Ach, Delamarche, sagte sie, du verstehst mich nicht und verstehst mich nicht. Dann verstehe ich dich also wirklich nicht, sagte Delamarche und nahm ihr Gesicht zwischen beide Hnde. Aber es ist ja nichts geschehen, wenn du willst, geht er augenblicklich fort. Wenn er schon einmal hier ist, soll er bleiben, sagte sie nun wieder, und Karl war ihr in seiner Mdigkeit fr diese vielleicht gar nicht freundlich gemeinten Worte so dankbar, da er, immer in undeutlichen Gedanken an diese endlose Treppe, die er nun vielleicht gleich wieder htte Abwrtssteigen mssen, ber den auf seiner Decke friedlich schlafenden Robinson hinwegtrat und trotz allem rgerlichen Hndefuchteln Delamarches sagte: Ich danke Ihnen jedenfalls dafr, da Sie mich noch ein wenig hier lassen wollen. Ich habe wohl schon vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen, dabei genug gearbeitet und verschiedene Aufregungen gehabt. Ich bin schrecklich mde. Ich wei gar nicht recht, wo ich bin. Wenn ich aber ein paar Stunden geschlafen habe, knnen Sie mich ohne Rcksichtnahme fortschicken, und ich werde gerne gehen. Du kannst berhaupt hierbleiben, sagte die Frau und fgte ironisch hinzu, Platz haben wir ja in berflu, wie du siehst. Du mut also fortgehen, sagte Delamarche, wir knnen dich nicht brauchen. Nein, er soll bleiben, sagte die Frau nun wieder im Ernste. Und Delamarche sagte zu Karl wie in Ausfhrung dieses Wunsches: Also leg dich schon irgendwo hin. Er kann sich auf die Vorhnge legen, aber er mu sich die Stiefel ausziehen, damit er nichts zerreit. Delamarche zeigte Karl den Platz, den sie meinte. Zwischen der Tre und den drei Schrnken war ein groer Haufen von verschiedenartigsten Fenstervorhngen hingeworfen. Wenn man alle regelmig zusammengefaltet, die schweren zu unterst und weiter hinauf die leichteren gelegt und schlielich die verschiedenen in den Haufen gesteckten Bretter und Holzringe herausgezogen htte, so wre es ein ertrgliches Lager geworden, so war es nur eine schaukelnde und gleitende Masse, auf die sich aber Karl trotzdem augenblicklich legte, denn zu besonderen Schlafvorbereitungen war er zu mde und mute sich auch mit Rcksicht auf seine Gastgeber hten, viel Umstnde zu machen. Er war schon fast im eigentlichen Schlaf, da hrte er einen lauten Schrei, erhob sich und sah die Brunelda aufrecht auf dem Kanapee sitzen, die Arme weit ausbreiten und Delamarche, der vor ihr kniete, umschlingen. Karl, dem der Anblick peinlich war, lehnte sich wieder zurck und versenkte sich in die Vorhnge zur Fortsetzung des Schlafes. Da er es hier auch nicht zwei Tage aushalten wrde, schien ihm klar zu sein, desto ntiger aber war es, sich zuerst grndlich auszuschlafen, um sich dann bei vlligem Verstande schnell und ruhig entschlieen zu knnen. Aber Brunelda hatte schon Karls vor Mdigkeit gro aufgerissene Augen, die sie schon einmal erschreckt hatten, bemerkt und rief: Delamarche, ich halte es vor Hitze nicht aus, ich brenne, ich mu mich ausziehen, ich mu baden, schick die beiden aus dem Zimmer, wohin du willst, auf den Gang, auf den Balkon, nur da ich sie nicht mehr sehe! Man ist in seiner eigenen Wohnung und immerfort gestrt. Wenn ich mit dir allein wre, Delamarche! Ach Gott, sie sind noch immer da! Wie dieser unverschmte Robinson sich in Gegenwart einer Dame in seiner Unterkleidung streckt! Und wie dieser fremde Junge, der mich vor einem Augenblick ganz wild angeschaut hat, sich wieder gelegt hat, um mich zu tuschen! Nur weg mit ihnen, Delamarche, sie sind mir eine Last, sie liegen mir auf der Brust, wenn ich jetzt umkomme, ist es ihretwegen. Sofort sind sie drauen, zieh dich nur aus, sagte Delamarche, ging zu Robinson hin und schttelte ihn mit dem Fu, den er ihm auf die Brust setzte. Gleichzeitig rief er Karl zu: Romann, aufstehen! Ihr mt beide auf den Balkon! Und wehe euch, wenn ihr hereinkommt, ehe man euch ruft! Und jetzt flink, Robinson dabei schttelte er Robinson strker, und du, Romann, gib acht, da ich nicht auch ber dich komme, dabei klatschte er laut zweimal in die Hnde. Wie lange das dauert! rief Brunelda auf dem Kanapee, sie hatte beim Sitzen die Beine weit auseinandergestellt, um ihrem bermig dicken Krper mehr Raum zu verschaffen, nur mit grter Anstrengung, unter vielem Schnappen und hufigem Ausruhen, konnte sie sich so weit bcken, um ihre Strmpfe am obersten Ende zu fassen und ein wenig hinunterzuziehen, gnzlich ausziehen konnte sie sich nicht, das mute Delamarche besorgen, auf den sie nun ungeduldig wartete. Ganz stumpf vor Mdigkeit war Karl von dem Haufen hinuntergekrochen und ging langsam zur Balkontre, ein Stck Vorhangstoff hatte sich ihm um den Fu gewickelt, und er schleppte es gleichgltig mit. In seiner Zerstreutheit sagte er sogar, als er an Brunelda vorberkam: Ich wnsche gute Nacht und wanderte dann an Delamarche vorbei, der den Vorhang der Balkontre ein wenig zurckzog, auf den Balkon hinaus. Gleich hinter Karl kam Robinson, wohl nicht minder schlfrig, denn er summte vor sich hin: Immerfort maltrtiert man einen! Wenn Brunelda nicht mitkommt, gehe ich nicht auf den Balkon. Aber trotz dieser Versicherung ging er ohne jeden Widerstand hinaus, wo er sich, da Karl schon in den Lehnstuhl gesunken war, sofort auf den Steinboden legte. Als Karl erwachte, war es schon Abend, die Sterne standen schon am Himmel, hinter den hohen Husern der gegenberliegenden Straenseite stieg der Schein des Mondes empor. Erst nach einigem Umherschauen in der unbekannten Gegend, einigem Aufatmen in der khlen, erfrischenden Luft wurde sich Karl dessen bewut, wo er war. Wie unvorsichtig war er gewesen, alle Ratschlge der Oberkchin, alle Warnungen Theresens, alle eigenen Befrchtungen hatte er vernachlssigt, sa hier ruhig auf dem Balkon Delamarches und hatte hier gar den halben Tag verschlafen, als sei nicht hier hinter dem Vorhang Delamarche, sein groer Feind. Auf dem Boden wand sich der faule Robinson und zog Karl am Fue, er schien ihn auch auf diese Weise geweckt zu haben, denn er sagte: Du hast einen Schlaf, Romann! Das ist die sorglose Jugend. Wie lange willst du denn noch schlafen? Ich htte dich ja noch schlafen lassen, aber erstens ist es mir da auf dem Boden zu langweilig und zweitens habe ich einen groen Hunger. Ich bitte dich, steh ein wenig auf, ich habe da unten, im Sessel drin, etwas zum Essen aufgehoben, ich mchte es gern herausziehen. Du bekommst dann auch etwas. Und Karl, der aufstand, sah nun, wie Robinson, ohne aufzustehen, sich auf dem Bauch herberwlzte und mit ausgestreckten Hnden unter dem Sessel eine versilberte Schale hervorzog, wie sie etwa zum Aufbewahren von Visitenkarten dient. Auf dieser Schale lag aber eine halbe, ganz schwarze Wurst, einige dnne Zigaretten, eine geffnete, aber noch gut gefllte und von l berflieende Sardinenbchse und eine Menge meist zerdrckter und zu einem Ballen gewordener Bonbons. Dann erschien noch ein groes Stck Brot und eine Art Parfmflasche, die aber etwas anderes als Parfm zu enthalten schien, denn Robinson zeigte mit besonderer Genugtuung auf sie und schnalzte zu Karl hinauf. Siehst du, Romann, sagte Robinson, whrend er Sardine nach Sardine hinunterschlang und hie und da die Hnde vom l an einem Wolltuch reinigte, das offenbar Brunelda auf dem Balkon vergessen hatte. Siehst du, Romann, so mu man sich sein Essen aufheben, wenn man nicht verhungern will. Du, ich bin ganz beiseitegeschoben. Und wenn man immerfort als Hund behandelt wird, denkt man schlielich, man ist's wirklich. Gut, da du da bist, Romann, ich kann wenigstens mit jemandem reden. Im Hause spricht ja niemand mit mir. Wir sind verhat. Und alles wegen der Brunelda. Sie ist ja natrlich ein prchtiges Weib. Du und er winkte Karl zu sich herab, um ihm zuzuflstern ich habe sie einmal nackt gesehen.O! Und in der Erinnerung an diese Freude fing er an, Karls Beine zu drcken und zu schlagen, bis Karl ausrief: Robinson, du bist ja verrckt, seine Hnde packte und zurckstie. Du bist eben noch ein Kind, Romann, sagte Robinson, zog einen Dolch, den er an seiner Halsschnur trug, unter dem Hemd hervor, nahm die Dolchkappe ab und zerschnitt die harte Wurst. Du mut noch viel zulernen. Bist aber bei uns an der richtigen Quelle. Setz dich doch. Willst du nicht auch etwas essen? Nun vielleicht bekommst du Appetit, wenn du mir zuschaust. Trinken willst du auch nicht? Du willst aber rein gar nichts. Und gesprchig bist du gerade auch nicht besonders. Aber es ist ganz gleichgltig, mit wem man auf dem Balkon ist, wenn nur berhaupt jemand da ist. Ich bin nmlich sehr oft auf dem Balkon. Das macht der Brunelda solchen Spa. Es mu ihr nur etwas einfallen, einmal ist es ihr kalt, einmal hei, einmal will sie schlafen, einmal will sie sich kmmen, einmal will sie das Mieder ffnen, einmal will sie es anziehen, und da werde ich immer auf den Balkon geschickt. Manchmal tut sie wirklich das, was sie sagt, aber meistens liegt sie nur so wie frher auf dem Kanapee und rhrt sich nicht. Frher habe ich fters den Vorhang so ein wenig weggezogen und durchgeschaut, aber seit einmal Delamarche bei einer solchen Gelegenheit ich wei genau, da er es nicht wollte, sondern es nur auf Bruneldas Bitte tat mir mit der Peitsche einige Male ins Gesicht geschlagen hat siehst du die Striemen?, wage ich nicht mehr, durchzuschauen. Und so liege ich dann hier auf dem Balkon und habe kein Vergngen auer essen. Vorgestern, wie ich des Abends so allein gelegen bin, damals war ich noch in meinen eleganten Kleidern, die ich leider in deinem Hotel verloren habe diese Hunde; reien einem die teuren Kleider vom Leib!, wie ich also da so allein gelegen bin und durch das Gelnder hinuntergeschaut habe, war mir alles so traurig und ich habe zu heulen angefangen. Da ist zufllig, ohne da ich es gleich bemerkt habe, die Brunelda zu mir herausgekommen in dem roten Kleid das pat ihr doch von allen am besten, hat mir ein wenig zugeschaut und hat endlich gesagt: Robinson, warum weinst du? Dann hat sie ihr Kleid gehoben und hat mir mit dem Saum die Augen abgewischt. Wer wei, was sie noch getan htte, wenn nicht Delamarche nach ihr gerufen htte und sie nicht sofort wieder ins Zimmer htte hineingehen mssen. Natrlich habe ich gedacht, jetzt sei die Reihe an mir, und habe durch den Vorhang gefragt, ob ich schon ins Zimmer darf. Und was, meinst du, hat die Brunelda gesagt: Nein! hat sie gesagt, und Was fllt dir ein? hat sie gesagt. Warum bleibst du denn hier, wenn man dich so behandelt? fragte Karl. Verzeih, Romann, du fragst nicht sehr gescheit, antwortete Robinson. Du wirst schon auch noch hierbleiben, und wenn man dich noch rger behandelt. brigens behandelt man mich gar nicht so arg. Nein, sagte Karl, Ich gehe bestimmt weg, und womglich noch heute abend. Ich bleibe nicht bei euch. Wie willst du denn zum Beispiel das anstellen, heute abend wegzugehen? fragte Robinson, der das Weiche aus dem Brot herausgeschnitten hatte und sorgfltig in dem l der Sardinenbchse trnkte. Wie willst du weggehen, wenn du nicht einmal ins Zimmer hineingehen darfst? Warum drfen wir denn nicht hineingehen? Nun, solange es nicht gelutet hat, drfen wir nicht hineingehen, sagte Robinson, der mit mglichst weit geffnetem Munde das fette Brot verspeiste, whrend er mit einer Hand das vom Brot herabtropfende l auffing, um von Zeit zu Zeit das noch brige Brot in diese als Reservoir dienende hohle Hand zu tauchen. Es ist hier alles strenger geworden. Zuerst war da nur ein dnner Vorhang, man hat zwar nicht durchgesehen, aber am Abend hat man doch die Schatten erkannt. Das war der Brunelda unangenehm, und da habe ich einen ihrer Theatermntel zu einem Vorhang umarbeiten und statt des alten Vorhangs hier aufhngen mssen. Jetzt sieht man gar nichts mehr. Dann habe ich frher immer fragen drfen, ob ich schon hineingehen darf, und man hat mir, je nach den Umstnden, ja oder nein geantwortet, aber dann habe ich das wahrscheinlich zu sehr ausgenutzt und zu oft gefragt. Brunelda konnte das nicht ertragen und sie ist trotz ihrer Dicke sehr schwach veranlagt, Kopfschmerzen hat sie oft und Gicht in den Beinen fast immer, und so wurde bestimmt, da ich nicht mehr fragen darf, sondern da, wenn ich hineingehen kann, auf die Tischglocke gedrckt wird. Das gibt ein solches Luten, da es mich selbst aus dem Schlafe weckt ich habe einmal eine Katze zu meiner Unterhaltung hier gehabt, die ist vor Schrecken ber dieses Luten weggelaufen und nicht mehr zurckgekommen; also, gelutet hat es heute noch nicht, wenn es nmlich lutet, dann darf ich nicht nur, sondern mu hineingehen und wenn es einmal so lange nicht lutet, dann kann es noch sehr lange dauern. Ja, sagte Karl, aber was fr dich gilt, mu doch noch nicht fr mich gelten. berhaupt gilt so etwas nur fr den, der es sich gefallen lt. Aber, rief Robinson, warum sollte denn das nicht auch fr dich gelten? Selbstverstndlich gilt es auch fr dich. Warte hier nur ruhig mit mir, bis es lutet. Dann kannst du ja versuchen, ob du wegkommst. Warum gehst du denn eigentlich nicht fort von hier? Nur deshalb, weil Delamarche dein Freund ist oder, besser, war. Ist denn das ein Leben? Wre es da nicht in Butterford besser, wohin ihr zuerst wolltet? Oder gar in Kalifornien, wo du Freunde hast? Ja, sagte Robinson, das konnte niemand voraussehen. Und ehe er weiter erzhlte, sagte er noch: Auf dein Wohl, lieber Romann und nahm einen langen Zug aus der Parfmflasche. Wir waren ja damals, wie du uns so gemein hast sitzenlassen, sehr schlecht daran. Arbeit konnten wir in den ersten Tagen keine bekommen, Delamarche brigens wollte keine Arbeit, er htte sie schon bekommen, sondern schickte nur immer mich auf die Suche, und ich habe kein Glck. Er hat sich nur so herumgetrieben, aber es war schon fast Abend, da hatte er nur ein Damenportemonnaie mitgebracht. Es war zwar sehr schn, aus Perlen, jetzt hat er es der Brunelda geschenkt, aber es war fast nichts darin. Dann sagte er, wir sollten in die Wohnungen betteln gehen, bei dieser Gelegenheit kann man natrlich manches Brauchbare finden, wir sind also betteln gegangen, und ich habe, damit es besser aussieht, vor den Wohnungstren gesungen. Und wie schon Delamarche immer Glck hat, kaum sind wir vor der zweiten Wohnung gestanden, einer sehr reichen Wohnung im Parterre, und haben an der Tr der Kchin und dem Diener etwas vorgesungen, da kommt die Dame, der diese Wohnung gehrt, eben Brunelda, die Treppe herauf. Sie war vielleicht zu stark geschnrt und konnte die paar Stufen gar nicht heraufkommen. Aber wie schn sie ausgesehen hat, Romann! Sie hat ein ganz weies Kleid mit einem roten Sonnenschirm gehabt. Zum Ablecken war sie. Zum Austrinken war sie. Ach Gott, ach Gott, war sie schn! So ein Frauenzimmer! Nein, sag mir nur, wie kann es so ein Frauenzimmer geben? Natrlich ist das Mdchen und der Diener ihr gleich entgegengelaufen und haben sie fast hinaufgetragen. Wir sind rechts und links von der Tr gestanden und haben salutiert, das macht man hier so. Sie ist ein wenig stehengeblieben, weil sie noch immer nicht genug Atem hatte, und nun wei ich nicht, wie das eigentlich geschehen ist, ich war durch das Hungern nicht ganz bei Verstand, und sie war eben in der Nhe noch schner und riesig breit und infolge eines besonderen Mieders, ich kann es dir dann im Kasten zeigen, berall so fest; kurz, ich habe sie ein bichen hinten angerhrt, aber ganz leicht, weit du, nur so angerhrt. Natrlich kann man das nicht dulden, da ein Bettler eine reiche Dame anrhrt. Es war ja fast keine Berhrung, aber schlielich war es eben doch eine Berhrung. Wer wei, wie schlimm das ausgefallen wre, wenn mir nicht Delamarche sofort eine Ohrfeige gegeben htte, und zwar eine solche Ohrfeige, da ich sofort meine beiden Hnde fr die Wange brauchte. Was ihr getrieben habt! sagte Karl, von der Geschichte ganz gefangen genommen, und setzte sich auf den Boden. Das war also Brunelda? Nun ja, sagte Robinson, das war Brunelda. Sagtest du nicht einmal, da sie eine Sngerin ist? fragte Karl. Freilich ist sie eine Sngerin, und eine groe Sngerin, antwortete Robinson, der eine groe Bonbonmasse auf der Zunge wlzte und hie und da ein Stck, das aus dem Mund gedrngt wurde, mit dem Finger wieder zurckdrckte. Aber das wuten wir natrlich damals noch nicht, wir sahen nur, da es eine reiche und sehr feine Dame war. Sie tat, als wre nichts geschehen, und vielleicht hatte sie auch nichts gesprt, denn ich hatte sie tatschlich nur mit den Fingerspitzen angetippt. Aber immerfort hat sie den Delamarche angesehen, der ihr wieder wie er das schon trifft gerade in die Augen zurckgeschaut hat. Darauf hat sie zu ihm gesagt: Komm mal auf ein Weilchen hinein, und hat mit dem Sonnenschirm in die Wohnung gezeigt, wohin Delamarche ihr vorangehen sollte. Dann sind sie beide hineingegangen, und die Dienerschaft hat hinter ihnen die Tr zugemacht. Mich haben sie drauen vergessen, und da habe ich gedacht, es wird nicht gar so lange dauern, und habe mich auf die Treppe gesetzt, um Delamarche zu erwarten. Aber statt Delamarches ist der Diener herausgekommen und hat mir eine ganze Schssel Suppe herausgebracht. Eine Aufmerksamkeit Delamarches! sagte ich mir. Der Diener blieb noch, whrend ich a, ein Weilchen bei mir stehen und erzhlte mir einiges ber Brunelda, und da habe ich gesehen, welche Bedeutung der Besuch bei Brunelda fr uns haben knnte. Denn Brunelda war eine geschiedene Frau, hatte ein groes Vermgen und war vollstndig selbstndig! Ihr frherer Mann, ein Kakaofabrikant, liebte sie zwar noch immer, aber sie wollte von ihm nicht das geringste hren. Er kam sehr oft in die Wohnung, immer sehr elegant, wie zu einer Hochzeit, angezogen das ist Wort fr Wort wahr, ich kenne ihn selbst, aber der Diener wagte trotz der grten Bestechung nicht, Brunelda zu fragen, ob sie ihn empfangen wollte, denn er hatte schon einige Male gefragt, und immer hatte ihm Brunelda das, was sie gerade bei der Hand hatte, ins Gesicht geworfen. Einmal sogar ihre groe gefllte Wrmflasche, und mit der hatte sie ihm einen Vorderzahn ausgeschlagen. Ja, Romann, da schaust du! Woher kennst du den Mann? fragte Karl. Er kommt manchmal auch herauf, sagte Robinson. Herauf? Karl schlug vor Staunen leicht mit der Hand auf den Boden. Du kannst ruhig staunen, fuhr Robinson fort, selbst ich habe gestaunt, wie mir das der Diener damals erzhlt hat. Denk nur, wenn Brunelda nicht zu Hause war, hat sich der Mann von dem Diener in ihre Zimmer fhren lassen und immer eine Kleinigkeit als Andenken mitgenommen und immer etwas sehr Teures und Feines fr Brunelda zurckgelassen und dem Diener streng verboten zu sagen, von wem es ist. Aber einmal, als er etwas wie der Diener sagte, und ich glaube es geradezu Unbezahlbares aus Porzellan mitgebracht hatte, mu Brunelda es irgendwie erkannt haben, hat es sofort auf den Boden geworfen, ist darauf herumgetreten, hat es angespuckt und noch einiges andere damit gemacht, so da es der Diener vor Ekel kaum hinaustragen konnte. Was hat ihr denn der Mann getan? fragte Karl. Das wei ich eigentlich nicht, sagte Robinson. Ich glaube aber, nichts Besonderes, wenigstens wei er es selbst nicht. Ich habe ja schon manchmal mit ihm darber gesprochen. Er erwartet mich tglich dort an der Straenecke, wenn ich komme, so mu ich ihm Neuigkeiten erzhlen; kann ich nicht kommen, wartet er eine halbe Stunde und geht dann wieder weg. Es war fr mich ein guter Nebenverdienst, denn er bezahlte die Nachrichten sehr vornehm, aber seit Delamarche davon erfahren hat, mu ich ihm alles abliefern, und so gehe ich seltener hin. Aber was will der Mann haben? fragte Karl. Was will er denn haben? Er hrt doch, sie will ihn nicht. Ja, seufzte Robinson, zndete sich eine Zigarette an und blies unter groen Armschwenkungen den Rauch in die Hhe. Dann schien er sich anders zu entschlieen und sagte: Was kmmert das mich? Ich wei nur, er wrde viel Geld dafr geben, wenn er so hier auf dem Balkon liegen drfte wie wir. Karl stand auf, lehnte sich ans Gelnder und sah auf die Strae hinunter. Der Mond war schon sichtbar, in die Tiefe der Gasse drang sein Licht aber noch nicht. Die am Tag so leere Gasse war, besonders vor den Haustoren, gedrngt voll von Menschen, alle waren in langsamer, schwerflliger Bewegung, die Hemdrmel der Mnner, die hellen Kleider der Frauen hoben sich schwach vom Dunkel ab, alle waren ohne Kopfbedeckung. Die vielen Balkone ringsum waren nun insgesamt besetzt, dort saen beim Licht einer Glhlampe die Familien, je nach der Gre des Balkons, um einen kleinen Tisch herum oder blo auf Sesseln in einer Reihe oder sie steckten wenigstens die Kpfe aus dem Zimmer hervor. Die Mnner saen breitbeinig da, die Fe zwischen den Gelnderstangen hinausgestreckt, und lasen Zeitungen, die fast bis auf den Boden reichten, oder spielten Karten, scheinbar stumm, aber unter starken Schlgen auf die Tische, die Frauen hatten den Scho voll Nharbeit und erbrigten nur hier und da einen kurzen Blick fr ihre Umgebung oder fr die Strae. Eine blonde, schwache Frau auf dem benachbarten Balkon ghnte immerfort, verdrehte dabei die Augen und hob immer vor den Mund ein Wschestck, das sie gerade flickte; selbst auf den kleinsten Balkonen verstanden es die Kinder, einander zu jagen, was den Eltern sehr lstig fiel. Im Inneren vieler Zimmer waren Grammophone aufgestellt und bliesen Gesang oder Orchestralmusik hervor, man kmmerte sich nicht besonders um diese Musik, nur hie und da gab der Familienvater einen Wink, und irgend jemand eilte ins Zimmer hinein, um eine neue Platte einzulegen. An manchen Fenstern sah man vollstndig bewegungslose Liebespaare, an einem Fenster Karl gegenber stand ein solches Paar aufrecht, der junge Mann hatte seinen Arm um das Mdchen gelegt und drckte mit der Hand ihre Brust. Kennst du jemanden von den Leuten hier nebenan? fragte Karl Robinson, der nun auch aufgestanden war, und, weil es ihn frstelte, auer der Bettdecke auch noch die Decke Bruneldas um sich gewickelt hielt. Fast niemanden, das ist ja eben das Schlimme an meiner Stellung, sagte Robinson und zog Karl nher zu sich, um ihm ins Ohr flstern zu knnen, sonst htte ich mich augenblicklich nicht gerade zu beklagen. Die Brunelda hat ja Delamarches wegen alles, was sie hatte, verkauft und ist mit all ihren Reichtmern hierher in diese Vorstadtwohnung gezogen, damit sie sich ihm ganz widmen kann und damit sie niemand strt, brigens war das auch der Wunsch Delamarches. Und die Dienerschaft hat sie entlassen? fragte Karl. Ganz richtig, sagte Robinson. Wo sollte man auch die Dienerschaft hier unterbringen? Diese Diener sind ja sehr anspruchsvolle Herren. Einmal hat Delamarche bei der Brunelda einen solchen Diener einfach mit Ohrfeigen aus dem Zimmer getrieben, da ist eine nach der andern geflogen, bis der Mann drauen war. Natrlich haben die anderen Diener sich mit ihm vereinigt und vor der Tr Lrm gemacht, da ist Delamarche herausgekommen (ich war damals nicht Diener, sondern Hausfreund, aber doch war ich mit den Dienern beisammen) und hat gefragt: Was wollt ihr? Der lteste Diener, ein gewisser Isidor, hat daraufhin gesagt: Sie haben mit uns nichts zu reden, unsere Herrin ist die gndige Frau. Wie du wahrscheinlich merkst, haben sie Brunelda verehrt. Aber Brunelda ist, ohne sich um sie zu kmmern, zu Delamarche gelaufen, sie war damals doch noch nicht so schwer wie jetzt, hat ihn vor allen umarmt, gekt und Liebster Delamarche genannt. Und schick doch schon diese Affen weg, hat sie endlich gesagt. Affen das sollten die Diener sein; stell dir die Gesichter vor, die sie da machten. Dann hat die Brunelda die Hand Delamarches zu ihrer Geldtasche hingezogen, die sie am Grtel trug, Delamarche hat hineingegriffen und also angefangen, die Diener auszuzahlen; die Brunelda hat sich nur dadurch an der Auszahlung beteiligt, da sie mit der offenen Geldtasche im Grtel dabei gestanden ist. Delamarche mute oft hineingreifen, denn er verteilte das Geld, ohne zu zhlen und ohne die Forderungen zu prfen. Schlielich sagte er: Da ihr also mit mir nicht reden wollt, sage ich euch nur im Namen Bruneldas: Packt euch, aber sofort. So sind sie entlassen worden, es gab dann noch einige Prozesse, Delamarche mute sogar einmal zu Gericht, aber davon wei ich nichts Genaueres. Nur gleich nach dem Abschied der Diener hat Delamarche zu Brunelda gesagt: Jetzt hast du also keine Dienerschaft? Sie hat gesagt: Aber da ist ja Robinson. Daraufhin hat Delamarche gesagt und hat mir dabei einen Schlag auf die Achsel gegeben: Also gut, du wirst unser Diener sein. Und Brunelda hat mir dann auf die Wange geklopft. Wenn sich die Gelegenheit findet, Romann, la dir auch einmal von ihr auf die Wange klopfen. Du wirst staunen, wie schn das ist. Du bist also Delamarches Diener geworden? sagte Karl zusammenfassend. Robinson hrte das Bedauern aus der Frage heraus und antwortete: Ich bin Diener, aber das bemerken nur wenige Leute. Du siehst, du selbst wutest es nicht, obwohl du doch schon ein Weilchen bei uns bist. Du hast ja gesehen, wie ich in der Nacht bei euch im Hotel angezogen war. Das Feinste vom Feinen hatte ich an. Gehen Diener so angezogen? Nur ist eben die Sache die, da ich nicht oft weggehen darf, ich mu immer bei der Hand sein, in der Wirtschaft ist eben immer etwas zu tun. Eine Person ist eben zu wenig fr die viele Arbeit. Wie du vielleicht bemerkt hast, haben wir sehr viele Sachen im Zimmer herumstehen; was wir eben bei dem groen Auszug nicht verkaufen konnten, haben wir mitgenommen. Natrlich htte man es wegschenken knnen, aber Brunelda schenkt nichts weg. Denk dir nur, welche Arbeit es gegeben hat, diese Sachen die Treppe heraufzutragen. Robinson, du hast das alles heraufgetragen? fragte Karl. Wer denn sonst? sagte Robinson. Es war noch ein Hilfsarbeiter da, ein faules Luder; ich habe die meiste Arbeit allein machen mssen. Brunelda ist unten beim Wagen gestanden, Delamarche hat oben angeordnet, wohin die Sachen zu legen sind, und ich bin immerfort hin und her gelaufen. Es hat zwei Tage gedauert, sehr lange, nicht wahr? Aber du weit ja gar nicht, wieviel Sachen hier im Zimmer sind, alle Kasten sind voll und hinter den Kasten ist alles vollgestopft bis zur Decke hinauf. Wenn man ein paar Leute fr den Transport aufgenommen htte, wre ja alles bald fertig gewesen, aber Brunelda wollte es niemandem auer mir anvertrauen. Das war ja sehr schn, aber ich habe damals meine Gesundheit fr mein ganzes Leben verdorben, und was habe ich denn sonst gehabt als meine Gesundheit? Wenn ich mich nur ein wenig anstrenge, sticht es mich hier und hier und hier. Glaubst du, diese Jungen im Hotel, diese Grasfrsche was sind sie denn sonst?, htten mich jemals besiegen knnen, wenn ich gesund wre? Aber was mir auch fehlen sollte, dem Delamarche und der Brunelda sage ich kein Wort, ich werde arbeiten, solange es gehen wird, und wenn es nicht mehr gehen wird, werde ich mich hinlegen und sterben, und dann erst, zu spt, werden sie sehen, da ich krank gewesen bin und trotzdem immerfort und immerfort weitergearbeitet und mich in ihren Diensten zu Tode gearbeitet habe. Ach, Romann, sagte er schlielich und trocknete die Augen an Karls Hemdrmel. Nach einem Weilchen sagte er: Ist dir denn nicht kalt, du stehst da so im Hemd? Geh, Robinson, sagte Karl, immerfort weinst du. Ich glaube nicht, da du so krank bist. Du siehst ganz gesund aus, aber weil du immerfort da auf dem Balkon liegst, hast du dir so verschiedenes ausgedacht. Du hast vielleicht manchmal einen Stich in der Brust, das habe ich auch, das hat jeder. Wenn alle Menschen wegen jeder Kleinigkeit so weinen wollten wie du, mten die Leute auf allen Balkonen weinen. Ich wei es besser, sagte Robinson und wischte nun die Augen mit dem Zipfel seiner Decke. Der Student, der nebenan bei der Vermieterin wohnt, die auch fr uns kochte, hat mir letzthin, als ich das Egeschirr zurckbrachte, gesagt: Hren Sie einmal, Robinson, sind Sie nicht krank? Mir ist verboten, mit den Leuten zu reden, und so habe ich nur das Geschirr hingelegt und wollte weggehen. Da ist er zu mir gegangen und hat gesagt: Hren Sie, Mann, treiben Sie die Sache nicht zum uersten, Sie sind krank. Ja, also, ich bitte, was soll ich denn machen? habe ich gefragt. Das ist Ihre Sache, hat er gesagt und hat sich umgedreht. Die anderen dort bei Tisch haben gelacht, wir haben ja hier berall Feinde, und so bin ich lieber weggegangen. Also Leuten, die dich zum Narren halten, glaubst du, und Leuten, die es gut mit dir meinen, glaubst du nicht. Aber ich mu doch wissen, wie mir ist, fuhr Robinson auf, kehrte aber gleich wieder zum Weinen zurck. Du weit eben nicht, was dir fehlt, du solltest irgendeine ordentliche Arbeit fr dich suchen, statt hier Delamarches Diener zu machen. Denn soweit ich nach deinen Erzhlungen und nach dem, was ich selbst gesehen habe, urteilen kann, ist das hier kein Dienst, sondern eine Sklaverei. Das kann kein Mensch ertragen, das glaube ich dir. Du aber denkst, weil du Delamarches Freund bist, darfst du ihn nicht verlassen. Das ist falsch; wenn er nicht einsieht, was fr ein elendes Leben du fhrst, so hast du ihm gegenber nicht die geringsten Verpflichtungen mehr. Du glaubst also wirklich, Romann, da ich mich wieder erholen werde, wenn ich das Dienen hier aufgebe? Gewi߫, sagte Karl. Gewi? fragte nochmals Robinson. Ganz gewi߫, sagte Karl lchelnd. Dann knnte ich ja gleich anfangen, mich zu erholen, sagte Robinson und sah Karl an. Wieso denn? fragte dieser. Nun, weil du doch meine Arbeit hier bernehmen sollst, antwortete Robinson. Wer hat dir denn das gesagt? fragte Karl. Das ist doch ein alter Plan. Davon wird ja schon seit einigen Tagen gesprochen. Es hat damit angefangen, da Brunelda mich ausgezankt hat, weil ich die Wohnung nicht sauber genug halte. Natrlich habe ich versprochen, da ich alles gleich in Ordnung bringen werde. Nun, das ist aber sehr schwer. Ich kann zum Beispiel in meinem Zustand nicht berallhin kriechen, um den Staub wegzuwischen, man kann sich schon in der Mitte des Zimmers nicht rhren, wie erst dort zwischen den Mbeln und den Vorrten? Und wenn man alles genau reinigen will, mu man doch auch die Mbel von ihrem Platz wegschieben, und das soll ich allein machen? Auerdem mte das alles ganz leise geschehen, weil doch Brunelda, die ja das Zimmer kaum verlt, nicht gestrt werden darf. Ich habe also zwar versprochen, da ich alles rein machen werde, aber rein gemacht habe ich es tatschlich nicht. Als Brunelda das bemerkt hat, hat sie zu Delamarche gesagt, da das nicht so weitergeht und da man noch eine Hilfskraft wird aufnehmen mssen. Ich will nicht, Delamarche, hat sie gesagt, da du mir einmal Vorwrfe machst, ich htte die Wirtschaft nicht gut gefhrt. Selbst kann ich mich nicht anstrengen, das siehst du doch ein, und Robinson gengt nicht; am Anfang war er so frisch und hat sich berall umgesehen, aber jetzt ist er immerfort mde und sitzt meist in einem Winkel. Aber ein Zimmer mit so viel Gegenstnden wie das unsrige hlt sich nicht selbst in Ordnung. Daraufhin hat Delamarche nachgedacht, was sich da tun liee, denn eine beliebige Person kann man natrlich in einen solchen Haushalt nicht aufnehmen, auch zur Probe nicht, denn man pat uns ja von allen Seiten auf. Weil ich aber dein guter Freund bin und von Renell gehrt habe, wie du dich im Hotel plagen mut, habe ich dich in Vorschlag gebracht. Delamarche war gleich einverstanden, obwohl du dich damals gegen ihn so keck benommen hast, und ich habe mich natrlich sehr gefreut, da ich dir so ntzlich sein konnte. Fr dich ist nmlich diese Stellung wie geschaffen, du bist jung, stark und geschickt, whrend ich nichts mehr wert bin. Nur will ich dir sagen, da du noch keineswegs aufgenommen bist; wenn du Brunelda nicht gefllst, knnen wir dich nicht brauchen. Also strenge dich nur an, da du ihr angenehm bist, fr das brige werde ich schon sorgen. Und was wirst du machen, wenn ich hier Diener sein werde? fragte Karl; er fhlte sich so frei, der erste Schrecken, den ihm die Mitteilungen Robinsons verursacht hatten, war vorber. Delamarche hatte also keine schlimmeren Absichten mit ihm, als ihn zum Diener zu machen htte er schlimmere Absichten gehabt, dann htte sie der plapperhafte Robinson gewi verraten, wenn es aber so stand, dann getraute sich Karl, noch heute nacht den Abschied durchzufhren. Man kann niemanden zwingen, einen Posten anzunehmen. Und whrend Karl frher Sorgen gehabt hatte, ob er nach seiner Entlassung aus dem Hotel bald genug, um vor Hunger geschtzt zu sein, einen passenden und womglich nicht unansehnlicheren Posten bekommen werde, schien ihm jetzt im Vergleich zu dem ihm hier zugedachten Posten, der ihm widerlich war, jeder andere Posten gut genug, und selbst die stellungslose Not htte er diesem Posten vorgezogen. Robinson das aber begreiflich zu machen, versuchte er gar nicht, besonders da Robinson jetzt in jedem Urteil durch die Hoffnung vllig befangen war, von Karl entlastet zu werden. Ich werde also, sagte Robinson und begleitete die Rede mit behaglichen Handbewegungen die Ellbogen hatte er auf das Gelnder aufgesttzt, dir zunchst alles erklren und die Vorrte zeigen. Du bist gebildet und hast sicher auch eine schne Schrift, du knntest also gleich ein Verzeichnis all der Sachen machen, die wir da haben. Das hat sich Brunelda schon lngst gewnscht. Wenn morgen vormittag schnes Wetter ist, werden wir Brunelda bitten, da sie sich auf den Balkon setzt, und inzwischen werden wir ruhig und ohne sie zu stren im Zimmer arbeiten knnen. Denn darauf, Romann, mut du vor allem achtgeben. Nur nicht Brunelda stren. Sie hrt alles, wahrscheinlich hat sie als Sngerin so empfindliche Ohren. Du rollst zum Beispiel das Fa mit Schnaps, das hinter dem Kasten steht, heraus, es macht Lrm, weil es schwer ist und dort berall verschiedene Sachen herumliegen, so da man es nicht mit einem Male durchrollen kann. Brunelda liegt zum Beispiel ruhig auf dem Kanapee und fngt Fliegen, die sie berhaupt sehr belstigen. Du glaubst also, sie kmmert sich um dich nicht, und rollst dein Fa weiter. Sie liegt noch immer ruhig. Aber in einem Augenblick, wo du es gar nicht erwartest und wo du am wenigsten Lrm machst, setzt sie sich pltzlich aufrecht, schlgt mit beiden Hnden auf das Kanapee, da man sie vor Staub nicht sieht seit wir hier sind, habe ich das Kanapee nicht ausgeklopft; ich kann ja nicht, sie liegt doch immerfort darauf, und fngt schrecklich zu schreien an, wie ein Mann, und schreit so stundenlang. Das Singen haben ihr die Nachbarn verboten, das Schreien aber kann ihr niemand verbieten, sie mu schreien, brigens geschieht es ja jetzt nur selten, ich und Delamarche sind sehr vorsichtig geworden. Es hat ihr ja auch sehr geschadet. Einmal ist sie ohnmchtig geworden, und ich habe Delamarche war gerade weg den Studenten von nebenan holen mssen, der hat sie aus einer groen Flasche mit Flssigkeit bespritzt, es hat auch geholfen, aber diese Flssigkeit hat einen unertrglichen Geruch gehabt, noch jetzt, wenn man die Nase zum Kanapee hlt, riecht man es. Der Student ist sicher unser Feind, wie alle hier, du mut dich auch vor allen in acht nehmen und dich mit keinem einlassen. Du, Robinson, sagte Karl, das ist aber ein schwerer Dienst. Da hast du mich fr einen schnen Posten empfohlen. Mach dir keine Sorgen, sagte Robinson und schttelte mit geschlossenen Augen den Kopf, um alle mglichen Sorgen Karls abzuwehren. Der Posten hat auch Vorteile, wie sie dir kein anderer Posten bieten kann. Du bist immerfort in der Nhe einer Dame wie Brunelda, du schlfst manchmal mit ihr im gleichen Zimmer, das bringt schon, wie du dir denken kannst, verschiedene Annehmlichkeiten mit sich. Du wirst reichlich bezahlt werden, Geld ist in Menge da, ich habe als Freund Delamarches nichts bekommen; nur wenn ich ausgegangen bin, hat mir Brunelda immer etwas mitgegeben, aber du wirst natrlich bezahlt werden wie ein anderer Diener. Du bist ja auch nichts anderes. Das Wichtigste fr dich aber ist, da ich dir den Posten sehr erleichtern werde. Zunchst werde ich natrlich nichts machen, damit ich mich erhole, aber wie ich nur ein wenig erholt bin, kannst du auf mich rechnen. Die eigentliche Bedienung Bruneldas behalte ich berhaupt fr mich, also das Frisieren und Anziehen, soweit es nicht Delamarche besorgt. Du wirst dich nur um das Aufrumen des Zimmers, um Besorgungen und die schwereren huslichen Arbeiten zu kmmern haben. Nein, Robinson, sagte Karl, das alles verlockt mich nicht. Mach keine Dummheiten, Romann, sagte Robinson nahe an Karls Gesicht, verscherze dir nicht diese schne Gelegenheit. Wo bekommst du denn gleich einen Posten? Wer kennt dich? Wen kennst du? Wir, zwei Mnner, die schon viel erlebt haben und groe Erfahrungen besitzen, sind wochenlang herumgelaufen, ohne Arbeit zu bekommen. Es ist nicht leicht, es ist sogar verzweifelt schwer. Karl nickte und wunderte sich, wie vernnftig Robinson sprechen konnte. Fr ihn hatten diese Ratschlge allerdings keine Geltung, er durfte hier nicht bleiben, in der groen Stadt wrde sich wohl noch ein Pltzchen fr ihn finden, die ganze Nacht ber, das wute er, waren alle Gasthuser berfllt, man brauchte Bedienung fr die Gste, darin hatte er nun schon bung. Er wrde sich schon rasch und unauffllig in irgendeinen Betrieb einfgen. Gerade im gegenberliegenden Hause war unten ein kleines Gasthaus untergebracht, aus dem eine rauschende Musik hervordrang. Der Haupteingang war nur mit einem groen gelben Vorhang verdeckt, der manchmal, von einem Luftzug bewegt, mchtig in die Gasse hinausflatterte. Sonst war es in der Gasse freilich viel stiller geworden. Die meisten Balkone waren finster, nur in der Ferne fand sich noch hier und dort ein einzelnes Licht, aber kaum fate man es fr ein Weilchen ins Auge, erhoben sich dort die Leute, und whrend sie in die Wohnung zurckdrngten, griff ein Mann an die Glhlampe und drehte, als letzter auf dem Balkon zurckbleibend, nach einem kurzen Blick auf die Gasse das Licht aus. Nun beginnt ja schon die Nacht, sagte sich Karl, bleibe ich noch lnger hier, gehre ich schon zu ihnen. Er drehte sich um, um den Vorhang vor der Wohnungstr wegzuziehen. Was willst du? sagte Robinson und stellte sich zwischen Karl und den Vorhang. Weg will ich, sagte Karl. La mich! La mich! Du willst sie doch nicht stren, rief Robinson, was fllt dir denn nur ein! Und er legte Karl die Arme um den Hals, hing sich mit seiner ganzen Last an ihn, umklammerte mit den Beinen Karls Beine und zog ihn so im Augenblick auf die Erde nieder. Aber Karl hatte unter den Liftjungen ein wenig raufen gelernt, und so stie er Robinson die Faust unter das Kinn, aber schwach und voll Schonung. Der gab Karl noch rasch und ganz rcksichtslos mit dem Knie einen vollen Sto in den Bauch, fing dann aber, beide Hnde am Kinn, so laut zu heulen an, da von dem benachbarten Balkon ein Mann unter wildem Hndeklatschen Ruhe! befahl. Karl lag noch ein wenig still, um den Schmerz, den ihm der Sto Robinsons verursacht hatte, zu verwinden. Er wandte nur das Gesicht zum Vorhang hin, der ruhig und schwer vor dem offenbar dunklen Zimmer hing. Es schien ja niemand mehr im Zimmer zu sein, vielleicht war Delamarche mit Brunelda ausgegangen, und Karl hatte schon vllige Freiheit. Robinson, der sich wirklich wie ein Wchterhund benahm, war ja endgltig abgeschttelt. Da ertnten aus der Ferne von der Gasse her stoweise Trommeln und Trompeten. Einzelne Rufe vieler Leute sammelten sich bald zu einem allgemeinen Schreien. Karl drehte den Kopf und sah, wie sich alle Balkone von neuem belebten. Langsam erhob er sich, er konnte sich nicht ganz aufrichten und mute sich schwer gegen das Gelnder drcken. Unten auf dem Trottoir marschierten junge Burschen mit groen Schritten, ausgestreckten Armen, die Mtzen in der erhobenen Hand, die Gesichter zurckgewandt. Die Fahrbahn blieb noch frei. Einzelne schwenkten auf hohen Stangen Lampions, die von einem gelblichen Rauch umhllt waren. Gerade traten die Trommler und Trompeter in breiten Reihen ans Licht, und Karl staunte ber ihre Menge, da hrte er hinter sich Stimmen, drehte sich um und sah den Delamarche den schweren Vorhang heben und dann aus dem Zimmerdunkel Brunelda treten, im roten Kleid, mit einem Spitzenberwurf um die Schultern, einem dunklen Hubchen ber dem wahrscheinlich unfrisierten und blo aufgehuften Haar, dessen Enden lose hie und da hervorsahen. In der Hand hielt sie einen kleinen ausgespannten Fcher, bewegte ihn aber nicht, sondern drckte ihn eng an sich. Karl schob sich dem Gelnder entlang zur Seite, um den beiden Platz zu machen. Gewi wrde ihn niemand zum Hierbleiben zwingen, und wenn es auch Delamarche versuchen wollte, Brunelda wrde ihn auf seine Bitte sofort entlassen. Sie konnte ihn ja gar nicht leiden, seine Augen erschreckten sie. Aber als er einen Schritt zur Tr hin machte, hatte sie es doch bemerkt und sagte: Wohin denn, Kleiner? Karl stockte vor den strengen Blicken Delamarches, und Brunelda zog ihn zu sich. Willst du dir denn nicht den Aufzug unten ansehen? sagte sie und schob ihn vor sich an das Gelnder. Weit du, worum es sich handelt? hrte Karl sie hinter sich sagen und machte ohne Erfolg eine unwillkrliche Bewegung, um sich ihrem Druck zu entziehen. Traurig sah er auf die Gasse hinunter, als sei dort der Grund seiner Traurigkeit. Delamarche stand zuerst mit gekreuzten Armen hinter Brunelda, dann lief er ins Zimmer und brachte Brunelda den Operngucker. Unten war hinter den Musikanten der Hauptteil des Aufzuges erschienen. Auf den Schultern eines riesenhaften Mannes sa ein Herr, von dem man in dieser Hhe nichts anderes sah als seine mattschimmernde Glatze, ber der er seinen Zylinderhut stndig grend hoch erhoben hielt. Rings um ihn wurden offenbar Holztafeln getragen, die, vom Balkon aus gesehen, ganz wei erschienen; die Anordnung war derartig getroffen, da diese Plakate von allen Seiten sich frmlich an den Herrn anlehnten, der aus ihrer Mitte hervorragte. Da alles im Gange war, lockerte sich diese Mauer von Plakaten immerfort und ordnete sich auch immerfort von neuem. Im weiteren Umkreis war um den Herrn die ganze Breite der Gasse, wenn auch, soweit man im Dunkel schtzen konnte, auf eine unbedeutende Lnge hin, von Anhngern des Herrn angefllt, die smtlich in die Hnde klatschten und wahrscheinlich den Namen des Herrn, einen ganz kurzen, aber unverstndlichen Namen, in einem getragenen Gesange verkndeten. Einzelne, die geschickt in der Menge verteilt waren, hatten Automobillaternen mit uerst starkem Licht, das sie die Huser auf beiden Seiten der Strae langsam auf- und abwrts fhrten. In Karls Hhe strte das Licht nicht mehr, aber auf den unteren Balkonen sah man die Leute, die davon bestrichen wurden, eiligst die Hnde an die Augen fhren. Delamarche erkundigte sich auf die Bitte Bruneldas bei den Leuten auf dem Nachbarbalkon, was die Veranstaltung zu bedeuten habe. Karl war ein wenig neugierig, ob und wie man ihm antworten wrde. Und tatschlich mute Delamarche dreimal fragen, ohne eine Antwort zu bekommen. Er beugte sich schon gefhrlich ber das Gelnder, Brunelda stampfte vor rger ber die Nachbarn leicht auf, Karl fhlte ihre Knie. Endlich kam doch irgendeine Antwort, aber gleichzeitig fingen auf diesem Balkon, der gedrngt voll Menschen war, alle laut zu lachen an. Daraufhin schrie Delamarche etwas hinber, so laut, da, wenn nicht augenblicklich in der ganzen Gasse viel Lrm gewesen wre, alles ringsum erstaunt htte aufhorchen mssen. Jedenfalls hatte es die Wirkung, da das Lachen unnatrlich bald sich legte. Es wird morgen ein Richter in unserem Bezirk gewhlt und der, den sie unten tragen, ist ein Kandidat, sagte Delamarche, vollkommen ruhig zu Brunelda zurckkehrend. Nein! rief er dann und klopfte liebkosend Brunelda auf den Rcken. Wir wissen schon gar nicht mehr, was in der Welt vorgeht. Delamarche, sagte Brunelda, auf das Benehmen der Nachbarn zurckkommend, wie gern wollte ich bersiedeln, wenn es nicht so anstrengend wre! Ich darf es mir aber leider nicht zumuten. Und unter groen Seufzern, unruhig und zerstreut, nestelte sie an Karls Hemd, der mglichst unauffllig immer wieder diese kleinen, fetten Hndchen wegzuschieben suchte, was ihm auch leicht gelang, denn Brunelda dachte nicht an ihn, sie war mit ganz anderen Gedanken beschftigt. Aber auch Karl verga bald Brunelda und duldete die Last ihrer Arme auf seinen Achseln, denn die Vorgnge auf der Strae nahmen ihn sehr in Anspruch. Auf Anordnung einer kleinen Gruppe gestikulierender Mnner, die knapp vor dem Kandidaten marschierten und deren Unterhaltungen eine besondere Bedeutung haben muten, denn von allen Seiten sah man lauschende Gesichter sich ihnen zuneigen, wurde unerwarteterweise vor dem Gasthaus haltgemacht. Einer dieser magebenden Mnner machte mit erhobener Hand ein Zeichen, das sowohl der Menge als auch dem Kandidaten galt. Die Menge verstummte, und der Kandidat, der sich auf den Schultern seines Trgers mehrfach aufzustellen suchte und mehrmals in den Sitz zurckfiel, hielt eine kleine Rede, whrend welcher er seinen Zylinder in Windeseile hin und her fahren lie. Man sah das ganz deutlich, denn whrend seiner Rede waren alle Automobillaternen auf ihn gerichtet worden, so da er in der Mitte eines hellen Sternes sich befand. Nun erkannte man aber auch schon das Interesse, welches die ganze Strae an der Angelegenheit nahm. Auf den Balkonen, die von Parteigngern des Kandidaten besetzt waren, fiel man mit in das Singen seines Namens ein und lie die weit ber das Gelnder vorgestreckten Hnde maschinenmig klatschen. Auf den brigen Balkonen, die sogar in der Mehrzahl waren, erhob sich ein starker Gegengesang, der allerdings keine einheitliche Wirkung hatte, da es sich um die Anhnger verschiedener Kandidaten handelte. Dagegen verbanden sich weiterhin alle Feinde des anwesenden Kandidaten zu einem allgemeinen Pfeifen, und sogar Grammophone wurden vielfach wieder in Gang gesetzt. Zwischen den einzelnen Balkonen wurden politische Streitigkeiten mit einer durch die nchtliche Stunde verstrkten Erregung ausgetragen. Die meisten waren schon in Nachtkleidern und hatten nur berrcke umgeworfen, die Frauen hllten sich in groe, dunkle Tcher, die unbeachteten Kinder kletterten bengstigend auf den Einfassungen der Balkone umher und kamen in immer grerer Zahl aus den dunklen Zimmern, in denen sie schon geschlafen hatten, hervor. Hie und da wurden einzelne unkenntliche Gegenstnde von besonders Erhitzten in der Richtung ihrer Gegner geschleudert, manchmal gelangten sie an ihr Ziel, meist aber fielen sie auf die Strae hinab, wo sie oft ein Wutgeheul hervorriefen. Wurde den fhrenden Mnnern unten der Lrm zu arg, so erhielten die Trommler und Trompeter den Auftrag einzugreifen, und ihr schmetterndes, mit ganzer Kraft ausgefhrtes, nicht enden wollendes Signal unterdrckte alle menschlichen Stimmen bis zu den Dchern der Huser hinauf. Und immer, ganz pltzlich man glaubte es kaum, hrten sie auf, worauf die hierfr offenbar eingebte Menge auf der Strae in die fr einen Augenblick eingetretene allgemeine Stille ihren Parteigesang emporbrllte man sah im Lichte der Automobillaternen den Mund jedes einzelnen weit geffnet, bis dann die inzwischen zur Besinnung gekommenen Gegner zehnmal so stark wie frher aus allen Balkonen und Fenstern hervorschrien und die Partei unten nach ihrem kurzen Sieg zu einem fr diese Hhe wenigstens gnzlichen Verstummen brachten. Wie gefllt es dir, Kleiner? fragte Brunelda, die sich eng hinter Karl hin und her drehte, um mit dem Gucker mglichst alles zu bersehen. Karl antwortete nur durch Kopfnicken. Nebenbei bemerkte er, wie Robinson dem Delamarche eifrig verschiedene Mitteilungen offenbar ber Karls Verhalten machte, denen aber Delamarche keine Bedeutung beizumessen schien, denn er suchte Robinson mit der Linken, mit der Rechten hatte er Brunelda umfat, immerfort beiseitezuschieben. Willst du nicht durch den Gucker schauen? fragte Brunelda und klopfte auf Karls Brust, um zu zeigen, da sie ihn meine. Ich sehe genug, sagte Karl. Versuch es doch, sagte sie, du wirst besser sehen. Ich habe gute Augen, antwortete Karl, ich sehe alles. Er empfand es nicht als Liebenswrdigkeit, sondern als Strung, als sie den Gucker seinen Augen nherte, und tatschlich sagte sie nun nichts als das eine Wort Du! melodisch, aber drohend. Und schon hatte Karl den Gucker an seinen Augen und sah nun tatschlich nichts. Ich sehe ja nichts, sagte er und wollte den Gucker loswerden, aber den Gucker hielt sie fest, und den auf ihrer Brust eingebetteten Kopf konnte er weder zurck noch seitwrts schieben. Jetzt siehst du aber schon, sagte sie und drehte an der Schraube des Guckers. Nein, ich sehe noch immer nichts, sagte Karl und dachte daran, da er Robinson ohne seinen Willen nun tatschlich entlastet habe, denn Bruneldas unertrgliche Launen wurden nun an ihm ausgelassen. Wann wirst du denn endlich sehen? sagte sie und drehte Karl hatte nun sein ganzes Gesicht in ihrem schweren Atem weiter an der Schraube. Jetzt? fragte sie. Nein, nein, nein! rief Karl, obwohl er nun tatschlich, wenn auch nur sehr undeutlich, alles unterscheiden konnte. Aber gerade hatte Brunelda irgend etwas mit Delamarche zu tun, sie hielt den Gucker nur lose vor Karls Gesicht, und Karl konnte, ohne da sie es besonders beachtete, unter dem Gucker hinweg auf die Strae sehen. Spter bestand sie auch nicht mehr auf ihrem Willen und bentzte den Gucker fr sich. Aus dem Gasthaus unten war ein Kellner getreten, und aus der Trschwelle hin und her eilend, nahm er die Bestellungen der Fhrer entgegen. Man sah, wie er sich streckte, um das Innere des Lokals zu bersehen und mglichst viel Bedienung herbeizurufen. Whrend dieser offenbar einem groen Freitrinken dienenden Vorbereitungen lie der Kandidat nicht vom Reden ab. Sein Trger, der riesige, nur ihm dienende Mann, machte immer nach einigen Stzen eine kleine Drehung, um die Rede allen Teilen der Menge zukommen zu lassen. Der Kandidat hielt sich meist ganz zusammengekrmmt und versuchte mit ruckweisen Bewegungen der einen freien Hand und des Zylinders in der anderen seinen Worten mglichste Eindringlichkeit zu geben. Manchmal aber, in fast regelmigen Zwischenrumen, durchfuhr es ihn, er erhob sich mit ausgebreiteten Armen, er redete nicht mehr eine Gruppe, sondern die Gesamtheit an, er sprach zu den Bewohnern der Huser bis zu den hchsten Stockwerken hinauf, und doch war es vollkommen klar, da ihn schon in den untersten Stockwerken niemand hren konnte; ja, da ihm auch, wenn die Mglichkeit gewesen wre, niemand htte zuhren wollen, denn jedes Fenster und jeder Balkon war doch zumindest von einem schreienden Redner besetzt. Inzwischen brachten einige Kellner aus dem Gasthaus ein mit gefllten leuchtenden Glsern besetztes Brett, im Umfang eines Billards, hervor. Die Fhrer organisierten die Verteilung, die in Form eines Vorbeimarsches an der Gasthaustr erfolgte. Aber obwohl die Glser auf dem Brett immer wieder nachgefllt wurden, gengten sie fr die Menge nicht, und zwei Reihen von Schankburschen muten rechts und links vom Brett durchschlpfen und die Menge weiterhin versorgen. Der Kandidat hatte natrlich mit dem Reden aufgehrt und bentzte die Pause, um sich neu zu krftigen. Abseits von der Menge und dem grellen Licht trug ihn sein Trger langsam hin und her, und nur einige seiner nchsten Anhnger begleiteten ihn dort und sprachen zu ihm hinauf. Sieh mal den Kleinen, sagte Brunelda, er vergit vor lauter Schauen, wo er ist. Und sie berraschte Karl und drehte mit beiden Hnden sein Gesicht sich zu, so da sie ihm in die Augen sah. Es dauerte aber nur einen Augenblick, denn Karl schttelte gleich ihre Hnde ab, und rgerlich darber, da man ihn nicht ein Weilchen in Ruhe lie, und gleichzeitig voll Lust, auf die Strae zu gehen und alles von der Nhe anzusehen, suchte er sich nun mit aller Kraft vom Druck Bruneldas zu befreien und sagte: Bitte, lassen Sie mich weg. Du wirst bei uns bleiben, sagte Delamarche, ohne den Blick von der Strae zu wenden, und streckte nur eine Hand aus, um Karl am Weggehen zu verhindern. La nur, sagte Brunelda und wehrte die Hand des Delamarche ab, er bleibt ja schon. Und sie drckte Karl noch fester ans Gelnder, er htte mit ihr raufen mssen, um sich von ihr zu befreien. Und wenn ihm das auch gelungen wre, was htte er damit erreicht! Links von ihm stand Delamarche, rechts hatte sich nun Robinson aufgestellt, er war in einer regelrechten Gefangenschaft. Sei froh, da man dich nicht hinauswirft, sagte Robinson und beklopfte Karl mit der Hand, die er unter Bruneldas Arm durchgezogen hatte. Hinauswirft? sagte Delamarche. Einen entlaufenen Dieb wirft man nicht hinaus, den bergibt man der Polizei. Und das kann ihm gleich morgen frh geschehen, wenn er nicht ganz ruhig ist. Von diesem Augenblick an hatte Karl an dem Schauspiel unten keine Freude mehr. Nur gezwungen, weil er Bruneldas wegen sich nicht aufrichten konnte, beugte er sich ein wenig ber das Gelnder. Voll eigener Sorgen, mit zerstreuten Blicken sah er die Leute unten an, die in Gruppen von etwa zwanzig Mann vor die Gasthaustre traten, die Glser ergriffen, sich umdrehten und diese Glser in der Richtung gegen den jetzt mit sich beschftigten Kandidaten schwenkten, einen Parteigru ausriefen, die Glser leerten und sie, jedenfalls drhnend, in dieser Hhe aber unhrbar, auf das Brett wieder niedersetzten, um einer neuen, vor Ungeduld lrmenden Gruppe Platz zu machen. ber Auftrag der Fhrer war die Kapelle, die bisher im Gasthaus gespielt hatte, auf die Gasse getreten, ihre groen Blasinstrumente strahlten aus der dunklen Menge, aber ihr Spiel verging fast im allgemeinen Lrm. Die Strae war nun, wenigstens auf der Seite, wo sich das Gasthaus befand, weithin mit Menschen angefllt. Von oben, woher Karl am Morgen im Automobil gekommen war, strmten sie herab, von unten, von der Brcke her, liefen sie herauf, und selbst die Leute in den Husern hatten der Verlockung nicht widerstehen knnen, in diese Angelegenheit mit eigenen Hnden einzugreifen, auf den Balkonen und in den Fenstern waren fast nur Frauen und Kinder zurckgeblieben, whrend die Mnner unten aus den Haustoren drngten. Nun aber hatte die Musik und die Bewirtung ihren Zweck erreicht, die Versammlung war gengend gro, ein von zwei Automobillaternen flankierter Fhrer winkte der Musik ab, stie einen starken Pfiff aus, und nun sah man den ein wenig abgeirrten Trger mit dem Kandidaten durch einen von Anhngern gebannten Weg eiligst herbeikommen. Kaum war er bei der Gasthaustre, begann der Kandidat im Schein der nun im engen Kreis um ihn gehaltenen Automobillaternen seine neue Rede. Aber nun war alles viel schwieriger als frher, der Trger hatte nicht die geringste Bewegungsfreiheit mehr, das Gedrnge war zu gro. Die nchsten Anhnger, die frher mit allen mglichen Mitteln die Wirkung der Reden des Kandidaten zu verstrken versucht hatten, hatten nun Mhe, sich in seiner Nhe zu erhalten, wohl zwanzig hielten sich mit aller Anstrengung am Trger fest. Aber selbst dieser starke Mann konnte keinen Schritt nach seinem Willen mehr machen, an eine Einflunahme auf die Menge durch bestimmte Wendungen oder durch passendes Vorrcken oder Zurckweichen war nicht mehr zu denken. Die Menge flutete ohne Plan, einer lag am anderen, keiner stand mehr aufrecht, die Gegner schienen sich durch neues Publikum sehr vermehrt zu haben, der Trger hatte sich lange in der Nhe der Gasthaustre gehalten, nun aber lie er sich, scheinbar ohne Widerstand, die Gasse auf- und abwrts treiben, der Kandidat redete immerfort, aber es war nicht mehr ganz klar, ob er sein Programm auseinanderlegte oder um Hilfe rief; wenn nicht alles tuschte, hatte sich auch ein Gegenkandidat eingefunden oder gar mehrere, denn hie und da sah man in irgendeinem pltzlich aufflammenden Licht einen von der Menge emporgehobenen Mann mit bleichem Gesicht und geballten Fusten eine von vielstimmigen Rufen begrte Rede halten. Was geschieht denn da? fragte Karl und wandte sich in atemloser Verwirrung an seine Wchter. Wie es den Kleinen aufregt! sagte Brunelda zu Delamarche und fate Karl am Kinn, um seinen Kopf an sich zu ziehen. Aber das hatte Karl nicht wollen und er schttelte sich, durch die Vorgnge auf der Strae frmlich rcksichtslos gemacht, so stark, da Brunelda ihn nicht nur loslie, sondern zurckwich und ihn gnzlich freigab.Jetzt hast du genug gesehen, sagte sie, offenbar durch Karls Benehmen bse gemacht, geh ins Zimmer, bette auf und bereite alles fr die Nacht vor. Sie streckte die Hand nach dem Zimmer aus. Das war ja die Richtung, die Karl schon seit einigen Stunden nehmen wollte, er widersprach mit keinem Wort. Da hrte man von der Gasse her das Krachen von viel zersplitterndem Glas. Karl konnte sich nicht bezwingen und sprang noch rasch zum Gelnder, um flchtig noch einmal hinunterzuschauen. Ein Anschlag der Gegner, und vielleicht ein entscheidender, war geglckt, die Automobillaternen der Anhnger, die mit ihrem starken Licht wenigstens die Hauptvorgnge vor der gesamten ffentlichkeit geschehen lieen und dadurch alles in gewissen Grenzen gehalten hatten, waren smtlich und gleichzeitig zerschmettert worden, den Kandidaten und seinen Trger umfing nun die gemeinsame unsichere Beleuchtung, die in ihrer pltzlichen Ausbreitung wie vllige Finsternis wirkte. Auch nicht beilufig htte man jetzt angeben knnen, wo sich der Kandidat befand, und das Tuschende des Dunkels wurde noch vermehrt durch einen gerade einsetzenden, breiten, einheitlichen Gesang, der von unten, von der Brcke her sich nherte. Habe ich dir nicht gesagt, was du jetzt zu tun hast! sagte Brunelda. Beeile dich. Ich bin mde, fgte sie hinzu und streckte dann die Arme in die Hhe, so da sich ihre Brust noch viel mehr wlbte als gewhnlich. Delamarche, der sie noch immer umfat hielt, zog sie mit sich in eine Ecke des Balkons. Robinson ging ihnen nach, um die berbleibsel seines Essens, die noch dort lagen, beiseitezuschieben. Diese gnstige Gelegenheit mute Karl ausnutzen, jetzt war keine Zeit hinunterzuschauen, von den Vorgngen auf der Strae wrde er unten noch genug sehen, und mehr als von hier oben. In zwei Sprngen eilte er durch das rtlich beleuchtete Zimmer, aber die Tr war verschlossen und der Schlssel abgezogen. Der mute jetzt gefunden werden, aber wer wollte in dieser Unordnung einen Schlssel finden und gar in der kurzen, kostbaren Zeit, die Karl zur Verfgung stand! Jetzt htte er schon eigentlich auf der Treppe sein, htte laufen und laufen sollen. Und nun suchte er den Schlssel! Suchte ihn in allen zugnglichen Schubladen, stberte auf dem Tisch herum, wo verschiedenes Egeschirr, Servietten und irgendeine angefangene Stickerei herumlagen, wurde durch einen Lehnstuhl angelockt, auf dem ein ganz verfitzter Haufen alter Kleidungsstcke sich befand, in denen der Schlssel sich mglicherweise befinden, aber niemals aufgefunden werden konnte, und warf sich schlielich auf das tatschlich belriechende Kanapee, um in allen Ecken und Falten nach dem Schlssel zu tasten. Dann lie er vom Suchen ab und stockte in der Mitte des Zimmers. Gewi hatte Brunelda den Schlssel an ihrem Grtel befestigt, sagte er sich, dort hingen ja so viele Sachen, alles Suchen war umsonst. Und blindlings ergriff Karl zwei Messer und bohrte sie zwischen die Trflgel, eines oben, eines unten, um zwei voneinander entfernte Angriffspunkte zu erhalten. Kaum hatte er an den Messern gezogen, brachen natrlich die Klingen entzwei. Er hatte nichts anderes wollen, die Stmpfe, die er nun fester einbohren konnte, wrden desto besser halten. Und nun zog er mit aller Kraft, die Arme weit ausgebreitet, die Beine weit auseinander gestemmt sthnend und dabei genau auf die Tr aufpassend. Sie wrde nicht auf die Dauer widerstehen knnen, das erkannte er mit Freuden aus dem deutlich hrbaren Sichlockern der Riegel, je langsamer es aber ging, desto richtiger war es, aufspringen durfte ja das Schlo gar nicht, sonst wrde man ja auf dem Balkon aufmerksam werden, das Schlo mute sich vielmehr ganz langsam voneinanderlsen, und darauf arbeitete Karl mit grter Vorsicht hin, die Augen immer mehr dem Schlosse nhernd. Seht einmal, hrte er da die Stimme des Delamarche. Alle drei standen im Zimmer, der Vorhang war hinter ihnen schon zugezogen, Karl mute ihr Kommen berhrt haben, die Hnde sanken ihm bei dem Anblick von den Messern herab. Aber er hatte gar nicht Zeit, irgendein Wort zur Erklrung oder Entschuldigung zu sagen, denn in einem weit ber die augenblickliche Gelegenheit hinausgehenden Wutanfall sprang Delamarche sein gelstes Schlafrockseil beschrieb eine groe Figur in der Luft auf Karl los. Karl wich noch im letzten Augenblick dem Angriff aus, er htte die Messer aus der Tr ziehen und zur Verteidigung bentzen knnen, aber das tat er nicht, dagegen griff er, sich bckend und aufspringend, nach dem breiten Schlafrockkragen des Delamarche, schlug ihn in die Hhe, zog ihn dann noch weiter hinauf der Schlafrock war ja fr Delamarche viel zu gro und hielt nun glcklich den Delamarche beim Kopf, der, allzusehr berrascht, zuerst blind mit den Hnden fuchtelte und erst nach einem Weilchen, aber noch nicht mit ganzer Wirkung mit den Fusten auf Karls Rcken schlug, der sich, um sein Gesicht zu schtzen, an die Brust des Delamarche geworfen hatte. Die Faustschlge ertrug Karl, wenn er sich auch vor Schmerzen wand und wenn auch die Schlge immer strker wurden, aber wie htte er das nicht ertragen sollen, vor sich sah er ja den Sieg. Die Hnde am Kopf des Delamarche, die Daumen wohl gerade ber seinen Augen, fhrte er ihn vor sich her gegen das rgste Mbeldurcheinander und versuchte berdies, mit den Fuspitzen das Schlafrockseil um die Fe des Delamarche zu schlingen, um ihn auch so zu Fall zu bringen. Da er sich aber ganz und gar mit Delamarche beschftigen mute, zumal er dessen Widerstand immer mehr wachsen fhlte und immer sehniger dieser feindliche Krper sich ihm entgegenstemmte, verga er tatschlich, da er nicht mit Delamarche allein war. Aber nur allzubald wurde er daran erinnert, denn pltzlich versagten seine Fe, die Robinson, der sich hinter ihm auf den Boden geworfen hatte, schreiend auseinander prete. Seufzend lie Karl von Delamarche ab, der noch einen Schritt zurckwich. Brunelda stand mit weit auseinander gestellten Beinen und gebeugten Knien in ihrer ganzen Breite in der Zimmermitte und verfolgte die Vorgnge mit leuchtenden Augen. Als beteilige sie sich tatschlich an dem Kampf, atmete sie tief, visierte mit den Augen und lie ihre Fuste langsam vorrcken. Delamarche schlug seinen Kragen nieder, hatte nun wieder freien Blick, und nun gab es natrlich keinen Kampf mehr, sondern blo eine Bestrafung. Er fate Karl vorn beim Hemd, hob ihn fast vom Boden und schleuderte ihn, vor Verachtung sah er ihn gar nicht an, so gewaltig gegen einen ein paar Schritte entfernten Schrank, da Karl im ersten Augenblick meinte, die stechenden Schmerzen im Rcken und am Kopf, die ihm das Aufschlagen am Kasten verursachte, stammten unmittelbar von der Hand des Delamarche. Du Halunke! hrte er den Delamarche in dem Dunkel, das vor seinen zitternden Augen entstand, noch laut ausrufen. Und in der ersten Erschpfung, in der er vor dem Kasten zusammensank, klangen ihm die Worte Warte nur! noch schwach in den Ohren nach. Als er zur Besinnung kam, war es um ihn ganz finster, es mochte noch spt in der Nacht sein, vom Balkon her drang unter dem Vorhang ein leichter Schimmer des Mondlichts in das Zimmer. Man hrte die ruhigen Atemzge der drei Schlfer, die bei weitem lautesten stammten von Brunelda, sie schnaufte im Schlaf, wie sie es bisweilen beim Reden tat; es war aber nicht leicht festzustellen, in welcher Richtung die einzelnen Schlfer sich befanden, das ganze Zimmer war von dem Rauschen ihres Atems voll. Erst nachdem er seine Umgebung ein wenig geprft hatte, dachte Karl an sich, und da erschrak er sehr, denn wenn er sich auch ganz krumm und steif von Schmerzen fhlte, so hatte er doch nicht daran gedacht, da er eine schwere blutige Verletzung erlitten haben knnte. Nun aber hatte er eine Last auf dem Kopf, und das ganze Gesicht, der Hals, die Brust unter dem Hemd waren feucht wie von Blut. Er mute ans Licht, um seinen Zustand genau festzustellen, vielleicht hatte man ihn zum Krppel geschlagen, dann wrde ihn Delamarche wohl gerne entlassen, aber was sollte er dann anfangen, dann gab es wirklich keine Aussichten mehr fr ihn. Der Bursche mit der zerfressenen Nase im Torweg fiel ihm ein, und er legte einen Augenblick lang das Gesicht in seine Hnde. Unwillkrlich wandte er sich dann der Tr zu und tastete sich auf allen vieren hin. Bald erfhlte er mit den Fingerspitzen einen Stiefel und weiterhin ein Bein. Das war Robinson, wer schlief sonst in Stiefeln? Man hatte ihm befohlen, sich quer vor die Tr zu legen, um Karl an der Flucht zu hindern. Aber kannte man denn Karls Zustand nicht? Vorlufig wollte er gar nicht entfliehen, er wollte nur ans Licht kommen. Konnte er also nicht zur Tr hinaus, so mute er auf den Balkon. Den Etisch fand er an einer offenbar ganz anderen Stelle als am Abend, das Kanapee, dem sich Karl natrlich sehr vorsichtig nherte, war berraschenderweise leer, dagegen stie er in der Zimmermitte auf hochgeschichtete, wenn auch stark geprete Kleider, Decken, Vorhnge, Polster und Teppiche. Zuerst dachte er, es sei nur ein kleiner Haufen, hnlich dem, den er am Abend auf dem Sofa gefunden hatte und der etwa auf die Erde gerollt war, aber zu seinem Staunen bemerkte er beim Weiterkriechen, da da eine ganze Wagenladung solcher Sachen lag, die man wahrscheinlich fr die Nacht aus dem Kasten herausgenommen hatte, wo sie whrend des Tages aufbewahrt wurden. Er umkroch den Haufen und erkannte bald, da das Ganze eine Art Bettlager darstellte, auf dem hoch oben, wie er sich durch vorsichtiges Tasten berzeugte, Delamarche und Brunelda ruhten. Jetzt wute er also, wo alle schliefen, und beeilte sich nun, auf den Balkon zu kommen. Es war eine ganz andere Welt, in der er sich nun, auerhalb des Vorhangs, schnell erhob. In der frischen Nachtluft, im vollen Schein des Mondes ging er einigemal auf dem Balkon auf und ab. Er sah auf die Strae, sie war ganz still, aus dem Gasthaus klang noch die Musik, aber nur gedmpft, hervor, vor der Tr kehrte ein Mann das Trottoir, in der Gasse, in der am Abend innerhalb des wsten allgemeinen Lrms das Schreien eines Wahlkandidaten von tausend anderen Stimmen nicht hatte unterschieden werden knnen, hrte man nun deutlich das Kratzen des Besens auf dem Pflaster. Das Rcken eines Tisches auf dem Nachbarbalkon machte Karl aufmerksam, dort sa ja jemand und studierte. Es war ein junger Mann mit einem kleinen Spitzbart, an dem er beim Lesen, das er mit raschen Lippenbewegungen begleitete, stndig drehte. Er sa, das Gesicht Karl zugewendet, an einem kleinen, mit Bchern bedeckten Tisch, die Glhlampe hatte er von der Mauer abgenommen, zwischen zwei groe Bcher geklemmt, und war nun von ihrem grellen Licht ganz berleuchtet. Guten Abend, sagte Karl, da er bemerkt zu haben glaubte, da der junge Mann zu ihm herbergeschaut htte. Aber das mute wohl ein Irrtum gewesen sein, denn der junge Mann schien ihn berhaupt noch nicht bemerkt zu haben, legte die Hand ber die Augen, um das Licht abzublenden und festzustellen, wer da pltzlich grte, und hob dann, da er noch immer nichts sah, die Glhlampe hoch, um mit ihr auch den Nachbarbalkon ein wenig zu beleuchten. Guten Abend, sagte dann auch er, blickte einen Augenblick lang scharf hinber und fgte dann hinzu: Und was weiter? Ich stre Sie? fragte Karl. Gewi, gewi߫, sagte der Mann und brachte die Glhlampe wieder an ihren frheren Ort. Mit diesen Worten war allerdings jede Anknpfung abgelehnt, aber Karl verlie trotzdem die Balkonecke, in der er dem Manne am nchsten war, nicht. Stumm sah er zu, wie der Mann in seinem Buche las, die Bltter wendete, hie und da in einem anderen Buche, das er immer mit Blitzesschnelle ergriff, irgend etwas nachschlug und fters Notizen in ein Heft eintrug, wobei er immer berraschend tief das Gesicht zu dem Hefte senkte. Ob dieser Mann vielleicht ein Student war? Es sah ganz so aus, als ob er studierte. Nicht viel anders jetzt war es schon lange her war Karl zu Hause am Tisch der Eltern gesessen und hatte seine Aufgaben geschrieben, whrend der Vater die Zeitung las oder Bucheintragungen und Korrespondenzen fr einen Verein erledigte und die Mutter mit einer Nharbeit beschftigt war und hoch den Faden aus dem Stoffe zog. Um den Vater nicht zu belstigen, hatte Karl nur das Heft und das Schreibzeug auf den Tisch gelegt, whrend er die ntigen Bcher rechts und links von sich auf Sesseln angeordnet hatte. Wie still war es dort gewesen! Wie selten waren fremde Leute in jenes Zimmer gekommen! Schon als kleines Kind hatte Karl immer gerne zugesehen, wenn die Mutter gegen Abend die Wohnungstr mit dem Schlssel absperrte. Sie hatte keine Ahnung davon, da es jetzt mit Karl so weit gekommen war, da er fremde Tren mit Messern aufzubrechen suchte. Und welchen Zweck hatte sein ganzes Studium gehabt! Er hatte ja alles vergessen; wenn es darauf angekommen wre, hier sein Studium fortzusetzen, es wre ihm sehr schwer geworden. Er erinnerte sich daran, da er zu Hause einmal einen Monat lang krank gewesen war; welche Mhe hatte es ihn damals gekostet, sich nachher wieder in dem unterbrochenen Lernen zurechtzufinden! Und nun hatte er auer dem Lehrbuch der englischen Handelskorrespondenz schon so lange kein Buch gelesen. Sie, junger Mann, hrte sich Karl pltzlich angesprochen, knnten Sie sich nicht anderswo aufstellen? Ihr Herberstarren strt mich schrecklich. Um zwei Uhr in der Nacht kann man doch schlielich verlangen, auf dem Balkon ungestrt arbeiten zu knnen. Wollen Sie denn etwas von mir? Sie studieren? fragte Karl. Ja, ja, sagte der Mann und bentzte dieses fr das Lernen verlorene Weilchen, um unter seinen Bchern eine neue Ordnung einzurichten. Dann will ich Sie nicht stren, sagte Karl, ich gehe berhaupt schon ins Zimmer zurck. Gute Nacht. Der Mann gab nicht einmal eine Antwort, mit einem pltzlichen Entschlusse hatte er sich nach Beseitigung dieser Strung wieder ans Studieren gemacht und sttzte die Stirn schwer in die rechte Hand. Da erinnerte sich Karl knapp vor dem Vorhang daran, warum er eigentlich herausgekommen war, er wute ja noch gar nicht, wie es mit ihm stand. Was lastete nur so auf seinem Kopf? Er griff hinauf und staunte, da war keine blutige Verletzung, wie er im Dunkel des Zimmers gefrchtet hatte, es war nur ein noch immer feuchter, turbanartiger Verband. Er war, nach den noch hie und da hngenden Spitzenberresten zu schlieen, aus einem alten Wschestck Bruneldas gerissen, und Robinson hatte ihn wohl flchtig Karl um den Kopf gewickelt. Nur hatte er vergessen, ihn auszuwinden, und so war whrend Karls Bewutlosigkeit das viele Wasser das Gesicht hinab- und unter das Hemd geronnen und hatte Karl solchen Schrecken eingejagt. Sie sind wohl noch immer da? fragte der Mann und blinzelte hinber. Jetzt gehe ich aber wirklich schon, sagte Karl, ich wollte hier nur etwas anschauen, im Zimmer ist es ganz finster. Wer sind Sie denn? sagte der Mann, legte den Federhalter in das vor ihm geffnete Buch und trat an das Gelnder. Wie heien Sie? Wie kommen Sie zu den Leuten? Sind Sie schon lange hier? Was wollen Sie denn anschauen? Drehen Sie doch Ihre Glhlampe dort auf, damit man Sie sehen kann. Karl tat dies, zog aber, ehe er antwortete, noch den Vorhang der Tr fester zu, damit man im Innern nichts merken konnte. Verzeihen Sie, sagte er dann im Flsterton, da ich so leise rede. Wenn mich die drinnen hren, habe ich wieder einen Krawall. Wieder? fragte der Mann. Ja, sagte Karl, ich habe ja erst abends einen groen Streit mit ihnen gehabt. Ich mu da noch eine frchterliche Beule haben. Und er tastete hinten seinen Kopf ab. Was war denn das fr ein Streit? fragte der Mann und fgte, da Karl nicht gleich antwortete, hinzu: Mir knnen Sie ruhig alles anvertrauen, was Sie gegen diese Herrschaften auf dem Herzen haben. Ich hasse sie nmlich alle drei, und ganz besonders Ihre Madame. Es sollte mich brigens wundern, wenn man Sie nicht schon gegen mich gehetzt htte. Ich heie Josef Mendel und bin Student. Ja, sagte Karl, erzhlt hat man mir schon von Ihnen, aber nichts Schlimmes. Sie haben wohl einmal Frau Brunelda behandelt, nicht wahr? Das stimmt, sagte der Student und lachte. Riecht das Kanapee noch danach? O ja, sagte Karl. Das freut mich aber, sagte der Student und fuhr mit der Hand durchs Haar. Und warum macht man Ihnen Beulen? Es war ein Streit, sagte Karl im Nachdenken darber, wie er es dem Studenten erklren sollte. Dann aber unterbrach er sich und sagte: Stre ich Sie denn nicht? Erstens, sagte der Student, haben Sie mich schon gestrt, und ich bin leider so nervs, da ich lange Zeit brauche, um mich wieder zurechtzufinden. Seit Sie da Ihre Spaziergnge auf dem Balkon angefangen haben, komme ich mit dem Studieren nicht vorwrts. Zweitens aber mache ich um drei Uhr immer eine Pause. Erzhlen Sie also nur ruhig. Es interessiert mich auch. Es ist ganz einfach, sagte Karl. Delamarche will, da ich bei ihm Diener werde. Aber ich will nicht. Ich wre am liebsten noch gleich abends weggegangen. Er wollte mich nicht lassen, hat die Tr abgesperrt, ich wollte sie aufbrechen, und dann kam es zu der Rauferei. Ich bin unglcklich, da ich noch hier bin. Haben Sie denn eine andere Stellung? fragte der Student. Nein, sagte Karl, aber daran liegt mir nichts, wenn ich nur von hier fort wre. Hren Sie einmal, sagte der Student, daran liegt Ihnen nichts? Und beide schwiegen ein Weilchen. Warum wollen Sie denn bei den Leuten nicht bleiben?" fragte dann der Student. Delamarche ist ein schlechter Mensch, sagte Karl, ich kenne ihn schon von frher her. Ich marschierte einmal einen Tag lang mit ihm und war froh, als ich nicht mehr bei ihm war. Und jetzt soll ich Diener bei ihm werden? Wenn alle Diener bei der Auswahl ihrer Herrschaften so heikel sein wollten wie Sie! sagte der Student und schien zu lcheln. Sehen Sie, ich bin whrend des Tages Verkufer, niedrigster Verkufer, eher schon Laufbursche im Warenhaus von Montly. Dieser Montly ist zweifellos ein Schurke, aber das lt mich ganz ruhig, wtend bin ich nur, da ich so elend bezahlt werde. Nehmen Sie sich also an mir ein Beispiel. Wie? sagte Karl, Sie sind bei Tag Verkufer und in der Nacht studieren Sie? Ja, sagte der Student, es geht nicht anders. Ich habe schon alles mgliche versucht, aber diese Lebensweise ist noch die beste. Vor Jahren war ich nur Student, bei Tag und Nacht, wissen Sie, nur bin ich dabei fast verhungert, habe in einer schmutzigen alten Hhle geschlafen und wagte mich in meinem damaligen Anzug nicht in die Hrsle. Aber das ist vorber. Aber wann schlafen Sie? fragte Karl und sah den Studenten verwundert an. Ja, schlafen! sagte der Student. Schlafen werde ich, wenn ich mit meinem Studium fertig bin. Vorlufig trinke ich schwarzen Kaffee. Und er wandte sich um, zog unter seinem Studiertisch eine groe Flasche hervor, go aus ihr schwarzen Kaffee in ein Tchen und schttete ihn in sich hinein, so wie man Medizinen eilig schluckt, um mglichst wenig von ihrem Geschmack zu spren. Eine feine Sache, der schwarze Kaffee, sagte der Student. Schade, da Sie so weit sind, da ich Ihnen nicht ein wenig hinberreichen kann. Mir schmeckt schwarzer Kaffee nicht, sagte Karl. Mir auch nicht, sagte der Student und lachte. Aber was wollte ich ohne ihn anfangen. Ohne den schwarzen Kaffee wrde mich Montly keinen Augenblick behalten. Ich sage immer Montly, obwohl der natrlich keine Ahnung hat, da ich auf der Welt bin. Ganz genau wei ich nicht, wie ich mich im Geschft benehmen wrde, wenn ich nicht dort im Pult eine gleich groe Flasche wie diese immer vorbereitet htte, denn ich habe noch nie gewagt, mit dem Kaffeetrinken auszusetzen, aber, glauben Sie mir nur, ich wrde bald hinter dem Pulte liegen und schlafen. Leider ahnt man das, sie nennen mich dort den Schwarzen Kaffee, was ein bldsinniger Witz ist und mir gewi in meinem Vorwrtskommen schon geschadet hat. Und wann werden Sie mit Ihrem Studium fertig werden? fragte Karl. Es geht langsam, sagte der Student mit gesenktem Kopf. Er verlie das Gelnder und setzte sich wieder an den Tisch, die Ellbogen auf das offene Buch aufgesttzt, mit den Hnden durch seine Haare fahrend, sagte er dann: Es kann noch ein bis zwei Jahre dauern. Ich wollte auch studieren, sagte Karl, als gebe ihm dieser Umstand ein Anrecht auf ein noch greres Vertrauen, als es der jetzt verstummende Student ihm gegenber schon bewiesen hatte. So", sagte der Student, und es war nicht ganz klar, ob er in seinem Buche schon wieder las oder nur zerstreut hineinstarrte, seien Sie froh, da Sie das Studium aufgegeben haben. Ich selbst studiere schon seit Jahren eigentlich nur aus Konsequenz. Befriedigung habe ich wenig davon und Zukunftsaussichten noch weniger. Welche Aussichten wollte ich denn haben! Amerika ist voll von Schwindeldoktoren. Ich wollte Ingenieur werden, sagte Karl noch eilig zu dem scheinbar schon gnzlich unaufmerksamen Studenten hinber. Und jetzt sollen Sie Diener bei diesen Leuten werden, sagte der Student und sah flchtig auf, das schmerzt Sie natrlich. Diese Schlufolgerung des Studenten war allerdings ein Miverstndnis, aber vielleicht konnte es Karl beim Studenten ntzen. Er fragte deshalb: Knnte ich nicht vielleicht auch eine Stelle im Warenhaus bekommen? Diese Frage ri den Studenten vllig von seinem Buche los; der Gedanke, da er Karl bei seiner Postenbewerbung behilflich sein knnte, kam ihm gar nicht. Versuchen Sie es, sagte er, Oder versuchen Sie es lieber nicht. Da ich meinen Posten bei Montly bekommen habe, ist der bisher grte Erfolg meines Lebens gewesen. Wenn ich zwischen dem Studium und meinem Posten zu whlen htte, wrde ich natrlich den Posten whlen. Meine Anstrengung geht nur darauf hin, die Notwendigkeit einer solchen Wahl nicht eintreten zu lassen. So schwer ist es, dort einen Posten zu bekommen, sagte Karl mehr fr sich. Ach, was denken Sie denn, sagte der Student, es ist leichter, hier Bezirksrichter zu werden als Trffner bei Montly. Karl schwieg. Dieser Student, der doch so viel erfahrener war als er und der den Delamarche aus irgendwelchen Karl noch unbekannten Grnden hate, der dagegen Karl gewi nichts Schlechtes wnschte, fand fr Karl kein Wort der Aufmunterung, den Delamarche zu verlassen. Und dabei kannte er noch gar nicht die Gefahr, die Karl von der Polizei drohte und vor der er nur bei Delamarche halbwegs geschtzt war. Sie haben doch am Abend die Demonstration unten gesehen? Nicht wahr? Wenn man die Verhltnisse nicht kennte, sollte man doch denken, dieser Kandidat, er heit Lobter, werde doch irgendwelche Aussichten haben oder er komme doch wenigstens in Betracht, nicht? Ich verstehe von Politik nichts, sagte Karl. Das ist ein Fehler, sagte der Student. Aber abgesehen davon haben Sie doch Augen und Ohren. Der Mann hat doch zweifellos Freunde und Feinde gehabt, das kann Ihnen doch nicht entgangen sein. Und nun bedenken Sie, der Mann hat, meiner Meinung nach, nicht die geringsten Aussichten, gewhlt zu werden. Ich wei zufllig alles ber ihn, es wohnt da bei uns einer, der ihn kennt. Er ist kein unfhiger Mensch, und seinen politischen Ansichten und seiner politischen Vergangenheit nach wre gerade er der passende Richter fr den Bezirk. Aber kein Mensch denkt daran, da er gewhlt werden knnte, er wird so prachtvoll durchfallen, als man durchfallen kann, er wird fr die Wahlkampagne seine paar Dollars hinausgeworfen haben, das wird alles sein. Karl und der Student sahen einander ein Weilchen schweigend an. Der Student nickte lchelnd und drckte mit einer Hand die mden Augen. Nun, werden Sie noch nicht schlafen gehen? fragte er dann. Ich mu ja auch wieder studieren. Sehen Sie, wieviel ich noch durchzuarbeiten habe. Und er bltterte ein halbes Buch rasch durch, um Karl einen Begriff von der Arbeit zu geben, die noch auf ihn wartete. Dann also gute Nacht, sagte Karl und verbeugte sich. Kommen Sie doch einmal zu uns herber, sagte der Student, der schon wieder an seinem Tisch sa, natrlich nur, wenn Sie Lust haben. Sie werden hier immer groe Gesellschaft finden. Von neun bis zehn Uhr abends habe ich auch fr Sie Zeit. Sie raten mir also, bei Delamarche zu bleiben? fragte Karl. Unbedingt, sagte der Student und senkte schon den Kopf zu seinen Bchern. Es schien, als htte gar nicht er das Wort gesagt; wie von einer Stimme gesprochen, die tiefer war als jene des Studenten, klang es noch in Karls Ohren nach. Langsam ging er zum Vorhang, warf noch einen Blick auf den Studenten, der jetzt ganz unbeweglich, von der groen Finsternis umgeben, in seinem Lichtschein sa, und schlpfte ins Zimmer. Die vereinten Atemzge der drei Schlfer empfingen ihn. Er suchte die Wand entlang das Kanapee, und als er es gefunden hatte, streckte er sich ruhig auf ihm aus, als sei es sein gewohntes Lager. Da ihm der Student, der den Delamarche und die hiesigen Verhltnisse genau kannte und berdies ein gebildeter Mann war, geraten hatte, hier zu bleiben, hatte er vorlufig keine Bedenken. So hohe Ziele wie der Student hatte er nicht, wer wei, ob es ihm sogar zu Hause gelungen wre, das Studium zu Ende zu fhren, und wenn es zu Hause kaum mglich schien, so konnte niemand verlangen, da er es hier im fremden Lande tue. Die Hoffnung aber, einen Posten zu finden, in dem er etwas leisten und fr seine Leistungen anerkannt werden knnte, war gewi grer, wenn er vorlufig die Dienerstelle bei Delamarche annahm und aus dieser Sicherheit heraus eine gnstige Gelegenheit abwartete. Es schienen sich ja in dieser Strae viele Bros mittleren und unteren Ranges zu befinden, die vielleicht im Falle des Bedarfes bei der Auswahl ihres Personals nicht gar zu whlerisch waren. Er wollte ja gern, wenn es sein mute, Geschftsdiener werden, aber schlielich war es ja gar nicht ausgeschlossen, da er auch fr reine Broarbeiten aufgenommen werden konnte und einstmals als Brobeamter an seinem Schreibtisch sitzen und ohne Sorgen ein Weilchen lang aus dem offenen Fenster schauen wrde wie jener Beamte, den er heute frh beim Durchmarsch durch die Hfe gesehen hatte. Beruhigend fiel ihm ein, als er die Augen schlo, da er doch jung war und da Delamarche ihn doch einmal freigeben wrde; dieser Haushalt sah ja wirklich nicht danach aus, als sei er fr die Ewigkeit gemacht. Wenn aber Karl einmal einen solchen Posten in einem Bro htte, dann wollte er sich mit nichts anderem beschftigen als mit seinen Broarbeiten und nicht die Krfte zersplittern wie der Student. Wenn es ntig sein sollte, wollte er auch die Nacht frs Bro verwenden, was man ja im Beginn bei seiner geringen kaufmnnischen Vorbildung sowieso von ihm verlangen wrde. Er wollte nur an das Interesse des Geschftes denken, dem er zu dienen htte und allen Arbeiten sich unterziehen, selbst solchen, die andere Brobeamte als ihrer nicht wrdig zurckweisen wrden. Die guten Vorstze drngten sich in seinem Kopf, als stehe sein knftiger Chef vor dem Kanapee und lese sie von seinem Gesicht ab. In solchen Gedanken schlief Karl ein und nur im ersten Halbschlaf strte ihn noch ein gewaltiges Seufzen Bruneldas, die, scheinbar von schweren Trumen geplagt, sich auf ihrem Lager wlzte. Das Naturtheater von Oklahoma Karl sah an einer Straenecke ein Plakat mit folgender Aufschrift: Auf dem Rennplatz in Clayton wird heute von sechs Uhr frh bis Mitternacht Personal fr das Theater in Oklahoma aufgenommen! Das groe Theater von Oklahoma ruft euch! Es ruft nur heute, nur einmal! Wer jetzt die Gelegenheit versumt, versumt sie fr immer! Wer an seine Zukunft denkt, gehrt zu uns! Jeder ist willkommen! Wer Knstler werden will, melde sich! Wir sind das Theater, das jeden brauchen kann, jeden an seinem Ort! Wer sich fr uns entschieden hat, den beglckwnschen wir gleich hier! Aber beeilt euch, damit ihr bis Mitternacht vorgelassen werdet! Um zwlf Uhr wird alles geschlossen und nicht mehr geffnet! Verflucht sei, wer uns nicht glaubt! Auf nach Clayton! Es standen zwar viele Leute vor dem Plakat, aber es schien nicht viel Beifall zu finden. Es gab so viele Plakate, Plakaten glaubte niemand mehr. Und dieses Plakat war noch unwahrscheinlicher, als Plakate sonst zu sein pflegen. Vor allem aber hatte es einen groen Fehler, es stand kein Wrtchen von der Bezahlung darin. Wre sie auch nur ein wenig erwhnenswert gewesen, das Plakat htte sie gewi genannt; es htte das Verlockendste nicht vergessen. Knstler werden wollte niemand, wohl aber wollte jeder fr seine Arbeit bezahlt werden. Fr Karl stand aber doch in dem Plakat eine groe Verlockung. Jeder war willkommen, hie es. Jeder, also auch Karl. Alles, was er bisher getan hatte, war vergessen, niemand wollte ihm daraus einen Vorwurf machen. Er durfte sich zu einer Arbeit melden, die keine Schande war, zu der man vielmehr ffentlich einladen konnte! Und ebenso ffentlich wurde das Versprechen gegeben, da man auch ihn annehmen wrde. Er verlangte nichts Besseres, er wollte endlich den Anfang einer anstndigen Laufbahn finden, und hier zeigte er sich vielleicht. Mochte alles Grosprecherische, das auf dem Plakate stand, eine Lge sein, mochte das groe Theater von Oklahoma ein kleiner Wanderzirkus sein, es wollte Leute aufnehmen, das war gengend. Karl las das Plakat nicht zum zweiten Male, suchte aber noch einmal den Satz: Jeder ist willkommen hervor. Zuerst dachte er daran, zu Fu nach Clayton zu gehen, aber das wren drei Stunden angestrengten Marsches gewesen, und er wre dann mglicherweise gerade zurecht gekommen, um zu erfahren, da man schon alle verfgbaren Stellen besetzt htte. Nach dem Plakat war allerdings die Zahl der Aufzunehmenden unbegrenzt, aber so waren immer alle derartigen Stellenangebote abgefat. Karl sah ein, da er entweder auf die Stelle verzichten oder fahren mute. Er berrechnete sein Geld, es htte ohne diese Fahrt fr acht Tage gereicht, er schob die kleinen Mnzen auf der flachen Hand hin und her. Ein Herr, der ihn beobachtet hatte, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: Viel Glck zur Fahrt nach Clayton. Karl nickte stumm und rechnete weiter. Aber er entschlo sich bald, teilte das fr die Fahrt notwendige Geld ab und lief zur Untergrundbahn. Als er in Clayton ausstieg, hrte er gleich den Lrm vieler Trompeten. Es war ein wirrer Lrm, die Trompeten waren nicht gegeneinander abgestimmt, es wurde rcksichtslos geblasen. Aber das strte Karl nicht, es besttigte ihm vielmehr, da das Theater von Oklahoma ein groes Unternehmen war. Aber als er aus dem Stationsgebude trat und die ganze Anlage vor sich berblickte, sah er, da alles noch grer war, als er nur irgendwie hatte denken knnen, und er begriff nicht, wie ein Unternehmen nur zu dem Zweck, um Personal zu erhalten, derartige Aufwendungen machten konnte. Vor dem Eingang zum Rennplatz war ein langes, niedriges Podium aufgebaut, auf dem Hunderte von Frauen, als Engel gekleidet, in weien Tchern mit groen Flgeln am Rcken, auf langen, goldglnzenden Trompeten bliesen. Sie waren aber nicht unmittelbar auf dem Podium, sondern jede stand auf einem Postament, das aber nicht zu sehen war, denn die langen wehenden Tcher der Engelkleidung hllten es vollstndig ein. Da nun die Postamente sehr hoch, wohl bis zwei Meter hoch waren, sahen die Gestalten der Frauen riesenhaft aus, nur ihre kleinen Kpfe strten ein wenig den Eindruck der Gre, auch ihr gelstes Haar hing zu kurz und fast lcherlich zwischen den groen Flgeln und an den Seiten hinab. Damit keine Einfrmigkeit entstehe, hatte man Postamente in der verschiedensten Gre verwendet; es gab ganz niedrige Frauen, nicht weit ber Lebensgre, aber neben ihnen schwangen sich andere Frauen in solche Hhe hinauf, da man sie beim leichtesten Windsto in Gefahr glaubte. Und nun bliesen alle diese Frauen. Es gab nicht viele Zuhrer. Klein, im Vergleich zu den groen Gestalten, gingen etwa zehn Burschen vor dem Podium hin und her und blickten zu den Frauen hinauf. Sie zeigten einander diese oder jene, sie schienen aber nicht die Absicht zu haben, einzutreten und sich aufnehmen zu lassen. Nur ein einziger lterer Mann war zu sehen, er stand ein wenig abseits. Er hatte gleich auch seine Frau und ein Kind im Kinderwagen mitgebracht. Die Frau hielt mit der einen Hand den Wagen, mit der anderen sttzte sie sich auf die Schulter des Mannes. Sie bewunderten zwar das Schauspiel, aber man erkannte doch, da sie enttuscht waren. Sie hatten wohl auch erwartet, eine Arbeitsgelegenheit zu finden, dieses Trompetenblasen aber beirrte sie. Karl war in der gleichen Lage. Er trat in die Nhe des Mannes, hrte ein wenig den Trompeten zu und sagte dann: Hier ist doch die Aufnahmestelle fr das Theater von Oklahoma? Ich glaubte es auch, sagte der Mann, aber wir warten hier schon seit einer Stunde und hren nichts als die Trompeten. Nirgends ist ein Plakat zu sehen, nirgends ein Ausrufer, nirgends jemand, der Auskunft geben knnte. Karl sagte: Vielleicht wartet man, bis mehr Leute zusammenkommen. Es sind wirklich noch sehr wenig hier. Mglich, sagte der Mann, und sie schwiegen wieder. Es war auch schwer, im Lrm der Trompeten etwas zu verstehen. Aber dann flsterte die Frau etwas ihrem Manne zu, er nickte, und sie rief gleich Karl an: Knnten Sie nicht in die Rennbahn hinbergehen und fragen, wo die Aufnahme stattfindet? Ja, sagte Karl, aber ich mte ber das Podium gehen, zwischen den Engeln durch. Ist das so schwierig? fragte die Frau. Fr Karl erschien ihr der Weg leicht, ihren Mann aber wollte sie nicht ausschicken. Nun ja, sagte Karl, ich werde gehen. Sie sind sehr gefllig, sagte die Frau, und sie wie auch ihr Mann drckten Karl die Hand. Die Burschen liefen zusammen, um aus der Nhe zu sehen, wie Karl auf das Podium stieg. Es war, als bliesen die Frauen strker, um den ersten Stellensuchenden zu begren. Diejenigen aber, an deren Postament Karl gerade vorberging, gaben sogar die Trompeten vom Munde und beugten sich zur Seite, um seinen Weg zu verfolgen. Karl sah auf dem anderen Ende des Podiums einen unruhig auf und ab gehenden Mann, der offenbar nur auf Leute wartete, um ihnen alle Auskunft zu geben, die man nur wnschen konnte. Karl wollte schon auf ihn zugehen, da hrte er ber sich seinen Namen rufen. Karl! rief der Engel. Karl sah auf und fing vor freudiger berraschung zu lachen an. Es war Fanny. Fanny! rief er und grte mit der Hand hinauf. Komm doch her! rief Fanny. Du wirst doch nicht an mir vorberlaufen! Und sie schlug die Tcher auseinander, so da das Postament und eine schmale Treppe, die hinauffhrte, freigelegt wurde. Ist es erlaubt, hinaufzugehen? fragte Karl. Wer will uns verbieten, da wir einander die Hand drcken! rief Fanny und blickte sich erzrnt um, ob nicht etwa schon jemand mit dem Verbote kme. Karl lief aber schon die Treppe hinauf. Langsamer! rief Fanny. Das Postament und wir beide strzen um! Aber es geschah nichts, Karl kam glcklich bis zur letzten Stufe. Sieh nur, sagte Fanny, nachdem sie einander begrt hatten, sieh nur, was fr eine Arbeit ich bekommen habe. Es ist ja schn, sagte Karl und sah sich um. Alle Frauen in der Nhe hatten schon Karl bemerkt und kicherten. Du bist fast die Hchste, sagte Karl und streckte die Hand aus, um die Hhe der anderen abzumessen. Ich habe dich gleich gesehen, sagte Fanny, als du aus der Station kamst, aber ich bin leider hier in der letzten Reihe, man sieht mich nicht, und rufen konnte ich auch nicht. Ich habe zwar besonders laut geblasen, aber du hast mich nicht erkannt. Ihr blast ja alle schlecht, sagte Karl, la mich einmal blasen. Aber gewi߫, sagte Fanny und reichte ihm die Trompete, aber verdirb den Chor nicht, sonst entlt man mich. Karl fing zu blasen an; er hatte gedacht, es sei eine grob gearbeitete Trompete, nur zum Lrmmachen bestimmt, aber nun zeigte es sich, da es ein Instrument war, das fast jede Feinheit ausfhren konnte. Waren alle Instrumente von gleicher Beschaffenheit, so wurde ein groer Mibrauch mit ihnen getrieben. Karl blies, ohne sich vom Lrm der anderen stren zu lassen, aus voller Brust ein Lied, das er irgendwo in einer Kneipe einmal gehrt hatte. Er war froh, eine alte Freundin getroffen zu haben und hier, vor allen bevorzugt, die Trompete blasen zu drfen und mglicherweise bald eine gute Stellung bekommen zu knnen. Viele Frauen stellten das Blasen ein und hrten zu; als er pltzlich abbrach, war kaum die Hlfte der Trompeten in Ttigkeit, erst allmhlich kam wieder der vollstndige Lrm zustande. Du bist ja ein Knstler, sagte Fanny, als Karl ihr die Trompete wieder reichte. La dich als Trompeter aufnehmen. Werden denn auch Mnner aufgenommen? fragte Karl. Ja, sagte Fanny, wir blasen zwei Stunden lang. Dann werden wir von Mnnern, die als Teufel angezogen sind, abgelst. Die Hlfte blst, die Hlfte trommelt. Es ist sehr schn, wie berhaupt die ganze Ausstattung sehr kostbar ist. Ist nicht auch unser Kleid sehr schn? Und die Flgel? Sie sah an sich hinab. Glaubst du, fragte Karl, da auch ich noch eine Stelle bekommen werde? Ganz bestimmt, sagte Fanny, es ist ja das grte Theater der Welt. Wie gut es sich trifft, da wir wieder beisammen sein werden! Allerdings kommt es darauf an, welche Stelle du bekommst. Es wre auch mglich, da wir, auch wenn wir beide hier angestellt sind, uns doch gar nicht shen. Ist denn das Ganze wirklich so gro? fragte Karl. Es ist das grte Theater der Welt, sagte Fanny nochmals, ich habe es allerdings selbst noch nicht gesehen, aber manche meiner Kolleginnen, die schon in Oklahoma waren, sagen, es sei fast grenzenlos. Es melden sich aber wenig Leute, sagte Karl und zeigte hinunter auf die Burschen und die kleine Familie. Das ist wahr, sagte Fanny. Bedenke aber, da wir in allen Stdten Leute aufnehmen, da unsere Werbetruppe immerfort reist und da es noch viele solcher Truppen gibt. Ist denn das Theater noch nicht erffnet?" fragte Karl. O ja, sagte Fanny, es ist ein altes Theater, aber es wird immerfort vergrert. Ich wundere mich, sagte Karl, da sich nicht mehr Leute dazu drngen. Ja, sagte Fanny, es ist merkwrdig. Vielleicht, sagte Karl, schreckt dieser Aufwand an Engeln und Teufeln mehr ab, als er anzieht. Wie du das herausfinden kannst! sagte Fanny. Es ist aber mglich. Sag es unserem Fhrer, vielleicht kannst du ihm dadurch ntzen. Wo ist er? fragte Karl. In der Rennbahn, sagte Fanny, auf der Schiedsrichtertribne. Auch das wundert mich, sagte Karl, warum geschieht denn die Aufnahme auf der Rennbahn? Ja, sagte Fanny, wir machen berall die grten Vorbereitungen fr den grten Andrang. Auf der Rennbahn ist eben viel Platz. Und in allen Stnden, wo sonst die Wetten abgeschlossen werden, sind die Aufnahmekanzleien eingerichtet. Es sollen zweihundert verschiedene Kanzleien sein. Aber, rief Karl, hat denn das Theater von Oklahoma so groe Einknfte, um derartige Werbetruppen erhalten zu knnen? Was kmmert uns denn das? sagte Fanny. Aber nun geh, Karl, damit du nichts versumst, ich mu auch wieder blasen. Versuche, auf jeden Fall einen Posten bei dieser Truppe zu bekommen, und komm gleich zu mir, es melden. Denke daran, da ich in groer Unruhe auf die Nachricht warte. Sie drckte ihm die Hand, ermahnte ihn zur Vorsicht beim Hinabsteigen, setzte wieder die Trompete an die Lippen, blies aber nicht, ehe sie Karl unten auf dem Boden in Sicherheit sah. Karl legte wieder die Tcher ber die Treppe, so wie sie frher gewesen waren. Fanny dankte durch Kopfnicken, und Karl ging, das eben Gehrte nach verschiedenen Richtungen hin berlegend, auf den Mann zu, der schon Karl oben bei Fanny gesehen und sich dem Postament genhert hatte, um ihn zu erwarten. Sie wollen bei uns eintreten? fragte der Mann. Ich bin der Personalchef dieser Truppe und heie Sie willkommen. Er war stndig wie aus Hflichkeit ein wenig vorgebeugt, tnzelte, obwohl er sich nicht von der Stelle rhrte, und spielte mit seiner Uhrkette. Ich danke, sagte Karl, ich habe das Plakat Ihrer Gesellschaft gelesen und melde mich, wie es dort verlangt wird. Sehr richtig, sagte der Mann anerkennend, leider verhlt sich hier nicht jeder so richtig. Karl dachte daran, da er jetzt den Mann darauf aufmerksam machen knnte, da mglicherweise die Lockmittel der Werbetruppe gerade wegen ihrer Groartigkeit versagten. Aber er sagte es nicht, denn dieser Mann war gar nicht der Fhrer der Truppe, und auerdem wre es wenig empfehlend gewesen, wenn er, der noch gar nicht aufgenommen war, gleich Verbesserungsvorschlge gemacht htte. Darum sagte er nur: Es wartet drauen noch einer, der sich auch anmelden will und der mich nur vorausgeschickt hat. Darf ich ihn jetzt holen? Natrlich, sagte der Mann, je mehr kommen, desto besser. Er hat auch eine Frau bei sich und ein kleines Kind im Kinderwagen. Sollen die auch kommen? Natrlich, sagte der Mann und schien ber Karls Zweifel zu lcheln. Wir knnen alle brauchen. Ich bin gleich wieder zurck, sagte Karl und lief wieder zurck an den Rand des Podiums. Er winkte dem Ehepaar zu und rief, da alle kommen drften. Er half, den Kinderwagen auf das Podium heben, und sie gingen nun gemeinsam. Die Burschen, die das sahen, berieten sich miteinander, stiegen dann langsam, bis zum letzten Augenblick noch zgernd, die Hnde in den Taschen, auf das Podium hinauf und folgten schlielich Karl und der Familie. Eben kamen aus dem Stationsgebude der Untergrundbahn neue Passagiere hervor, die, angesichts des Podiums mit den Engeln, staunend die Arme erhoben. Immerhin schien es, als ob die Bewerbung um Stellen nun doch lebhafter werden sollte. Karl war sehr froh, so frh, vielleicht als erster, gekommen zu sein, das Ehepaar war ngstlich und stellte verschiedene Fragen darber, ob groe Anforderungen gestellt wrden. Karl sagte, er wisse noch nichts Bestimmtes, er htte aber wirklich den Eindruck erhalten, da jeder ohne Ausnahme genommen wrde. Er glaube, man drfe getrost sein. Der Personalchef kam ihnen schon entgegen, war sehr zufrieden, da so viele kamen, rieb sich die Hnde, grte jeden einzelnen durch eine kleine Verbeugung und stellte sie alle in eine Reihe. Karl war der erste, dann kam das Ehepaar und dann erst die anderen. Als sie sich alle aufgestellt hatten die Burschen drngten sich zuerst durcheinander, und es dauerte ein Weilchen, ehe bei ihnen Ruhe eintrat, sagte der Personalchef, whrend die Trompeten verstummten: Im Namen des Theaters von Oklahoma begre ich Sie. Sie sind frh gekommen (es war aber schon bald Mittag), das Gedrnge ist noch nicht gro, die Formalitten Ihrer Aufnahme werden daher bald erledigt sein. Sie haben natrlich alle Ihre Legitimationspapiere bei sich. Die Burschen holten gleich irgendwelche Papiere aus den Taschen und schwenkten sie gegen den Personalchef hin, der Ehemann stie seine Frau an, die unter dem Federbett des Kinderwagens ein ganzes Bndel Papiere hervorzog. Karl allerdings hatte keine. Sollte das ein Hindernis fr seine Aufnahme werden? Immerhin wute Karl aus Erfahrung, da sich derartige Vorschriften, wenn man nur ein wenig entschlossen ist, leicht umgehen lassen. Es war nicht unwahrscheinlich. Der Personalchef berblickte die Reihe, vergewisserte sich, da alle Papiere hatten, und da auch Karl die Hand, allerdings die leere Hand erhob, nahm er an, auch bei ihm sei alles in Ordnung. Es ist gut, sagte dann der Personalchef und winkte den Burschen ab, die ihre Papiere gleich untersucht haben wollten, die Papiere werden jetzt in den Aufnahmekanzleien berprft werden. Wie Sie schon aus unserem Plakat gesehen haben, knnen wir jeden brauchen. Wir mssen aber natrlich wissen, welchen Beruf er bisher ausgebt hat, damit wir ihn an den richtigen Ort stellen knnen, wo er seine Kenntnisse verwerten kann. Es ist ja ein Theater, dachte Karl zweifelnd und hrte sehr aufmerksam zu. Wir haben daher, fuhr der Personalchef fort, in den Buchmacherbuden Aufnahmekanzleien eingerichtet, je eine Kanzlei fr eine Berufsgruppe. Jeder von Ihnen wird mir also jetzt seinen Beruf angeben, die Familie gehrt im allgemeinen zur Aufnahmekanzlei des Mannes. Ich werde Sie dann zu den Kanzleien fhren, wo zuerst Ihre Papiere und dann Ihre Kenntnisse von Fachmnnern berprft werden sollen, es wird nur eine ganz kurze Prfung sein, niemand mu sich frchten. Dort werden Sie dann auch gleich aufgenommen werden und die weiteren Weisungen erhalten. Fangen wir also an. Hier, die erste Kanzlei, ist, wie schon die Aufschrift sagt, fr Ingenieure bestimmt. Ist vielleicht ein Ingenieur unter Ihnen? Karl meldete sich. Er glaubte, gerade weil er keine Papiere hatte, msse er bestrebt sein, alle Formalitten mglichst rasch durchzujagen, eine kleine Berechtigung, sich zu melden, hatte er auch, denn er hatte ja Ingenieur werden wollen. Aber als die Burschen sahen, da Karl sich meldete, wurden sie neidisch und meldeten sich auch alle; alle meldeten sich. Der Personalchef streckte sich in die Hhe und sagte zu den Burschen: Sie sind Ingenieure? Da senkten sie alle langsam die Hnde, Karl dagegen bestand auf seiner ersten Meldung. Der Personalchef sah ihn zwar unglubig an, denn Karl schien ihm zu klglich angezogen und auch zu jung, um Ingenieur sein zu knnen, aber er sagte doch nichts weiter, vielleicht aus Dankbarkeit, weil Karl ihm, wenigstens seiner Meinung nach, die Bewerber hereingefhrt hatte. Er zeigte blo einladend nach der Kanzlei, und Karl ging hin, whrend sich der Personalchef den anderen zuwandte. In der Kanzlei fr Ingenieure saen an den zwei Seiten eines rechtwinkeligen Pultes zwei Herren und verglichen zwei groe Verzeichnisse, die vor ihnen lagen. Der eine las vor, der andere strich in seinem Verzeichnis die vorgelesenen Namen an. Als Karl grend vor sie hintrat, legten sie sofort die Verzeichnisse fort und nahmen andere groe Bcher vor, die sie aufschlugen. Der eine, offenbar nur ein Schreiber, sagte: Ich bitte um Ihre Legitimationspapiere. Ich habe sie leider nicht bei mir, sagte Karl. Er hat sie nicht bei sich, sagte der Schreiber zu dem anderen Herrn und schrieb die Antwort gleich in sein Buch ein. Sie sind Ingenieur? fragte dann der andere, der der Leiter der Kanzlei zu sein schien. Ich bin es noch nicht, sagte Karl schnell, aber Genug, sagte der Herr noch viel schneller, dann gehren Sie nicht zu uns. Ich bitte, die Aufschrift zu beachten. Karl bi die Zhne zusammen, der Herr mute es bemerkt haben, denn er sagte: Es ist kein Grund zur Unruhe. Wir knnen alle brauchen. Und er winkte einem der Diener, die beschftigungslos zwischen den Barrieren umhergingen: Fhren Sie diesen Herrn zu der Kanzlei fr Leute mit technischen Kenntnissen. Der Diener fate den Befehl wrtlich auf und fate Karl bei der Hand. Sie gingen zwischen vielen Buden durch, in einer sah Karl schon einen der Burschen, der schon aufgenommen war und den Herren dort dankend die Hand drckte. In der Kanzlei, in die Karl jetzt gebracht wurde, war, wie Karl vorausgesehen hatte, der Vorgang hnlich wie in der ersten Kanzlei. Nur schickte man ihn von hier, da man hrte, da er eine Mittelschule besucht hatte, in die Kanzlei fr gewesene Mittelschler. Als Karl dort aber sagte, er htte eine europische Mittelschule besucht, erklrte man sich auch dort fr unzustndig und lie ihn in die Kanzlei fr europische Mittelschler fhren. Es war eine Bude am ueren Rand, nicht nur kleiner, sondern sogar niedriger als alle anderen. Der Diener, der ihn hierhergebracht hatte, war wtend ber die lange Fhrung und die vielen Abweisungen, an denen seiner Meinung nach Karl allein die Schuld tragen mte. Er wartete nicht mehr die Fragen ab, sondern lief gleich fort. Diese Kanzlei war wohl auch die letzte Zuflucht. Als Karl den Kanzleileiter erblickte, erschrak er fast ber die hnlichkeit, die dieser mit einem Professor hatte, der wahrscheinlich noch jetzt an der Realschule zu Hause unterrichtete. Die hnlichkeit bestand allerdings, wie sich gleich herausstellte, nur in Einzelheiten; aber die auf der breiten Nase ruhende Brille, der blonde, wie ein Schaustck gepflegte Vollbart, der sanft gebeugte Rcken und die immer unerwartet hervorbrechende laute Stimme hielten Karl noch einige Zeit in Staunen. Glcklicherweise mute er auch nicht sehr aufmerken, denn es ging hier einfacher zu als in den anderen Kanzleien. Es wurde zwar auch hier eingetragen, da seine Legitimationspapiere fehlten, und der Kanzleileiter nannte es eine unbegreifliche Nachlssigkeit, aber der Schreiber, der hier die Oberhand hatte, ging schnell darber hinweg und erklrte nach einigen kurzen Fragen des Leiters, whrend sich dieser gerade zu einer greren Frage anschickte, Karl fr aufgenommen. Der Leiter wandte sich mit offenem Mund gegen den Schreiber, dieser aber machte eine abschlieende Handbewegung, sagte Aufgenommen und trug auch gleich die Entscheidung ins Buch ein. Offenbar war der Schreiber der Meinung, ein europischer Mittelschler zu sein, sei schon etwas so Schmhliches, da man es jedem, der es von sich behauptete, ohne weiteres glauben knnte. Karl fr seinen Teil hatte nichts dagegen einzuwenden, er ging zu ihm hin und wollte ihm danken. Es gab aber noch eine kleine Verzgerung, als man ihn jetzt nach seinem Namen fragte. Er antwortete nicht gleich, er hatte eine Scheu, seinen wirklichen Namen zu nennen und aufschreiben zu lassen. Sobald er hier auch nur die kleinste Stelle erhalten und zur Zufriedenheit ausfllen wrde, dann mochte man seinen Namen erfahren, jetzt aber nicht; allzulange hatte er ihn verschwiegen, als da er ihn jetzt htte verraten sollen. Er nannte daher, da ihm im Augenblick kein anderer Name einfiel, den Rufnamen aus seinen letzten Stellungen: Negro. Negro? fragte der Leiter, drehte den Kopf und machte eine Grimasse, als htte Karl jetzt den Hhepunkt der Unglaubwrdigkeit erreicht. Auch der Schreiber sah Karl eine Weile lang prfend an, dann aber wiederholte er Negro und schrieb den Namen ein. Sie haben doch nicht Negro aufgeschrieben? fuhr ihn der Leiter an. Ja, Negro, sagte der Schreiber ruhig und machte eine Handbewegung, als habe nun der Leiter das Weitere zu veranlassen. Der Leiter bezwang sich auch, stand auf und sagte: Sie sind also fr das Theater von Oklahoma, aber weiter kam er nicht, er konnte nichts gegen sein Gewissen tun, setzte sich und sagte: Er heit nicht Negro. Der Schreiber zog die Augenbrauen in die Hhe, stand nun selbst auf und sagte: Dann teile also ich Ihnen mit, da Sie fr das Theater in Oklahoma aufgenommen sind und da man Sie jetzt unserem Fhrer vorstellen wird. Wieder wurde ein Diener gerufen, der Karl zur Schiedsrichtertribne fhrte. Unten an der Treppe sah Karl den Kinderwagen, und gerade kam auch das Ehepaar herunter, die Frau mit dem Kind auf dem Arm. Sind Sie aufgenommen? fragte der Mann, er war viel lebhafter als frher, auch die Frau sah ihm lachend ber die Schulter. Als Karl antwortete, eben sei er aufgenommen worden und gehe zur Vorstellung, sagte der Mann: Dann gratuliere ich. Auch wir sind aufgenommen worden. Es scheint ein gutes Unternehmen zu sein, allerdings kann man sich nicht gleich in alles einfinden, so ist es aber berall. Sie sagten einander noch Auf Wiedersehen, und Karl stieg zur Tribne hinauf. Er ging langsam, denn der kleine Raum oben schien von Leuten berfllt zu sein, und er wollte sich nicht eindrngen. Er blieb sogar stehen und berblickte das groe Rennfeld, das auf allen Seiten bis an ferne Wlder reichte. Ihn erfate die Lust, einmal ein Pferderennen zu sehen, er hatte in Amerika noch keine Gelegenheit dazu gefunden. In Europa war er einmal als kleines Kind zu einem Rennen mitgenommen worden, konnte sich aber an nichts anderes erinnern, als da er von der Mutter zwischen vielen Menschen, die nicht auseinanderweichen wollten, durchgezogen worden war. Er hatte also eigentlich berhaupt noch kein Rennen gesehen. Hinter ihm fing eine Maschinerie zu schnurren an, er drehte sich um und sah auf dem Apparat, auf dem beim Rennen die Namen der Sieger verffentlicht werden, jetzt folgende Aufschrift in die Hhe ziehen: Kaufmann Kalla mit Frau und Kind. Hier wurden also die Namen der Aufgenommenen den Kanzleien mitgeteilt. Gerade liefen einige Herren, lebhaft miteinander sprechend, Bleistifte und Notizbltter in den Hnden, die Treppe hinunter, Karl drckte sich ans Gelnder, um sie vorbeizulassen, und stieg, da nun oben Platz geworden war, hinauf. In einer Ecke der mit Holzgelndern versehenen Plattform das Ganze sah wie das flache Dach eines schmalen Turmes aus sa, die Arme entlang des Holzgelnders ausgestreckt, ein Herr, dem ein breites weies Seidenband mit der Aufschrift: Fhrer der zehnten Werbetruppe des Theaters von Oklahoma quer ber die Brust hing. Neben ihm stand auf einem Tischchen ein gewi auch bei den Rennen verwendeter telephonischer Apparat, durch den der Fhrer offenbar alle notwendigen Angaben ber die einzelnen Bewerber noch vor der Vorstellung erfuhr, denn er stellte Karl zunchst gar keine Fragen, sondern sagte zu einem Herrn, der mit gekreuzten Beinen, die Hand am Kinn, neben ihm lehnte: Negro, ein europischer Mittelschler. Und als sei damit der sich tief verneigende Karl fr ihn erledigt, sah er die Treppe hinunter, ob nicht wieder jemand kme. Aber da niemand kam, hrte er manchmal dem Gesprch, das der andere Herr mit Karl fhrte, zu, blickte aber meistens ber das Rennfeld hin und klopfte mit den Fingern auf das Gelnder. Diese zarten und doch krftigen, langen und schnell bewegten Finger lenkten zeitweilig Karls Aufmerksamkeit auf sich, obwohl ihn der andere Herr gengend in Anspruch nahm. Sie sind stellungslos gewesen? fragte dieser Herr zunchst. Diese Frage, sowie fast alle anderen Fragen, die er stellte, waren sehr einfach, ganz unverfnglich, und die Antworten wurden berdies nicht durch Zwischenfragen nachgeprft; trotzdem aber wute ihnen der Herr durch die Art, wie er sie mit groen Augen aussprach, wie er ihre Wirkung mit vorgebeugtem Oberkrper beobachtete, wie er die Antworten mit auf die Brust gesenktem Kopfe aufnahm und hie und da laut wiederholte, eine besondere Bedeutung zu geben, die man zwar nicht verstand, deren Ahnung aber vorsichtig und befangen machte. Es kam fters vor, da es Karl drngte, die gegebene Antwort zu widerrufen und durch eine andere, die vielleicht mehr Beifall finden wrde, zu ersetzen, aber er hielt sich doch immer noch zurck, denn er wute, welch schlechten Eindruck ein derartiges Schwanken machen mute und wie unberechenbar berdies die Wirkung der Antworten meist war. berdies aber schien ja seine Aufnahme schon entschieden zu sein, dieses Bewutsein gab ihm Rckhalt. Die Frage, ob er stellungslos gewesen sei, beantwortete er mit einem einfachen Ja. Wo waren Sie zuletzt angestellt? fragte dann der Herr. Karl wollte schon antworten, da hob der Herr den Zeigefinger und sagte noch einmal: Zuletzt! Karl hatte auch schon die erste Frage richtig verstanden, unwillkrlich schttelte er die letzte Bemerkung als beirrend mit dem Kopfe ab und antwortete: In einem Bro. Das war noch die Wahrheit, wrde aber der Herr eine nhere Auskunft ber die Art des Bros verlangen, so mute er lgen. Aber das tat der Herr nicht, sondern stellte die beraus leicht ganz wahrheitsgem zu beantwortende Frage: Waren Sie dort zufrieden? Nein! rief Karl, ihm fast in die Rede fallend. Bei einem Seitenblick bemerkte Karl, da der Fhrer ein wenig lchelte. Karl bereute die unbedachte Art seiner letzten Antwort, aber es war zu verlockend gewesen, das Nein hinauszuschreien, denn whrend seiner ganzen letzten Dienstzeit hatte er nur den grten Wunsch gehabt, irgendein fremder Dienstgeber mge einmal eintreten und diese Frage an ihn richten. Seine Antwort konnte aber noch einen anderen Nachteil bringen, denn der Herr konnte nun fragen, warum er nicht zufrieden gewesen sei. Statt dessen fragte er jedoch: Zu welchem Posten fhlen Sie sich geeignet? Diese Frage enthielt mglicherweise wirklich eine Falle, denn wozu wurde sie gestellt, da Karl doch schon als Schauspieler aufgenommen war? Obwohl er das aber erkannte, konnte er sich dennoch nicht zu der Erklrung berwinden, er fhle sich fr den Schauspielerberuf besonders geeignet. Er wich daher der Frage aus und sagte, auf die Gefahr hin, trotzig zu erscheinen: Ich habe das Plakat in der Stadt gelesen, und da dort stand, da man jeden brauchen kann, habe ich mich gemeldet. Das wissen wir, sagte der Herr, schwieg und zeigte dadurch, da er auf seiner frheren Frage beharrte. Ich bin als Schauspieler aufgenommen, sagte Karl zgernd, um dem Herrn die Schwierigkeit, in die ihn die letzte Frage gebracht hatte, begreiflich zu machen. Das ist richtig, sagte der Herr und verstummte wieder. Nein, sagte Karl, und die ganze Hoffnung, einen Posten gefunden zu haben, kam ins Wanken, ich wei nicht, ob ich zum Theaterspielen geeignet bin. Ich will mich aber anstrengen und alle Auftrge auszufhren suchen. Der Herr wandte sich dem Leiter zu, beide nickten, Karl schien richtig geantwortet zu haben, er fate wieder Mut und erwartete aufgerichtet die nchste Frage. Die lautete: Was wollten Sie denn ursprnglich studieren? Um die Frage genauer zu bestimmen an der genauen Bestimmung lag dem Herrn immer sehr viel, fgte er hinzu: In Europa, meine ich. Hierbei nahm er die Hand vom Kinn und machte eine schwache Bewegung, als wolle er damit gleichzeitig andeuten, wie ferne Europa und wie bedeutungslos die dort einmal gefaten Plne seien. Karl sagte: Ich wollte Ingenieur werden. Diese Antwort widerstrebte ihm zwar, es war lcherlich, im vollen Bewutsein seiner bisherigen Laufbahn in Amerika die alte Erinnerung, da er einmal habe Ingenieur werden wollen, hier aufzufrischen wre er es denn selbst in Europa jemals geworden?, aber er wute gerade keine andere Antwort und sagte deshalb diese. Aber der Herr nahm es ernst, wie er alles ernst nahm. Nun, Ingenieur, sagte er, knnen Sie wohl nicht gleich werden, vielleicht wrde es Ihnen aber vorlufig entsprechen, irgendwelche niedrigere technische Arbeiten auszufhren. Gewi߫, sagte Karl, er war sehr zufrieden, er wurde zwar, wenn er das Angebot annahm, aus dem Schauspielerstand unter die technischen Arbeiter geschoben, aber er glaubte tatschlich, sich bei dieser Arbeit besser bewhren zu knnen. brigens, dies wiederholte er sich immer wieder, es kam nicht so sehr auf die Art der Arbeit an, als vielmehr darauf, sich berhaupt irgendwo dauernd festzuhalten. Sind Sie denn krftig genug fr schwerere Arbeit? fragte der Herr. O ja, sagte Karl, Hierauf lie der Herr Karl nher zu sich herankommen und befhlte seinen Arm. Es ist ein krftiger Junge, sagte er dann, indem er Karl am Arm zum Fhrer hinzog. Der Fhrer nickte lchelnd, reichte, ohne sich brigens aus seiner Ruhelage aufzurichten, Karl die Hand und sagte: Dann sind wir also fertig. In Oklahoma wird alles noch berprft werden. Machen Sie unserer Werbetruppe Ehre! Karl verbeugte sich zum Abschied, er wollte sich dann auch von dem anderen Herrn verabschieden, dieser aber spazierte schon, als sei er mit seiner Arbeit vollstndig fertig, das Gesicht in die Hhe gerichtet, auf der Plattform auf und ab. Whrend Karl hinunterstieg, wurde zur Seite der Treppe auf der Anzeigetafel die Aufschrift hochgezogen: Negro, technischer Arbeiter. Da alles hier seinen ordentlichen Gang nahm, htte es Karl nicht mehr so sehr bedauert, wenn auf der Tafel sein wirklicher Name zu lesen gewesen wre. Es war alles sogar beraus sorgfltig eingerichtet, denn am Fu der Treppe wurde Karl schon von einem Diener erwartet, der ihm eine Binde um den Arm festmachte. Als Karl dann den Arm hob, um zu sehen, was auf der Binde stand, war dort der ganz richtige Aufdruck Technischer Arbeiter. Wohin Karl nun aber gefhrt werden mochte, zuerst wollte er doch Fanny melden, wie glcklich alles abgelaufen war. Aber zu seinem Bedauern erfuhr er vom Diener, da die Engel ebenso wie auch die Teufel schon nach dem nchsten Bestimmungsort der Werbetruppe abgereist seien, um dort die Ankunft der Truppe fr den nchsten Tag bekanntzumachen. Schade, sagte Karl, es war die erste Enttuschung, die er in diesem Unternehmen erlebte, ich hatte eine Bekannte unter den Engeln. Sie werden sie in Oklahoma wiedersehen, sagte der Diener, nun aber kommen Sie, Sie sind der Letzte. Er fhrte Karl an der hinteren Seite des Podiums entlang, auf dem frher die Engel gestanden waren; jetzt waren dort nur mehr die leeren Postamente. Karls Annahme aber, da ohne die Musik der Engel mehr Stellensuchende kommen wrden, erwies sich nicht als richtig, denn vor dem Podium standen jetzt berhaupt keine Erwachsenen mehr, nur ein paar Kinder kmpften um eine lange weie Feder, die wahrscheinlich aus einem Engelsflgel gefallen war. Ein Junge hielt sie in die Hhe, whrend die anderen Kinder mit einer Hand seinen Kopf niederdrcken wollten und mit der anderen Hand nach der Feder langten. Karl zeigte auf die Kinder, der Diener aber sagte, ohne hinzusehen: Kommen Sie rascher, es hat sehr lange gedauert, ehe Sie aufgenommen wurden. Man hatte wohl Zweifel? Ich wei nicht, sagte Karl erstaunt, er glaubte es aber nicht. Immer, selbst bei den klarsten Verhltnissen, fand sich doch irgend jemand, der seinem Mitmenschen Sorgen machen wollte. Aber vor dem freundlichen Anblick der groen Zuschauertribne, zu der sie jetzt kamen, verga Karl bald die Bemerkung des Dieners. Auf dieser Tribne war nmlich eine groe, lange Bank, mit einem weien Tuch gedeckt, alle Aufgenommenen saen, mit dem Rcken zur Rennbahn, auf der nchst tieferen Bank und wurden bewirtet. Alle waren frhlich und aufgeregt, gerade als sich Karl unbemerkt als letzter auf die Bank setzte, standen viele mit erhobenen Glsern auf, und einer hielt einen Trinkspruch auf den Fhrer der zehnten Werbetruppe, den er den Vater der Stellensuchenden nannte. Jemand machte darauf aufmerksam, da man ihn auch von hier aus sehen knne, und tatschlich war die Schiedsrichtertribne mit den zwei Herren in nicht allzu groer Entfernung sichtbar. Nun schwenkten alle ihre Glser in diese Richtung, auch Karl fate das vor ihm stehende Glas, aber so laut man auch rief und so sehr man sich bemerkbar zu machen suchte, auf der Schiedsrichtertribne deutete nichts darauf hin, da man die Ovation bemerkte oder wenigstens bemerken wolle. Der Fhrer lehnte in der Ecke wie frher, und der andere Herr stand neben ihm, die Hand am Kinn. Ein wenig enttuscht setzte man sich wieder, hie und da drehte sich noch einer nach der Schiedsrichtertribne um, aber bald beschftigte man sich nur mit dem reichlichen Essen; groes Geflgel, wie es Karl noch nie gesehen hatte, mit vielen Gabeln in dem knusprig gebratenen Fleisch, wurde herumgetragen, Wein wurde immer wieder von den Dienern eingeschenkt man merkte es kaum, man war ber seinen Teller gebckt, und in den Becher fiel der Strahl des roten Weines, und wer sich an der allgemeinen Unterhaltung nicht beteiligen wollte, konnte Bilder von Ansichten des Theaters von Oklahoma besichtigen, die an einem Ende der Tafel aufgestapelt waren und von Hand zu Hand gehen sollten. Doch kmmerte man sich nicht viel um die Bilder, und so geschah es, da bei Karl, der der Letzte war, nur ein Bild ankam. Nach diesem Bild zu schlieen, muten aber alle sehr sehenswert sein. Dieses Bild stellte die Loge des Prsidenten der Vereinigten Staaten dar. Beim ersten Anblick konnte man denken, es sei nicht eine Loge, sondern die Bhne, so weit geschwungen ragte die Brstung in den freien Raum. Diese Brstung war ganz aus Gold in allen ihren Teilen. Zwischen den wie mit der feinsten Schere ausgeschnittenen Sulchen waren nebeneinander Medaillons frherer Prsidenten angebracht, einer hatte eine auffallend gerade Nase, aufgeworfene Lippen und unter gewlbten Lidern starr gesenkte Augen. Rings um die Loge, von den Seiten und von der Hhe, kamen Strahlen von Licht; weies und doch mildes Licht enthllte den Vordergrund der Loge, whrend ihre Tiefe hinter rotem, unter vielen Tnungen sich faltendem Samt, der an der ganzen Umrandung niederfiel und durch Schnre gelenkt wurde, als eine dunkle, rtlich schimmernde Leere erschien. Man konnte sich in dieser Loge kaum Menschen vorstellen, so selbstherrlich sah alles aus. Karl verga das Essen nicht, sah aber doch oft die Abbildung an, die er neben seinen Teller gelegt hatte. Schlielich htte er doch noch sehr gerne wenigstens eines der brigen Bilder angesehen, selbst holen wollte er es sich aber nicht, denn ein Diener hatte die Hand auf den Bildern liegen und die Reihenfolge mute wohl gewahrt werden; er suchte also nur die Tafel zu berblicken und festzustellen, ob sich nicht doch noch ein Bild nhere. Da bemerkte er staunend zuerst glaubte er es gar nicht unter den am tiefsten zum Essen gebeugten Gesichtern ein gut bekanntes: Giacomo. Gleich lief er zu ihm hin. Giacomo! rief er. Dieser, schchtern wie immer, wenn er berrascht wurde, erhob sich vom Essen, drehte sich in dem schmalen Raum zwischen den Bnken, wischte mit der Hand den Mund, war dann aber sehr froh, Karl zu sehen, bat ihn, sich neben ihn zu setzen, oder bot sich an, zu Karls Platz hinberzukommen; sie wollten einander alles erzhlen und immer beisammenbleiben. Karl wollte die anderen nicht stren, jeder sollte deshalb vorlufig seinen Platz behalten, das Essen werde bald zu Ende sein, und dann wollten sie natrlich immer zueinander halten. Aber Karl blieb doch noch bei Giacomo, nur um ihn anzusehen. Was fr Erinnerungen an vergangene Zeiten! Wo war die Oberkchin? Was machte Therese? Giacomo selbst hatte sich in seinem ueren fast gar nicht verndert, die Voraussage der Oberkchin, da er in einem halben Jahr ein knochiger Amerikaner werden msse, war nicht eingetroffen, er war zart wie frher, die Wangen eingefallen wie frher, augenblicklich allerdings waren sie gerundet, denn er hatte im Mund einen bergroen Bissen Fleisch, aus dem er die berflssigen Knochen langsam herauszog, um sie dann auf den Teller zu werfen. Wie Karl an seiner Armbinde ablesen konnte, war auch Giacomo nicht als Schauspieler, sondern als Liftjunge aufgenommen, das Theater von Oklahoma schien wirklich jeden brauchen zu knnen! In den Anblick Giacomos verloren, blieb auch Karl allzulange von seinem Platz fort. Eben wollte er zurckkehren, da kam der Personalchef, stellte sich auf eine der hher gelegenen Bnke, klatschte in die Hnde und hielt eine kleine Ansprache, whrend die meisten aufstanden, und die Sitzengebliebenen, die sich nicht vom Essen trennen konnten, durch Ste der anderen schlielich auch zum Aufstehen gezwungen wurden. Ich will hoffen, sagte er, Karl war inzwischen schon auf den Fuspitzen zu seinem Platz zurckgelaufen, da Sie mit unserem Empfangsessen zufrieden waren. Im allgemeinen lobt man das Essen unserer Werbetruppe. Leider mu ich die Tafel schon aufheben, denn der Zug, der Sie nach Oklahoma bringen soll, fhrt in fnf Minuten. Es ist zwar eine lange Reise, Sie werden aber sehen, da fr Sie gut gesorgt ist. Hier stelle ich Ihnen den Herrn vor, der Ihren Reisetransport fhren wird und dem Sie Gehorsam schulden. Ein magerer, kleiner Herr erkletterte die Bank, auf welcher der Personalchef stand, nahm sich kaum Zeit, eine flchtige Verbeugung zu machen, sondern begann sofort mit ausgestreckten nervsen Hnden zu zeigen, wie sie sich alle sammeln, ordnen und in Bewegung setzen sollten. Aber zunchst folgte man ihm nicht, denn derjenige aus der Gesellschaft, der schon frher eine Rede gehalten hatte, schlug mit der Hand auf den Tisch und begann eine lngere Dankrede, obwohl Karl wurde ganz unruhig eben gesagt worden war, da der Zug bald abfahre. Aber der Redner achtete nicht einmal darauf, da auch der Personalchef nicht zuhrte, sondern dem Transportleiter verschiedene Anweisungen gab, er legte seine Rede gro an, zhlte alle Gerichte auf, die aufgetragen worden waren, gab ber jedes sein Urteil ab, und schlo dann zusammenfassend mit dem Ausruf: Geehrte Herren, so gewinnt man uns! Alle auer den Angesprochenen lachten, aber es war doch mehr Wahrheit als Scherz. Diese Rede bte man berdies damit, da jetzt der Weg zur Bahn im Laufschritt gemacht werden mute. Das war aber auch nicht sehr schwer, denn Karl bemerkte es erst jetzt niemand trug ein Gepckstck; das einzige Gepckstck war eigentlich der Kinderwagen, der jetzt an der Spitze der Truppe, vom Vater gelenkt, wie haltlos auf und nieder sprang. Was fr besitzlose, verdchtige Leute waren hier zusammengekommen und wurden doch so gut empfangen und behtet! Und dem Transportleiter muten sie geradezu ans Herz gelegt worden sein. Bald fate er selbst mit einer Hand die Lenkstange des Kinderwagens und erhob die andere, um die Truppe aufzumuntern, bald war er hinter der letzten Reihe, die er antrieb, bald lief er an den Seiten entlang, fate einzelne Langsamere aus der Mitte ins Auge und suchte ihnen mit schwingenden Armen darzustellen, wie sie laufen mten. Als sie auf dem Bahnhof ankamen, stand der Zug schon bereit. Die Leute auf dem Bahnhof zeigten einander die Truppe, man hrte Ausrufe wie: Alle diese gehren zum Theater von Oklahoma!, das Theater schien viel bekannter zu sein, als Karl angenommen hatte, allerdings hatte er sich um Theaterdinge niemals gekmmert. Ein ganzer Waggon war eigens fr die Truppe bestimmt, der Transportleiter drngte zum Einsteigen mehr als der Schaffner. Er sah zuerst in jede einzelne Abteilung, ordnete hie und da etwas, und erst dann stieg er selbst ein. Karl hatte zufllig einen Fensterplatz bekommen und Giacomo neben sich gezogen. So saen sie aneinandergedrngt und freuten sich im Grunde beide auf die Fahrt. So sorgenlos hatten sie in Amerika noch keine Reise gemacht. Als der Zug zu fahren begann, winkten sie mit den Hnden aus dem Fenster, whrend die Burschen ihnen gegenber einander anstieen und es lcherlich fanden. Sie fuhren zwei Tage und zwei Nchte. Jetzt erst begriff Karl die Gre Amerikas. Unermdlich sah er aus dem Fenster, und Giacomo drngte sich so lange mit heran, bis die Burschen gegenber, die sich viel mit Kartenspiel beschftigten, dessen berdrssig wurden und ihm freiwillig den Fensterplatz einrumten. Karl dankte ihnen Giacomos Englisch war nicht jedem verstndlich, und sie wurden im Laufe der Zeit, wie es unter Coupgenossen nicht anders sein kann, viel freundlicher, doch war auch ihre Freundlichkeit oft lstig, da sie zum Beispiel immer, wenn ihnen eine Karte auf den Boden fiel und sie den Boden nach ihr absuchten, Karl oder Giacomo mit aller Kraft ins Bein zwickten. Giacomo schrie dann, immer von neuem berrascht, und zog das Bein in die Hhe, Karl versuchte einmal, mit einem Futritt zu antworten, duldete aber im brigen alles schweigend. Alles, was sich in dem kleinen, selbst bei offenem Fenster von Rauch berfllten Coup ereignete, verging vor dem, was drauen zu sehen war. Am ersten Tag fuhren sie durch ein hohes Gebirge. Blulich schwarze Steinmassen gingen in spitzen Keilen bis an den Zug heran, man beugte sich aus dem Fenster und suchte vergebens ihre Gipfel, dunkle, schmale, zerrissene Tler ffneten sich, man beschrieb mit dem Finger die Richtung, in der sie sich verloren, breite Bergstrme kamen, als groe Wellen auf dem hgeligen Untergrund eilend und in sich tausend kleine Schaumwellen treibend, sie strzten sich unter die Brcken, ber die der Zug fuhr, und sie waren so nahe, da der Hauch der Khle das Gesicht erschauern machte. Fragmente I Auf! Auf! rief Robinson, kaum da Karl frh die Augen ffnete. Der Trvorhang war noch nicht weggezogen, aber man merkte an dem durch die Lcken einfallenden, gleichmigen Sonnenlicht, wie spt am Vormittag es schon war. Robinson lief eilfertig mit besorgten Blicken hin und her, bald trug er ein Handtuch, bald einen Wasserkbel, bald Wsche- und Kleidungsstcke, und immer, wenn er an Karl vorberkam, suchte er ihn durch Kopfnicken zum Aufstehen aufzumuntern und zeigte durch Hochheben dessen, was er gerade in der Hand hielt, wie er sich heute noch zum letztenmal fr Karl plage, der natrlich am ersten Morgen von den Einzelheiten des Dienstes nichts verstehen konnte. Aber bald sah Karl, wen Robinson eigentlich bediente. In einem durch zwei Kasten vom brigen Zimmer abgetrennten Raum den Karl bisher noch nicht gesehen hatte, fand eine groe Waschung statt. Man sah den Kopf Bruneldas, den freien Hals das Haar war gerade ins Gesicht geschlagen und den Ansatz ihres Nackens ber den Kasten ragen, und die hie und da gehobene Hand des Delamarche hielt einen weit herumspritzenden Badeschwamm, mit dem Brunelda gewaschen und gerieben wurde. Man hrte die kurzen Befehle des Delamarche, die er dem Robinson erteilte, der nicht durch den jetzt verstellten eigentlichen Zugang des Raumes die Dinge reichte, sondern auf eine kleine Lcke zwischen einem Kasten und einer spanischen Wand angewiesen war, wobei er berdies bei jeder Handreichung den Arm weit ausstrecken und das Gesicht abgewandt halten mute. Das Handtuch! Das Handtuch! rief Delamarche. Und kaum erschrak Robinson, der gerade unter dem Tisch etwas anderes suchte, ber diesen Auftrag und zog den Kopf unter dem Tisch hervor, hie es schon: Wo bleibt das Wasser, zum Teufel! und ber dem Kasten erschien hochgereckt das wtende Gesicht des Delamarche. Alles, was man sonst nach Karls Meinung zum Waschen und Anziehen nur einmal brauchte, wurde hier in jeder mglichen Reihenfolge viele Male verlangt und gebracht. Auf einem kleinen elektrischen Ofen stand immer ein Kbel mit Wasser zum Wrmen, und immer wieder trug Robinson die schwere Last zwischen den weit auseinandergestellten Beinen zum Waschraum hin. Bei der Flle seiner Arbeit war es zu verstehen, wenn er sich nicht immer genau an die Befehle hielt und einmal, als wieder ein Handtuch verlangt wurde, einfach ein Hemd von der groen Schlafsttte in der Zimmermitte nahm und in einem groen Knuel ber die Kasten hinberwarf. Aber auch Delamarche hatte schwere Arbeit und war vielleicht nur deshalb gegen Robinson so gereizt in seiner Gereiztheit bersah er Karl glattwegs, weil er selbst Brunelda nicht zufriedenstellen konnte. Ach! schrie sie auf, und selbst der sonst unbeteiligte Karl zuckte zusammen. Wie du mir weh tust! Geh weg! Ich wasche mich lieber selbst, statt so zu leiden! Jetzt kann ich schon wieder den Arm nicht heben. Mir ist ganz bel, wie du mich drckst. Auf dem Rcken mu ich lauter blaue Flecke haben. Natrlich, du wirst es mir nicht sagen. Warte, ich werde mich von Robinson anschauen lassen oder von unserem Kleinen. Nein, ich tue es ja nicht, aber sei nur ein wenig zarter. Nimm Rcksicht, Delamarche, aber das kann ich jeden Morgen wiederholen, du nimmst und nimmst keine Rcksicht. Robinson! rief sie dann pltzlich und schwenkte ein Spitzenhschen ber ihrem Kopf. Komm mir zu Hilfe, schau, wie ich leide, diese Tortur nennt er Waschen, dieser Delamarche! Robinson, Robinson, wo bleibst du, hast auch du kein Herz? Karl machte schweigend dem Robinson ein Zeichen mit dem Finger, da er doch hingehen mge, aber Robinson schttelte mit gesenkten Augen berlegen den Kopf, er wute es besser. Was fllt dir ein? sagte Robinson, zu Karls Ohr gebeugt. Das ist nicht so gemeint. Nur einmal bin ich hingegangen und nicht wieder. Sie haben mich damals beide gepackt und in die Wanne getaucht, da ich fast ertrunken wre. Und tagelang hat mir die Brunelda vorgeworfen, da ich schamlos bin, und immer wieder hat sie gesagt: Jetzt warst du aber schon lange nicht im Bad bei mir oder Wann wirst du mich denn wieder im Bade anschauen kommen? Erst als ich ihr einigemal auf den Knien abgebeten habe, hat sie aufgehrt. Das werde ich nicht vergessen. Und whrend Robinson das erzhlte, rief Brunelda immer wieder: Robinson! Robinson! Wo bleibt denn dieser Robinson! Obwohl ihr aber niemand zu Hilfe kam und nicht einmal eine Antwort erfolgte Robinson hatte sich zu Karl gesetzt und beide sahen schweigend zu den Kasten hin, ber denen hie und da die Kpfe Bruneldas oder Delamarches erschienen, trotzdem hrte Brunelda nicht auf, laut ber Delamarche Klage zu fhren. Aber Delamarche! rief sie. Jetzt spre ich ja wieder gar nicht, da du mich wschst. Wo hast du den Schwamm? Also greif doch zu! Wenn ich mich nur bcken, wenn ich mich nur bewegen knnte! Ich wollte dir schon zeigen, wie man wscht. Wo sind die Mdchenzeiten, als ich dort drben auf dem Gut der Eltern jeden Morgen im Colorado schwamm, die beweglichste von allen meinen Freundinnen. Und jetzt! Wann wirst du denn lernen, mich zu waschen, Delamarche; du schwenkst den Schwamm herum, strengst dich an und ich spre nichts. Wenn ich sagte, da du mich nicht wund drcken sollst, so meinte ich doch nicht, da ich dastehen und mich erklten will. Du wirst sehen, da ich aus der Wanne springe und weglaufe, so wie ich bin! Aber dann fhrte sie diese Drohung nicht aus was sie ja auch an und fr sich gar nicht imstande gewesen wre, Delamarche schien sie aus Furcht, sie knnte sich erklten, erfat und in die Wanne gedrckt zu haben, denn mchtig klatschte es im Wasser. Das kannst du, Delamarche, sagte Brunelda ein wenig leiser. Schmeicheln und immer wieder schmeicheln, wenn du etwas schlecht gemacht hast. Dann war es ein Weilchen still. Jetzt kt er sie, sagte Robinson und hob die Augenbrauen. Was kommt jetzt fr eine Arbeit? fragte Karl. Da er sich nun einmal entschlossen hatte hierzubleiben, wollte er auch gleich seinen Dienst versehen. Er lie Robinson, der nicht antwortete, allein auf dem Kanapee und begann das groe, von der Last der Schlfer whrend der langen Nacht noch immer zusammengeprete Lager auseinanderzuwerfen, um dann jedes einzelne Stck dieser Masse ordentlich zusammenzulegen, was wohl schon seit Wochen nicht geschehen war. Schau nach, Delamarche, sagte da Brunelda, ich glaube, sie zerwerfen unser Bett. An alles mu man denken, niemals hat man Ruhe. Du mut gegen die beiden strenger sein, sie machen sonst, was sie wollen. Das ist gewi der Kleine mit seinem verdammten Diensteifer! rief Delamarche und wollte wahrscheinlich aus dem Waschraum hervorstrzen, Karl warf schon alles aus der Hand, aber glcklicherweise sagte Brunelda: Nicht weggehen, Delamarche, nicht weggehen. Ach, wie ist das Wasser hei, man wird so mde. Bleib bei mir, Delamarche. Jetzt erst merkte Karl eigentlich, wie der Wasserdampf hinter den Kasten unaufhrlich emporstieg. Robinson legte erschrocken die Hand an die Wange, als habe Karl etwas Schlimmes angerichtet. Alles in dem gleichen Zustand lassen, in dem es war! erklang die Stimme des Delamarche. Wit ihr denn nicht, da Brunelda nach dem Bade noch immer eine Stunde ruht? Elende Miwirtschaft! Wartet, wenn ich ber euch komme! Robinson, du trumst wahrscheinlich schon wieder! Dich, dich allein mache ich fr alles verantwortlich, was geschieht. Du hast den Jungen im Zaum zu halten, hier wird nicht nach seinem Kopf gewirtschaftet. Wenn man etwas will, kann man nichts von euch bekommen; wenn nichts zu tun ist, seid ihr fleiig. Verkriecht euch irgendwohin und wartet, bis man euch braucht! Aber sogleich war alles vergessen, denn Brunelda flsterte, ganz mde, als werde sie von dem heien Wasser berflutet: Das Parfm! Bringt das Parfm! Das Parfm! schrie Delamarche. Rhrt euch! Ja, aber wo war das Parfm? Karl sah Robinson an. Robinson sah Karl an. Karl merkte, da er hier alles allein in die Hand nehmen msse, Robinson hatte keine Ahnung, wo das Parfm war, er legte sich einfach auf den Boden, fuhr immerfort mit beiden Armen unter dem Kanapee herum, befrderte aber nichts anderes als Knuel von Staub und Frauenhaaren heraus. Karl eilte zuerst zum Waschtisch, der gleich bei der Tre stand, aber in seinen Schubladen fanden sich nur alte englische Romane, Zeitschriften und Noten vor, und alles war so berfllt, da man die Schubladen nicht schlieen konnte, wenn man sie einmal aufgemacht hatte. Das Parfm, seufzte unterdessen Brunelda, wie lange das dauert! Ob ich heute noch mein Parfm bekomme! Bei dieser Ungeduld Bruneldas durfte natrlich Karl nirgends grndlich suchen, er mute sich auf den oberflchlichen ersten Eindruck verlassen. Im Waschkasten war die Flasche nicht, auf dem Waschkasten standen berhaupt nur alte Flschchen mit Medizinen und Salben, alles andere war jedenfalls schon in den Waschraum getragen worden. Vielleicht war die Flasche in der Schublade des Etisches. Auf dem Weg zum Etisch aber Karl dachte nur an das Parfm, sonst an nichts stie er heftig mit Robinson zusammen, der das Suchen unter dem Kanapee endlich aufgegeben hatte und in einer aufdmmernden Ahnung vom Standort des Parfms wie blind Karl entgegenlief. Man hrte deutlich das Zusammenschlagen der Kpfe, Karl blieb stumm, Robinson hielt zwar im Lauf nicht ein, schrie aber, um sich den Schmerz zu erleichtern, andauernd und bertrieben laut. Statt das Parfm zu suchen, kmpfen sie, sagte Brunelda. Ich werde krank von dieser Wirtschaft, Delamarche, und werde ganz gewi in deinen Armen sterben. Ich mu das Parfm haben, rief sie dann, sich aufraffend, ich mu es unbedingt haben! Ich gehe nicht aus der Wanne, ehe man es mir bringt, und mte ich hier bis zum Abend bleiben. Und sie schlug mit der Faust ins Wasser, man hrte es aufspritzen. Aber auch in der Schublade des Etisches war das Parfm nicht, zwar waren dort ausschlielich Toilettengegenstnde Bruneldas, wie alte Puderquasten, Schminktpfchen, Haarbrsten, Lckchen und viele verfilzte und zusammengeklebte Kleinigkeiten, aber das Parfm war nicht dort. Und auch Robinson, der, noch immer schreiend, in einer Ecke von etwa hundert dort aufgehuften Schachteln und Kassetten eine nach der anderen ffnete und durchkramte, wobei immer die Hlfte des Inhalts, meist Nhzeug und Briefschaften, auf den Boden fiel und dort liegenblieb, konnte nichts finden, wie er zeitweise Karl durch Kopfschtteln und Achselzucken anzeigte. Da sprang Delamarche in Unterkleidung aus dem Waschraum hervor, whrend man Brunelda krampfhaft weinen hrte. Karl und Robinson lieen vom Suchen ab und sahen den Delamarche an, der, ganz und gar durchnt auch vom Gesicht und von den Haaren rann ihm das Wasser, ausrief: Jetzt also fangt geflligst zu suchen an! Hier! befahl er zuerst Karl zu suchen und dann Dort! dem Robinson. Karl suchte wirklich und berprfte auch noch die Pltze, zu denen Robinson schon kommandiert worden war, aber er fand ebensowenig das Parfm wie Robinson, der eifriger als er suchte, seitlich nach Delamarche ausschaute, der, so weit der Raum reichte, stampfend im Zimmer auf und ab ging und gewi am liebsten sowohl Karl wie Robinson durchgeprgelt htte. Delamarche! rief Brunelda. Komm mich doch wenigstens abtrocknen! Die beiden finden ja das Parfm doch nicht und bringen nur alles in Unordnung. Sie sollen sofort mit dem Suchen aufhren. Aber gleich! Und alles aus der Hand legen! Und nichts mehr anrhren! Sie mchten wohl aus der Wohnung einen Stall machen. Nimm sie beim Kragen, Delamarche, wenn sie nicht aufhren! Aber sie arbeiten ja noch immer, gerade ist eine Schachtel gefallen. Sie sollen sie nicht mehr aufheben, alles liegenlassen, und aus dem Zimmer hinaus! Riegle hinter ihnen die Tr zu und komm zu mir. Ich liege ja schon viel zu lange im Wasser, die Beine habe ich schon ganz kalt. Gleich, Brunelda, gleich! rief Delamarche und eilte mit Karl und Robinson zur Tr. Ehe er sie aber entlie, gab er ihnen den Auftrag, das Frhstck zu holen und womglich von jemandem ein gutes Parfm fr Brunelda auszuborgen. Das ist eine Unordnung und ein Schmutz bei euch, sagte Karl drauen auf dem Gang, sobald wir mit dem Frhstck zurckkommen, mssen wir zu ordnen anfangen. Wenn ich nur nicht so leidend wre! sagte Robinson. Und die Behandlung! Gewi krnkte sich Robinson darber, da Brunelda zwischen ihm, der sie doch schon monatelang bediente, und Karl, der erst gestern eingetreten war, nicht den geringsten Unterschied machte. Aber er verdiente es nicht besser, und Karl sagte: Du mut dich ein wenig zusammennehmen. Um ihn aber nicht gnzlich seiner Verzweiflung zu berlassen, fgte er hinzu: Es wird ja nur eine einmalige Arbeit sein. Ich werde dir hinter den Kasten ein Lager machen, und wenn nur einmal alles ein wenig geordnet ist, wirst du dort den ganzen Tag liegen knnen, dich um gar nichts kmmern mssen und sehr bald gesund werden. Jetzt siehst du es also selbst ein, wie es mit mir steht, sagte Robinson und wandte das Gesicht von Karl ab, um mit sich und seinem Leid allein zu sein. Aber werden sie mich denn jemals ruhig liegenlassen? Wenn du willst, werde ich darber selbst mit Delamarche und Brunelda reden. Nimmt denn Brunelda irgendeine Rcksicht? rief Robinson aus und stie mit der Faust eine Tr auf, zu der sie eben gekommen waren, ohne da er Karl darauf vorbereitet htte. Sie traten in eine Kche ein, von deren Herd, der reparaturbedrftig schien, geradezu schwarze Wlkchen aufstiegen. Vor der Herdtre kniete eine der Frauen, die Karl gestern auf dem Korridor gesehen hatte, und legte mit den bloen Hnden groe Kohlestcke in das Feuer, das sie nach allen Richtungen hin prfte. Dabei seufzte sie in ihrer fr eine alte Frau unbequemen, knienden Stellung. Natrlich, da kommt auch noch diese Plage, sagte sie beim Anblick Robinsons, erhob sich mhselig, die Hand auf der Kohlenkiste, und schlo die Herdtre, deren Griff sie mit ihrer Schrze umwickelt hatte. Jetzt um vier Uhr nachmittags Karl staunte die Kchenuhr an mt ihr noch frhstcken? Bande! Setzt euch, sagte sie dann, und wartet, bis ich fr euch Zeit habe. Robinson zog Karl auf ein Bnkchen in der Nhe der Tre nieder und flsterte ihm zu: Wir mssen ihr folgen. Wir sind nmlich von ihr abhngig. Wir haben unser Zimmer von ihr gemietet, und sie kann uns natrlich jeden Augenblick kndigen. Aber wir knnen doch nicht die Wohnung wechseln, wie sollen wir denn wieder alle die Sachen wegschaffen, und vor allem ist doch Brunelda nicht transportabel. Und hier auf dem Gang ist kein anderes Zimmer zu bekommen? fragte Karl. Es nimmt uns ja niemand auf, antwortete Robinson. Im ganzen Haus nimmt uns niemand auf. So saen sie still auf ihrem Bnkchen und warteten. Die Frau lief immerfort zwischen zwei Tischen, einem Waschbottich und dem Herd hin und her. Aus ihren Ausrufen erfuhr man, da ihre Tochter unwohl war und sie deshalb alle Arbeit, nmlich die Bedienung und Verpflegung von dreiig Mietern, allein besorgen mute. Nun war noch berdies der Ofen schadhaft, das Essen wollte nicht fertig werden, in zwei riesigen Tpfen wurde eine dicke Suppe gekocht, und wie oft die Frau sie auch mit Schpflffeln untersuchte und aus der Hhe herabflieen lie, die Suppe wollte nicht gelingen, es mute wohl das schlechte Feuer daran schuld sein, und so setzte sie sich vor der Herdtre fast auf den Boden und arbeitete mit dem Schrhaken in der glhenden Kohle herum: Der Rauch, von dem die Kche erfllt war, reizte sie zu einem Husten, der sich manchmal so verstrkte, da sie nach einem Stuhl griff und minutenlang nichts anderes tat als hustete. fters machte sie die Bemerkung, da sie das Frhstck heute berhaupt nicht mehr liefern werde, weil sie dazu weder Zeit noch Lust habe. Da Karl und Robinson einerseits den Befehl hatten, das Frhstck zu holen, andererseits aber keine Mglichkeit, es zu erzwingen, antworteten sie auf solche Bemerkungen nicht, sondern blieben still sitzen wie zuvor. Ringsherum, auf Sesseln und Fubnkchen, auf und unter den Tischen, ja selbst auf der Erde in einem Winkel zusammengedrngt, stand noch das ungewaschene Frhstcksgeschirr der Mieter. Da waren Knnchen, in denen sich noch ein wenig Kaffee oder Milch vorfinden wrde, auf manchen Tellerchen gab es noch berbleibsel von Butter, aus einer umgefallenen groen Blechbchse waren Keks weit herausgerollt. Es war schon mglich, aus all dem ein Frhstck zusammenzustellen, an dem Brunelda, wenn sie seinen Ursprung nicht erfuhr, nicht das geringste htte aussetzen knnen. Als Karl das bedachte und ein Blick auf die Uhr ihm zeigte, da sie nun schon eine halbe Stunde hier warteten und Brunelda vielleicht wtete und Delamarche gegen die Dienerschaft aufhetzte, rief gerade die Frau aus einem Husten heraus whrend dessen sie Karl anstarrte: Ihr knnt hier schon sitzen, aber das Frhstck bekommt ihr nicht. Dagegen bekommt ihr in zwei Stunden das Nachtmahl. Komm, Robinson, sagte Karl, wir werden uns das Frhstck selbst zusammenstellen. Wie? rief die Frau, mit geneigtem Kopf. Seien Sie doch, bitte, vernnftig, sagte Karl, warum wollen Sie uns denn das Frhstck nicht geben? Nun warten wir schon eine halbe Stunde, das ist lang genug. Man bezahlt Ihnen doch alles, und gewi zahlen wir bessere Preise als alle anderen. Da wir so spt frhstcken, ist gewi fr Sie lstig, aber wir sind Ihre Mieter, haben die Gewohnheit, spt zu frhstcken, und Sie mssen sich eben auch ein wenig fr uns einrichten. Heute wird es Ihnen natrlich wegen der Krankheit Ihres Frulein Tochter besonders schwer, aber dafr sind wir wieder bereit, uns das Frhstck hier aus den berbleibseln zusammenzustellen, wenn es nicht anders geht und Sie uns kein frisches Essen geben. Aber die Frau wollte sich mit niemandem in eine freundschaftliche Aussprache einlassen, fr diese Mieter schienen ihr auch noch die berbleibsel des allgemeinen Frhstcks zu gut; aber andererseits hatte sie die Zudringlichkeit der beiden Diener schon satt, packte deshalb eine Tasse und stie sie Robinson gegen den Leib, der erst nach einem Weilchen mit wehleidigem Gesicht begriff, da er die Tasse halten sollte, um das Essen, das die Frau aussuchen wollte, in Empfang zu nehmen. Sie belud nun die Tasse in grter Eile zwar mit einer Menge von Dingen, aber das Ganze sah eher wie ein Haufen schmutzigen Geschirrs, nicht wie ein eben zu servierendes Frhstck aus. Noch whrend die Frau sie hinausdrngte und sie gebckt, als frchteten sie Schimpfwrter oder Ste, zur Tr eilten, nahm Karl die Tasse Robinson aus den Hnden, denn bei Robinson schien sie ihm nicht sicher genug. Auf dem Gang setzte sich Karl, nachdem sie weit genug von der Tr der Vermieterin waren, mit der Tasse auf den Boden, um vor allem die Tasse zu reinigen, die zusammengehrigen Dinge zu sammeln, also die Milch zusammenzugieen, die verschiedenen Butterberbleibsel auf einen Teller zu kratzen, dann alle Anzeichen des Gebrauches zu beseitigen, also die Messer und Lffel zu reinigen, die angebissenen Brtchen geradezuschneiden und so dem Ganzen ein besseres Aussehen zu geben. Robinson hielt diese Arbeit fr unntig und behauptete, das Frhstck htte schon oft noch viel rger ausgesehen, aber Karl lie sich durch ihn nicht abhalten und war noch froh, da sich Robinson mit seinen schmutzigen Fingern an der Arbeit nicht beteiligen wollte. Um ihn in Ruhe zu halten, hatte ihm Karl gleich, allerdings ein fr allemal, wie er ihm dabei sagte, einige Keks und den dicken Bodensatz eines frher mit Schokolade gefllten Tpfchens zugewiesen. Als sie vor ihre Wohnung kamen und Robinson ohne weiteres die Hand an die Klinke legte, hielt ihn Karl zurck, da es doch nicht sicher war, ob sie eintreten durften. Aber ja, sagte Robinson, jetzt frisiert er sie ja nur. Und tatschlich sa in dem noch immer ungelfteten und verhngten Zimmer Brunelda mit weit auseinandergestellten Beinen im Lehnstuhl, und Delamarche, der hinter ihr stand, kmmte mit tief hinabgebeugtem Gesicht ihr kurzes, wahrscheinlich sehr verfilztes Haar. Brunelda trug wieder ein ganz loses Kleid, diesmal aber von blarosa Farbe, es war vielleicht ein wenig krzer als das gestrige, wenigstens sah man die weien, grobgestrickten Strmpfe fast bis zum Knie. Ungeduldig ber die lange Dauer des Kmmens, fuhr Brunelda mit der dicken, roten Zunge zwischen den Lippen hin und her, manchmal ri sie sich sogar mit dem Ausruf: Aber Delamarche! gnzlich von Delamarche los, der mit erhobenem Kamm ruhig wartete, bis sie den Kopf wieder zurcklegte. Es hat lange gedauert, sagte Brunelda im allgemeinen, und zu Karl insbesondere sagte sie: Du mut ein wenig flinker sein, wenn du willst, da man mit dir zufrieden ist. An dem faulen und gefrigen Robinson darfst du dir kein Beispiel nehmen. Ihr habt wohl schon inzwischen irgendwo gefrhstckt; ich sage euch, nchstens dulde ich das nicht. Das war sehr ungerecht, und Robinson schttelte auch den Kopf und bewegte, allerdings lautlos, die Lippen, Karl jedoch sah ein, da man auf die Herrschaft nur dadurch einwirken knne, da man ihr zweifellos Arbeit zeige. Er zog daher ein niedriges japanisches Tischchen aus einem Winkel, berdeckte es mit einem Tuch und stellte die mitgebrachten Sachen auf. Wer den Ursprung des Frhstcks gesehen hatte, konnte mit dem Ganzen zufrieden sein, sonst aber war, wie sich Karl sagen mute, manches daran auszusetzen. Glcklicherweise hatte Brunelda Hunger. Wohlgefllig nickte sie Karl zu, whrend er alles vorbereitete, und fters hinderte sie ihn, indem sie vorzeitig mit ihrer weichen, fetten, womglich gleich alles zerdrckenden Hand irgendeinen Bissen fr sich hervorholte. Er hat es gut gemacht, sagte sie schmatzend und zog Delamarche, der den Kamm in ihrem Haar fr die sptere Arbeit steckenlie, neben sich auf einen Sessel nieder. Auch Delamarche wurde beim Anblick des Essens freundlich, beide waren sehr hungrig, ihre Hnde eilten kreuz und quer ber das Tischchen. Karl erkannte, da man hier, um zu befriedigen, nur immer mglichst viel bringen mute, und in Erinnerung daran, da er in der Kche noch verschiedene brauchbare Eware auf dem Boden liegengelassen hatte, sagte er: Beim ersten Mal habe ich nicht gewut, wie alles angerichtet werden soll, nchstes Mal werde ich es besser machen. Aber noch whrend des Redens erinnerte er sich, zu wem er sprach, er war zu sehr von der Sache selbst befangen gewesen. Brunelda nickte Delamarche befriedigt zu und reichte Karl zum Lohn eine Handvoll Keks. II Ausreise Bruneldas Eines Morgens schob Karl den Krankenwagen, in dem Brunelda sa, aus dem Haustor. Es war nicht mehr so frh, wie er gehofft hatte. Sie waren bereingekommen, die Auswanderung noch in der Nacht zu bewerkstelligen, um in den Gassen kein Aufsehen zu erregen, das bei Tag unvermeidlich gewesen wre, so bescheiden auch Brunelda mit einem groen grauen Tuch sich bedecken wollte. Aber der Transport ber die Treppe hatte zu lange gedauert, trotz der bereitwilligsten Mithilfe des Studenten, der viel schwcher als Karl war, wie sich bei dieser Gelegenheit herausstellte. Brunelda hielt sich sehr tapfer, seufzte kaum und suchte ihren Trgern die Arbeit auf alle Weise zu erleichtern. Aber es ging doch nicht anders, als da man sie auf jeder fnften Treppenstufe niedersetzte, um sich selbst und ihr die Zeit zum notwendigen Ausruhen zu gnnen. Es war ein khler Morgen, auf den Gngen wehte kalte Luft wie in den Kellern, aber Karl und der Student waren ganz in Schwei und muten whrend der Ruhepausen jeder ein Zipfel von Bruneldas Tuch, das sie ihnen brigens freundlich reichte, nehmen, um das Gesicht zu trocknen. So kam es, da sie erst nach zwei Stunden unten anlangten, wo schon vom Abend her das Wgelchen stand. Das Hineinheben Bruneldas gab noch eine gewisse Arbeit, dann aber durfte man das Ganze fr gelungen ansehen, denn das Schieben des Wagens mute dank den hohen Rdern nicht schwer sein, und es blieb nur die Befrchtung, da der Wagen unter Brunelda aus den Fugen gehen wrde. Diese Gefahr mute man allerdings auf sich nehmen, man konnte nicht einen Ersatzwagen mitfhren, zu dessen Bereitstellung und Fhrung der Student halb im Scherz sich angeboten hatte. Es erfolgte nun die Verabschiedung vom Studenten, die sogar sehr herzlich war. Alle Nichtbereinstimmung zwischen Brunelda und dem Studenten schien vergessen, er entschuldigte sich sogar wegen der alten Beleidigung Bruneldas, die er sich bei ihrer Krankheit hatte zuschulden kommen lassen, aber Brunelda sagte, alles sei lngst vergessen und mehr als gutgemacht. Schlielich bat sie den Studenten, er mge zum Andenken an sie einen Dollar freundlichst annehmen, den sie mhselig aus ihren vielen Rcken hervorsuchte. Dieses Geschenk war bei Bruneldas bekanntem Geiz sehr bedeutungsvoll, der Student hatte auch wirklich groe Freude davon und warf die Mnze hoch in die Luft. Dann allerdings mute er sie auf dem Boden suchen, und Karl mute ihm helfen, schlielich fand Karl sie auch unter dem Wagen Bruneldas. Der Abschied zwischen dem Studenten und Karl war natrlich viel einfacher, sie reichten einander nur die Hand und sprachen die berzeugung aus, da sie einander wohl noch einmal sehen wrden und da dann wenigstens einer von ihnen der Student behauptete es von Karl, Karl vom Studenten etwas Rhmenswertes erreicht haben wrde, was bisher leider nicht der Fall war. Dann fate Karl mit gutem Mut den Griff des Wagens und schob ihn aus dem Tor. Der Student sah ihnen so lange nach, als sie noch zu sehen waren, und winkte mit einem Tuch. Karl nickte oft grend zurck, auch Brunelda htte sich gerne umgewandt, aber solche Bewegungen waren fr sie zu anstrengend. Um ihr doch noch einen letzten Abschied zu ermglichen, fhrte Karl am Ende der Strae den Wagen in einem Kreis herum, so da auch Brunelda den Studenten sehen konnte, der diese Gelegenheit ausnutzte, um mit dem Tuch besonders eifrig zu winken. Dann aber sagte Karl, jetzt drften sie sich keinen Aufenthalt mehr gnnen, der Weg sei lang, und sie seien viel spter ausgefahren, als es beabsichtigt war. Tatschlich sah man schon hie und da Fuhrwerke und, wenn auch sehr vereinzelt, Leute, die zur Arbeit gingen. Karl hatte mit seiner Bemerkung nichts weiter sagen wollen, als was er wirklich gesagt hatte, Brunelda aber fate es in ihrem Zartgefhl anders auf und bedeckte sich ganz und gar mit ihrem grauen Tuch. Karl wandte nichts dagegen ein; der mit einem grauen Tuch bedeckte Handwagen war zwar sehr auffllig, aber unvergleichlich weniger auffllig, als es die unbedeckte Brunelda gewesen wre. Er fuhr sehr vorsichtig; ehe er um eine Ecke bog, beobachtete er die nchste Strae, lie sogar, wenn es ntig schien, den Wagen stehen, und ging allein ein paar Schritte voraus, sah er irgendeine vielleicht unangenehme Begegnung voraus, so wartete er, bis sie sich vermeiden lie, oder whlte sogar den Weg durch eine ganz andere Strae. Selbst dann kam er, da er alle mglichen Wege vorher genau studiert hatte, niemals in die Gefahr, einen bedeutenden Umweg zu machen. Allerdings erschienen Hindernisse, die zwar zu befrchten gewesen waren, sich aber im einzelnen nicht hatten vorhersehen lassen. So trat pltzlich in einer Strae, die, leicht ansteigend, weit zu berblicken und erfreulicherweise vollstndig leer war ein Vorteil, den Karl durch besondere Eile auszunutzen suchte, aus dem dunklen Winkel eines Haustores ein Polizeimann und fragte Karl, was er denn in dem so sorgfltig verdeckten Wagen fhre. So streng er aber Karl angesehen hatte, so mute er doch lcheln, als er die Decke lftete und das erhitzte, ngstliche Gesicht Bruneldas erblickte. Wie? sagte er. Ich dachte, du httest hier zehn Kartoffelscke, und jetzt ist es ein einziges Frauenzimmer? Wohin fahrt ihr denn? Wer seid ihr? Brunelda wagte gar nicht, den Polizeimann anzusehen, sondern blickte nur immer auf Karl mit dem deutlichen Zweifel, da selbst er sie nicht werde erretten knnen. Karl aber hatte schon Erfahrungen genug mit Polizisten, ihm schien das Ganze nicht sehr gefhrlich. Zeigen Sie doch, Frulein, sagte er, das Schriftstck, das Sie bekommen haben. Ach ja, sagte Brunelda und begann in einer so hoffnungslosen Weise zu suchen, da sie wirklich verdchtig erscheinen mute. Das Frulein, sagte der Polizist mit zweifelloser Ironie, wird das Schriftstck nicht finden. Oja, sagte Karl ruhig, sie hat es bestimmt, sie hat es nur verlegt. Er begann nun selbst zu suchen und zog es tatschlich hinter Bruneldas Rcken hervor. Der Polizist sah es nur flchtig an. Da ist es also, sagte der Polizist lchelnd. So ein Frulein ist das Frulein? Und Sie, Kleiner, besorgen die Vermittlung und den Transport? Wissen Sie wirklich keine bessere Beschftigung zu finden? Karl zuckte blo die Achseln, das waren wieder die bekannten Einmischungen der Polizei. Na, glckliche Reise, sagte der Polizeimann, als er keine Antwort bekam. In den Worten des Polizeimanns lag wahrscheinlich Verachtung, dafr fuhr auch Karl ohne Gru weiter, Verachtung der Polizei war besser als ihre Aufmerksamkeit. Kurz darauf hatte er eine womglich noch unangenehmere Begegnung. Es machte sich nmlich an ihn ein Mann heran, der einen Wagen mit groen Milchkannen vor sich herschob und uerst gern erfahren htte, was unter dem grauen Tuch auf Karls Wagen lag. Es war nicht anzunehmen, da er den gleichen Weg wie Karl hatte, dennoch aber blieb er ihm zur Seite, so berraschende Wendungen Karl auch machte. Zuerst begngte er sich mit Ausrufen, wie zum Beispiel Du mut eine schwere Last haben! oder Du hast schlecht aufgeladen, oben wird etwas herausfallen!. Spter aber fragte er geradezu: Was hast du denn unter dem Tuch? Karl sagte: Was kmmert's dich? Aber da das den Mann noch neugieriger machte, sagte Karl schlielich: Es sind pfel. Soviel pfel! sagte der Mann staunend und hrte nicht auf, diesen Ausruf zu wiederholen. Das ist ja eine ganze Ernte, sagte er dann. Nun ja, sagte Karl. Aber sei es, da er Karl nicht glaubte, sei es, da er ihn rgern wollte, er ging noch weiter, begann alles whrend der Fahrt die Hand wie zum Scherz nach dem Tuch auszustrecken und wagte es endlich sogar, an dem Tuch zu zupfen. Was mute Brunelda leiden! Aus Rcksicht auf sie wollte sich Karl in keinen Streit mit dem Mann einlassen und fuhr in das nchste offene Tor ein, als sei das sein Ziel gewesen. Hier bin ich zu Hause, sagte er, Dank fr die Begleitung. Der Mann blieb erstaunt vor dem Tor stehen und sah Karl nach, der ruhig daran ging, wenn es sein mute, den ganzen ersten Hof zu durchqueren. Der Mann konnte nicht mehr zweifeln, aber um seiner Bosheit ein letztes Mal zu gengen, lie er seinen Wagen stehen, lief Karl auf den Fuspitzen nach und ri so stark an dem Tuch, da er Bruneldas Gesicht fast entblt htte. Damit deine pfel Luft bekommen, sagte er und lief zurck. Auch das nahm Karl noch hin, da es ihn endgltig von dem Mann befreite. Er fhrte dann den Wagen in einen Hofwinkel, wo einige groe, leere Kisten standen, in deren Schutz er unter dem Tuch Brunelda einige beruhigende Worte sagen wollte. Aber er mute lange auf sie einreden, denn sie war ganz in Trnen und flehte ihn allen Ernstes an, hier, hinter den Kisten, den ganzen Tag zu bleiben und erst in der Nacht weiterzufahren. Vielleicht htte er allein sie gar nicht davon berzeugen knnen, wie verfehlt das gewesen wre, als aber jemand am anderen Ende des Kistenhaufens eine leere Kiste unter ungeheuerem, im leeren Hof widerhallendem Lrm zu Boden warf, erschrak sie so, da sie, ohne ein Wort mehr zu wagen, das Tuch ber sich zog und wahrscheinlich glckselig war, als Karl, kurz entschlossen, sofort zu fahren begann. Die Straen wurden jetzt immer belebter, aber die Aufmerksamkeit, die der Wagen erregte, war nicht so gro, wie Karl befrchtet hatte. Vielleicht wre es berhaupt klger gewesen, eine andere Zeit fr den Transport zu whlen. Wenn eine solche Fahrt wieder ntig werden sollte, wollte sich Karl getrauen, sie in der Mittagsstunde auszufhren. Ohne schwerer belstigt worden zu sein, bog er endlich in die schmale, dunkle Gasse ein, in der das Unternehmen Nummer25 sich befand. Vor der Tr stand der schielende Verwalter mit der Uhr in der Hand. Bist du immer so unpnktlich? fragte er. Es gab verschiedene Hindernisse, sagte Karl. Die gibt es bekanntlich immer, sagte der Verwalter. Hier im Hause gelten sie aber nicht. Merk dir das! Auf solche Reden hrte Karl kaum mehr hin, jeder ntzte seine Macht aus und beschimpfte den Niedrigen. War man einmal daran gewhnt, klang es nicht anders als das regelmige Uhrenschlagen. Wohl aber erschreckte ihn, als er jetzt den Wagen in den Flur schob, der Schmutz, der hier herrschte und den er allerdings erwartet hatte. Es war, wenn man nher zusah, kein fabarer Schmutz. Der Steinboden des Flurs war fast rein gekehrt, die Malerei der Wnde nicht alt, die knstlichen Palmen nur wenig verstaubt, und doch war alles fettig und abstoend, es war, als wre von allem ein schlechter Gebrauch gemacht worden und als wre keine Reinlichkeit mehr imstande, das wieder gutzumachen. Karl dachte gern, wenn er irgendwohin kam, darber nach, was hier verbessert werden knne und welche Freude es sein mte, sofort einzugreifen, ohne Rcksicht auf die vielleicht endlose Arbeit, die es verursachen wrde. Hier aber wute er nicht, was zu tun wre. Langsam nahm er das Tuch von Brunelda ab. Willkommen, Frulein, sagte der Verwalter geziert, es war kein Zweifel, da Brunelda einen guten Eindruck auf ihn machte. Sobald Brunelda dies merkte, verstand sie das, wie Karl befriedigt sah, gleich auszunutzen. Alle Angst der letzten Stunden verschwand. PAGE  PAGE 1 C;LB8O7K:>2>9 ?@>5:B ;L8 $@0=:0  HYPERLINK "http://www.franklang.ru/" www.franklang.ru  |J}JALxxHY'8-W@WellLrdr&,.:<>BDPRTVXøҮyjhw6U]mH sH heAhw6] hw6]hw0JmHnHuhw hw0Jjhw0JUhwh=CJaJhwhwB*CJaJphhwhwCJaJhwCJaJhwhwCJaJmH sH hwCJaJmH sH +   c1 ?BDgG|J}JOQRU`X2Z,\]bWej{ - { $P{ $P{ $P{ ["{ 3{ l{ k2{ { [G{ i!{ N/{ ;Q9{ { _{ WG+{ { `&{ 2={ i!{ `&{ r={ Z{ N/{ ncdhgdwdh-DM gdwdh-DM gdw,jsw{}4p؇Mt3=ѤdL`Ǭpj{ { [G{ )B{ WG+{ N/{ 2={ 3{ 2={ [G{ [G{ 2={ xq{ `&{ z{ { r={ 3{ 3{ {{ {{ { {{ WG+{ 3{ { { {dh-DM gdw#"X l 2vYw *{ {{ 3{ N/{ { r={ { `&{ WG+{ 0{ G{ { N/{ 3{ WG+{ { { WG+{ r={ {{ 2={ 3{ { { xq{ { { `&dh-DM gdw*r?uAVABL`Q 8 +/3{ r={ i!{ { { { { `&{ { 3{ N/{ 3{ N/{ {{ 2={ xq{ { - { #Q{ [G{ P{ xq{ l{ { Z{ )Bdh-DM gdwdhgdwdh-DM gdw39BL]OOOQX{ WG+{ { { i!{ { YN{ { 3{ { { { 3{ { { { 3{ { { { { { { { dh-DM gdwcdefghthhMijkxkkllmxxx{2|||}7~~{ 3{ {{ { {{ { { { 3{ r={ { { { { { { ,{ { - { 9{ { { { { 3{ dh-DM gdwdhgdwdh-DM gdw~~~ZI?eǂbc3ɛ{ { { { { { 3{ { { 3{ 3{ { 3{ { `&{ i!{ { 3{ i!{ r={ eU{ h{ 3{ { N/{ { { 3dh-DM gdwp,+D"c`7+hg { 3{ eU{ { { N/{ A{ {  L{ { i!{ { { { { {  L{ i!{ { { { { 3{ ;Q9{ { { { r=dh-DM gdw i"L lJ*u;~{ xq{ { i!{ { ;Q9{ { 2={ {  L{ { N/{ nc{ WG+{ { { { { { { { i!{ { i!{ { { { dh-DM gdw+f-f; ` t  4 qG?3})o..{ { { { { { { { { { { { { {{ { P{ 3{ i!{ r={ i!{ `&{ r={ { { {{ #{ eU{ dh-DM gdw.H//2U34l9F:r:y=>>> @I@hA"EcH{MN OO9PPQARRS{ { 3{ E4{ 3{ {{ eU{ 3{ { ;Q9{ { 3{ { {{ { {{ )B{ ;Q9{ Z{ {{ { 3{ { 3{ { { 3{ dh-DM gdwSSTZU#VWeX[Yv^_/``abddeAegxgggqjj2kHnno{ { 3{ { 3{ r={ 3{ { Z{ 3{ { 3{ { r={ r={ 3{ { { i!{ { { { N/{ { { ;Q9{ { dh-DM gdwoqbrrs`tRuuwwxyyyzzفUF{ `&{ 3{ { { 3{ { { {{ { 3{ { { { { { { { { 3{ { {{ { { { WG+{ ;Q9dh-DM gdwdh-DM gdwF7ҒgHIY/S $[˳ùX{ { WG+{ i!{ N/{ i!{ i!{ i!{ { - { 5{ `&{ 3{ [G{ i!{ WG+{ {{ )B{ ;Q9{ )B{ i!{ i!{ { )B{ 2={ ވdh-DM gdwdhgdwdh-DM gdwjqiq=DS[%/'+.144{ { `&{ 0{ eU{ ;Q9{ wK#{ ;Q9{ tD{ [G{  L{ 3{ 3{ { { 3{ eU{ e,{ N/{ N/{ P{ nc{ `&{ eU{ E4{ WG+{ )B{ dh-DM gdw46 9B9v9:L@@@@@A/AlBBTCCCGDDDEaFTGG`HI}I{ `&{ `&{ { { 3{ xq{ { { { { { { {{ { { { { { { { { {{ { 3{ { 3{ dh-DM gdw}II`JpKMOOdPQRS]TT(UeUVY^}bccvddfhjmPn{ { { { N/{ i!{ { { 3{ i!{ {{ { { { { r={ ;Q9{ Z{ 2={ {{ { 3{ { i!{ WG+{ r={ N/{ {dh-DM gdwPnnNoEpkppp/qq\rstuxmyyp{'8U9{ { { { { { { { 3{ { {{ { i!{ WG+{ {{ { i!{ )B{ { C{ { { { 3{ { { dh-DM gdwdh-DM gdw 2TNJAG׏[oZV˕nfϜ{ { r={ {{ { { { { {{ { { { { N/{ r={ { { `&{ { 3{ { r={ 3{ {  L{ { { 3dh-DM gdwϜˡä{[ήݰv`]Xռ{ E4{ { 3{ { 3{ { { { E4{ z{ E4{ { { { {{ 3{ 3{ { r={ { { { 3{ { ;Q9{ { E4dh-DM gdwռ 5^q} ! 7B5 { { {{ { { { { { {{ { P{ { ;Q9{ { { { r={ { { [G{ [G{ { {{ h{ { 2={ A_?{ dh-DM gdw5  *47KACCJU-W.W@WWCXXZZ3[K[:\\'`Z``a{ { Z{ "%X{ E4{ P{ WG+{ { &v{ 5{ r={ { - { ,{ { { r={ 3{ { { { { )B{ { { {dh-DM gdwdhgdwdh-DM gdwac{dZeeefhisuvNwxPyjz{x8C%^ӊύ{ i!{ { { { { { E4{ 3{ P{ WG+{ 3{ 3{ {{ 3{ {{ r={ 2={ 3{ { ;Q9{ h{ {{ { { `&{ { r=dh-DM gdwӏbwwYگsHC. R{ { N/{ { { WG+{ N/{ ;Q9{ xq{ ~{ i!{ i!{ { { { 3{ { r={ {{ 2={ { ;Q9{ 2={ { i!{ {{ 0{  Ldh-DM gdwRAxCfk1V,5> T#u { i!{ { tD{ { )B{ E4{ ;Q9{ Z{ i!{ E4{ i!{ { { { 3{ nc{ { 3{ r={ 3{ {{ 2={ {{ E4{ 3{ 3{ ncdh-DM gdw   ^ V  i0 !$"h""$%l&#''q*D-213{ { { { { i!{ N/{ { { { N/{ r={ { i!{ &v{ r={ { { { i!{ { { 3{ 3{ N/{ E4{ nc{ dh-DM gdw13 <<?m@D5FF>GoGG^HH]IIKfO0Q~QQXRhmop rHyy{ ~{ 3{ ;Q9{ {  L{ i!{ 3{ { { { { { 3{ { i!{ [G{ i!{ { { { >{ ^{ r={ 3{ `&{ 0{ 3dh-DM gdwy#>6.*c 0G#{ { { ވ{ ;Q9{  L{ #b{ r={ { G{ { - { { { 3{ { 3{ { { { 3{ 3{ { { { dh-DM gdwdhgdwdh-DM gdw#ϳ ;fC,O2~(g{ i!{ i!{ { { l{ [G{ 3{ { { { { { P{ 3{ { 2={ {{ { 3{ { { { { { { i!{ dh-DM gdw@XzjU{ WG+{ { N/{ { 2={ { { { { { ;Q9{ WG+{ r={ { { { E4{ { ;Q9{ { { { { { r={ k{ E4dh-DM gdwS5@xUpU  [#['|{ 3{ { { { { {{ { { { { N/{ 3{ ;Q9{ 3{ { [G{ {{ i!{ { { {{ { { r={ 2={ { dh-DM gdw|Xgo -!!]"#g#!$`''+((6)+.?1347?{ { { `&{ { { { { 3{ { { 3{ { 3{ { 3{ 2={ { { 3{ { N/{ `&{ ;Q9{ i!{ i!{ E4{ dh-DM gdw?B4L{LAMMNN UUkVgWSaa bMbjjj%k n=n`ppqyy{{ 2={ b{ { 3{ { {{ { l{ { 3{ { YN{ { { { :{ { { { E4{ { `&{ { {{ { { i!dh-DM gdw{{]r@0 ;ݖWt—=s'{ { ~{ { 2={ { h{ { r={ E4{ { { `&{ { { { { { { { { tD{  L{ ~{ { P{ { r=dh-DM gdwJr<.SALV3{ P{ { {  L{ eU{ ;Q9{ h{ ;Q9{ {{ i!{ )B{ ~{ WG+{ { { {{ 3{ { 3{ 3{ r={ { `&{ { 3{ `&{ 3dh-DM gdwSeg  !#+')+,T---A./3w566<77j8{ z{ h{ { h{ r={ Z{ )B{ xq{ l{ Z{ i!{ 2={ N/{ i!{ { {{ { { { i!{ )B{ `&{ { { { { 3dh-DM gdwj8>;;;=>4>>`@@9AMAAaBC EHEEPF0GHIJJSLLMO{ E4{ { { {{ { { 3{ r={ 3{ { { { 3{ r={ {{ { { 3{ { r={ { r={ { r={ { { E4dh-DM gdwOP$QQsSShT>UOWWXYZZ]S^^]__``kelfllqo{ { { 3{ r={ { { 3{ `&{ { { r={ { { E4{ { { 3{ { { { 5{ 3{ { - { 5dh-DM gdwdhgdwdh-DM gdwqoqĂ/WՄ)RXKy7-BؐN&{ `&{ { { { {{ { { { { { WG+{ { { 3{ { 3{ { { { { { ;Q9{ { { {{ { {dh-DM gdw&Z&;tȖ:#=~٘prvJZWR4ƫ{ { 3{ { 3{ { { { { { { { { { {{ { {{ `&{ { { { `&{ { { { [G{ E4{ N/dh-DM gdwƫq"!'͸7^jkh{ i!{ { xq{ r={ { { { { { r={ #b{ { { {{ { { { nc{ nc{  L{ { 3{ 3{ {  L{ { 3dh-DM gdw@8_so${jo9C  ={ { { { {{ r={ { r={ { { { {{ r={ i!{ {{ { { WG+{ 3{ { `&{ z{ `&{ )B{ 2={ )B{ [G{ WG+dh-DM gdw#* +/002D57>~@CE|HaIJLM{ { { { d0{ 2={ )B{ z{ {  L{ { { i!{ N/{ N/{ z{ r={ N/{ ;Q9{ N/{ { 3{ N/{ 3dh-DM gdwdh-DM gdwdh-DM gdwdhgdwMMNPQSXSSX~\_"cfjkmLrMrdr L&(*,{ { 3{ r={ r={ r={ { { Z{ )B{ ;Q9{ 2={ )B{ )B{ {{ `&{  L{ { $ { { { P{ ވ{ { { dh-DM gdwdhgdwdh-DM gdw,>@BX{ { dhgdwgdw $h]ha$gdwh]hgdw &`#$gdwĞʞОҞ ܼhwhwCJaJhw hw6]heAhw0J6]hw0J6]mH sH jhw6U]mH sH heAhw6]hw6]mH sH 4 00&P 1:p@Ni. A!"#$% D@D NormalCJ_HaJmHnHsHtHDA@D Default Paragraph FontRi@R  Table Normal4 l4a (k@(No ListFOF wNormal (Web)30$xxa$ZOZ w Heading 361$d2wK@&a$5B*\ph6O6 wright1$xxa$bo"b w Heading 258$d2@&a$5B*CJ\aJph04@24 wHeader  E$4 @B4 wFooter  E$6U`Q6 w Hyperlink >*B*ph.)@a. w Page Number ;66666666 6 6 6 6 6666666666666666666 6!6"6#6$6%6&6'6(6)6*6+6,6-6.6/606162636465666768696:6;6<6=6>6?6@6A6B6C6D6E6F6G6H6I6J6K6L6M6N6O6P6Q6R6S6T6U6V6W6X6Y6Z6[6\6]6^6_6`6a6b6c6d6e6f6g6h6i6j6k6l6m6n6o6p6q6r6s6t6u6v6w6x6y6z6{6|6}6~6666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666666 6 6 6 6 6666666666666666666 6!6"6#6$6%6&6'6(6)6*6+6,6-6.6/606162636465666768696:6;6, +$i,N4y;}BI`PW^uf nup|g!*&=39L% A'H.54=DKK$SXL^cjxqZw$}Pic79i$O,P$*l1 8f?FK^RYx_e`lry ܍qñe)qLGOq+ uZ!(/6G<AdHyNUv\cip8w}Ay̝";7jM y8!)h0J8z?FtNSeZ~`gnRuQ|c_Zq m#  ,lD%, 4k;]AHPO/W_el't{z.fgjnuv[ F1%d,3L;KCIFQXC`g*n@u|̓0/0uB M Z!'.5a:@EK(SZbi pw<ӎ78t  Q/ V  (  2xL NZI * !g"#$%&+ 'w()*+,U-./0b1R23C4R567E8=9:;<I=>?@ABCDEFUGSHPIJCK> LMNOP<QRQSTUVWaXYZ![\-]^_` aZbcwdeAfg h"ijgklm n.op>qr`sktduv}wxiyTz:{!|]}~Mz09a/ #j" c<u &]]S7K}2Wsx Kuz u!<cUdLTM]|}- rCQuH;\~IO=iPqP  ;   RY-[uI {2R W!"5#$Z%P&'R()c*+,-./ 0V1y23456j78@9:  c) 7:<g?|B}BGIJM`P2R,TUZW]bkosu4x{p|Mt3=ќdL`Ǥpj#"X l 2vYw *r?uAVABL`Q 8 #'+1:D]GGGIT??`@A}AA`BpCEGGdHIJK]LL(MeMNQV}Z[[v\\^`bePffNgEhkhhh/ii\jklmpmqqps'w8wzU{{{||9}} ~2TǂAGׇ[oZVˍnfϔ˙Ü{[Φݨv`]Xմ 5^qٸ}˽ ! 7B5 *,/K9;;BM-O.O@OOCPPRR3SKS:TT'XZXXY[{\Z]]]^`akmnNopPqjrsxwx8xC{%^ӂυӇbwwYڧsHC. RAxCfk1V,5> T#u ^V    i0$hl#q"D%*1+ 447m8<5>>>?o??^@@]AACfG0I~IIXJ`egh jHqq#y>z6.*c 0G#ϫ ;fCܸ,ͺO2~(g@XzjUS5@xUpU [  # [  '|Xgo-]g!`+  6!#&?)+,/7:4D{DAEEFF MMkNgOSYY ZMZbbb%c f=f`hhiqqss||]r@0 ;ݎWt=s'Jr<.SALV3Seg +!#$T%%%A&'+w-..33356466`8899M99a:; =H==P>0?@ABBSDDEGH$IIsKKhL>MOOOPQRRUSVV]WWXXcedfddqgiyz/{W|||)}R}}XKy7-B؈N&Z&;tȎ:#=~ِprvJZWR4ƣq"!'Ͱ7^jkh@8_so${jo9C = " #'((*D-/6~8;=|@aABDEEFHIKXKKP~TW"[^bceLjMjdjw L !,8080p8080p0p0000p0p000p08080@0@0p0H0H0H0P0P0P0p0X0p0p0p0h0p0p0x0p0x0x0000p0p000000p000000p0000000000p0p0000p000000p0000p000p000000000000000000000p0p0p0p0p0 0p0p0p0@0@0@0@0H0p0P0P0P0P0P000X0X0X0X0X0X0X0X0X00X0X0X0p0X0X0`0`0`0`00`0`0`0`0`0p00p0p0p0p0p0p0p0p00p0p00p0p0p0x0x0x0x00x00p0x0000p00p000p00000p0000p0p0000000000000000p00000p0000p000p0p0p00p00000000000p0000000000000000000p0000000000p0p0 0 0 0 0(0(0(00000000000000808080p0@0@0@0@0@0H0H0H000H0H0H0H0H0H0P0p0P0P0X0X0X0X0X0X0X0X00X0X0X0`0`0p0`0`0`0h0h00p0h0h0h0h0h0p000x0p0x0x0x0x0x0x0x00x0p0000p000p000000p000p000000p000p00p000p0p00p00p0p0000000p0p00p00p00p0 0p0(0(0(0p0000000p0808080808000008080x0808080808080800@0@0@0@0@0@0@0@0H0H0H0H0H0H00p0H0p0P0X0X0X0X0X0X0`0p0`0`0`0`0h0h00h0h0h0h0h0h0h0p0p0p80p0p0p0x0x0x0x0x0x00x0x0x00000000000000p0000000p0000x000000000p0p00000000p00000000p000000000000p0000000p00p000p00p0p000p0(0p08080p0p0p00H0H0H0H0P00P000p0P0P0X0X0X0p0X0X0X0X0X0p0`0p0h0h0h0h0p0p0p0p0p0x0x0p000p00000p00000p0p0p000p0000000p000p0000p0p000p0p0000p000p00000p000000p000000000000000000p0p00000000000 0 0(0p0000000p080808080800@00@0@0@0p0H0H0H0p0`0`0`0h0p0p0p0x0p0p00p0000000000000000000000p000p00000000000p0000000000p000000000000p00000000p0000000p000000p00000000p000p0000000p0000000000000p0000000p000 0 0 0p0 0(0p0(0p000p0@0@0@0@0@0p0H0H0H0p0X0X0X0p0`0`0`0`0`0p0h0h0p0p0p0p0p0x0x00p000p000000000000p00p00p000p000p00p00000p0p0000p000000p0p00000p0p00p00p00p0p0000p0 0 0 0 0 00p0 0(0p0(0(0(0(000000p0000000008080080808080808080800@0@0@0@0@0@0p0@0H0H0H0H00H0p0H0H0P0P0P0p0P0P0P0P0P0X0p0`00`0`0`0`0p0x0x0x0x0x000x0p0x000000000000000p0000000000000000000000000p000p00p00000000p00000000p0p00000p0000000p0000000p0000000p0p0p000p00p0 08000p00p0p0 0 0 00(0(0(0(0p08080p0@0@0@00@0@0@0H0H0H00H0p0P0p0X0p0`0`0p00h0h00p0p0p00@00M90 00M90`$/M90 c) 7:<g?|BGIJM`P2R,TUZW]bkosu4x{p|Mt3=ќdL`Ǥpj#"X l 2vYw *r?uAVAL`Q 8 #'+1:D]GGGIT??`@A}AA`BpCEGGdHIJK]LL(MeMNQV}Z[[v\\^`bePffNgEhkhhh/ii\jklmpmqqps'w8wzU{{{||9}} ~2TǂAGׇ[oZVˍnfϔ˙Ü{[Φݨv`]Xմ 5^qٸ}˽ ! 7B5 *,/K9;;BM-O@OOCPPRR3SKS:TT'XZXXY[{\Z]]]^`akmnNopPqjrsxwx8xC{%^ӂυӇbwwYڧsHC. RAxCfk1V,5> T#u ^V    i0$hl#q"D%*1+ 447m8<5>>>?o??^@@]AACfG0I~IIXJ`egh jHqq#y>z6.*c 0G#ϫ ;fCܸ,ͺO2~(g@XzjUS5@xUpU [  # [  '|Xgo-]g!`+  6!#&?)+,/7:4D{DAEEFF MMkNgOSYY ZMZbbb%c f=f`hhiqqss||]r@0 ;ݎWt=s'Jr<.SALV3Seg +!#$T%%%A&'+w-..33356466`8899M99a:; =H==P>0?@ABBSDDEGH$IIsKKhL>MOOOPQRRUSVV]WWXXceddqgiyz/{W|||)}R}}XKy7-B؈N&Z&;tȎ:#=~ِprvJZWR4ƣq"!'Ͱ7^jkh@8_so${jo9C = " #'((*D-/6~8;=|@aABDEEFHIKXKKP~TW"[^bceLjdjw LOy00Oy00Oy00Oy00Oy00Oy00Oy00Oy00Oy00Oy00@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0@0 @0 @0 @0 @0  0 0 0@0 = vvvyPj*3c~ .So4}IPnϜռ5 aR 13y#|?{j8Oqo&ƫM,QSTUVWXYZ[\]^_`abcdefghijklmnopqrstuvwxyz{|}~R ;bsy!!X8@0(  B S  ? b)c) 7 7::<<f?g?{B}BGGIIJJMM_P`P1R2R+T,TUUZZV]W]bbkkoossuu3x4x{{o|p|LMst23<=МќcdKL_`ƤǤopij"#!"WX kl 12uvXYvw )*qr>?tu@AUV@BKL_`PQ  78 # #''++11::DD\G]GGGGGII;Jy?ydyeyzzzzzz{{||~~ abbc23ȓɓop+,*+CD!"bc_`67*+gh̿Ϳfg hi!"KL  klIJ)*tu:;}~~*+ef,-ef:;_`st34p q F G   >?23|}!!n&o&&&G'H'''**T+U+,,k1l1E2F2q2r2x5y5666666 8 8H8I8g9h9!="=b@c@zE{EFFG GGG8H9HHHII@JAJJJKKKKLLYMZM"N#NOOdPePZQ[QuVvVWW.X/XXXYYZZ\\\\]]@]A]__w_x_____pbqbbb1c2cGfHfffggiiajbjjjkk_l`lQmRmmmooooppxqyqqqrrrryyyyyyTzUzzz{{E|F|||}}~~EF67ъҊfgGIXY./RS #$Z[ ʫ˫±ñWXۼܼijpqhipq<=CD  RSZ[./##&&)),,,,..1 1A1B1u1v122K8L88888888899.9/9k:l:::S;T;;;;;F<G<<<<<==`>a>S?T???_@`@AA|A}AAA_B`BoCpCEEGGGGcHdHIIJJKK\L]LLL'M(MdMeMNNQQVV|Z}Z[[[[u\v\\\^^``bbeeOfPfffMgNgDhEhjhkhhhhh.i/iii[j\jkkllmmpplqmqqqosps&w'w7w8wzzT{U{{{{{||||8}9}}}~ ~12STƂǂ@AFGևׇZ[noYZUVʍˍmnefߓΔϔʙ˙œÜz{Z[ͦΦܨݨuv_`\]WXԴմ  45]^pqظٸ|}ʽ˽   !  67AB45  ),*,//J9K9;;;;BBMM,O.O?O@OOOBPCPPPRRRR2S3SJSKS9T:TTT&X'XYXZXXXYY[[z\{\Y]Z]]]]]^^``aakkmmnnMoNoppOqPqirjrsswwxwxx7x8xB{C{$%]^҂ӂ΅υ҇ӇabߍvwvwXY٧ڧrsGHBC-. QR@AwxBCefjk01UV+,45=>  ST"#tu  ]^UV        hi/0#$ghkl"#p"q"C%D%**0+1+4 44477l8m8<<4>5>>>=?>?n?o???]@^@@@\A]AAACCeGfG/I0I}I~IIIWJXJ``eegghh j jGqHqqq"y#y=z>z56-.)*bc  /0FG"#Ϋϫ  :;efBC۸ܸ+,̺ͺNO12}~'(fg?@WXyzijTURS45?@wxTUopTU   Z [   " # Z [   &'{|WXfg~no,-\]fg !_`* +   5!6!##&&>)?)++,,//77::3D4DzD{D@EAEEEFFFF M MMMjNkNfOgORYSYYY Z ZLZMZbbbbbb$c%c f f333335566364666_8`8888999L9M999`:a:;; = =G=H===O>P>/?0?@@AABBBBRDSDDDEEGGHH#I$IIIrKsKKKgLhL=M>MNOOOOOPPQQRRRRUURVSVVV\W]WWWXXXXccddfdddpgqgiiyyzz.{/{V|W|||||(})}Q}R}}}WXJKxy67,-AB׈؈MN%&YZ%&:;stǎȎ9:"#<=}~ِؐopqruvIJYZVWQR34ţƣpq!" !&'̰Ͱ67]^ijjkgh?@78^_rsno#$z{ijno89BC  <=   "" # #''((((**C-D-//66}8~8;;=={@|@`AaABBDDEEEE~FFHHII KKWKXKKKPP}T~TWW!["[^^bbcceeKjMjcjdjww KL!+,|B ;LO $@0=:_m0R6]#)$8Ax >qIzO- KOg=4jh15;G3n;Q-H!| w 9i^L,b^x(y:-3G]G u9w)F[P=32g&f#f"[/ Z%qka 3Pu` -gY, mkOg P!. c 4%2JO& -+Q]%t h,|}R l7) 4m\QU 6 u|L> O5|s KOk] syTEz dH\ _ho-:`[U^t 9dwe5)4{"2u)2LXyg#>VJYK 6#E^gdygkU CeN(- }goL_|@bK~TOyA57`%i gpUmX ;sx |M'`~!~SH!V57!j-w~"K?C>c"bY]#!M2#(-# vN$Ka|M'G#f'w(OBq{w)2b)t|n)>()6lE))2e^)4g!)\ pJ*-b9)r*lC EZ*|Mz>+}g2c+"',&yL L,I7n,c j-ZV'-3-{J6{-`~!A)- s=O-gY, _/}C</NG&1n=7GvI1>c"31fQ.1t;d)1'16HJ4%25C!359_MU4GvI1 W}4L5\4qszL5Hn6e5 V5~=6^5#h@xh,6DHm~=6 W}4(>6n)Hn6Z*HZ6_/l7+t;B !;U';=B !;K3n;DGw915;u&8O=)FYP=[P=N$ s=d`NG =BX[o@><>#f'-?:J?c{zcr{? ?Z?k)Cx@O=#h@Nq;@hAc!c:BhKXC!. K?C!35C}Ck)C [D&grlC E31D/ FaCal}F1FJO& nF!qlF}vAiGpJ*E2lG{w)moG*M[`dH wGHf>qIUHCJY(L$JP{J'16HJ8gVJYKY(LgD`mkLN&yLP ]<L:BL"LmX !M M:J?FM4WYi NkLN2c+uNlFIKNuNeNd`N~TOfO"I:5P6(quP6{-3P/sPE2lG/OQ4m\Q vyfQso }UHQTEz K]*RY70R sbpR) ~S}p~S"L T)A T.mST_#TxXgpUfvonYV9ZV9exXA/Xd._Xzu{ @XlHjLX&&b4WYbY/ BEZx(r[:`[G&1f"[BX[m|',]e^)3G]-+Q]$jbv] ZmP ]<>k]k] ,8]9i^!)b^,9z#E^6`_U';_oL_i N59_"',*M[`j\OeN[`vyhEa[DaCa6\naUyKaBEZ&&bgd sb(>6 b@b2bJ{ 0hhu` nh6`_h+&UfiOg \j4j:5dlHjNcjAiGi>$GKyNkZ_[L]%^fbi@NiN2l q?sXz hz,'~wB |Q`*M7LTc[4GY9=gf__iMfWK[[ ZK@,88`@`UnknownGz Times New Roman5Symbol3& z Arial;SimSun[SO"1h²&Ͳ& HN;cHN;c!d42q H ?= Franz Kafka ;LO $@0=: ;LO $@0=:Oh+'0t  0 < HT\dl Franz Kafkaran Normal 1Microsoft Word 10.0@d@@7;HN՜.+,D՜.+,D hp   Franklang.rufcA  Franz Kafka Title 8@ _PID_HLINKSAlhttp://www.franklang.ru/  !"#$%&'()*+,-./0123456789:;<=>?@ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ[\]^_`abcdefghijklmnopqrstuvwxyz{|}~      !"#$%&'()*+,-./0123456789:;<=>?@ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ[\]^_`abcdefghijklmnopqrstuvwxyz{|}~      !"#$%&'()*+,-./0123456789:;<=>?@ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ[\]^_`abcdefghijklmnopqrstuvwxyz{|}~      !"#$%&'()*+,-./0123456789:;<=>?@ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ[\]^_`abcdefghijklmnopqrstuvwxyz{|}~      !"#$%&'()*+,-./0123456789:;<=>?@ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ[\]^_`abcdefghijklmnopqrstuvwxyz{|}~      !"#$%&'()*+,-./0123456789:;<=>?@ABCDEFGHIJKLMOPQRSTUWXYZ[\]jRoot Entry F0l1TableܘWordDocument6 SummaryInformation(NDocumentSummaryInformation8VCompObjj  FMicrosoft Word Document MSWordDocWord.Document.89q